• Keine Ergebnisse gefunden

TEIL 1 DAS INSPIRATIONSVERSTÄNDNIS IN DER KOREANISCHEN

6.2 Die Abspaltung des Jahres 1953

6.2.1 Die Zeit nach der nationalen Befreiung (1945 - 1950)

Nach der Befreiung von der japanischen Herrschaft im Jahr 1945 erklärte die Generalsynode der Presbyterianischen Kirche das Chosǒn-Seminar für rechtmäßig, weil es kein theologisches Seminar außer dem Chosǒn-Seminar in Seoul in Süd-Korea gab. 1947 kamen die Missionare

179 Ebd. Die fundamentalistischen Theologen Yongkyu Park, Yungjae Kim und Namsik Kim u.s.w. kritisieren alle in solcher Weise das Chosǒn-Seminar.

180 Vgl. Kyungbae Min, Kirchengeschichte, 509.

181 A. a. O., 510.

wieder nach Korea zurück, aber die Lage hatte sich verändert: Die koreanischen Kirchen wurden von koreanischen Christen geleitet und es existierte ein eigenes Seminar. Im Chosǒn-Seminar vertrat die Mehrheit der Dozenten einen liberalen theologischen Ansatz.

Im Jahre 1947 kam es jedoch zu einem Vorstoß der Fundamentalisten, als 51 Studenten des Seminars bei der Generalsynode eine Bittschrift zur Überprüfung der Theologie von Chaechun Kim einreichten. Es ging dabei, wie auch schon bei den früheren Auseinandersetzungen, um die irrtumslose Autorität der Bibel als Maßstab des Glaubens und des Bekenntnisses der Presbyterianischen Kirche. In dieser Bittschrift heißt es darum: „Falls die Bibel die Autorität als das Wort Gottes verliert, wird der Glaube sinnlos. Also können wir die Idee der Ausbildung, ‚der Glaube ist konservativ, dennoch ist die Theologie vernunftgemäß’, nicht akzeptieren. Der modernen Theologie und der historisch-kritischen Forschung sagen wir ab, und auch der liberalen und vernunftgemäßen Theologie“182.

Die Generalsynode setzte daraufhin einen Untersuchungsausschuss ein und Chaechun Kim legte ein Erklärungsschreiben vor. Er betonte darin die Autorität der Bibel als Geschehen des Wortes Gottes, unterschied davon aber das menschliche Zeugnis von diesem Wort, das der historischen Kritik, die als solche keine Beziehung zum Glauben hat, ausgesetzt werden kann.183 Die Bibel sei unfehlbar, sofern sie Glauben weckt und den Menschen zu seiner Bestimmung durch Gott führt.184 Er kritisierte aber die fundamentalistischen Theologen, welche die Wahrheit der Bibel mit ihrer historisch-relativen Bezeugung durch Menschen gleichsetzten. „Sie fürchten sich davor, die historische Wahrheit aufzunehmen, weil sie ihre Lehre verteidigen müssen“185.

Das Darstellungsschreiben Chaechun Kims brachte keine Klärung der verwickelten Lage, die sich nach der Rückkehr Hyǒngyong Parks im Jahr 1947 noch weiter zuspitzte.

Hyǒngyong Park wurde noch im selben Jahr von der Generalsynode beauftragt, die schriftliche Aussage Chaechun Kims zu überprüfen. Hyǒngyong Park kam dabei zu den gleichen Urteilen, wie schon in den dreißiger Jahren: „Die Autorität der Bibel und der high criticism, welcher der Heiligen Schrift Fehler unterstellt, seien unvereinbar“186. Gegen die Ansicht, das Alte und Neue Testament seien nur Grundlage für die christliche Lehre, betonte Hyǒngyong Park, dass die christliche Lehre mit der biblischen Lehre identisch sei und dass die Tradition der Presbyterianischen Kirche dies bestätige.187

Danach strebten die Fundamentalisten in der Hauptstadt Seoul die Errichtung eines neuen Seminars an. Es sollte in der Nachfolge des Seminars Pjöngyang in der koreanischen presbyterianischen Theologie die leitende Institution werden und auf der fundamentalistischen Theologie beruhen. Im März 1948 wurde es als Changrohoe-Seminar (d. h. Presbyterianisches Seminar) gegründet. Die Generalsynode beschloss im April 1949 dieses Seminar anzuerkennen und es unter der Voraussetzung mit dem Chosǒn-Seminar zusammen zu legen, dass Chaechun Kim für ein Jahr in die USA zum Studium entsandt und der Lehrkörper ausgetauscht würde. Dagegen bekräftigte Chaechun Kim mit einer Schrift unter dem Titel

„P’yǒnchie Taesinhayǒ“ (Anstatt eines Briefes) noch einmal seinen Standpunkt und machte die Ungerechtigkeit des Gegenplans öffentlich deutlich.188 Chaechun Kims Argumente wurden von der Synode zwar angehört, aber nicht akzeptiert. Die 35. Generalsynode beschloss im Juni 1948 einen neuen Entwurf mit dem Titel „7 Prinzipien für die Vereinigung der zwei Seminare“. Diese Prinzipien wollten sicher stellen, dass die theologische Ausbildung allein auf der Grundlage des Evangeliums erfolgt. Sie sahen u. a. den Rücktritt der Dozenten

182 Yangsǒn Kim, Kirchengeschichte, 216-17.

183 Vgl. a. a. O., 223.

184 Vgl. a. a. O., 224.

185 Ebd.

186 A.a. O., 230.

187 Vgl. a. a. O., 231.

188 Vgl. a. a. O., 231-45.

der beiden Seminare und die ausschließliche Durchführung von Lehrveranstaltungen in den sieben Hauptfächern durch ausländische Dozenten im Dienste der Mission vor. Das Direktorium des Changrohoe-Seminars stimmte dem unter zwei Bedingungen zu: 1) Dozenten, welche anzweifeln, dass Moses der Autor des Pentateuches sei, dürfen nicht eingestellt werden. 2) Der liberale Theologe Chaechun Kim darf nicht am Seminar beschäftigt werden.189

Das Chosǒn-Seminar und Chaechun Kim konnten das natürlich nicht akzeptieren. Es hätte den Verzicht auf die liberale Theologie und die Anerkennung der alleinigen Dominanz der Fundamentalisten bedeutet, die den größeren Teil der Presbyterianischen Kirche ausmachten. Das Chosǒn-Seminar wurde darum von Chaechun Kim weitergeführt und später im Jahr 1951 zur Hansin-Universität umbenannt und erweitert.

6.2.2 Die Koreanische Kriegszeit (1950 - 1953)

Im Jahr 1950 befand sich das Land im Krieg, den die Kommunisten im Norden des Landes vom Zaum gebrochen hatten. Deshalb konnte die Generalsynode diese Angelegenheit nicht weiter bearbeiten. Dieser Krieg brachte es auch mit sich, dass viele Christen seit dem Waffenstillstand vom 4.1.1951 mit den sich zurückziehenden amerikanischen Truppen um der religiösen Freiheit willen nach Süd-Korea umsiedelten.

Nach Beendigung der Kämpfe wurde in der Generalsynode am 25.5.1951 ein neuer Antrag gestellt, ein Seminar an Stelle der beiden bestehenden Seminare zu begründen. Dieser Antrag entsprach den Prinzipien des Jahres 1948, die das Chosǒn-Seminar ablehnte. Jetzt spielte aber noch ein neuer Gesichtspunkt in die Problematik hinein. Die Generalsynode musste entscheiden, wie zehntausende Christen, darunter ungefähr 400 Pfarrer und 67 Direktoren von zehn Regionalsynoden, die aus Nordkorea geflohen waren, in die Kirche integriert werden sollten. Sie setzte darum im Jahr 1952 ein „Notstandsgesetz“ in Kraft und bestätigte den Status der nordkoreanischen Direktoren. Da die Meisten von diesen Direktoren fundamentalistisch ausgerichtet waren, gewannen die Fundamentalisten in der Generalsynode die Mehrheit und konnten alle Vorschläge in ihrem Sinne durchsetzen. Yangsǒn Kim bewertet diese Situation folgendermaßen: „Die Generalsynode ging angemessen mit den Flüchtlingen um, indem sie sie aufnahm. Die Notsituation wurde jedoch kirchenpolitisch genutzt, denn dieser Beschluss geschah aus der politischen Absicht der Fundamentalisten heraus, den Einfluss der Liberalen zu beseitigen“190.

Den damit gegebenen Mehrheitsverhältnissen verdankt sich die Entlassung von Chaechun Kim aus der Presbyterianischen Kirche auf der nächsten Generalsynode im Jahre 1953. Das geschah auf Grund der bekannten Einwände gegen seine Theologie: Er behaupte mit historischen und naturwissenschaftlichen Argumenten, dass es Fehler in der Bibel gebe.

Er negiere die buchstäbliche Irrtumslosigkeit und Inspiration der Schrift und lehne die Autorschaft des Moses für den Pentateuch ab.191 Daraufhin rief Chaechun Kim im Jahre 1953 eine neue Generalsynode ins Leben. Bei der Tagung der Generalsynode im darauf folgenden Jahr gab diese ihrer Kirche den Namen „Taehan Kidokkyo Changrohoe“ (d. h.

Presbyterianische Kirche Koreas). Das war die zweite Spaltung der Presbyterianischen Kirche.

189 Vgl. a. a. O., 246-47.

190 A. a. O., 255.

191 Vgl. a. a. O., 259.

6.3 Bewertung der Kontroverse zwischen Chaechun Kim und der