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4 Neue Anwendungsgebiete der Additiven Fertigung

4.5 Additive Fertigung von Nahrung

Voraussetzung für die Verarbeitung von Lebensmitteln mittels Additiver Ferti-gung („3D Food Printing“) ist die Be-reitstellung viskoser, also fließfähig verfügbarer Zutaten. Für zahlreiche Le-bensmittelkategorien (z. B. Back-, Wurst- und Süßwaren, Milchprodukte, Snacks, verarbeitete Obst- und Gemüseprodukte sowie Teigwaren) ist diese Anforderung zumindest prinzipiell erfüllbar. So ist es verschiedenen Forschungsgruppen in-zwischen gelungen, mehr als 30 verschie-dene Lebensmittel aus den wichtigsten Lebensmittelkategorien mithilfe des „3D Food Printing“ erfolgreich zu verarbeiten.

Produziert wurden die Lebensmittel mit-tels „Material Jetting“, „Binder Jetting“

oder Materialextrusion. Erste Drucksys-teme zur Verarbeitung von Lebensmit-teln sind bereits am Markt erhältlich. Die Anwendung additiver Fertigungsverfah-ren zur Herstellung von Lebensmitteln beschränkt sich gegenwärtig noch über-wiegend auf den Süßwarenbereich. Ent-sprechende Verfahren werden in diesem Zusammenhang insbesondere zur Ver-arbeitung von Schokolade und Gummi-bonbons eingesetzt. Allerdings wurden auch auf Insektenproteinen basierende Zutaten mittels Additiver Fertigung be-reits verarbeitet.124

4.5.1 Individualisierung von Grundnahrungsmitteln

Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Lebensmittelallergien oder -unverträg-lichkeiten und in Anbetracht der großen Nachfrage nach speziellen Ernährungs-varianten (z. B. vegetarisch, vegan, Low Carb) und Lebensmittelformen (Textur, Optik, Geschmack) betrachtet die Lebens-mittelindustrie additive Fertigungsver-fahren als vielversprechendes Instrument, um künftig innovative Lebensmittelideen zu realisieren.

124 Ligon et al., 2017.

Bei der Aufnahme und Verarbeitung ver-schiedener Lebensmittel bzw. Inhaltsstof-fe gibt es mitunter große individuelle Un-terschiede im menschlichen Stoffwechsel, die sich auch auf die Gesundheit des bzw.

der Einzelnen auswirken können.125 Ana-log zum Pharmabereich, wo die Entwick-lung hin zur personalisierten Medizin bereits seit Jahren in Gang ist, könnte zukünftig daher auch ein Markt für per-sonalisierte Lebensmittel entstehen. Die computergestützte, schichtweise Herstel-lungspraxis eröffnet in diesem Zusam-menhang beispielsweise neue Möglichkei-ten im Bereich der Lebensmitteltextur und Geschmackskomposition. So ist bekannt, dass der Salzgehalt eines Lebensmittels insgesamt deutlich gesenkt werden kann, wenn das Salz in ganz bestimmten Schich-ten eingebracht wird.126

4.5.2 Ergänzung von Grundnahrungsmitteln Mithilfe von 3D-Druck-Technologien las-sen sich auch Grundnahrungsmittel nach-stellen oder modifizieren.127 Um bei einer spezifischen Unterversorgung mit physio-logisch bedeutsamen Nährstoffen Man-gelerscheinungen vorzubeugen, könnte es daher zielführend sein, geeignete Spei-sen – von der Backware bis hin zum Ge-müseprodukt – im Zuge additiver Ver-arbeitungsprozesse mit entsprechenden Inhaltsstoffen zu ergänzen. So wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts bereits ein 3D-Food-Printing-System zur Her-stellung personalisierter Lebensmittel für Patientinnen und Patienten mit Kau- und Schluckstörungen entwickelt,128 mit des-sen Hilfe pürierte natürliche Lebensmittel (Gemüse, Fleisch, Sättigungsbeilagen) mit exakt abgestimmten Mengen an Protei-nen, Fetten und Kohlenhydraten angerei-chert und anschließend in ihre ursprüng-liche Form gebracht werden konnten (Abb.

10). Die optisch ansprechende, natürlich

125 Zeevi et al., 2015.

126 Guilloux et al., 2013.

127 Yang, Zhang & Bhandari, 2017.

128 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018.

anmutende Form der entsprechenden Nahrung kann dazu beitragen, bei Patien-tinnen und Patienten die Akzeptanz gegen-über additiv verarbeiteten Lebensmitteln zu steigern, während die Anreicherung mit Nährstoffen dazu beiträgt, auch bei redu-zierter Verzehrmenge Mangelerscheinun-gen zu vermeiden.

Skeptisch zu sehen ist allerdings der be-reits von einigen Autoren diskutierte Ein-satz von 3D-Verfahren in der Fleischerzeu-gung mit dem Ziel, VersorFleischerzeu-gungsengpässe zu bekämpfen, z.B. in Krisengebieten.129 Neben erheblichen technischen Schwie-rigkeiten, die es in diesem Anwendungs-feld noch zu überwinden gilt (siehe auch Kap. 4.1.2), sind in diesem Zusammen-hang auch Fragen nach Sinn und Effekti-vität einer entsprechenden Anwendung in Krisengebieten zu berücksichtigen, wo niedrigschwellige, robuste und einfach zu handhabende Lösungen benötigt werden.

Für den heimischen Markt gibt es mit Blick auf aus ökologischen und ethischen Grün-den gewünschte Reduzierung der Tierhal-tung ebenfalls Interesse an solchen alter-nativen Methoden der Fleischerzeugung.

Aber auch hier gibt es noch Vorbehalte in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit, die Nach-haltigkeit und die Verbraucherakzeptanz

129 Bhat, Kumar & Bhat, 2017.

gegenüber einer In-vitro-Erzeugung von Fleisch.130 Auch hier sollte in der öffentli-chen Kommunikation vermieden werden, frühzeitig zu hohe Erwartungen an neue Produktionsmethoden zu wecken.

4.5.3 Akzeptanz additiv gefertigter Lebensmittel

Im Gegensatz zu anderen Anwendungs-feldern existieren für additiv gefertigte Produkte in Medizin und Lebensmittelin-dustrie direkte Verbraucherbefragungen, die Aufschluss zur Akzeptanz von Nutze-rinnen und Nutzern geben. Dabei ist ganz allgemein zu berücksichtigen, dass die Akzeptanz eines Produkts nicht unmittel-bar von der Wirkung seiner Eigenschaften abhängig ist. Für die Kategorie der 3D-ge-druckten Lebensmittel konnte mithilfe von Konsumentenbefragungen in Australien gezeigt werden, dass die Akzeptanz nicht allein vom gesundheitlichen Mehrwert und Geschmack der Lebensmittel abhängt.

Vielmehr beurteilen Konsumentinnen und Konsumenten die Produkte außerdem da-nach, ob auch die einzelnen Bestandteile des Produkts als natürlich, gesund oder schmackhaft einzustufen sind und inwie-weit die verwendeten Zutaten zuvor be-arbeitet wurden.131

130 Hocquette, 2016.

131 Lupton, 2017.

Abbildung 10: Mit dem Material-Jetting-Verfahren gedruckte Lebensmittel: Geliertes Schweineschnitzel mit Gnocchi (Foto-Bildquelle: Hochschule Weihenstephan-Triesdorf).

4.5.4 Empfehlungen zur weiteren Etablierung additiver Verfahren in der Lebensmittelproduktion

Die additive Herstellung von Nahrungsmitteln befindet sich gegenwärtig noch im Entwick-lungsstadium. Inwieweit der Mehrwert, den additive Fertigungstechnologien in diesem Anwendungsfeld bieten, auch ihren weitreichenden Einsatz zur Folge haben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher abzusehen. Daher gilt es, die Erforschung der Potenziale und Risiken solcher Technologien im Bereich der Lebensmittelproduktion weiter voranzutreiben.

Aus diesem Grund empfehlen die Akademien folgende Maßnahmen:

Herstellungsnormen und Hygienestandards in der additiven Lebensmittelherstellung etab-lieren

Vor einer Ausweitung additiver Fertigungsprozesse in der Nahrungsmittelproduktion ist zu-nächst insbesondere die Frage zu klären, ob sich die im Bereich der Lebensmitteltechnik prinzipiell einzuhaltenden Hygienevorschriften auch bei der Anwendung von additiven Ferti-gungsverfahren umsetzen lassen und wie solche Vorschriften in der Praxis umgesetzt werden können. Zu diesem Zweck sind entsprechende Normen und Kontrollverfahren zu entwickeln und anschließend zu etablieren.

Additiv gefertigte Lebensmittel ernährungsphysiologisch ausgewogen gestalten

Sollen spezifische Personengruppen wie Allergiker oder pflegebedürftige Menschen einen signifikanten Teil ihres Nahrungsbedarfs zukünftig mit additiv gefertigten Nahrungsmitteln decken, ist mithilfe repräsentativer Studien im Vorfeld zu prüfen, ob solche Nahrungsmittel sämtliche Nährstoffe, die eine physiologisch adäquate Ernährung sicherstellen, in ausreichen-dem Maß und in einer für den menschlichen Stoffwechsel verwertbaren Form enthalten.

5 Wechselwirkungen zwischen der Additiven Fertigung

und der Gesellschaft