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Anwendungsmöglichkeiten für Energiespeicher im Verteilnetz

39 3.3 Anwendungsmöglichkeiten für Energiespeicher im Verteilnetz

Auf Verteilnetzebene eignen sich je nach Anwendung vor allem Batteriespeicher auf Basis von Blei-Säure-, Lithium- oder Redox-Flow-Technologie (siehe Kapitel 3.1.2). Als Betreiber kommen dabei sowohl Haushaltsverbraucher, Gewerbe, Netzbetreiber oder andere Energie-versorgungsunternehmen in Frage, welche je nach Anforderungen einen marktorientierten, netzdienlichen oder autarkiegradsteigernden Betrieb anstreben.

3.3.1 Unterbrechungsfreie Stromversorgung

Anlagen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV-Anlagen) dienen der zeitlich be-grenzten Überbrückung von Störungen des Stromnetzes der öffentlichen Versorgung. Vor allem bei kritischen Lasten wie Krankenhäusern oder Rechenzentren stellen USV-Anlagen auch bei vollständigem Ausfall des öffentlichen Netzes eine lückenlose Energieversorgung sicher und sind damit für viele dieser Verbraucher ein unverzichtbarer Bestandteil ihrer Infra-struktur. Da USV-Anlagen maximale Umschaltzeiten von nur wenigen Millisekunden besit-zen dürfen, kommen hierfür vornehmlich Akkumulatoren zum Einsatz, allerdings existieren auch Anbieter von Schwungradspeichern für diesen Zweck. Wird, wie beispielsweise bei Krankenhäusern, die Möglichkeit zur Notstromversorgung über einen längeren Zeitraum be-nötigt, erfolgt oftmals eine Ergänzung der USV-Anlagen mit Notstromaggregaten, welche Anlaufzeiten von mehreren Sekunden besitzen.

Im Normalbetrieb handelt es sich bei USV-Anlagen somit um an das Netz gekoppelte und vollgeladene Akkumulatoren im Stand-By-Betrieb, welche bei Ausfall des öffentlichen Net-zes die Versorgung der angeschlossenen Verbraucher übernehmen. Aufgrund der damit ein-hergehenden geringen Zyklisierung und der wegen ihres stationären Betriebes generell niedri-gen Anforderunniedri-gen an die Energiedichte von USV-Anlaniedri-gen wird bei diesen aufgrund des großen Kostenvorteils nahezu ausschließlich auf die bewährte Blei-Säure-Technologie ge-setzt.

Bei Batteriespeichern zum Betrieb als USV-Anlagen handelt es sich um weitgehend passive Betriebsmittel, deren Einsatz im Regelfall keine Auswirkungen auf das elektrische Energie-versorgungsnetz besitzt. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt deshalb keine weitere Behandlung dieser Speicheranwendung.

3.3.2 Erhöhung des Eigenverbrauchs aus dezentralen Erzeugungsanlagen

Eine mittlerweile ebenfalls bewährte Anwendung für Batteriespeicher ist der sogenannte Heimspeicher (siehe Kapitel 4). Dabei handelt es sich um Batteriespeicher, welche überschüs-sige Energie aus dezentralen Erzeugungsanlagen wie vor allem Photovoltaikgeneratoren zwi-schenspeichern und bei Bedarf wieder an den Anlagenbetreiber zu dessen Lastdeckung abge-ben können. Bei dem dabei wirkenden Geschäftsmodell handelt es sich um die Erhöhung der Eigenverbrauchsquote RE, also um die Erhöhung des Anteils selbstverbrauchten Stromes an der gesamten Stromerzeugung, welche eine Reduktion der Strombezugskosten zur Folge hat.

Die Eigenverbrauchsquote wird dabei in Prozent angegeben und berechnet sich gemäß (3.10).

Die Eigenverbrauchsquote wird oft in Zusammenhang mit der Autarkiequote RA genannt,

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welche den Anteil des selbsterzeugten Stromes am Gesamtstromverbrauch Wver wiedergibt und gemäß (3.11) berechnet wird.

𝑅𝐸 = 𝑊𝑒𝑖𝑔

𝑊𝑒𝑟𝑧 ∙ 100 % (3.10)

𝑅𝐴 =𝑊𝑒𝑖𝑔

𝑊𝑣𝑒𝑟 ∙ 100 % (3.11)

Aufgrund der nicht zu vernachlässigenden Zyklisierung von etwa einem Vollzyklus pro Tag und der im Vergleich zu den Investitionskosten geringen Kosteneinsparungen durch Erhö-hung der Eigenverbrauchsquote ist bei Heimspeichern eine optimale Kombination aus hoher Zyklenfestigkeit und möglichst geringen Kosten wichtig. Gemäß einer Erhebung in [Kai15]

aus dem Jahre 2015 konnte sich dabei die Lithium-Ionen-Technik durchsetzen, auf welcher Mitte 2014 etwa 57 % der in Deutschland verkauften Heimspeicher basieren. Bei den restli-chen 43 % handelte es sich um Blei-Säure-Speicher. Nach den Untersuchungsergebnissen in [Kai16] wurde die Blei-Säure-Technologie bereits Ende 2015 nahezu vollständig vom Markt verdrängt und machte weniger als 10 % der neu installierten Systeme aus, wobei sich auch zunehmend Hersteller von Redox-Flow-Heimspeichern am Markt positionieren [pvm16a].

Die durchschnittliche nutzbare Speicherkapazität lag nach den Untersuchungsergebnissen aus [Kai16] Ende 2015 bei etwa 5,5 kWh für Li-Ionen- und 9,5 kWh für Blei-Säure-Batterien, was mit der geringeren nutzbaren Speicherkapazität bei der Blei-Säure-Technik aufgrund de-ren schlechterer Zyklenfestigkeit begründet werden kann. Neben Haushaltsverbrauchern mit eigener Photovoltaikanlage können Speicher zur Erhöhung des Eigenverbrauches aber auch von gewerblichen Verbrauchern genutzt werden, allerdings hat sich diese Anwendung für solche Verbraucher aufgrund deren geringen Überschussproduktion von selbsterzeugtem Strom bisher nicht durchgesetzt.

3.3.3 Lastspitzenkappung

Die Lastspitzenkappung, oftmals auch als „Peak-Shaving“ bezeichnet, stellt vor allem für gewerbliche Verbraucher mit hohen Lastspitzen eine zunehmend interessante Anwendung für Batteriespeichersysteme dar. Diese müssen in der Regel ab einem Jahresstromverbrauch von 100.000 kWh zuzüglich zum Arbeitspreis in €/kWh je nach Jahres- oder Monatshöchstlast auch einen jährlichen bzw. monatlichen Leistungspreis in €/kW bezahlen. Sofern es sich bei diesen Höchstlasten um zeitlich stark begrenzte Lastspitzen handelt, können diese anstelle des öffentlichen Netzes aus einem Pufferspeicher bereitgestellt werden. Dies kann je nach Ver-braucher ein erhebliches Kostensenkungspotential beherbergen und wird oftmals bereits durch die intelligente Steuerung von Lasten (Demand-Side-Management) oder den Betrieb eigener Stromaggregate durchgeführt. Zum aktuellen Zeitpunkt verhindern die hohen Investi-tionskosten für Batteriespeicher noch deren Marktreife für diese Anwendung.

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41 Aufgrund der geringen Netzrückwirkungen und der vergleichsweise simplen Umsetzung von Batteriespeichern zur Lastspitzenkappung erfolgen im Rahmen dieser Arbeit keine Untersu-chungen zu diesem Thema.

3.3.4 Erbringung von Netzdienstleistungen

Netzdienstleistungen tragen zu einer tatsächlichen physikalischen Entlastung des Stromnetzes sowie zu einer Verbesserung der Spannungsqualität bei. Vor allem auf der durch eine hohe Durchdringung mit dezentralen Erzeugungsanlagen charakterisierten Niederspannungsebene können Netzdienstleistungen zu einer Vermeidung von Netzausbau und somit zu einer besse-ren Integration von erneuerbabesse-ren Energien beitragen. Bei den beiden wichtigsten Anwendun-gen in diesem Kontext handelt es sich um die Entlastung von Netzbetriebsmitteln wie Trans-formatoren und Leitungen sowie die statische Spannungshaltung.

Batteriespeicher eignen sich mit ihrer Fähigkeit sowohl positive als auch negative Wirk- und Blindleistung bereitstellen zu können hervorragend zur Erbringung von Netzdienstleistungen.

Dabei konkurrieren sie mit modernen Betriebsmitteln wie regelbaren Ortsnetztransformato-ren, Längsreglern oder blindleistungsfähigen Wechselrichtern, welche zum aktuellen Zeit-punkt neben dem konventionellen Netzausbau meist die deutlich kostengünstigere Alternative darstellen. Batteriespeicher bieten jedoch die Möglichkeit zur Kombination mehrerer Anwen-dungen, welche die Kosten für die einzelnen Anwendungen deutlich senken und vor allem im Bereich der Netzdienstleistungen eine Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen können. Aufgrund der gesetzlichen Entflechtung zwischen Netzbetrieb, Stromerzeugung und Stromvertrieb ge-mäß Teil 2 EnWG ist eine solche Kombination in der Realität allerdings nur schwer umsetz-bar und verhindert somit die marktwirtschaftlich getriebene Integration von netzdienlichen Batteriespeichern.

3.3.5 Erbringung von Systemdienstleistungen

Unter Systemdienstleistungen versteht man in der Elektrizitätsversorgung nach Auffassung der Übertragungsnetzbetreiber diejenigen Leistungen, welche für die Funktionstüchtigkeit des Systems unbedingt erforderlich sind. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Frequenzhaltung, Spannungshaltung, Versorgungswiederaufbau und System-/Betriebsführung.

Dabei stellt vor allem die zur Frequenzhaltung notwendige Bereitstellung von Regelleistung und insbesondere die Primärregelleistung aufgrund deren hohen Vergütung durch die Über-tragungsnetzbetreiber ein attraktives Anwendungsfeld für Batteriespeicher dar (siehe Kapitel 4.4.1). Ein Einsatz zur Spannungshaltung auf Systemebene oder zur Bereitstellung von Schwarzstartenergie zur Wiederherstellung der Versorgung nach Netzausfällen kommt für Batteriespeicher zwar generell ebenfalls als Anwendung in Frage, jedoch ist aufgrund der dafür erforderlichen hohen Speicherkapazität und der fehlenden Vergütung eine Entwicklung von entsprechenden Geschäftsmodellen unwahrscheinlich.

3.3.6 Stromhandel

Eine klassische Anwendung für Energiespeicher jeglicher Art stellt der Stromhandel an der Börse für Stromspotmärkte EPEX SPOT dar. In Kombination mit der Erbringung von

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leistung handelt es sich dabei schon heute um das übliche Geschäftsmodell für Pumpspei-cherkraftwerke. Vor allem mit dem zunehmenden Ausbau erneuerbarer Energien in Kombina-tion mit der mangelnden Flexibilität konvenKombina-tioneller Kraftwerke kommt es am Spotmarkt zunehmend auch zu negativen Börsenpreisen für Strom (siehe Abbildung 3.8). Die damit ein-hergehenden großen Preisschwankungen können von Energiespeichern durch entsprechende Lade- und Entladevorgänge zur Erlösgenerierung genutzt werden. Durch diese Art von Stromhandel kann jedoch gemäß den Untersuchungsergebnissen aus [FFE14] selbst in Kom-bination mit der Erbringung von Sekundärregelleistung keine Wirtschaftlichkeit für Pump-speicherkraftwerke erreicht werden.

Abbildung 3.8: Durchschnittlicher Börsenpreis für Viertelstundenkontrakte am Intradaymarkt in der ersten Hälfte des Monats September 2015 (Quelle: EPEX SPOT).

Da diese momentan die kostengünstigste Form der elektrischen Energiespeicherung darstel-len, ist mit diesem Geschäftsmodell auch für Batteriespeicher keine Wirtschaftlichkeit zu er-warten. Durch eine Kombination mit der deutlich höher vergüteten Primärregelleistung oder anderen Anwendungen wie Netzdienstleistungen oder der Erhöhung des Eigenverbrauches wäre dies jedoch gegebenenfalls möglich.

3.4 Zusammenfassung

43 3.4 Zusammenfassung

Für die Anwendung auf Nieder- und Mittelspannungsebene sind elektrochemische Energie-speicher aufgrund ihrer Skalierbarkeit und Flexibilität bezüglich des Installationsortes beson-ders gut geeignet. Je nach Anwendung kommen dabei insbesondere Blei-Säure- oder Lithium-Ionen-Akkumulatoren zum Einsatz, welche sich aufgrund ihrer überlegenen Kombination aus niedrigen Investitionskosten und hoher Lebensdauer gegen konkurrierende Technologien durchsetzen konnten.

Vor allem für den Einsatz als USV-Anlagen, als Zwischenspeicher für Photovoltaikstrom und im Bereich der Bereitstellung von Primärregelleistung konnten sich Batteriespeicher bereits am Markt etablieren, allerdings stellen vor allem bei Letzteren die hohen Investitionskosten noch immer ein großes Hemmnis dar. Weitere mögliche Anwendungen wie die Bereitstellung von Netzdienstleistungen, der Handel mit Strom an der Börse oder die gemeinschaftliche Nutzung eines Speichers für verschiedene Anwendungen werden zum aktuellen Zeitpunkt noch durch unklare rechtliche Definitionen, die gesetzliche Entflechtung von Energieversor-gungsunternehmen und etwaige Doppelbelastungen durch gesetzliche Abgaben weitgehend verhindert.