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Admission tests – Zulassungstests – Studierfähigkeitstests

2. Stand der Forschung

2.2 Zulassungsverfahren zum Medizinstudium – eine Frage der Validität

2.2.2 Admission tests – Zulassungstests – Studierfähigkeitstests

In Hinblick auf oben angeführte Schwachstellen bei alleiniger Anwendung von Schulab-schlussnoten als Auswahlkriterium wurden verschiedene Zulassungstests entwickelt, die darauf ausgelegt sind, verschiedene Fähigkeiten zu prüfen, die für das Medizinstudium und die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit oder Forschung von Bedeutung sind.

Der GAMSAT (Graduate Australian School Admission Test), der hauptsächlich in Australien, aber z.B. auch zur Zulassung an einigen britischen Universitäten verwendet wird, setzt sich aus drei Prüfungsteilen zusammen: logisches Denken in Geistes- und Sozialwissenschaften, schriftliche Kommunikation und logisches Denken in Biologie und Physik. Der GAMSAT wird für medizinische Studiengänge, aber auch für Fächer wie Physiotherapie und Tiermedizin verwendet (gamsat). Während für den GAMSAT ein abgeschlossenes Vorstudium Voraus-setzung ist, reicht für den Zugang zum Studium mithilfe des UMAT (Undergraduate Medicine and Health Sciences Admission Test) der Schulabschluss aus. Dieser Test besteht haupt-sächlich aus Fragen zu logischem Denken und Problemlösen (umat). Der britische Studier-fähigkeitstest UKCAT (UK Clinical Aptitude Test) befasst sich mit verbalem, numerischem, abstraktem und ethischem Denken und Problemlösen (ukcat). Hauptsächlich in den USA und in Kanada, aber zum Teil auch in Australien, kommt der MCAT (Medical College Admission Test) zum Einsatz. Inhalte dieses Tests umfassen naturwissenschaftliches Wissen und ver-bal-logisches Denken (mcat).

Die zwei in Deutschland am häufigsten angewandten Studierfähigkeitstests sind der HAM-Nat (Hamburger Auswahlverfahren für Medizinische Studiengänge – HAM-Naturwissenschaftsteil) und der TMS (Test für Medizinische Studiengänge). Der HAM-Nat prüft in 80 Multiple-Choice-Fragen Kenntnisse in Chemie, Mathematik, Biologie und Physik. Anwendung findet der Test mittlerweile nicht nur in Hamburg, sondern auch in Magdeburg und für die Charité Berlin (uke

2016). Der TMS (Test für medizinische Studiengänge) wird als Auswahlkriterium an mehr als der Hälfte aller medizinischen Fakultäten angewandt, unter anderem auch in Göttingen (Kadmon 2015). Getestet wird hier das „Verständnis für naturwissenschaftliche und medizini-sche Problemstellungen“ (tms-info). Basierend auf dem TMS wurde für die Schweiz der EMS entwickelt (Eignungstest für das Medizinstudium in der Schweiz) (ems 2016). Fragen beider Tests behandeln vor allem räumliches Denken, Merkfähigkeit und mathematisches und naturwissenschaftliches Verständnis.

Dass diese Zulassungstests zusätzliche Aspekte der Studierfähigkeit prüfen, die von der Abiturnote allein nicht abgedeckt werden, zeigen die folgenden Studien.

Schon in einem Testdurchlauf mit 162 Studienanfängern zeigte sich prospektiv, dass sowohl ein TMS-ähnlicher Zulassungstest NatDenk als auch der HAM-Nat einen signifikanten Zu-sammenhang mit Studienerfolg (Bestehen des M1-Examens, früher Physikum, nach sieben Semestern) aufweisen (Hissbach et al. 2012). Durch die anschließende Einführung des HAM-Nat in der konnte zusätzlich die Abbrecherquote in Hamburg deutlich reduziert werden.

In den Ergebnissen der Studie korrelierte der HAM-Nat stärker als die Abiturnote mit Stu-dienerfolg (r=0,31 bzw. r=0,26), jedoch nur wenig mit der Abiturnote selbst (r=0,21), was demonstriert, dass der HAM-Nat zusätzliche prognostische Validität zum Auswahlverfahren beiträgt (Hampe et al. 2008).

Auch international werden Zulassungstests eine Verringerung der Abbruchquote bescheinigt.

In einer prospektiven Kohortenstudie von sechs Studierendenjahrgängen (n=1544), die zwischen 2002 und 2007 an der Southern Denmark University zugelassen wurden, zeigte sich, dass die Studierenden, die mithilfe eines abschlussnotenunabhängigen Zulassungs-tests einen Medizinstudienplatz bekamen, weniger häufig das Studium abbrachen als Studie-rende, die allein aufgrund ihrer guten (Schul)-Abschlussnoten einen Platz erhielten (O'Neill et al. 2011).

Ein ähnliches Ergebnis erbrachte eine retrospektive Kohortenstudie der Medizinischen Uni-versität Graz, die zwei Studierendengruppen (2002 bis 2004 und 2008 bis 2009) miteinander verglich. Die spätere Kohorte, die mithilfe eines Auswahlverfahrens ausgewählt wurde, hatte eine geringere Abbruchquote als die Vergleichsgruppe, die mit einem offenen Zulassungsver-fahren ihr Studium begannen (Reibnegger et al. 2011).

In einer Längsschnittstudie der Universität Heidelberg wurden zwei Gruppen von Studieren-den verglichen, die im Zeitraum von 2009 bis 2012 ihr Studium begannen. Das Auswahlver-fahren berücksichtigte Abiturnoten und TMS-Ergebnisse. Bewerber mit der Abiturnote 1,0 wurden der ersten, Bewerber mit Abiturnoten von 2,0 bis 2,3 der zweiten Gruppe zugeteilt.

Alle Bewerber, bis auf die 20% Abiturbesten, nahmen an dem TMS Teil. Verglichen wurden

Studienkontinuität (gemessen anhand des Zeitpunktes des Bestehens des M1-Examens) und Studienleistung (gemessen als arithmetischer Mittelwert der Erstprüfungsnoten der ersten vier Studiensemester). Die Studie ergab, dass in beiden Gruppen der TMS-Wert die Studienkontinuität und -leistung besser vorausgesagte als die Abiturnote es vermochte.

Zusätzlich konnte herausgefunden werden, dass Studierende mit einer mittelmäßigen note, jedoch einem hohen TMS-Wert, eine ähnliche Studienleistung ablegten wie die Abitur-besten. Abiturbeste mit mittelmäßigen TMS-Werten hingegen erbrachten schlechtere Stu-dienleistungen als Studierende mit mittelmäßigem Abitur und guten TMS-Werten (Kadmon und Kadmon 2016). Ähnliche Ergebnisse bezüglich Studienleistung und -kontinuität zeigten sich auch beim TMS-Äquivalent der Schweiz (Hampe et al. 2009; Hänsgen und Spicher 2002) und in Österreich (Kraft et al. 2013).

Abgesehen von prognostischer Validität in Bezug auf Studienleistung, Abbrecherquoten und Studienkontinuität konnten nationale und internationale Studien zeigen, dass durch den Einsatz von Studierfähigkeitstests die Diversität und die Fairness im Auswahlverfahren ge-steigert werden konnte. Hierzu wird im Unterpunkt „2.3 Diversität und Fairness“ eingegangen werden.

2.2.2.1 Zulassungstests und Feminisierung

Betrachtet man Aufnahmeprüfungen für das Medizinstudium, scheinen männliche Bewerber – im Gegensatz zum Zulassungskriterium „Schulabschlussnote“ – in den naturwissenschaft-lich fokussierten Zulassungstests im Vorteil zu sein. Dies zeigt zum Beispiel der australische GAMSAT (Graduate Medical School Admission Test).

Einer australischen Studie zufolge, die die Zusammensetzung von neun aufeinanderfolgen-den Studierenaufeinanderfolgen-denkohorten der Jahrgänge 2004 bis 2012 mit insgesamt 4051 eingeschriebe-nen Studierenden bezüglich des Geschlechts und ihres GAMSAT-Scores untersuchte, schnit-ten männliche Studierende im GAMSAT-Test durchschnittlich besser ab, was vor allem durch die bessere Leistung in „Section III“ zustande kam. Section III prüft logisches Denken in Biologie und Physik ab. In Australien fußt das Auswahlsystem auf dem GPA, dem Ergebnis eines Interviews und dem Ergebnis des GAMSAT. Interessanterweise wurde seit der Ab-schaffung des Interviews in der University of Queensland 2009 ein Einbruch des Frauenan-teils unter den zugelassenen Studierenden um 5 Prozentpunkte auf 42,3% festgestellt, mit bis 2012 eher weiterhin sinkender Tendenz. Die Leiter der Studie sahen darin Grund zur Annahme, dass die Interviews, wie auch schon in weiteren Studien dargelegt, Frauen bevor-zugen (Wilkinson et al. 2014) (siehe 2.2.3.1 Interviews und Feminisierung).

Ein ähnliches – etwas schlechteres – Abschneiden von weiblichen Bewerbern wurde auch über den englischen UMAT (Undergraduate Medicine and Health Sciences Admission Test)

berichtet (Puddey und Mercer 2013), sowie in Österreich für die SIP (Summativ Integrierte Prüfung) (Mitterauer et al. 2007) und den EMS (Kraft et al. 2013). Auch im deutschen HAM-Nat schneiden männliche Teilnehmer besser ab (Werwick et al. 2015). Im TMS scheinen sich Ergebnisse beider Geschlechter insgesamt die Waage zu halten (Kadmon und Kadmon 2016). Erklärt wird dies dadurch, dass unter den mittelmäßigen Abiturienten Männer anteilig besonders hohe TMS-Werte erzielen können, während unter den Frauen solche mit Einser-Abitur diese Ergebnisse erzielen (Kadmon 2011).