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Grundlagen

Regionale Ebene

Die Ermittlung der Bioenergiepotenziale unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitskriterien auf regionaler Ebene ist ein relativ junges Feld. Ein Beispiel dafür ist die Studie von [Smeets et al. 2005]. In ihr werden die Auswirkungen der Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien auf die Produktionskosten und Bioenergiepotenziale aus angebauter Biomasse in Brasilien und der Ukraine ermittelt [Smeets et al. 2005].

Die Vorgehensweise dieser Arbeit lässt sich in zwei Hauptschritte unterteilen. Im ersten Schritt werden die potenziellen Flächen zum Energiepflanzenanbau ermittelt. Angewandt wird die Methodik von [Smeets et al. 2004] (siehe „Globale Ebene“, S. 35), die die Ermittlung der gesamten verfügbaren Ackerflächen im Land unter Erfüllung der Nachhaltigkeitskriterien im Bezug auf Ernährungssicherheit und Naturschutz berücksichtigt. Der Anteil der regionalen Ackerfläche an der gesamten nationalen Ackerfläche dient dann dazu, die für den Energiepflanzenanbau verfügbare regionale Ackerfläche abzuleiten. Im zweiten Schritt wird die Produktionskostenänderung bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Erfüllung lockerer und strenger Zielvorgaben sozioökonomischer und (lokaler) Umweltschutzkriterien ermittelt.

Letztere werden aus dem von [Lewandowski und Faaij 2004] vorgeschlagenen Kriteriensatz ausgewählt. Sie beziehen sich auf Themen wie Kinderarbeit, Löhne, lokale Arbeitsplätze, Bildung, Gesundheit, Erosion, Wassernutzung, Nährstoffversickerung, Reduktion der Bodenfruchtbarkeit, Nutzung von Agrochemikalien und Biodiversitätverlust. Die Auswirkungen der Produktionskostenänderung auf das Bioenergiepotenzial werden jedoch nicht weiter untersucht.

In den in diesem Kapitel betrachteten wissenschaftlichen Arbeiten werden die Einflussfaktoren und ihre Auswirkungen auf die Bioenergiebereitstellung weit reichend untersucht. Systemdynamische Instrumente werden bisher nicht angewandt. Die Systembeziehungen in der Bioenergiebereitstellung werden zwar in spezifischen Fällen untersucht, aufgrund der hohen Komplexität werden sie jedoch als "Wenn-dann-Beziehungen" dargestellt oder bewusst übergangen.

Grundlagen

23 Liliana Gamba: Erste Modellentwicklung zur nachhaltigen Nutzung der Biomasse

Die Methode ist durch das Denken in Rückkopplungen statt in einfachen „Wenn-dann-Beziehungen“ charakterisiert. Wesentlich dafür sind die Erfassung der Systemstruktur und die Untersuchung des Systemverhaltens durch qualitative bzw. quantitative Simulationen.

Die Bestandteile des Systemdynamikansatzes werden hier erläutert.

2.5.1 Erfassung der Systemstruktur

Die Erfassung der Systemstruktur stellt die erste Phase der Modellbildung dar. Anhand der Fragestellung und des daraus abgeleiteten Modellzwecks wird zunächst das System umgangssprachlich beschrieben (Wortmodell). Dabei werden die Systemkomponenten (vgl.

2.5.3 für eine Erläuterung der Systembegriffe) und deren Wirkungsbeziehungen identifiziert sowie die Abgrenzung des Systems vorgenommen [Bossel 2004].

Die Systemkomponenten und Wirkungsbeziehungen werden anschließend im Wirkungsgraph dargestellt. Der Wirkungsgraph zeigt die Natur der direkten Beziehungen zwischen den Systemelementen (verstärkend, gegenläufig oder indifferent) und die Rückkopplungen, die sie bilden (vgl. Tabelle 2-9).

In der Regel besteht ein komplexes System aus mehreren Teilsystemen. Detaillierte Wortmodelle und Wirkungsstrukturen werden für die jeweiligen Teilsysteme erfasst.

Tabelle 2-9: Beziehungen und Rückkopplungen im Wirkungsgraph [Bossel 2004; Vester 2004]

Natur der Beziehungen nach ihrer Wirkung

Verstärkend Gleich gerichtet, der Art „je mehr…, desto mehr…“, symbolisiert durch „+“

Gegenläufig Entgegengesetzt gerichtet, der Art „je mehr…, desto weniger…“, symbolisiert durch „-“

Indifferent Sie können nicht durch monotone Funktionen beschrieben werden. Ohne Symbol.

Rückkopplungen

Positive Rückkopplungen Bestehen aus gleich gerichteten Beziehungen (verstärkend).

Symbolisiert durch

Negative Rückkopplungen Bestehen aus gleich und entgegengesetzt gerichteten Beziehungen (stabilisierend).

Symbolisiert durch

2.5.2 Bewertungskriterien

Bewertungskriterien dienen als Maßstab zur Beurteilung vom Systemverhalten oder zur Formulierung einzuhaltender Einschränkungen. Die Indikatoren stellen Systemgrößen oder Funktionen der Systemgrößen dar, mit denen die Erfüllung dieser Kriterien, direkt oder indirekt, gemessen werden kann [Bossel 2004; Kopfmüller 2001].

+

-Grundlagen

Der Auswahl der Bewertungskriterien in dieser Arbeit liegen allgemeine Nachhaltigkeitskriterien und vorhandene spezifische Nachhaltigkeitskriterien für Bioenergiesysteme zu Grunde (vgl. Kapitel 2.3, S. 7).

2.5.3 Mathematisches Modell

Die Abbildung der Systemstruktur im Wirkungsgraph ermöglicht qualitative Aussagen über das Modellverhalten. Zuverlässige Antworten auf konkrete Fragestellungen können jedoch meistens dadurch nicht gegeben werden. Dafür sind mathematische bzw. logische Modelle erforderlich, die die identifizierten Systemgrößen und ihre Beziehungen beschreiben und berechnen (simulieren). Computergestützte Verfahren werden für die Modellbildung und die Simulation angewandt.

Die Wirkungsstruktur wird in einem Systemdiagram umgewandelt und entsprechenden Modellgleichungen werden formuliert. Zu diesem Zweck werden die Systemgrößen in Eingangsgrößen, Veränderungsraten, Zustandsgrößen und Zwischengrößen unterteilt [Bossel 1994, 2004]:

Vorgabegrößen stellen Einwirkungen aus der Systemumwelt dar. Sie erscheinen als systemunabhängige Parameter und Anfangszustände. Sie sind konstant oder verändern sich ausschließlich als Funktion der Zeit.

Zustandsgrößen sind Speichergrößen eines Systems. Ausgehend von einem vorgegebenen Anfangszustand und den Veränderungsraten, geben sie zu jedem Zeitpunkt den Zustand eines Systems an.

Veränderungsraten oder Flussgrößen zeigen die zeitliche Veränderung der Zustandsgrößen.

Zwischengrößen sind Größen, die jederzeit direkt aus den Momentanwerten der Eingangs- bzw. Zustandsgrößen durch algebraische oder logische Operationen ermittelt werden können. Zu den Zwischengrößen zählen Hilfs- und Ausgangsgrößen.

Für jede Zustandsgröße wird eine Differenzial- bzw. Differenzgleichung (Veränderungsrate) geschrieben werden. Die Fluss- und Zwischengrößen können jederzeit aus den momentanen Werten von Vorgabe- und Zustandsgrößen durch algebraische oder logische Rechenoperationen ermittelt werden.

Grundlagen

25 Liliana Gamba: Erste Modellentwicklung zur nachhaltigen Nutzung der Biomasse

Die Simulation dynamischer Systeme, d.h. die Lösung der Gleichungen des mathematischen Modells, erlaubt der Ermittlung des Systemszustands über einen definierten Zeitraum. Der Systemzustand ergibt sich aus der Integration der Veränderungsraten und einem vorgegebenen Anfangszustand.

Das Systemdiagram (vgl. Abbildung 2-4) repräsentiert das System der Modellgleichungen (vgl. Anhang A.1). Im Systemdiagram erscheint jede Systemgröße mit ihrem Namen als Element, von denen Wirkungen ausgehen oder das auf andere Elemente einwirkt (als Eingans- bzw. Ausgangspfeilen dargestellt). Die Zustandsgrößen werden als rechteckeigen Kasten dargestellt. Sie symbolisieren die Zeitintegration der Veränderungsraten. Die in den Kasten hinein- oder hinausführenden Zu- und Abflüsse ("Rohre" mit doppelten Linien und einem "Ventil") sind als additive Beiträge zur Netto-Veränderungsrate der Zustandsgrößen zu verstehen. Vorgabegrößen werden in Großbuchstaben geschrieben. Von Vorgabegrößen können nur Wirkungen ausgehen, sie erhalten keine Wirkungen aus dem System.

Zwischengrößen haben mindestens einen Eingang und werden in Kleinbuchstaben dargestellt.

Abbildung 2-4: Grundstruktur eines Systemdiagramms (basierend auf [Bossel 2004])

Zustandsgrößen Veränderungsraten

VORGABEGRÖßEN

Zwischengrößen

ANFANGSWERTE

Ausgangsgrößen

Ableitung von Mindestanforderungen zur nachhaltigen energetischen Nutzung der Biomasse

3 Ableitung von Mindestanforderungen zur nachhaltigen energetischen Nutzung der Biomasse

In folgenden werden die Überlegungen und Annahmen, die in das entwickelte Modell einfließen, ausführlich erläutert. Zuerst wird die Vorgehensweise bei der Modellentwicklung erläutert. Im Anschluss wird das gesamte System mit Hilfe der entsprechenden Wirkungsstruktur qualitativ beschrieben. Dabei werden die Systemgrenzen definiert und die Teilsysteme identifiziert. Anschließend werden die Teilsysteme in Subsysteme untergegliedert und für jedes Subsystem die entsprechenden Wechselwirkungen erläutert.

Die für die Subsysteme zutreffenden Nachhaltigkeitskriterien werden dann diskutiert.

Die daraus abgeleiteten Modellgleichungen werden in Systemdiagrame dargestellt. Davon werden die Modellgleichungen, die die Bedingungen zur Erfüllung der Nachhaltigkeitskriterien bilden, ausführlich erklärt. Die restlichen Modellgleichungen werden in Anhang A.3 detailliert präsentiert.