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Da jeder Einsatz von Antibiotika, unabhängig davon, ob er fachgerecht erfolgt, zu einer Entwicklung von Resistenzen führen kann, wurden Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit Antibiotika entwickelt (BTK 2015). Antibiotika dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn eine Empfindlichkeit des ursächlichen Erreger gegenüber dem einzusetzenden Wirkstoff belegt oder mit hoher Sicherheit angenommen werden kann (SCHWARZ et al. 2003; BTK 2015). Ein geeignetes Instrument zur Feststellung der Wirksamkeit eines Antibiotikums ist die Antibiotika-Empfindlichkeitsprüfung. Für alle typischen Mastitiserreger sind bereits viele Resistenzen gegenüber antimikrobiellen Wirkstoffen bekannt, auch Resistenzen gegen Makrolide wurden nachgewiesen (LÜTJE u. SCHWARZ 2006; FEßLER et al.

2010a; LINDEMAN et al. 2013; PINTO et al. 2013). Da mit der Milch leicht eine Probe dieses Organsystems gewonnen werden kann, sollte vor oder in akuten Fällen parallel zu jeder Antibiotika-Therapie eine Mastitisdiagnostik inklusive Resistenztest eingeleitet werden.

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1.4.1. Methoden der Antibiotika-Empfindlichkeitsprüfung

Die für die Antibiotika-Empfindlichkeitsprüfung zur Verfügung stehenden Methoden werden in zwei Gruppen eingeteilt. Man unterscheidet zwischen Diffusionsverfahren und Dilutionsverfahren.

Im Agardiffusionstest, der auch als Plättchentest bekannt ist, wird der zu testende antimikrobielle Wirkstoff in einer bestimmten Konzentration auf einem Trägerstoff, ein Papierplättchen, aufgebracht. Diese Testplättchen sind kommerziell erhältlich. Die Plättchen werden auf einen Nährboden, der zuvor homogen mit dem zu testenden Erreger beimpft wurde, aufgelegt und der Wirkstoff kann in den Nährboden diffundieren. Um das Testplättchen herum entsteht ein Wirkstoffgradient. Während der sich anschließenden Bebrütung können die Keime in Abhängigkeit von dem entsprechenden Wirkstoffgradienten auf diesem Nährboden wachsen. Um die Testplättchen herum können Zonen ohne Wachstum, sogenannte Hemmhöfe, entstehen, deren Hemmhofdurchmesser (HHD) gemessen und interpretiert werden.

Dieser Test stellt das aktuell preisgünstigste Verfahren der Resistenztestung dar. Ein Nachteil dieser Testmethode besteht darin, dass sie nicht dazu geeignet ist, minimale Hemmkonzentrationen (MHK-Werte) zu ermitteln (BUß et al. 2012).

Bei den Dilutionsverfahren handelt es sich um Reihenverdünnungstests. Von dem zu testenden Wirkstoff wird eine Reihenverdünnung, meist als zweifache Verdünnungsreihe, erstellt. Eine definierte Menge eines Erregers wird zugegeben und mit den so erstellten unterschiedlichen Konzentrationen inkubiert. Die niedrigste Wirkstoffkonzentration, bei der kein sichtbares Bakterienwachstum mehr feststellbar ist, gilt als MHK. Das Bouillon-Dilutionsverfahren unter Verwendung von flüssigen Nährmedien kann in Reagenzgläsern als Makrodilution oder auf einer Mikrotiterplatte als Mikrodilution durchgeführt werden. Es können aber auch feste Nährmedien verwendet werden und eine Agardilution durchgeführt werden. Die Dilutionsverfahren ermöglichen eine quantitative Aussage zum Grad der Empfindlichkeit von Erregern.

Diese Methode ist allerdings aufwendiger und teurer als der Agardiffusionstest (BUß et al. 2012). Mit Hilfe der MHK-Bestimmung kann im Rahmen von Studien die Verteilung der MHK-Werte innerhalb von Populationen verglichen werden. Zur

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besseren Vergleichbarkeit werden die MHK50- und MHK90-Werte bestimmt. MHK50 ist der MHK-Wert, bei dem mindestens 50% der untersuchten Isolate gehemmt oder abgetötet werden. MHK90 gibt den Wert an, bei dem mindestens 90% der Isolate gehemmt oder abgetötet werden. Wenn der MHK50- und MHK90-Wert weit auseinander liegen, ist der Abstand zwischen den vermeintlich resistenten und vermeintlich sensiblen Isolaten groß, dies spiegelt sich in einer bimodalen Verteilung der MHK-Werte nieder. Bei einer gleichmäßigen Verteilung der MHK-Werte ist der Abstand zwischen MHK50 und MHK90 klein, hier liegt meist eine unimodale Verteilung vor (SCHWARZ et al. 2010).

Der Epsilon-Test oder E-Test kombiniert Agardiffusionstest und MHK-Testung. Ein Kunststoffstreifen, der einen Wirkstoffgradienten enthält, wird auf einen beimpften Nährboden gelegt und inkubiert. Wenn sich ein Hemmhof gebildet hat, kann an dem Schnittpunkt des Streifens mit dem Hemmhof der MHK-Wert mit Hilfe der aufgedruckten Skala ausgewertet werden. Der Epsilon-Test gilt als zuverlässiger und robuster Test, dessen Ergebnisse gut mit den MHK-Ergebnissen aus dem Dilutionsverfahren korrelieren. Dieses Verfahren ist momentan allerdings sehr teuer und es gibt nur für wenige rein veterinärmedizinisch genutzte Wirkstoffe entsprechende Teststreifen (ALTREUTHER 1997; SCHWARZ et al. 2003).

Zwischen MHK-Werten und Hemmhofdurchmessern gibt es eine Korrelation. Je größer der HHD, desto niedriger ist der MHK und je kleiner der Hemmhof ist, desto höher ist der MHK-Wert. Minimale Hemmkonzentrationen und Hemmhofdurchmesser können in einem Scattergram, einem Streuungsdiagramm, gegeneinander aufgetragen und verglichen werden. Der für ein Isolat ermittelte MHK-Wert und der HHD-Wert sollten jeweils beide in dieselbe Bewertungsklasse fallen. Wenn ein Isolat für den einen Wert als intermediär und für den anderen als resistent oder sensibel gewertet wird, wird dies als geringfügiger Fehler („minor error“) bezeichnet. Wenn der MHK-Wert von einem Isolat als sensibel gewertet wird, während der HHD in die Kategorie resistent fällt, wird dies als großer Fehler angesehen und als „major error“

bezeichnet. Wenn aber ein Isolat anhand seines HHD-Wertes als sensibel gewertet wird und der MHK-Wert als resistent gilt, wird dies als größtmöglicher Fehler

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gewertet und als „very major error“ eingestuft (JORGENSEN et al. 1999). Diese unterschiedliche Beurteilung ist darin begründet, dass die im Reihenverdünnungsverfahren ermittelten MHK-Werte als besser standardisiert und daher verlässlicher gelten. In vielen Diagnostiklaboratorien wird aber aus Kostengründen der Agardiffusionstest durchgeführt. Ein fälschlich als unwirksam gewerteter Wirkstoff würde nur die Auswahlmöglichkeiten für die Therapie einschränken. Ein falsch als wirksam gewerteter Wirkstoff hingegen kann erhebliche Konsequenzen für den Patienten haben und ein Therapieversagen beim Einsatz dieses Wirkstoffes nach sich ziehen (SCHWARZ et al. 2003)

1.4.2. Qualitätskontrolle

Wie von JORGENSEN und TURNIDGE (2003) beschrieben ist es unerlässlich, zur Validierung der Methoden Qualitätskontrollen durchzuführen. Zur Qualitätskontrolle gehört neben der Funktionskontrolle auch eine Sterilitätskontrolle der eingesetzten Nährmedien. Für die Qualitätskontrolle werden definierte und standardisierte Referenzstämme eingesetzt. Die Testung dieser Qualitätskontrollstämme darf nicht von den Bedingungen abweichen, die für das Untersuchungskollektiv genutzt werden. Die entsprechenden Qualitätskontrollbereiche sind jeweils spezifisch für die jeweilige Methode in Kombination mit einem bestimmten Referenzstamm. Eine Übertragung von Qualitätskontrollbereichen auf eine andere Spezies oder eine andere Methode ist nicht zulässig. Mit Hilfe der Qualitätskontrolle kann festgestellt werden, ob es im Verlauf der Durchführung der Empfindlichkeitsprüfung zu Abweichung gekommen ist. Weichen die ermittelten Werte von den vorgegeben Qualitätskontrollbereichen ab, müssen alle, zusammen mit der Qualitätskontrolle durchgeführten, Untersuchungen wiederholt werden. Mögliche Fehlerquellen bei der Empfindlichkeitsprüfung sind zum Beispiel kontaminierte Medien, zu alte Medien, Abweichungen in der Inkubationszeit oder der Bebrütungstemperatur, eine falsche Inokulumdichte oder nicht ordnungsgemäß aufgelegte Wirkstoffträger.

33 1.4.3. Klinische Grenzwerte

Um eine Voraussage in Hinblick auf einen zu erwartenden Therapieerfolg treffen zu können, werden klinische Grenzwerte verwendet. Diese sind jeweils spezifisch für die Anwendung eines bestimmten antimikrobiellen Wirkstoffs, in Kombination mit einer definierten Indikation (z. B. Mastitis) in einer bestimmten Zieltierart (z. B. Rind), in einem bestimmten Organ oder Gewebe (z. B. Euter), verursacht durch einen bestimmten Erreger (z. B. S. uberis). Diese klinischen Grenzwerte dürfen nicht übertragen werden, auch nicht auf ähnliche Wirkstoffe oder eine andere Tierart bei gleicher Indikation. Es kann aber vorkommen, dass die gleichen klinischen Grenzwerte für mehrere Bedingungen existieren. Zum Beispiel können gleiche klinische Grenzwerte für einen antimikrobiellen Wirkstoff zum Einsatz bei Mastitiden von Rindern hervorgerufen durch Staphylokokken, Streptokokken und coliforme Keime gelten (SCHWARZ et al. 2010).

Um klinische Grenzwerte festlegen zu können, müssen eine Reihe von Daten erhoben werden. BÖTTNER und Kollegen (2000) haben die benötigten Daten aufgelistet und erläutert. Neben der In-vitro-Empfindlichkeit eines bestimmten Erregers, werden zum Beispiel auch allgemeine Informationen wie Darreichungsform, Dosierung, chemische Struktur und Löslichkeit benötigt. Auch die Pharmakokinetik und klinische Wirksamkeit müssen ermittelt werden. Nur wenn alle Daten vorliegen, können klinische Grenzwerte ermittelt werden, eine Vereinfachung des Verfahrens ist nicht zulässig.

Bisher gibt es allerdings noch nicht für alle antimikrobiellen Wirkstoffe und Indikationen veterinärspezifische klinische Grenzwerte. Viele Grenzwerte wurden aus der Humanmedizin übertragen. Da es aber große Unterschiede zwischen Menschen und Tieren hinsichtlich des Erregerspektrums und der Pharmakokinetik gibt, ist eine Übertragung ohne Überprüfung nicht möglich oder wissenschaftlich vertretbar (BÖTTNER et al. 2000). Um gezielt Methoden und Interpretationskriterien für die Veterinärmedizin zu entwickeln, wurde 1993 im National Committee for Clinical Laboratory Standards (NCCLS, ab 2005 umbenannt in Clinical and Laboratory Standards Institute, kurz CLSI) das Subcommittee on Veterinary Antimicrobial

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Susceptibility Testing (VAST) gegründet (WATTS u. LINDEMANN 2006). Das CLSI verfügt über die größte Datenbank an veterinärspezifischen klinischen Grenzwerten und Methoden zur standardisierten Empfindlichkeitsprüfung. Daher wird empfohlen bei der Empfindlichkeitstestung von Tieren stammender Erreger die Durchführungsvorschriften des CLSI zu nutzen (SCHWARZ et al. 2003). In den veterinärspezifischen CLSI-Dokumenten befinden sich aber auch eine Reihe von klinischen Grenzwerten, die aus den humanspezifischen CLSI-Dokumenten übernommen wurden. Diese wurden nur in das Dokument übernommen, wenn es keine veterinärspezifischen Grenzwerte gab und die Werte geeignet erschienen. Es wird angestrebt die humanspezifischen Grenzwerte nach und nach durch veterinärspezifische Grenzwerte zu ersetzen. Zur besseren Unterscheidung sind die humanspezifischen Grenzwerte in den veterinärspezifischen CLSI-Dokumenten farblich gekennzeichnet (CLSI 2015a). Für Mastitiserreger stehen aktuell leider nur für drei Wirkstoffe (Pirlimycin, Ceftiofur und Penicillin/Novobiocin) vom CLSI anerkannte veterinärspezifische Grenzwerte zur Verfügung (CLSI 2015a), wobei in Deutschland lediglich Pirlimycin für die Mastitistherapie zugelassen ist (VETIDATA 2016). Weitere klinische Grenzwerte für Mastitis beim Rind wurden aber erarbeitet und publiziert, wie zum Beispiel die klinischen Grenzwerte für Ubrolexin (PILLAR et al. 2014) und Cefoperazon (FEßLER et al. 2012, 2016).

1.4.4. Interpretation der ermittelten Daten

Die mit Hilfe der Antibiotika-Empfindlichkeitsprüfung in vitro ermittelten MHK-Werte oder Hemmhofdurchmesser können mit Hilfe von klinischen Grenzwerten beurteilt werden. Dabei wird eine Einteilung in die Kategorien sensibel, intermediär und resistent vorgenommen. Die Einteilung erfolgt in Hinblick auf den zu erwartenden Therapieerfolg. Ein Keim wird in vitro als sensibel für einen bestimmten Wirkstoff eingeordnet, wenn zu erwarten ist, dass eine Therapie nach den üblichen Behandlungsvorgaben erfolgreich sein wird. Ein Keim gilt als resistent, wenn trotz Erreichen der höchst möglichen Konzentration am Wirkungsort bei üblicher Dosierung eines Wirkstoffs, ein Behandlungserfolg unwahrscheinlich ist. Als

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intermediär wird das Ergebnis interpretiert, wenn der Therapieerfolg zweifelhaft ist.

Der intermediäre Bereich stellt zudem eine Pufferzone zwischen sensibel und resistent da. Für eine Behandlung mit einer als intermediär einzustufenden Substanz ist eventuell eine höhere Dosierung notwendig. Eine Erhöhung der Dosis kann aber zu Problemen führen, da nur für die zugelassenen Dosierungen definierte Wartezeiten vorliegen oder höhere Dosierungen aufgrund einer geringen therapeutischen Breite nicht indiziert sein können (CLSI 2011).

Bei in vitro ermittelter Empfindlichkeit eines bestimmten Bakteriums gegenüber einem bestimmten Wirkstoff kann trotz korrekter Diagnostik und fachgerechtem Resistenztest, der Erreger in vivo für diesen Wirkstoff unempfindlich sein. Dies ist der Fall, wenn die Bakterien unter der Therapie Resistenzgene erwerben, das Medikament den Wirkungsort aufgrund besonderer Bedingungen nicht erreichen kann oder die Keime im Gewebe einen Biofilm bilden, den sie im Labor nicht gezeigt haben (RICHTER et al. 2006). Aber auch eine In-vitro-Unempfindlichkeit bei vorliegender In-vivo-Empfindlichkeit ist möglich, wenn sich der Wirkstoff in bestimmten Geweben oder Zellen anreichert. Die Konzentration kann dann im Vergleich zur Konzentration im Blut um ein vielfaches höher sein. Durch diese Anreicherung kann ein erhöhter Wirkstoffspiegel über längere Zeit bestehen bleiben.

Auch ist möglich, dass bei vorliegender vitro-Unempfindlichkeit die scheinbare In-vivo-Empfindlichkeit allein auf dem Erfolg des Immunsystems beruht. Generell sollte aber eine Substanz, gegen die der nachgewiesene Erreger in vitro eine Unempfindlichkeit zeigt, nicht zur Behandlung der entsprechenden Infektion eingesetzt werden (RICHTER et al. 2006; KROKER et al. 2007).

Eine andere Möglichkeit der Interpretation der mittels Antibiotika-Empfindlichkeits-testung ermittelten Werte, bieten die Epidemiologischen Cut-Off-Werte (ECOFFs).

Diese Werte sind nicht geeignet, die In-vitro-Empfindlichkeit mit der In-vivo-Empfindlichkeit in Bezug zu setzten. Mit den ECOFFs können Daten zur Verteilung von MHK- und HHD-Werten verglichen werden und zeitliche und regionale Änderungen verfolgt werden. Dies ermöglicht eine frühzeitige Erkennung von sich entwickelnden Resistenzen. Bei den ECOFFs wird zwischen „Wildtyp“ und

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Wildtyp“-Populationen unterschieden. Als „Wildtyp“ wird die Populationen mit den größten Hemmhofdurchmessern bzw. kleinsten MHK-Werten bezeichnet. Von diesen wird angenommen, dass sie über keine Resistenzmechanismen verfügen. Bei der

„Nicht-Wildtyp“-Population dagegen werden erworbene Resistenzmechanismen vermutet, die sich in höheren MHK-Werten bzw. kleineren Hemmhöfen zeigen und die „Nicht-Wildtyp“-Population von der verbleibenden vermeintlich empfindlichen

„Wildtyp“-Population unterscheidet (SCHWARZ et al. 2014).