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Allgemeine Grundlagen des Strahlenschutzes .1 Charakterisierung des Strahlenrisikos

Um das gesundheitsgefährdende Potenzial von ionisierender Strahlung abzuschät-zen, ist der Begriff des Strahlenrisikos geprägt worden. Der Begriff des Strahlenrisi-kos beschreibt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer bestimmten nachteili-gen Strahlenwirkung (REICH, 1990).

Um die biologischen Wirkungen und damit die Risiken infolge der Absorption ver-schiedener Strahlungen miteinander vergleichen zu können, wird die biologisch be-wertete Dosisgröße Äquivalentdosis mit der Einheit Sievert [Sv] verwendet. Die phy-sikalischen Grundlagen zur Bestimmung der Äquivalentdosis sind in Kapitel 2.1 be-schrieben.

Prinzipiell sind Strahlenrisikoabschätzungen für jeden Menschen möglich. Regelmä-ßig werden derartige Überlegungen für Personen mit beruflichem Strahlenrisiko vom Gesetzgeber verlangt. Für die Gesamtbevölkerung werden in regelmäßigen Abstän-den die von natürlicher und kosmischer Strahlung sowie nach Unfällen mit Freiset-zung ionisierender Strahlung ausgehenden Risiken abgeschätzt. Berechnungsgrund-lagen dazu finden sich in der StrlSchV und der Richtlinie 96/29 EURATOM (1996) (s. Kapitel 2.3.3).

2.3.2 Prinzipien des Strahlenschutzes

Der Schutz vor den Wirkungen ionisierender Strahlung (Strahlenschutz) beruht auf mehreren Überlegungen. Wie schon 1977 von der ICRP (International Commision on Radiation Protection) gefordert, ist ionisierende Strahlung und damit auch Röntgen-strahlung nur anzuwenden, wenn der zu erwartende Nutzen größer als der mögliche Schaden ist („Nettonutzen“). Darüber hinaus sind Strahlenexpositionen so gering zu halten, wie unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Faktoren vernünfti-gerweise erreichbar ist. Des Weiteren ist gefordert, dass die Äquivalentdosis von Einzelpersonen die von der Kommission an bestimmte Bedingungen geknüpften, festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten darf (ICRP, 1977).

Aus dem Vorherigen ergeben sich wichtige Prinzipien des praktischen Strahlen-schutzes. Jeder Einsatz von Röntgenstrahlung bedarf der Begründung. Vom Einsatz

Literatur

ist diagnostischer oder therapeutischer Nutzen zu erwarten, der größer als die mit dem Einsatz verbundenen Strahlenrisiken sein muss. Die Strahlenexposition unmit-telbar oder mitunmit-telbar beteiligter Personen ist so gering wie möglich zu halten. Dazu sind sowohl die Nutzstrahleinstellungen als auch die technische Durchführung der Radiographie zu optimieren. Weiterhin sind bauliche und praktische Aspekte sind zu berücksichtigen (vgl. auch Kapitel 2.5). Die Strahlenexposition der Einzelpersonen, v.

a. der beruflich Exponierten, aber auch anderer, wie z. B. der Tierbetreuungsperson (Def. s. Kapitel 2.3.3), kann durch überlegte Anwendung physikalischer Eigenschaf-ten ionisierender Strahlung begrenzt werden. Ist die Anwesenheit von Personen während der Strahlenemission nicht zu vermeiden, so sind diese Personen mit ge-eigneter Schutzkleidung auszustatten.

Die Strahlenschutzkleidung dient aufgrund ihrer hohen Ordnungszahl und der be-sonderen Beschaffenheit des Materials zur Absorption ionisierender Strahlung. Weit-gehenden Schutz bietet die übliche Strahlenschutzkleidung jedoch nur gegen Streu-strahlung und nicht gegen NutzStreu-strahlung (DIN 61331-3, 2002).

Zum erfolgreichen Strahlenschutz gehört auch die regelmäßige Kontrolle des Strah-lenschutzes. Die physikalische Strahlenschutzkontrolle ist in den einschlägigen Rechtsvorschriften beschrieben (vgl. Kapitel 2.3.3).

2.3.3 Gesetze und Richtlinien

Die zunehmende Verbreitung der Röntgentechnik konfrontierte einen größeren Per-sonenkreis mit den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken. Somit wurden Überlegungen über den Schutz der an Röntgenuntersuchungen beteiligten Personen angestrengt.

In diesem Sinne ist die von der Deutschen Röntgengesellschaft 1913 beschlossene allgemeine Strahlenschutzempfehlung zu beachten. Staaten übergreifend, wurde 1928 die erste Internationale Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection) in Stockholm gegründet. Sie bestand zunächst aus zwölf anerkannten Strahlenfachleuten. Auf Vorschlag von MUTSCHELLER übernahm die-se nicht staatliche Kommission 1934 eine Tagesdosis von 0,2 R als Toleranzdosis für Personen, die mit ionisierender Strahlung arbeiten (GEYER, 2003).

Der gesetzliche Rahmen ist in der Bundesrepublik Deutschland zunächst dem

Ge-Literatur

setz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Ge-fahren (Atomgesetz v. 23.12.1959) zu entnehmen. Hier wird auf der gesetzgebenden Seite durch die Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (1969/70) auf das wirtschaftliche Erstarken in den 1960er Jahren und damit das An-wachsen des potenziell gefährdeten Personenkreises reagiert. Die erste Strahlen-schutzverordnung vom 15.10.1965 war noch ohne Bedeutung für Röntgenanlagen.

Die ICRP verabschiedete 1990 die Richtung weisende Publikation Nr. 60, in der grundlegende Empfehlungen zum Strahlenschutz bei ionisierender Strahlung fest-gehalten sind. Wesentliche Änderungen gegenüber älteren Veröffentlichungen waren die Höherbewertung des Strahlenrisikos, neue Gewebewichtungsfaktoren für die Be-rechnung der effektiven Dosis und die Empfehlung niedrigerer Dosisgrenzwerte für beruflich strahlenexponierte Personen und die Bevölkerung (WUCHERER et al., 1995).

In den Richtlinien 96/29/EURATOM (Grundnormen) und 97/43/EURATOM (medizini-sche Exposition / Patientenschutz) übernahm die Europäi(medizini-sche Union diese Empfeh-lungen. Alle Staaten der Europäischen Union sind auf Grundlage der abgeschlosse-nen Verträge von Rom 1957 (Europäische Atomgemeinschaft) verpflichtet, die EU-RATOM Strahlenschutzregelungen in nationales Recht umzusetzen. In der Bundes-republik Deutschland sind diese Regelungen in den Novellierungen der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen - Strahlenschutzverord-nung (StrlSchV) und der VerordStrahlenschutzverord-nung über den Schutz vor Schäden durch Röntgen-strahlen - Röntgenverordnung (RöV) sowie den daraus resultierenden Richtlinien umgesetzt worden.

In der Bundesrepublik Deutschland bildet das Atomgesetz die gesetzliche Grundlage zum Umgang mit ionisierender Strahlung. Der zuständige Bundesminister wird in

§ 54 ermächtigt, Rechtsverordnungen zur Regelung weiterer Details zu erlassen.

Derartige Verordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

In der RöV, neu gefasst durch Bekanntmachung vom 30.04.2003 (I 604), in Kraft ge-treten am 01.07.2003, wird die Erzeugung und Nutzung von Röntgenstrahlung gere-gelt. Danach ist die Strahlenexposition als Einwirkung ionisierender Strahlung auf den menschlichen Körper definiert. Ganzkörperexposition ist die Einwirkung

ionisie-Literatur

render Strahlung auf den ganzen Körper, Teilkörperexposition ist die Einwirkung io-nisierender Strahlung auf einzelne Organe, Gewebe oder Körperteile. Die berufliche Strahlenexposition wird als die Strahlenexposition einer Person festgelegt, „die a) zur Ausübung einer Tätigkeit nach dieser Verordnung in einem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis steht oder die Tätigkeit selbst ausübt “ oder unter b), c) und d) näher erläuterte Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Atomgesetz oder der Prü-fung, Erprobung, Wartung und Instandsetzung von Röntgeneinrichtungen oder Stör-strahlern wahrnimmt. Nicht mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängende Strah-lenexpositionen bleiben dabei unberücksichtigt (§ 2 RöV, 2003). § 2a legt fest, dass die Nutzung von Röntgenstrahlung, die zur Strahlenexposition beim Menschen führt, nur dann gerechtfertigt ist, wenn der (erwartete) wirtschaftliche, soziale oder sonstige Nutzen größer ist, als die mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung. Die Dosis-grenzwerte sind nicht zu überschreiten (§ 2b). In § 2c wird festgelegt, dass die unnö-tige Strahlenexposition von Mensch und Umwelt zu vermeiden ist. Jede Strahlenex-position ist auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie möglich zu halten.

In § 19 RöV ist die Einrichtung von Strahlenschutzbereichen für genehmigungs- und anzeigebedürftige Tätigkeiten festgelegt. Diese sind wie folgt definiert: „Je nach Hö-he der Strahlenexposition wird zwiscHö-hen Überwachungsbereich und Kontrollbereich unterschieden:

1. Überwachungsbereiche sind nicht zum Kontrollbereich gehörende betriebli-che Bereibetriebli-che, in denen Personen im Kalenderjahr eine effektive Dosis von mehr als 1 Millisievert oder höhere Organdosen als 15 Millisievert für die Augenlinse oder 50 Millisievert für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und die Knöchel erhal-ten können,

2. Kontrollbereiche sind Bereiche, in denen Personen im Kalenderjahr eine effektive Dosis von mehr als 6 Millisievert oder höhere Organdosen als 45 Millisievert für die Augenlinse oder 150 Millisievert für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und die Knöchel erhalten können.“ Des Weiteren bestimmt der § 19 die Ab-grenzung und Kennzeichnung der Kontrollbereiche.

Der Zugang zum Kontrollbereich wird in § 22 Personen erlaubt, die einer dem Betrieb der Anlage dienenden Aufgabe nachgehen. Darüber hinaus ist der Aufenthalt zu

Literatur

Ausbildungszwecken, wenn es notwendig ist, als helfende Person oder Tierhalter oder als Besucher nicht untersagt. § 25 setzt den Tierhalter in bestimmten Vorschrif-ten den helfenden Personen gleich. Dies betrifft die Unterrichtung über mögliche Ge-fahren der Strahlenexposition, wie auch die Bestimmungen zur Ermittlung der Kör-perdosen, die in § 35 näher ausgeführt sind. In § 29 RöV werden die in der Tierheil-kunde zur Anwendung von Röntgenstrahlung berechtigten Personen festgelegt. Zu Kontroll- und arbeitsmedizinischen Vorsorgezwecken werden den beruflich strahlen-exponierten Personen in § 31 zwei Kategorien, Kat. A und Kat. B, zugeordnet. Diese Kategorien sind aufgrund der maximalen Höhe der erlaubten Strahlenexposition festgelegt (Dosisgrenzwert DGW) (Tab. 3). Die auf das Kalenderjahr bezogenen ma-ximalen effektiven und Organdosen sind in § 31 a festgelegt und Tab. 4 zu entneh-men.

Für Frauen im gebärfähigen Alter gilt zusätzlich eine maximale monatliche Orgando-sis der Gebärmutter von 2 mSv. Sobald eine weibliche beruflich strahlenexponierte Person ihre Schwangerschaft feststellt, hat sie diese dem Strahlenschutzbeauftrag-ten bekannt zu geben. Ab diesem Zeitpunkt darf die gesamte Strahlenexposition des heranreifenden Kindes bis zu dessen Geburt 1 mSv nicht überschreiten. Als Maß für die dieser Strahlenexposition gilt die Organdosis der mütterlichen Gebärmutter.

Tab. 3: Dosisgrenzwerte für beruflich strahlenexponierte Personen der Kategorien A und B nach § 31 RöV.

Körperteil oder Organ

Kategorie A (Kat. A)

Kategorie B (Kat. B)

effektive Dosis DGW < 20 mSv DGW < 6 mSv Augenlinse DGW < 150 mSv DGW < 45 mSv Haut, Hände,

Unterarme, Füße und