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F.3 Einfluß von para-Alkylsubstituenten 114

F.3.5 Analyse von Konformationen

Alkylresten, die aus dem flachen aromatischen System ein ausgeprägt dreidimensionales Ge-bilde machen, sind starke sterische Wechselwirkungen mit der DNA denkbar, die die Fähig-keit zur Interkalation und damit die konformative Freiheit einschränken. Durch Störung der Interkalation sollte das Verhältnis der Konformere zugunsten des "B-type"-Konformers ver-schoben werden. Wahrscheinlich sind solche Einflüsse auf die konformative Heterogenität für das geringere mutagene Potential der Amino-/Nitroaromaten mit sperrigen Alkylresten im Ames-Test verantwortlich.

trem großen Systeme nicht möglich ist, wurde die Suche (siehe dazu im experimenteller Teil I.1.2) auf bestimmte konformative Grundtypen eingeschränkt. Vor allem wurden solche Kon-formationen berücksichtigt, die sich in vergleichbaren Literaturstudien an anderen DNA-Oligonukleotiden als besonders günstig erwiesen haben. Die Rechungen erfolgten mit dem AMBER-Kraftfeld, das speziell auf Nukleinsäuren parametrisiert ist, wobei als Lösungsmittel Wasser durch ein dielektrisches Feld simuliert wurde.i

Tatsächlich konnten mit dieser Methode eine Reihe energiearmer Konformere erhalten wer-den, die sich strukturell stark, aber energetisch nur wenig unterschieden. Exemplarisch sollen die wichtigsten Merkmale dieser Strukturen anhand der 2AF-modifizierten Stränge erläutert werden. Die beiden energetisch günstigsten Konformationen – darunter auch das globale Mi-nimum – waren in diesem Fall sehr ähnlich und sollen zum Typ 1 zusammengefaßt werden.

Abb. 94: Addukt-modifizierte DNA – Typ 1ii

Addukt Addukt

Guanosin G6

Im globalen Minimum war die 2-Aminofluoreneinheit in die Helix zwischen die Basen T5

und A7 insertiert und nahm dort die Position des Guanosins G6 ein. Dieses selbst wurde in die kleine Furche verdrängt (in 5'-Richtung relativ zum eigenen Strang). Da das Addukt deutlich

i Diese Berechnung waren extrem zeitaufwendig. So dauerte die Bestimmung der energieärmsten Konformatio-nen für eiKonformatio-nen Grundtyp pro Addukt mehrere Wochen.

ii In Abb. 89 ist eine Konformation (Typ 1a – siehe Text) in zwei Perpektiven dargestellt. Dasselbe gilt für die Abbildungen 90 und 91.

größer als das Guanosin ist, war auch die Position des zu G6 komplementären C15 betroffen:

C15 ragte in dieser Konformation teilweise in die große Furche. Abgesehen von den Nukleo-basen G6 und C15 blieben die Wasserstoffbrückenbindungen aller anderen komplementären Basen erhalten. Nur zwischen T5 und A16, die direkt unterhalb des Addukts gebunden sind, wurde die Bindung geschwächt (größerer Abstand). Außerdem fiel auf, daß die DNA an der Stelle, wo das insertierte Addukt lag, einen Knick von fast 45 ° machte. Solche Abwinkelun-gen sind schon häufiger an modifizierter DNA beobachtet worden.221 Das 2-Aminofluoren konnte innerhalb dieser Konformation verschiedene Orientierungen annehmen, je nachdem ob die Methylenbrücke nach innen (Typ 1b) oder nach außen zeigte (Typ 1a). Energetisch unter-schieden sich die Konformere jedoch praktisch nicht. Insgesamt muß diese Konformation dem "stacked"-Typ zugeordnet werden. Nolan hat vor kurzen eine ganz ähnliche Konforma-tion an einem 1-Aminopyren-modifizierten Oligomer beschrieben.221

Eine völlig andere Strukturvariante (Typ 2) ist in Abb. 95 dargestellt. Das günstigste Konfor-mer dieses Typs war nur um 1.8 kJ/mol weniger stabil als das globale Minimum (Typ 1a). Im Gegensatz zu Typ 1 wiesen Konformere des Typ 2 nur geringe Störungen verglichen mit der nicht modifizierten DNA (B-DNA) auf.

Abb. 95: Addukt-modifizierte DNA – Typ 2

Addukt

Addukt

Das Addukt war in diesem Fall in die kleine Furche der DNA (in 5'-Richtung) gezwängt und dadurch vom hydrophilen Lösungsmittel abgeschirmt. Dieser Effekt scheint relativ wichtig zu sein: Konformationen, die sich vom dargestellten Fall nur darin unterschieden, daß der

2-Aminofluorenrest weiter ins Lösungsmittel ragte, waren nämlich deutlich ungünstiger. Die normalen Watson-Crick-Wasserstoffbindungen zwischen allen DNA-Paaren blieben in die-sem Strukturtyp weitgehend erhalten. Durch den eingezwängten Adduktrest wurde der Ab-stand der Zucker-Phosphat-Stränge allerdings aufgeweitet. Um diesen Effekt zu kompensie-ren, konnten sich die komplementären Basen im dem Bereich, wo das Addukt lag, nicht in einer Ebene anordnen, sondern standen abgewinkelt zueinander. Diese Abwinkelung wurde aber mit zunehmendem Abstand vom Addukt immer kleiner, so daß beim Basenpaar T1-A20

bereits wieder eine nahezu planare Anordnung möglich war. Wie bei Typ 1 konnte das 2-Aminofluoren zwei Orientierung in der kleinen Furche einnehmen. Die Anordnung, bei der die Methylengruppe nach außen zeigte (Typ 2a), war im Vergleich zu Typ 2b (Methylen-brücke nach innen gerichtet) etwas stabiler (0.5 kJ/mol). Insgesamt trat auch hier eine Verbie-gung der DNA-Helix auf, die aber weit weniger ausgeprägt war, als in der oben vorgestellten Struktur. Konformationen dieses Typs, die ebenfalls in der Literatur beschrieben worden sind,217 können dem "B-type" zugeordnet werden.

Ein dritter Strukturtyp (Typ 3), der ebenfalls nur um 2.0 kJ/mol über dem globalen Minimum lag, ist in Abb. 96 abgebildet.

Abb. 96: Addukt-modifizierte DNA – Typ 3

Addukt

Addukt

In dieser Struktur waren sowohl das Addukt als auch das modifizierte Guanosin halb in die Helix insertiert und halb in den Bereich der kleinen Furche verschoben. Das Addukt ragt da-bei in 3'- und das Guanosin in 5'-Richtung (bezogen auf den modifizierten Strang). Diese

Ver-schiebung hatte für die benachbarten Basen weitreichende Folgen. Aufgrund der veränderten Orientierung und Position innerhalb der Helix kam es nämlich zur Ausbildung völlig untypi-scher Basenpaarungen. Adenin A16 bildete Wasserstoffbrücken nicht mehr mit Thymin T5,

sondern mit dem modifizierten Guanosin G6 und Thymin T5 selbst war mit Cytosin C15 ge-paart. Außerdem war die Konformation des Guanosins um die glycosidische Bindung betrof-fen. Während G6 in Typ 2 und in unmodifizierter DNA in einer anti-Konformation vorgele-gen hatte,i nahm es nun eine syn-Konformation ein. Nach Beland sollen solche syn -Konformationen die Wahrscheinlichkeit von Frameshift-Mutationen erhöhen.198 Auch bei diesem Strukturtyp konnten wieder zwei Orientierungen des Aminofluorens unterschieden werden (Typ 3a: Methylenbrücke zeigte nach außen, Typ 3b: Methylenbrücke zeigte zur He-lix), die energetisch aber gleichwertig waren. Erstaunlicherweise wurden alle anderen Basen-paarungen von diesen starken Strukturänderungen überhaupt nicht betroffen und blieben völ-lig intakt. Genau wie Konformere des ersten Typs (Typ 1), müssen Strukturen dieser Art (Typ 3) zur Klasse der "stacked"-Konformere gerechnet werden.

Zusätzlich zu den beschriebenen Typen wurden noch eine Reihe anderer Strukturen gefunden, bei denen das 2AF gar nicht, teilweise oder ganz in die DNA insertiert war. Die meisten Kon-formationen waren jedoch deutlich energiereicher und sollen hier nicht diskutiert werden. Die Computeranalyse der 2AF-modifizierten DNA-Oligomere bestätigte also die konformative Heterogenität, die im Experiment von Cho gefunden worden war.222 Alle vorgestellten Kon-formationen waren energetisch ähnlich stabil und sollten daher in vergleichbarem Ausmaß populiert sein.

Die Konformationssuche bei den DNA-Oligomeren mit Addukten von 4-Aminobiphenyl (4ABp-10Mer) und 4'-tert-Butyl-4-aminobiphenyl (4'tBu-4ABp-10Mer) ergab ganz ähnliche Typen wie bei der 2AF-modifizierten DNA. Als günstigste Strukturen erwiesen sich in die-sem Fall aber Konformere vom Typ 2 ("B-type"), bei denen die Gesamtstruktur der DNA nahezu intakt blieb. Im Unterschied zum 2AF-10Mer waren die Addukte weniger weit in die kleine Furche eingezwängt. Speziell beim 4'tBu-4ABp-10Mer waren die Zuckerphosphatket-ten zudem stärker aufgeweitet, so daß hier schwächere Wasserstoffbrückenbindungen auftra-ten. Diese Anordnung war aber immer noch günstiger als die Verschiebung des Addukt ins Lösungsmittel. Interessanterweise bildeten 4ABp-10Mer und 4'tBu-4ABp-10Mer auch Kon-formationen, die weitgehend identisch mit den Typen 1 und 3 waren. Durch geringfügige

i Die Begriffe syn und anti beschreiben hier die Konformation der Base um die glycosidische Bindung. Verein-facht bedeuted syn, daß der zweite Ring des Guanosins über den Zucker zeigt. In der anti-Konformation liegt dagegen das Addukt über dem Zucker.

Verschiebung der Basen wurden beim 4'tBu4ABp-10Mer ungünstige Wechselwirkungen der sterisch anspruchvollen tert-Butylgruppe mit dem DNA-Oligomer minimiert, so daß auch hier energetisch sehr günstige Konformationen erhalten wurden.

In der folgenden Tabelle sind die relativen Energien der Konformere 1 - 3 in Abhängigkeit von der Struktur des Addukts miteinander verglichen. Dem energieärmsten Konformer wurde dabei jeweils eine Energie von 0.0 kJ/mol zugeordnet.

Tabelle 39: Vergleich der relativen. Stabilitäten der Addukt-modifizierten DNA-Konfor-mationen.

Konformationstyp 2AF-10Mer 4-ABP-10Mer 4'tBu-4ABP-10Mer 1a ("stacked") ± 0.0 kJ/mol + 15.2 kJ/mol +2.5 kJ/mol

1b ("stacked") + 0.5 kJ/mol - -

2a ("B-type") + 1.8 kJ/mol ± 0.0 kJ/mol ± 0.0 kJ/mol

2b ("B-type") + 2.3 kJ/mol - -

3a ("stacked") + 2.0 kJ/mol + 3.0 kJ/mol + 5.5 kJ /mol.

3b ("stacked") + 2.2 kJ/mol - -

Nach Tabelle 39 hat die Struktur der Addukte einen entscheidenden Einfluß auf die relativen Stabilitäten der Konformationen. Offensichtlich führen Änderungen der Adduktstruktur, wie z.B. der Planarität, also tatsächlich zu einer Beeinflussung der Konformere. Während beim 2AF-10Mer eine "stacked"-Konformation als energieärmste Struktur gefunden wurde, waren bei den Biphenyladdukten jeweils die "B-type"-Konformere am günstigsten. 4't Bu-4ABP-10Mer und 4ABP-Bu-4ABP-10Mer sollten daher primär in dieser Konformation vorliegen. Auch bei den Addukten von 4ABp 2 und 4'tBu-4ABp 116 waren die energetischen Unterschiede der verschiedenen Konformationstypen vergleichsweise klein. Beim Vergleich zwischen 4ABp 2 und 4'tBu-4ABp 116 fällt auf, daß die beiden "stacked"-Konformationen relativ zum

"B-type"-Konformer durch die zusätzliche tert-Butylgruppe nicht weiter destabilisiert werden.

Typ 1 ist beim 4'tBu-4ABp 116 sogar – relativ zum Typ 2 – stabiler als Typ 1 beim 4ABp 2.

Die energetische Stabilität der DNA-Konformationen kann also nicht der einzige Faktor sein, der für die unterschiedliche Mutagenität von 4ABp 2 und 4'tBu-4ABp 116 verantwortlich ist.

Obwohl man dieses Ergebnis nicht verallgemeinern kann und in einer anderen DNA-Sequenz sterische Faktoren möglicherweise zu ganz anderen Konsequenzen führen, unterstützt die hier vorgestellte Analyse die These, daß DNA mit sterisch anspruchsvollen Addukten bevorzugt in der "B-type"-Konformation vorliegt. Da Addukt-modifizierte DNA in "B-type"-Konformation

bei der Replikation zu weniger oder vielleicht sogar zu gar keinen Mutationen führt, sollten Verbindungen wie 4ABp 2 und 4'tBu-4ABp 116 deutlich weniger mutagen als planare Mole-küle wie 2AF 4 sein. Sterisch anspruchsvolle Substituenten (tert-Butyl, Adamantyl) könnten zudem die dynamische Umwandlung der Konformationen beeinträchtigen, indem sie die Ak-tivierungsenergie für diesen Prozeß durch ungünstige sterische Wechselwirkungen erhöhen.