• Keine Ergebnisse gefunden

1.3 E NTWICKLUNG DER K ONSILIARPSYCHIATRIE IN D EUTSCHLAND

1.3.1 Anfänge

Tölle (1990) hat darauf hingewiesen, daß bereits in den 30er Jahren der Nervenarzt Friedrich Mauz konsiliarpsychiatrische Ansätze verfolgt hat, in Verbindung mit dem Bemühen der Integration der Psychoanalyse in die klinische Psychotherapie (Bepperling 1994, S.254f.). Ein erster ausführlicher Bericht über die Probleme einer integrierten psychiatrischen Tätigkeit im Allgemeinkrankenhaus wurde von Radebold (1971) aus Berlin vorgelegt, der an die Arbeit George Henry’s (1929) erinnert und den Weg von anfänglicher Ablehnung hin zu wachsender Akzeptanz durch die Mitarbeiter der somatischen Abteilungen beschreibt, wobei als ein wesentliches Agens Elemente einer Liaisontätigkeit genannt werden, wie z.B. gemeinsame Visiten am Krankenbett. Eine erste systematische Übersicht praktischer Konsiliarpsychiatrie wurde in der zweiten Auflage des Handbuchs Psychiatrie der Gegenwart (Kisker et al. 1972) von Bönisch und Meyer unter dem Titel „Extremsituationen medizinischer Behandlung“

vorgelegt. Eine zunehmende Bedeutung psychiatrischer Liaisontätigkeit im

Allgemeinkrankenhaus angesichts der Technologisierung der modernen Medizin wurde erwartet (Bönisch & Meyer 1975).

Die erste konzeptuelle Darstellung moderner Konsiliarpsychiatrie in Deutschland stammt von Böker, der in einer Artikelserie Aufgaben und Möglichkeiten der Psychiatrie in Zusammenarbeit mit dem Allgemeinkrankenhaus näher zu bestimmen suchte (Böker 1973 a,b,c). Er wies darauf hin, daß die Psychiatrie, während sie ihr therapeutisches Spektrum unzweifelhaft im Aktionsfeld der Sozialpsychiatrie erweitert habe, von einer vorwiegend medizinisch-klinischen Orientierung abgerückt sei. An den Allgemeinkrankenhäusern erschöpften sich Fall-zu-Fall-Konsultationen im Bemühen, „störrische Psychopathen, Selbstmordgefährdete und offenkundig psychotisch Kranke aus dem Stationsbetrieb auszugliedern und in psychiatrische Anstalten einzuweisen“, wogegen doch „moderne Psychiatrie ... durch das Tor der Neurosenpsychologie und

Psychosomatik mit geschärftem Interesse auf Phänomene körperlich-seelischer Verknüpfungen und ... auf krisenhafte psychopathologische Vorgänge (blicke), die sich in der Population des modernen allgemeinen Krankenhauses beobachten lassen“ (Böker 1973a). Biographische Krisen akut Erkrankter, ausgelöst durch eine gestörte Balance gewohnter sozialer

Kommunikation bei Herzinfarkt oder Hepatitis, oder überhaupt durch den „Eintritt in das

technische Labyrinth der diagnostischen Mühle“, stellten einen ernst zu nehmenden

Anpassungsstress für jeden Kranken dar, der zu schweren psychopathologischen Reaktionen führen könne, gerade in Verbindung mit „Überwältigungsängsten“ durch die komplexe, immer anonymer werdende Untersuchungs- und Heiltechnik einer Krankenhauswelt, die Züge einer totalen Institution aufweise und deren Administratoren der Blick für das „anthropologische Gesamtfeld“ (Schipperges) der Begegnung von Patienten und Krankenhausbedinsteten

abhanden gekommen sei (Böker 1973c). Unter Bezug auf amerikanische Vorbilder und vor dem Hintergrund der eigenen Konsiliartätigkeit am Universitätsklinikum Mannheim forderte er, daß es der modernen Psychiatrie nicht genügen dürfe, „nur den einzelnen Patienten isoliert von seiner Umwelt ins Blickfeld zu rücken. Das traditionelle Muster gelegentlicher fachärztlicher Besuche am Krankenbett scheint den neuen Aufgaben nicht mehr gerecht werden zu können.

Die Zusammenarbeit mit allen am Krankenhaus Tätigen ist deshalb keine modische Forderung, sondern unbedingte Notwendigkeit, da sie Informationen für eine genauere Diagnose und Ansätze für eine wirkungsvolle Therapie bietet“ (Böker 1973c). Entsprechend dieser Paraphrasierung einer psychiatrischen Konsiliartätigkeit solle das psychiatrische

Konsultationsteam, dem in Mannheim eine Sozialarbeiterin und ein Pfleger angehörten, in steigendem Maße auch dem Krankenhauspersonal seine Dienste anbieten und damit einen psychohygienischen Beitrag leisten, z.B. in Form von Balint-Gruppen (Böker 1973c, Wolpert et al. 1980). Der seit Anfang 1968 am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim aufgebaute Konsiliardienst enthielt von Anfang an einen psychiatrisch-psychotherapeutischen und einen kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich, und wurde – bei einer personellen Besetzung mit drei Psychiatern und einem Psychosomatiker - in den Jahren 1975-1979 für ca.

900 Konsilepisoden jährlich in Anspruch genommen (Hönmann & Janta 1983, Klug & Häfner 1980).

Wo, selten genug, psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern eingerichtet worden waren, wurde von den somatischen Fächern die Möglichkeit, einen Psychiater konsiliarisch hin-zuzuziehen, rege genutzt (Greve 1973). Im Universitätsklinikum Steglitz in Berlin, das seinerzeit über keine Psychiatrische Abteilung verfügte, war 1970 ein psychiatrischer Konsiliardienst eingerichtet worden, der 1976 einen Umfang von 1517 Erstuntersuchungen und 2687

Wiedervorstellungsterminen bei 1300 somatischen Betten umfaßte (Berzewski & Dorn 1978).

An einigen Berliner Allgemeinkrankenhäusern wurden Psychotherapeutenstellen eingerichtet, z.B. als fachlich selbständiger Funktionsbereich für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin am Urban-Krankenhaus (Bolk 1979, Eichinger & Günzel 1987).

1.3.2 . Die Psychiatrie-Enquête und die Entwicklung der

Psychiatrischen Abteilungen am Allgemeinkrankenhaus in der Bundesrepublik Deutschland

Anders als in den USA, wo der Aufbau psychiatrischer Abteilungen in den Allgemeinkranken-häusern bereits in den 20er Jahren in größerem Umfange vonstatten ging (Schwab 1989, Wise 1995), war in Deutschland die Einrichtung psychiatrischer Abteilungen an den

Allgemeinkrankenhäusern bis in die 60er Jahre ein „heißes Eisen“ (Panse 1964). Im Jahr 1970 gab es gerade 21 solcher Abteilungen (Rössler & Riecher 1992). Dies änderte sich erst, als angesichts der wenig befriedigenden Situation in den psychiatrischen Großkrankenhäusern auf Initiative der Bundesregierung eine Sachverständigenkommission eingesetzt wurde, um eine Bestandsaufnahme der Versorgung psychisch Kranker in der Bundesrepublik Deutschland vorzunehmen und Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Hier wurde u. a. kritisiert, daß gemeindenahe (d.h. innerhalb einer maximalen Fahrtzeit von einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichende) stationäre psychiatrische Behandlungsangebote nahezu vollständig fehlten (Deutscher Bundestag 1975). Die abgeschiedene Lage psychiatrischer Krankenhäuser behinderte die Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Disziplinen, was angesichts der Tatsache, daß ca. ein Drittel der dort behandelten Patienten zusätzlich an einer körperlichen Erkrankung leidet, einer Qualitätseinbuße gleichkam (vgl. Hewer & Lederbogen 1998). Die Sachverständigenkommission empfahl zur Lösung der Problematik dringend den Aufbau psychiatrischer Abteilungen an den Allgemeinkrankenhäusern. In diesem

Zusammenhang wurde explizit die Einrichtung ständiger psychiatrischer Konsiliardienste an jedem größeren Krankenhaus gefordert, in dem Patienten nach Suizidversuchen behandelt würden (Deutscher Bundestag 1975, S.281). Die Möglichkeit der

psychiatrisch-psychotherapeutischen Primärprävention bei Risikogruppen in der Körpermedizin als wichtiger Tätigkeitsbereich psychiatrische Konsiliardienste wurde angeregt:

"Es müßte also die psychiatrische und psychotherapeutische Primärprävention bei Risikogruppen und für psychosoziale Belastungssituationen im Bereich der

Körpermedizin weiter ausgebaut werden. Hierzu gehören vor allem die Betreuung hospitalisierter Kinder und Erwachsener, Verunfallter, Invalider oder chronisch Kranker.

Große psychische Probleme wirft auch die Dialysebehandlung, die Behandlung mit Herzschrittmachern, die Transplantationschirurgie und die keimfreie Isolierung bei der Versorgung ausgedehnter Verbrennungen auf. Die hohe Technisierung der Medizin, wie sie beispielsweise auf Intensivstationen betrieben wird, die Abhängigkeit vieler Kranker von komplizierten, ihnen häufig nicht durchschaubaren Einrichtungen, ihre erzwungene Isolierung und Immobilität bedeuten eine erhebliche psychische Streßsituation und machen eine Präventivbetreuung notwendig, die am besten von psychiatrischen, psychotherapeutischen oder psychosomatischen Abteilungen oder an

Allgemeinkrankenhäusern durchgeführt wird" (S.392).

Als Empfehlung zur Primärprävention psychischer Störungen wurde u.a. gefordert:

"Präventive Betreuung von gefährdeten Patienten aller Altersstufen, besonders bei medizinischen Belastungssituationen (Hospitalisationen, Operationen, belastende Untersuchungen und Behandlungen)" (S.393).

In einer Bestandsaufnahme fünf Jahre nach der Psychiatrie-Enquête unterstrich Häfner, daß die

„psychiatrische Abteilung im Allgemeinkrankenhaus nicht nur Voraussetzung zum Abbau der Sonderstellung der stationären psychiatrischen Versorgung (ist). Sie gewährleistet auch dem psychisch Kranken bei gleichzeitig bestehenden körperlichen Leiden eine Mitbehandlung durch andere medizinische Disziplinen und dem körperlich Kranken eine psychiatrische Therapie auf jeweils hohem Standard“ (Häfner 1980, S.17) Hervorgehoben wurde am Beispiel Mannheims die wichtige Rolle des Allgemeinkrankenhauses und des dortigen psychiatrischen Konsiliar- und Notfalldienstes als Zuweisungsweg für

stationäre psychiatrische Behandlungen (Klug & Häfner 1980).

Um die durch die Psychiatrie-Enquête angestoßene Entwicklung zu dokumentieren und

hinsichtlich der erfolgten Umsetzung zu überprüfen, und ggf. neueren Entwicklungen Rechnung zu tragen, wurde 1979 von der Bundesregierung ein Modellprogramm Psychiatrie initiiert, in dessen Abschlußbericht die Expertenkommission u.a. erneut auf die Versorgung psychisch Kranker in den Allgemeinkrankenhäusern einging (BMFJG 1988). Die für die

konsiliarpsychiatrische Arbeit wichtigen Kommentare der Expertenkommission sind wenig bekannt:

„Durch die gemeindenahe Lage und die auch räumliche Integration in die somatische Krankenhausversorgung ist die Zugangsschwelle viel niedriger als bei psychiatrischen

Krankenhäusern. Damit sind bessere Voraussetzungen gegeben für die Krisenintervention und Notfallversorgung psychisch Kranker, für die somatische Versorgung der psychiatrischen Patienten und die psychiatrische Versorgung der Patienten in somatischen Abteilungen. Dies ist von erheblicher Bedeutung, da viele Patienten nach Suizidversuchen, Alkohol- und

Drogenabhängige sowie alte Menschen mit psychischen Störungen in internistischen und chirurgischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern behandelt werden“ (S.280).

„Bei erniedrigter Zugangsschwelle zur klinischen Psychiatrie steigen die Aufnahmezahlen, weil auch psychisch Kranke behandelt werden, die bei höherer Schwelle eine Behandlung scheuen, oder die in anderen somatischen Abteilungen nur internistisch, chirurgisch usw. versorgt werden (Fehlplazierung). Die erniedrigte Schwelle ermöglicht die Frühbehandlung von psychischen Erkrankungen (und die Frühentlassung), bevor längerfristige oder Dauerschäden und Chronifizierung eingetreten sind, ganz abgesehen von der Abkürzung subjektiven Leids“ (S.280-81) (Herv. d. Verf.).

Angesichts der hohen Prävalenz psychischer Störungen auf allgemeinmedizinischen Stationen, die einer erweiterten psychosomatischen Diagnostik und ggf. Therapie zugeführt werden sollten, hielt die Expertenkommission es für verfehlt, psychosomatisch/psychotherapeutische Bettenstationen an Allgemeinkrankenhäusern in großem Umfang einzurichten, sondern schlug einen anderen Modus der Kooperation vor:

„Für die Umsetzung der Forderung, daß die psychosomatische Betrachtungsweise in allen medizinischen Fächern integraler Bestandteil wird, schlägt die Expertenkommission ... einen anderen Weg vor. Es existieren bereits unterschiedliche Modelle: 1) das

Konsiliarmodell, 2) das Liaisonmodell und 3) das Arbeitsgruppenmodell (erweitertes und Kontinuität gewährleistendes Modell des Liaisondienstes). Übereinstimmend wird unter Sachkennern das Konsiliarmodell als am wenigsten überzeugend beurteilt, weil irreale Fehlerwartungen nachfolgende Enttäuschungen oder Mißverständnisse wecken, da nur selten hierdurch eine wirkliche Entlastung für Problemfälle und eine Bereicherung für das Fachgebiet erreicht werden. Die Expertenkommission empfiehlt deshalb die Einrichtung von Liaisondiensten an Allgemeinkrankenhäusern mit Besetzung durch Fachkräfte.

Hierunter ... sind Ärzte mit spezifischer Bereichsweiterbildung Psychotherapie, bzw.

Psychoanalyse zu verstehen, mit qualifizierten Kenntnissen in der jeweilig zu betreuenden medizinischen Disziplin“ (S.554f.).

Unter Bezug auf Joraschky & Köhle (1986) wird von der Kommission darauf hingewiesen, daß ein stationsnaher (psychosomatischer) Liaisondienst an der Universität Ulm eine relative Konsultationsrate von 11 % aller Patienten erreichte, wogegen ein Jahr später ein

stationsfernes Konsultationsangebot nur für 4 % aller Patienten in Anspruch genommen wurde.

Liaisonmodelle mit Teilzeitbeschäftigung durch ansonsten in eigener Praxis niedergelassene ärztliche Psychotherapeuten wurden unter dem Aspekt der Behandlungskontinuität für besonders empfehlenswert gehalten. Von psychiatrischer Seite wurde allerdings angesichts einer Fehlpazierung von 51,4% psychisch kranker AOK-Versicherter in somatischen

Krankenhäusern eindringlich darauf hingewiesen, daß aus fachlichen Gründen psychisch Kranke in psychiatrischen Einrichtungen zu betreuen seien und der Beitrag der

Konsiliarpsychiatrie in der Versorgung dieser Patienten nicht überschätzt werden dürfe (Böcker 1993, Stichtagsanalyse somatischer Krankenhäuser am 15.11.1983 im Rahmen der

Patientenstrukturanalyse Psychiatrie in Bayern) (vgl. auch Bauer 1996, Mechanic & Davis 1990, Bachrach 1981; in der amerikanischen Konsiliarpsychiatrie wird bei dieser Patientengruppe ein hohes Einsparpotential gesehen - durch Verlegung oder Entlassung in stationäre oder

ambulante fachspezifische psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung [Hall & Frankel 1996]).

Eine Umfrage an Psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern zeigte Anfang der 80er Jahre einen beträchtlichen Umfang an konsiliarpsychiatrischen Aktivitäten: für eine

idealtypische psychiatrische Abteilung mit ca. 70 Betten an einem Krankenhaus mittlerer Größe konnte von ca. 600 Konsilen pro Jahr ausgegangen werden, in großen Kliniken gab es

Konsilfrequenzen bis zu 4000 pro Jahr (Bauer 1984). Trotz dieses beträchtlichen Umfangs blieben wissenschaftliche Beiträge zu konsiliarpsychiatrischen Themen bis Ende der 80ger Jahre selten (z.B. Bönisch et al. 1986, Blankenburg 1988, S.62 f.). Sie beschränkten sich hauptsächlich auf klinische Aspekte bei einzelnen Krankheitsbildern, wo die Notwendigkeit interdisziplinärer Untersuchungen, vor allem in den Bereichen Onkologie, Hämodialyse und Herzchirurgie hinsichtlich der auftretenden psychopathologischen Syndrome und

psychologischen Probleme gefordert wurde (z.B. Götze 1980, 1983, Bron et al. 1976, Pach et al. 1978). Vereinzelt wurde eine Orientierung am amerikanischen Modell der

Konsiliarpsychiatrie angeregt:

„Zugleich werfen die psychischen Störungen in den beispielhaft genannten Bereichen therapeutische Fragen auf, die nicht mehr vom Psychiater, Psychosomatiker oder Psychologen als Konsiliarius allein gelöst werden können, sondern eine kontinuierliche Präsenz auf der Station erforderlich machen, wie es in den USA im Sinne einer

‘Konsultation-Liaison-Psychiatrie’ entwickelt wurde und bei uns nur vereinzelt praktiziert wird“. (Götze 1983, S. 65).

Versuche von Seiten einzelner Psychiater, das Verhältnis zur Psychosomatik (neu) zu

definieren, wie z.B. von Blankenburg (1988), der „die Psychiatrie am liebsten als Unterdisziplin einer umfassenderen Psychosomatik“ sah (S.62), oder wie die Beiträge von Bönisch und Meyer (1983), die unter dem Titel „Psychosomatik in der klinischen Medizin“ über „psychiatrisch-psychotherapeutische Erfahrungen bei schweren somatischen Krankheiten“ berichteten, waren die Ausnahme. Beiträge zur Organisation bzw. Arbeitsweise von psychiatrischen

Konsiliardiensten blieben selten (Bönisch et al. 1986), wenige Beiträge stellten die Arbeitsweise einzelner konsiliarpsychiatrischer Dienste vor (z.B. Bender et al. 1983, Fleischhacker 1986, Herrlen-Pelzer et al. 1991) oder untersuchten Aspekte der konsiliarischen Versorgung von Allgemeinkrankenhäusern im Zusammenhang mit Modellen stationärer Krisenintervention (z.B.

Vogel & Haf 1986). Eine merkliche Ausnahme machte die Nachbetreuung von Suizidenten, wo eine Reihe von Arbeiten eindringlich die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Weiterbetreuung von Patienten nach Suizidversuchen belegten, die am besten im Rahmen eines stationär-ambulant arbeitenden psychiatrischen Liaisondienstes gewährleistet erschien (Möller & Lauter 1986, Möller 1989, Möller et al. 1994, Möller 1996, Heydt 1991, Wächtler et al. 1991, Wedler 1984).

Eine 1988/89 durchgeführte Umfrage versuchte einen repräsentativen Überblick über den Umfang psychiatrischer, psychosomatischer und medizinpsychologischer Konsiliar- und Liaisontätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu geben. Es zeigte sich, daß nur 2 % der psychiatrischen Abteilungen an den Allgemeinkrankenhäusern keine Konsiliartätigkeit

ausübten. Bei den psychiatrischen Fachkrankenhäusern bzw. den Universitätspsychiatrien lag dieser Anteil mit 26% bzw. 13% deutlich höher. Die psychiatrischen Abteilungen arbeiteten überwiegend (in 84%) nach einem reinen Konsultationsmodell, in immerhin 14 % wurde eine Konsiliar-Liaisontätigkeit ausgeübt. Die psychotherapeutische Orientierung der

Allgemeinkrankenhauspsychiatrie war psychodynamisch, selten verhaltenstherapeutisch. Im Allgemeinkrankenhaus wurde im Durchschnitt 29 Stunden im Konsiliar-Liaisonbereich pro Woche gearbeitet, gegenüber 12 Stunden in den von den Fachkrankenhäusern betriebenen Konsiliardiensten, beide lagen allerdings deutlich unterhalb der Universitätspsychiatrien lagen (durchschnittlicher Aufwand 55 Stunden/Woche) (Herzog & Hartmann 1990).

In der ehemaligen DDR wurde die Konsiliar-Liaisontätigkeit von Nervenärzten ausgeübt,

wogegen Fachärzte für Psychotherapie bzw. stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische

Einrichtungen, die auch in internistischen Kliniken angesiedelt waren, für die

Konsiliarversorgung seltener herangezogen wurden (Herzog et al. 1994a, Röhrborn 1993). Es überwog ein stärker biologisch orientiertes Vorgehen mit Zuständigkeit auch für neurologische Konsile (Weigelt 1995, Bach 1992, Greger et al. 1985a). Die Beiträge einer Arbeitsgruppe um Greger in Gera gehören zu den wenigen überhaupt publizierten Berichten über

konsiliarpsychiatrische Tätigkeit im Notfalldienst (Greger et al. 1985b, Greger et al. 1986, Greger & Waldmann, Publ. i.Vorb.).