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ABSCHÄTZUNG DES ROHSTOFFPOTENZIALS IN BRANDENBURGER SEEN

Im Dokument OPUS 4 | Nutzung von Rohr /Schilf (Seite 46-49)

Die inländische Rohrwerbung ist aktuell von geringer wirtschaftlicher Bedeutung. Rohr wird nur im Bereich des Dachdeckens nennenswert genutzt. Zwar gibt es im norddeutschen Raum zahlreiche Rohrdachdeckereien, jedoch wird der Großteil des benötigten Materials importiert. Die Reeternte8 wird in Deutschland meist im Nebenerwerb durchgeführt. In Küstennähe ist dabei die Bedeutung größer. In Mecklenburg-Vorpommern werden jährlich die Genehmigungen für den Rohrschnitt auf etwa 1.500 ha beantragt (LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN 1999). Bei einem mittleren Ertrag von 10 t/ha Trockenmasse entspricht das 15.000 t Rohr (vergl. Tab. 6), die jedoch nicht zwangsweise in ihrer Gesamtheit auch genutzt werden. Die Rohrwerbung in Schleswig-Holstein erzielt weitaus größere Erträge, dem Verfasser lagen jedoch keine genaueren Informationen vor. In Brandenburg hingegen ist die gewerbliche Rohrwerbung aktuell bedeutungslos. Auch international hat die Bedeutung der Rohrwerbung abgenommen. Im rumänischen Donaudelta liegt die heutzutage erzielte Ernte bei etwa 2 % der früheren Erträge (HARTMANN 2004).

Insgesamt werden die Rohrbestände in Deutschland nur noch in geringem Umfang genutzt. Dabei ist der Rohstoff vorhanden. Schilfrohr-Reinbestände gehören mit flächenbezogenen Biomassen von 3 bis 30 t/ha zu den produktivsten Flächen der Erde (Bezug auf die Trockenmasse TM, vergl.

Anhang Tab. 6). Die jährlichen Erträge erreichen die Werte sogenannter Energiepflanzen oder übersteigen sie (Tab. 4).

Tab. 4: Jährliche Flächenerträge von nachwachsenden Rohstoffen.

Rohstoff Mittlerer Ertrag

Winterweizen-Stroh 6,6-10,5 13 (FNR 2001)

Winterrogen-Stroh 5,9-8,3 13 (FNR 2001)

Triticale-Stroh 6,0-8,4 13 (FNR 2001)

Miscanthus 14 30 (BREITSCHUH et al. 2006; FNR 2001)

Landschaftspflegeheu 17,4 (BREITSCHUH et al. 2006)

Weide 6-9 18 (FNR 2005)

Pappel 7-9 18 (FNR 2005)

Potenzialabschätzungen für die landesweiten Rohrerträge sind sehr schwierig, da die Röhrichtflächen unbekannt sind. Auch kann von der Gewässerfläche nicht auf die Röhrichte geschlossen werden. Deren Ausdehnung ist von zahlreichen Faktoren abhängig, z. B.

Wassertiefe, Ufersteilheit, Uferstruktur, Himmelsrichtung oder Wasserstandschwankungen. Bei einer Potenzialschätzung müssten zudem Röhrichte, die Bestandteil des Fischereirechts sind, von Röhrichten getrennt werden, die nicht Bestandteil des Fischereirechts sind. Das Fischereirecht erstreckt sich prinzipiell auf alle ständig oder zeitweise wasserführenden Oberflächengewässer (§ 2 BBGFISCHG).

Einen Anhaltspunkt können die Ergebnisse der landesweiten Biotoptypenkartierung Brandenburg liefern. Hier sind Karten verfügbar, aus denen die Flächen ermittelt werden können. Verwendet wurde das GIS Kartenmaterial „Biotope / Selektive Biotopkartierung (Altbestand)“, welches von der Internetseite des Umweltministeriums abgerufen werden kann9. Die Erhebung neuerer Daten

8 Reet ist Rohr im Dachdecker-Fachjargon

9 http://www.mugv.brandenburg.de/cms/detail.php/bb2.c.515599.de

ist noch nicht abgeschlossen. Folgende Flächen lassen sich dem Kartenmaterial entnehmen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Kartierung nicht flächendeckend erfolgte:

Schilf-Röhrichte ca. 118 ha (Biotop-Typ 022111), Großröhrichte ca. 17 ha (Typ 02211) und

Röhrichte ca. 3.250 ha (Typ 2210)

Alle Angaben beziehen sich auf die Röhrichte an Standgewässern und Stillwasserbereichen von Fließgewässer und beschreiben die Flächen für ganz Brandenburg. Für die Rohrwerbung wäre die Biotop-Unterkategorie Schilf-Röhricht relevant. Eine landesweite Fläche von 118 ha ist sicherlich eine deutliche Unterschätzung. Aus den Angaben lässt sich schlussfolgern, dass die Schilf-Röhrichte einer der drei oben genannten Kategorien zugeordnet wurden - überwiegend der Hauptkategorie Röhrichte. Dazu gehören auch Kleinröhrichte und Rohrkolben-Röhrichte, in denen keine Rohrwerbung stattfinden kann. Und letztendlich können nicht alle Schilf-Röhrichte auch gemäht werden. Daher kann von diesem Wert nicht auf die zur Rohrwerbung nutzbaren Flächen gefolgert werden. Schätzungen des Institutes für angewandte Gewässerökologie GmbH liegen bei über 6.000 ha Schilf-Röhrichtflächen für Brandenburg (MIETZ & VEDDER 2010).

Ohne Berücksichtigung einschränkender Faktoren wie z.B. naturschutzfachlicher Belange oder schmalen Gelegestreifen ohne Erntepotenzial lässt sich aus diesen Angaben grob ein Erntepotenzial von mehreren Tausend Tonnen Trockenmasse für Brandenburg abschätzen.

Einen anderen Anhaltspunkt für die in der Praxis erzielbaren Erträge können Aufzeichnungen aus der DDR erbringen. Hier wurde die Rohrwerbung als Teil der fischereilichen Nutzung ertragsorientiert durchgeführt. Es existieren recht genaue Aufzeichnungen aus den verschiedenen Jahren (Tab. 5). Aus den Werten lässt sich ein jährliches Mittel von etwa 650.000 Bunden abschätzen, bei einer großen Spannweite von 100.000 - 1.300.000. Der extreme Wert von 1984 wurde dabei nicht berücksichtigt. Ein Bund Rohr hat einen Umfang von 60 cm. Die entsprechende Biomasse schwankt in Abhängigkeit von Halmlänge und -durchmesser, im Mittel kann von ca. 5 kg ausgegangen werden (pers. Mitt. Fa. Hiss-Reet). Damit ergibt sich ein jährlicher Ertrag an Rohr im Gebiet der DDR von etwa 3.000 t TM. Vergleichbare Werte könnten wahrscheinlich auch unter heutigen Bedingungen erzielt werden. Bei einer Abschätzung des Brandenburger Anteils ist zu berücksichtigen, dass auch damals ein Großteil des Ertrages in Mecklenburg-Vorpommern erzielt wurde. Eine solche Ertragsschätzung mit Praxisbezug erscheint deutlich realistischer als die oben genannte, rein flächenbezogene Schätzung.

In den Berechnungen gibt es Widersprüche zwischen den historischen Erträgen der gesamten DDR und den aktuellen jährlichen Anträgen in Mecklenburg-Vorpommern (siehe Abs. 1). Es erscheint nicht plausibel, dass heutzutage deutlich mehr Rohr geworben wird.

Zusammenfassend ist eine glaubwürdige Potenzialanalyse für den Rohstoff Rohr nicht möglich.

Zunächst fehlen flächendeckende Kartierungen der Bestände. Überdies sind längst nicht alle Bestände auch für eine Werbung nutzbar, beispielsweise bei geringen Flächen, bei naturschutzfachlichen Einschränkungen im Gebiet oder bei schlechter Zugänglichkeit. Ganz grob lässt sich schätzen, dass das erzielbare Potenzial für Brandenburg zwischen jährlich 1.000 und 10.000 t TM liegt. Damit könnte der Bedarf für die stoffliche Nutzung im Bundesland gedeckt werden. Dieser liegt unter 100 t TM und wird für die Dachdeckung verwendet (LANDTAG

BRANDENBURG 1997). Im Bereich der energetischen Nutzung steht Rohr in Konkurrenz zu anderen halmgutartigen Rohstoffen. Beispielsweise könnten in Deutschland jährlich ca. 22 Mio.

Tonnen Getreidestroh als Nebenprodukt für die energetische Nutzung bereitgestellt werden (FNR 2007b). Es ist jedoch vorstellbar, dass lokal ein wirtschaftliches Potenzial gegeben ist. Beispiele könnten Gebiete mit ausgedehnten Röhrichten aber wenig landwirtschaftlichen Nutzflächen oder

nasse Standorte sein. Auch eine zeitliche Alleinstellung kommt in Frage, Stroh fällt im Herbst, Rohr im Winter an. Im Vergleich zum Stroh ist die Rohrwerbung darüber hinaus vergleichsweise aufwändig. Dazu werden im folgenden Abschnitt Ausführungen gemacht.

Tab. 5: Jahreserträge an Rohrbunden in der DDR. Die Werte wurden von Herrn FLADUNG (IfB) zusammengestellt und freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Die Werte für den Zeitraum 1959-1972 stammen aus den „Jahresberichten über die Produktion des Wirtschaftszweiges Binnenfischerei der DDR“, zu finden in der Deutschen Fischereizeitung des jeweiligen Folgejahres. Die Werte ab 1976 stammen aus den

„Analysen und Leistungsvergleichen der Binnenfischerei der DDR“, herausgegeben vom Institut für Binnenfischerei, ebenfalls im jeweiligen Folgejahr.

Jahr Rohr [Bund]

1959 866.000

1960 1.040.000

1961 723.600

1962 1.281.100 1963 1.311.000 1964 1.275.900

1965 560.875

1966 575.542

1967 478.800

1968 373.100

1969 187.300

1970 137.900

1971 102.000

1972 213.632

1973 1974 1975

1976 339.900

1977 139.300

1978 135.000

1979 220.200

1980 852.800

1981 638.700

1982 1.027.000

1983 800.600

1984 9.697.000 1985 1.088.400 1986 1.059.000

1987 901.700

1988 555.600

Im Dokument OPUS 4 | Nutzung von Rohr /Schilf (Seite 46-49)