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Analyseperspektive Geschlechterwissen

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte 56 (Seite 117-120)

9 Geschlechtlich eingefärbte Zusammenarbeit mit den

10.1 Analyseperspektive Geschlechterwissen

In diesem Kapitel werden die Aussagen der Beschäftigten zum berufsbezo-genen „Geschlechterwissen“ analysiert (vgl. auch Andresen u.a. 2003: 114-118). Der Begriff Geschlechterwissen meint den Wissens- und Erfahrungs-stand einer Person über Geschlechterverhältnisse. Dabei wird zum einen da-von ausgegangen, dass Menschen im Lebensverlauf besondere Lebenserfah-rungen und ein damit verbundenes Wissen anhäufen. Beides ist jedoch in ei-nen gesellschaftlichen Rahmen eingebettet, der einer gemeinschaftlichen Lo-gik folgt. Daher ist die individuelle Aneignung von „Welt“ eingefärbt durch gesellschaftliche Verhältnisse und ihre inneren Wirkungslogiken (vgl. Be-cker-Schmidt/Knapp 1995). Sie befördern bei den Menschen grundsätzlich gleich strukturierte, keineswegs jedoch identische Auseinandersetzungen.

Damit verbunden ist die zweite Vorannahme: Die individuelle Aneignung der gesellschaftlichen Realität erfolgt bereits geschlechtsgebunden. Das meint: Sie ist geprägt durch die gesellschaftlichen Festlegungen auf „weib-lich“ bzw. „männ„weib-lich“ und typische, sich von einander unterscheidende Mus-ter über „die“ Frauen bzw. Männer.

Die Auswertung des Geschlechterwissens knüpft an die dargestellten Ebenen der gesellschaftlichen Herstellung von Frauen und Männern an. Sie beinhal-tet folgende Schritte:

- In einem ersten Schritt wird das Selbst- und Fremdbild der Beschäftigten analysiert. Das meint, was unter typisch weiblich bzw. typisch männlich gedacht wird und wie die eigene Geschlechtsidentität ausgebildet ist. Hier wird das Selbstbild darauf hin analysiert, ob es homogen oder in sich wi-dersprüchlich ist. Des Weiteren wird die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeitenden über die eigene und die andere Geschlechtsgruppe betrach-tet.

- In einem zweiten Schritt sollen die persönlichen Beziehungen zwischen Frauen und Männern betrachtet werden. Es wird danach gefragt, wie in der täglichen Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten die Rollenbil-der über Frauen und Männer präsent sind, wie sie tatsächlich gelebt wer-den.

- Und drittens wird die institutionalisierte Ausprägung der Geschlechter-verhältnisse analysiert (vgl. auch Müller 1999: 57ff.). Hier wird die Wahr-nehmung der Beschäftigten über die geschlechtsspezifische Ungleichheit im Amt und - allgemein - in der Gesellschaft betrachtet.

Weiterhin geht es um die Frage, wie im Amt formelle und informelle Rege-lungen, Normen und Werte wirken, die Geschlechterungleichheiten ermögli-chen. Herausgearbeitet wird das Spannungsfeld zwischen dem individuell angeeigneten Geschlechterwissen und dem organisational anerkannten Ge-schlechterwissen.

Für die Untersuchung der drei Ebenen des Geschlechterwissens der Mitar-beiterInnen wurden diese in einzelne Analysedimensionen untergliedert.

Hierbei wurde die dritte Ebene der Analyseperspektive an den Anfang ge-stellt, um überblicksartig in die Auswertung einzuführen. Die Analysedimen-sionen sind:

A) Wahrnehmung von geschlechtsspezifischer Ungleichheit im Amt und der Gesellschaft

Hier wird nach Wahrnehmungen gefragt, in denen das Geschlecht mit einer spezifischen Ausübung von amtsinternen Tätigkeiten bzw. Aufgabenfeldern (Arbeitsteilung, Kompetenzen, Weiterbildungen, usf.) verbunden wird. Wei-ter wird erfasst, in welcher Weise ein Bewusstsein für geschlechtsspezifische Ungleichheiten existiert (bspw. bei Hierarchien, Aufstiegschancen, Ein-kommen usf.). Und schließlich interessieren Übereinstimmungen bzw. Un-terschiede zwischen den Einschätzungen von Ungleichheit im Amt und den gesellschaftlichen Verhältnissen.

B) Selbstbild, Selbstverortung

Hier gilt das Augenmerk der Darstellung des eigenen Rollenbildes. Analy-siert werden sowohl die Einschätzungen der fachlichen Kompetenz (Leis-tungsanspruch, Selbständigkeit, Unentbehrlichkeit usf.), Beurteilungen über Fähigkeiten im Umgang mit KollegInnen (Stärken, Schwächen) als auch Angaben über die Familiensituation und daraus resultierende Selbstinterpre-tationen.

C) Wahrnehmung von KollegInnen innerhalb der Arbeitszusammenhänge In dieser Dimension wird der Arbeitszusammenhang innerhalb der Gruppe betrachtet. Gefragt wird, inwieweit Wahrnehmungen über Arbeitsteilung aufgrund von geschlechtsspezifischen Eigenschafts- und Kompetenzzu-schreibungen existieren (vgl. Hausen 2000: 351-354). Weiterhin werden Be-urteilungen des Arbeitsklimas aufgrund der jeweiligen geschlechtlichen

Zu-sammensetzung oder der direkte Fertigkeits- bzw. Fähigkeitsvergleich mit KollegInnen erfasst.

D) Wahrnehmung der MitarbeiterInnen durch GruppenleiterInnen

Ausgangspunkt ist die Selbstdefinition der LeiterInnen. Das meint, wie der/die GruppenleiterIn die eigene Leitungsfunktion definiert und dabei die eigene Einbindung in den Arbeitsablauf beschreibt. Genauer interessiert, ob eine geschlechtsspezifische Ausübung der Leitungsfunktion feststellbar ist und ob sich diese auf die Abteilungshierarchie auswirkt. Daran anknüpfend soll analysiert werden, inwieweit sich indirekt geschlechtsspezifische Kom-petenz- bzw. Fertigkeitszuschreibungen durch die GruppenleiterInnen etwa bei der Verteilung der Arbeitsaufträge äußern. Weiterhin interessiert die Be-urteilung des Arbeitsklimas.

E) Wahrnehmung der GruppenleiterInnen durch MitarbeiterInnen

Hier soll ausgewertet werden, wie GruppenleiterInnen von seinen/ihren Mit-arbeiterInnen wahrgenommen wird. Macht es einen Unterschied, ob der Vorgesetzte aus der Perspektive einer weiblichen oder eines männlichen Mitarbeitenden wahrgenommen wird?

F) Wahrnehmung der Amtsleiterin aus allen Hierarchieebenen

In dieser Dimension wird erfasst, inwieweit die Amtsleitung im beruflichen Alltagshandeln der MitarbeiterInnen präsent ist. Weiterhin wird gefragt, ob bei der Ausübung der Amtsleitungstätigkeit geschlechtsspezifische Unter-schiede im Vergleich zu früheren männlichen Vorgesetzten wahrgenommen werden. Begründungszusammenhänge, in denen die Amtsleiterin als Beleg für keinerlei geschlechtsspezifische Ungleichheit im Amt anführt wird, wer-den mit dem Selbstbild der Beschäftigten abgeglichen und darüber hinaus auf die Begründungsmuster für geschlechtsspezifische Ungleichheiten bezo-gen20.

20 Die Grundgesamtheit der durchgeführten Interviews bildet nicht zu jeder Analysedimension 100%. Dies hängt mit der teilweisen funktions- bzw. positionsbedingten Auswahl der Interviews zusammen und bedeutet konkret: Bei den Punkten A) und B) gelten alle 15 durchgeführten Interviews als Grundgesamtheit und bilden damit 100%. In den Analysedimensionen C) und E) sind aufgrund der beschränkten Perspektive (von den Mit-arbeiterInnen ausgehend) 8 Interviews relevant und somit 100%. Zu Punkt D) können 6 Interviews mit Grup-penleiterInnen zur Analyse herangezogen werden, die wiederum als 100% gewertet werden. Innerhalb der Ana-lysedimension F) bilden 14 Interviews 100%.

10.2 Wahrnehmung von geschlechtsspezifischer Ungleichheit im Amt

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte 56 (Seite 117-120)