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TEIL 1 DAS INSPIRATIONSVERSTÄNDNIS IN DER KOREANISCHEN

8. A USBLICK

8.1 Die Nachwirkung des Inspirationsverständnisses von Hyǒngyong Park Die Spannung innerhalb der gespaltenen Gruppen Hapdong, T’onghap, Kichang und Koryǒ in der presbyterianischen Kirche wirkt sich bis heute aus und behindert die ökumenische Bewegung. In der Zeitschrift The Presbyterian Theological Quarterly (Sinhakchinam) erscheinen immer wieder Aufsätze fundamentalistischer Theologen,221 die Hyǒngyong Parks Ansichten zu Grunde legen und weiter entwickeln. Ch’anguk Chǒng behandelt z. B. II Tim 3,16 und I Petr 1,19-21 in seinem Aufsatz „Sǒngkyǒngǔi Yonggamsǒungkwa Muosǒng: Kǔ Sǒngkyǒngsǒk Kǔngǒ“ (Die Inspiration und die Unfehlbarkeit der Bibel: die biblische Grundlage) ganz im Sinne Hyǒngyong Parks. Diese Texte belegen für ihn, dass sich die Schrift einem übernatürlichen Eingriff Gottes verdankt und darum in allen ihren Worten unfehlbar ist.

Zum gleichen Ergebnis kommt auch Kyuch’ǒl Chǒng in seinem dogmatisch-philosophischen Aufsatz „Philosophical Roots of Biblical Errancy“222. Er versteht Immanuel Kant, aber auch Sören Kierkegaard so, dass sie den Glauben an Gott in den Bereich der Ethik verwiesen haben. Dadurch sei der Glaubenseinsicht der Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift im Hinblick auf die Existenz Gottes der Boden entzogen worden. Sie ist nicht mehr inspirierte

„objektive Basis“ des Glaubens an Gott. Gottes Existenz kann nur noch in der „personalen“

Beziehung von Menschen auf Gott behauptet werden. Ob das alles so stimmt, können wir hier auf sich beruhen lassen. Jedenfalls zieht Kyuch’ǒl Chǒng in den Spuren von Hyǒngyong Park daraus die Konsequenz, dass diese philosophische Sichtweise, die in die Theologie eingedrungen ist, grundsätzlich die vollkommene Inspiration der Schrift verneinen muss, die aber im Glauben selbstverständlich ist.

219 Vgl. Hyǒngyong Park, Biblische Inspiration, 97.

220 Vgl. Tongmin Chang, Theologie Parks, 214.

221 Sanghun Kim, Yonggamdoen Hananimǔi Ch’aekǔrosǒǔi Sǒngkyǒngkwa Kaehyǒkchuǔi Haesǒkhakchǒk Kwache (Die Bibel als das inspirierte Wort Gottes und die hermeneutische Aufgabe der Reformierten), 271 2002; Kyuch’ǒl Chǒng, Warfieldǔi Sǒngkyǒngmuoron (Die Unfehlbarkeit bei Warfield), 273 2002; Ch’anguk Chǒng, Sǒngkyǒungǔi Yonggamsǒngkwa Muosǒng: Kǔ Sǒngkyǒngsǒk Kǔngǒ (Die Inspiration und die Unfehlbarkeit: die biblischen Grundlage), 272 2003 u. Philosophical Roots of Biblical Errancy, 284 2005;

Ch’anguk Chǒng, Sǒngkyǒngǔi Chachǔngsǒngkwa Kwǒnwi: Kǔ Ǔimiwa Sǒngkyǒngsǒk Ǔimi (Die Selbstbeglaubigung der Bibel und ihre Autorität: Die Bedeutung und die biblische Grundlage), 280 2004.

222 Vgl. Anm. 221.

Dergleichen Beiträge zum Problem der Schriftinspiration bringen keine neuen Aspekte in die Debatte ein. Sie reproduzieren nur das Verbalinspirationsverständnis von Hyǒngyong Park und tragen im Übrigen dazu bei, die Gräben zwischen den Fundamentalisten und den Liberalen tiefer zu ziehen.

8.2 Weitere Abspaltungen und ungeklärte Schuldzuweisungen

Im Jahr 1959 kam es infolge der zweiten Abspaltung von 1953 zu einer weiteren Spaltung (vgl. 6.2.2). Sie verdankt sich dem Streit um die Teilnahme der Presbyterianischen Kirche am Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Einerseits stritt man um die liberale theologische Neigung dieser Organisation. Andererseits unterstellte eine Bekanntmachung von zweiundzwanzig Abgeordneten, dass der ÖRK ein kommunistischer Zusammenschluss sei.223 Aus diesem Grunde trennten sich die Gruppen Hapdong und T’onghap von der presbyterianischen Kirche. Hyǒngyong Park beteiligte sich auch an dieser Spaltung auf der Seite der Gruppe Hapdong. Als theologische Grundlage für die Rechtfertigung dieser Kirchenspaltung machte er die Bewahrung der orthodoxen Lehre vor der liberalen Theologie geltend. Aus diesem Konflikt gingen die zahlreichen Gruppierungen in den sechziger Jahren (vgl. 1.) hervor: Laut einer Statistik aus dem Jahr 1991 gab es in diesem Jahrzehnt zwanzig Gruppierungen.224 Im Übrigen betraf die Tendenz zur Kirchenspaltung nicht nur die Presbyterianische Kirche, sondern auch andere Konfessionen, zum Beispiel den Methodismus (4 Gruppen), die Heiligkeitskirche (2 Gruppen) und den Baptismus (5 Gruppen). Der Artikel

„Policy Lessons from Korea“ berichtet anschaulich darüber, wie sich die christlichen Kirchen in jener Zeit zersplitterten.225

Im Gegenzug dazu versuchten die fundamentalistischen Gruppen Koryǒ (1952) und Hapdong im Jahr 1960 nach der dritten Abspaltung von Hapdong und T’onghap (1959) wieder die Einheit der Presbyterianischen Kirche herbei zu führen. Aber das war erfolglos. Es ging dabei hauptsächlich um einen politischen Machtkampf. Die Gruppe Koryǒ hatte weniger Mitglieder als die Gruppe Hapdong, und die Gruppe Hapdong übte die übergreifende Macht in der Generalsynode und in der Leitung des theologischen Seminars aus. Die Gruppe Koryǒ sah dies als parteiisch an und betrieb deshalb die Teilung. Darüber hinaus gab es noch einen weiteren Einigungsversuch innerhalb der Gruppen Hapdong und T’onghap im Jahr 1967 und 1968. Dieser Versuch wurde durch den Entwurf eines neuen Bekenntnisses der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA im Jahr 1967 veranlasst. Die Theologen der presbyterianischen Gruppe Kichang befürworteten dieses Bekenntnis, aber die Gruppen Hapdong und T’onghap lehnten es gemeinsam ab. Die Gespräche beider Gruppen scheiterten schließlich an der Frage, ob die presbyterianische Kirche dem ÖRK betreten solle. Die Meinungsverschiedenheit darüber verfestigte die Spaltung der Gruppierungen erheblich. Im Laufe der Zeit errichteten die Gruppen Koryǒ, Hapdong, T’onghap und Kichang ein jeweils eigenes Seminar, nämlich das Koryǒ-, Ch’ongsin- und Changsin- und Hansin-Seminar. Sie

223 Diese Bekanntmachung im Jahr 1951 bewegte die Pfarrer, die an der NAE (National Association of Evangelicals) teilnahmen, zur Ablehnung des ÖRK. Die Aussage des Vorsitzenden der Organisation ICCC (International Council of Christian Churches), Carl McIntire, dass der ÖRK kommunistisch und die neutheologische Bewegung für die Einheit der Kirche sei, vergrößerte den Trend der Ablehnung.

224 Die Zahlangabe siebzehn bis 1964 steht im Unterschied zur Angabe von zwölf in der TRE (618).

225 J. C. Smith, Policy Lessons from Korea, The International Review of Missions, Vol. L. No. 199, 7. 1961, 322, in: Kyungbae Min, Kirchengeschichte, 547. Der koreanische Kirchengeschichtler Yungchae Kim beurteilt die zahlreichen Spaltungen der sechziger Jahre folgendermaßen: Es liegt erstens an dem Zusammenbruch des Beschlusses der Aufteilung der Missionsgebiete. Zweitens gründet sich eine Vielzahl der Abspaltungen auf die Pfarrer, die aus Nord-Korea kamen. Die bestehende Presbyterianische Kirche in Süd-Korea konnte nicht alle Pfarrer aufnehmen. Deshalb bauten die Flüchtlingspfarrer selbst eigene Gemeinden auf und errichteten eine neue Synode, die nicht von der Provinz abhängig ist (Muchiyǒk-Kyodan). Dies widerspricht der Ordnung der Presbyterianischen Kirche, die die Synode je nach der Provinz oder dem Bezirk einrichtet. Vgl. Yungjae Kim, History of Korea, 270. Vgl. Wonyong Ji, Art. Korea, 617.

entwickelten unabhängig voneinander ihre jeweilige kirchliche Organisation. Die vier Gruppen der Presbyterianischen Kirche wurden somit als eigene Denominationen etabliert.226

Doch damit nicht genug; in den achtziger Jahren kam es zu zahlreichen weiteren Spaltungen,227 von denen eine im Jahre 1979 besonders beachtenswert ist. Die fundamentalistische Gruppe Hapdong teilte sich in zwei Gruppen, Hapdong und Hapdong-Bosu. Es handelte sich dabei um eine Wiederholung bzw. um ein Neuaufleben der Konflikte der fünfziger Jahre um die Verfasserschaft der Genesis. Professor Hǔibo Kim von der Ch’ongsin-Universität hatte eine Untersuchung zur Entstehung des mosaischen Gesetzes auf der Basis der historisch-kritischen Methode vorgelegt: „Chokchangsidaeǔi Ibangbopryule kwanhan sogo“ (Untersuchung über das Gesetz des Mose in der Väterzeit im Vergleich zu Gesetzen der umliegenden Staaten). Er behauptete in dieser Untersuchung, dass das Gesetz des Mose unter dem kulturellen Einfluss der umliegenden Staaten entstanden sei.228 Das erregte die Kritik besonders von Kyuo Chǒng, der die Position des Hyǒngyong Park aus dem Jahre 1934 vertrat229 und so dazu beitrug, dass es zu einer weiteren Spaltung der Presbyterianischen Kirche kam.

Somit gehören zahlreiche Gruppierungen zur Presbyterianischen Kirche: Im Jahr 1991 waren bereits siebenundfünfzig Gruppen innerhalb der presbyterianischen Kirche offiziell staatlich angemeldet,230 die meisten Gruppierungen sind aber klein. Sie werden in Korea als Kunsokyodan bezeichnet. Zum Beispiel beträgt die Zahl der zur presbyterianischen Gruppe Tok-Synode gehörenden Gemeindemitglieder fünfundzwanzig, und die der Gruppe Posu-Chaegǒn achtunddreißig. Zu den größeren Gruppen Hapdong (1959/1979) und T’onghap (1959) gehören 4,869 und 4,636 Mitglieder. Ihnen folgen die Gruppe Koryǒ (1952; 1, 274), Kichang (1953; 1,259), Kaehyǒk I (1981; 1,382) und Hapdong-Bosu (1979, 1, 501).

Zu beachten sind jedoch in neuerer Zeit ökumenische Bestrebungen. Zum Beispiel vereinigten sich die presbyterianischen Gruppen Hapdong und Kaehyǒk im Jahre 2005 zur Gruppe Hapdong.231 Die Gruppen Yechang-Kaehyǒk, Hadong-Daesin und Hapdong-Kaehyǒk errichten im selben Jahr die gemeinsame Gruppe Yechang-Kaehyǒk.232 Weiterhin schlossen

226 Vgl. Yungjae Kim, History of Korea, 281-291.

227 Die Abspaltungen der achtziger Jahre beruhen hauptsächlich auf den sozialen und politischen Einflüssen, besonders auf der Diskriminierung der Provinzen Kyǒngsang und Chǒlra. Diese politische Diskriminierung spiegelte sich in der Kirche wider. Der Geist der Spaltung herrschte über die presbyterianische Kirche, als die demokratische Regierung im Jahr 1984 die Herrschaft von der militärischen Regierung übernahm. In dieser Zeit entstanden einhundertfünf Gruppen innerhalb der presbyterianischen Kirche. Vgl. Tǒkkyo Oh, A History of the Presbyterians, 294: Außerdem gab es etwa dreihundert theologische Schulen zur Pfarrerausbildung, die als presbyterianisch bezeichnet wurden. Vgl: Won Yong Ji, Art. Korea, 618.

228 Hǔibo Kim, Chokchangsidaeǔi Ibangbǒpryule kwanhan sogo (Untersuchung über das Gesetz des Mose in der Väterzeit im Vergleich zu Gesetzen der umliegenden Staaten). in: Tongmin Chang, Theologie Parks, 402.

229 Die Kritik von Kyuoh Chǒng geht auf Hyǒngyong Park zurück: Erstens: Die Bibel ist eine exklusive Offenbarung, sie hat also eine Besonderheit, die mit den anderen Gesetzen nicht verglichen werden dürfe.

Zweitens: Dieses Gesetzesverständnis von Hǔibo Kim widerspreche dem ersten Artikel des Westminster Bekenntnisses, das der Presbyterianischen Kirche zugrunde liegt. Vgl. Tongmin Chang, Theologie Parks, 402.

230 Im Jahr 1991 werden siebenundfünfzig Gruppen innerhalb der presbyterianischen Kirche offiziell staatlich angemeldet. In der Statistik der Presbyterianischen Kirche wird die Zahl der Gruppen, die öffentlich angemeldet sind, mit etwa einhundert angegeben, aber die presbyterianische Kirche schätzt mit nicht öffentlich angemeldeten Gruppen die Zahl auf etwa dreihundert. In: http://cafe.naver.com/choonhwa/92, abgerufen am 2. 11. 2008. Das vorrangige Problem, von dem insbesondere die protestantischen Gruppierungen betroffen sind, ist die Frage von Teilungen und Abspaltungen innerhalb bestimmter Denominationen. So ist es schwer, einigermaßen genau die Zahl der Kirchengemeinschaften und theologischen Schulen anzugeben, die sich als presbyterianisch bezeichnen. Zudem ist, von etwa 25 staatlich anerkannten theologischen Schulen unterschiedlicher Denominationen abgesehen, das Ausbildungsniveau der übrigen so genannten theologischen Schulen sehr niedrig. Vgl. Wonyong Ji, Art. Korea, 618.

231 Die Zeitung Christian Today, 04. 11. 2005

232 Die Zeitung Kukminilbo, 09. 09. 2005.

sich 2005 die beiden Gruppen Kaehyǒk-Kukche und Hapdong-Bosu zusammen.233 Das ist eine erfreuliche und hoch zu bewertende Entwicklung im Geiste brüderlicher Liebe, welche die politischen Machtkämpfe zu beenden vermag, aus denen viele der kleineren Gruppierungen (Kunsokyodan) hervorgingen. Die einflussreichen fundamentalistisch ausgerichteten Gruppen Koryǒ und Hapdong bestehen aber immer noch auf eigenen theologischen Positionen und werden deshalb als Separatisten kritisiert. Dagegen hat schon Hyǒngyong Park der liberalen Theologie die Verantwortung für die Kirchenspaltung zugeschoben. Er sagte: „Der liberale Gedanke fließt in die Kirche ein und verwirrt den ursprünglichen Glauben. Das kritisieren die Fundamentalisten, um ihren Glauben zu verteidigen. [...] Es ist nicht sinnvoll, den Frieden der Kirche unter Verlust des Evangeliums zu bewahren, obwohl wir den Frieden hochschätzen“234. Die Kirchenspaltung war demnach eine Folge der Verteidigung der Wahrheit des christlichen Glaubens und des „Festhaltens der traditionellen Lehre“. Ob jene Wahrheit und diese Lehre allerdings mit der Anschauung von der Verbalinspiration der Bibel zusammen fallen, ist die Frage. Darum ist es nach meiner Meinung geraten, die dargestellte Kontroverse aus ihren spezifisch mit der koreanischen Situation gegebenen Zuspitzungen heraus zu führen und in einem weiteren kirchen- und theologiegeschichtlichen Horizont danach zu fragen, wo sich hier Wege zur Verständigung auftun. Wir als Presbyterianische Kirchen sollten das Bibelverständnis Calvins als Grundlage zur Hilfe nehmen, um zur Einheit der Kirche durch fundierte theologische Untersuchungen zu helfen.

233 Die Zeitung Christian Today, 27. 09. 2005.

234 Hyǒngyong Park, Kǔnbonchuǔi (Fundamentalismus), 287.

Teil 2 Das Verständnis der Inspiration und die Autorität der Schrift bei