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Die Nanodrähte

5.1 Zugversuche mit Stapelfehlern und Zwillingen

5.1.2 Analyse der Stapelfehler

Die Frage nach der genauen Natur der beobachteten Defekte in den vorher beschrie-benen Zugversuchen blieb bislang ungeklärt. Die Unterbrechungen während der Zug-versuche und ergänzende quantitative Analysen wurden daher herangezogen, um die Defektart im TEM genau zu bestimmen. Die Tatsache, dass die Defekte nur in zwei Ori-entierungen in dem Draht vorlagen und kein Spannungsfeld mit ihnen direkt verknüpft war, lässt den Schluss zu, dass es sich um planare Defekte auf kristallographischen Ebenen handelt. Die gemessenen Winkel in Bildern wie Abbildung 5.3 ergeben etwa

±53,5relativ zur Drahtachse. Dies liegt sehr nahe am Winkel von 54,7 zwischen einer {111}-Ebene in kubisch flächenzentrierten Materialien und der Drahtachse, die entlang

<110> liegt.

Wie im Kapitel 2.2 bereits beschrieben, kann ein Stapelfehler auf einer {111}-Ebene in kubisch flächenzentrierten Materialien als eine dünne Lamelle mit hexagonal dich-test gepackter Koordination verstanden werden. Dies hat im Beugungsbild zur Folge, dass aufgrund der eingeschränkten Dicke der Lamelle die Beugungsreflexe in die zu

2 , 5 7 , 5 1 2 , 5 1 7 , 5 2 2 , 5 2 7 , 5 3 2 , 5 3 7 , 5 4 2 , 5

02468

1 0 1 2 1 4 1 6 1 8

absolute Häufigkeit

A b s t a n d s k l a s s e [ n m ]

Abbildung 5.6: Abstandsverteilung der Stapelfehler - Die Auftragung zeigt die Anzahl der gezählten Defekte aus der Binarisierung zusammengefasst in 5 nm großen Ab-standsklassen.

der Defektebene gehörige {111}-Richtung verlängert werden. Dieses sogenannte “stre-aking” ist in Abbildung 5.7 gezeigt und war in allen [110]-Zonenachsen während der Verformung deutlich sichtbar. Mit der so durchgeführten Analyse des Beugungsbildes

Abbildung 5.7: „Streaking“ der Beugungsreflexe durch Stapelfehler - [110]-Zonenachse, die die Aufweitung von Beugungsreflexen in die [1¯11]-Richtung zeigt. Dies ist die Richtung des Normalenvektors der hcp Lamelle.

ist man in der Lage zu bestimmen, ob ein planarer Defekt vorliegt und auf welcher Ebene sich dieser befindet. Über den genau vorliegenden Typus erhält man allerdings keine weiteren Informationen. Um diese weitergehende Information zu erhalten bedarf, es einer quantitativen Kontrastanalyse im TEM.

An einem Draht wurde eine solche quantitative Defektanalyse durchgeführt, um den Translationsvektor des vorliegenden planaren Defektes zu ermitteln. Dazu wurde ein getesteter Draht unter Zuhilfenahme der Manipulationstechniken aus Abschnitt 4.1 auf ein Omniprobe TEM Halbnetz transferiert. Im Doppelkipphalter wurden dann in 3 ver-schiedenen Zonenachsen 12 Bilder gemacht (vgl. Abbildung 5.8), die den Stapelfehler in unterschiedlichen Abbildebedingungen zeigen. Aus der Kombination der Schwarz-Weiß-Information der oszillierenden Kontraste und dem Vergleich mit dem errechneten Kontrastverlauf für mögliche Stapelfehlertypen ist dann eine Aussage über den Trans-lationsvektor möglich.

In dem untersuchten Fall lag der Translationsvektor entgegengesetzt zur Einfallsrich-tung des Elektronenstrahls. Mit der Kenntnis der Lage der betrachteten {111}-Ebene ist der Schluss zulässig, dass es sich bei dem analysierten Stapelfehler um einen plana-ren Defekt von extrinsischer Natur handelt.

g1=[020] g2=[-220] g3=[2-20] g4=[-2-20]

g5=[-200] g6=[2-40] g7=[020] g8=[-3-1-1]

g9=[3-11] g10=[0-20] g11=[-3-11] g12=[-311]

g2 g1 g5 g4

g6 g3

[001]

[103] [-103]

g7 g8 g9

g12 g11 g10

120 nm

Abbildung 5.8: Quantitative Analyse eines Stapelfehlers - Die Dunkelfeldbilder zeigen denselben Stapelfehler in unterschiedlichen Abbildebedingungen. Aus den Kontrast-variationen lässt sich der Typ des Stapelfehlers identifizieren. Im hier gezeigten Beispiel handelt es sich um einen extrinisichen Stapelfehler.

Die Form, in der ein planarer Defekt wie ein Stapelfehler im TEM erscheint, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Grundsätzlich entscheidet die Lage relativ zum Elek-tronenstrahl und damit der gewählte Abbildevektor, ob der Defekt überhaupt sichtbar ist oder nicht. Ist die Sichtbarkeit sichergestellt, repräsentiert der flächenhafte Defekt die Querschnittsfläche auf der entsprechenden Ebene. Besonders deutlich wird dieser Effekt, wenn eine nicht triviale Form, wie zum Beispiel ein unregelmäßiges Sechseck, vorliegt. Ein Beispiel von Querschnitten und projizierten Stapelfehlerformen ist in Ab-bildung 5.9 gezeigt.

Aus den gewonnenen Erkenntnissen über den beobachteten Defekttyp lassen sich nun

120 nm

Abbildung 5.9: Planare Defekte, die die Querschnittsform des Drahtes wieder-geben- Wird ein planarer Defekt auf einer {111}-Ebene durch die Facetten des Drahtes begrenzt, gibt der im TEM beobachtete Kontrast die Querschnittsfläche des Drahtes auf eben dieser Ebene wieder. Die beiden Beispiele zeigen zwei verschiedene Drahtquerschnitte.

Rückschlüsse auf den Verformungsvorgang ziehen. Eine gängige Erklärung für das Auf-treten von Stapelfehlern während der Verformung ist die Bewegung von Partialver-setzung. Diese hinterlassen beim Durchlaufen des Kristalls ein gestörtes Gitter. Die kristallographischen Beziehungen wurden hinreichend in Kapitel 2.1.1 erläutert.

Abschließend lässt sich also sagen, dass während keines Zugversuches Partialversetzun-gen direkt beobachtet werden konnten, sondern vielmehr die hinterlassenen Stapelfehler als Spur der Bewegung dieser Partialversetzungen interpretiert wird.

5.1.2.1 Interaktion von Stapelfehlern

Die Beobachtung der Verformung der Drähte hat gezeigt, dass die Stapelfehler auf zwei verschiedenen {111}-Ebenen vorzufinden sind. Dies bedeutet, dass sich die

Stapel-d

L

Abbildung 5.10: Zick-Zack-Positionierung von sich nicht durchdringenden Sta-pelfehlern- Diese Skizze verdeutlicht die maximal erreichbare Defektdichte wenn sich die Stapelfehler nicht durchdringen

fehler spätestens dann durchdringen müssen, wenn sie nicht mehr in Zick-Zack-Weise durch den Draht positioniert werden können. Die Länge des gestörten Bereiches, der durch einen Stapelfehler erzeugt wird, beträgt mit den geometrischen Beziehungen aus Abbildung 5.10

LSF1= cotα·d (5.3)

Bei einer Gesamtlänge L des Drahtes ist somit die maximale Defektdichte für ungestörte Stapelfehler gegeben durch

Wie allerdings im Abschnitt über den Verlauf der Defektdichte und in Abbildung 5.3 gezeigt wird, werden sich überschneidende Stapelfehlern entlang der beiden aktiven Gleitsysteme schon früh beobachtet. Demnach ist ein vorhandener Stapelfehler für die Bewegung einer Partialversetzung auf einem durchschneidenden Gleitsystem kein rele-vantes Hindernis. Dieses einfache Durchdringen der Stapelfehler wurde in vielen Zug-versuchen auch mehrfach in einem Draht beobachtet. Dabei ist auszuschließen, dass die Stapelfehler auf unterschiedlichen Höhen durch den Draht laufen. Dies kann mit Aufnahmen wie in Abbildung 5.20 eindeutig gezeigt werden. In dieser Aufnahme wird deutlich sichtbar, dass die sich durchschneidenden Stapelfehler den gesamten Draht-querschnitt einnehmen.

In seltenen Fällen konnte zudem ein weiteres Verhalten bei der Durchkreuzung zweier Stapelfehler beobachtet werden. In Abbildung 5.11 ist gezeigt, wie neben Stapelfehler

und Zwillingslamellen, die komplett durch den Drahtquerschnitt laufen, auch andere Strukturen sichtbar sind. In drei Fällen treten Stapelfehler auf, die nicht durch den gesamten Draht laufen, sondern an einem Stapelfehler auf einem anderen Gleitsystem enden. Der Kontrast läuft auf keinem der beiden Gleitsysteme erkennbar weiter. Dar-über hinaus ist auch kein anderer Dehnungskontrast an den Treffpunkten der Defekte zu erkennen. Dies deutet darauf hin, dass an den Schnittpunkten keine starke Git-terdehnung im Sinne einer vollen Versetzung existiert. Da die Konstellation dennoch besonders ist, wird in Kapitel 6 versucht, ein atomistisches Bild der sich ergebenden Struktur zu entwickeln.

40 nm

Abbildung 5.11: Nicht durchlaufende Stapelfehler- Hellfeldaufnahme eines verform-ten 60 nm Drahtes, die den selverform-tenen Fall zeigt, wo Stapelfehler nicht durch den gesamverform-ten Draht laufen. Der Kontrast endet in diesem Fall an dem Punkt, wo sich zwei Stapelfehler auf sich durchschneidenen Gleitsystemen kreuzen.