• Keine Ergebnisse gefunden

A UFGABE HEUTIGER D ESIGNER

Im Dokument Design und Wirkung  (Seite 30-35)

Der Begriff „Designer“ wurde durch die Industrialisierung, vom Verlagssystem über die Ma-nufaktur zur industriellen Fertigung in Fabriken, geschärft. Aufgabe des Designers ist es Pro-dukte zu gestalten, die in großen Mengen produzierbar sind. Aus dieser neuen Anforderung entwickelte sich das Berufsbild des Industrie-Designers. Die Massenproduktion marginalisierte das Handwerk und damit auch die von ihm entwickelten und mit ihm verbundenen Formen der Gestaltung (vgl. Erlhoff und Marshall 2008, S. 88).

Raymond Loewy (1860-1919) war ein Protagonist des Stromlinien-Design und wurde bekannt durch seine Arbeiten für Coca Cola, Lucky Strike und Shell sowie durch die Gestaltung von Automobilen, Lokomotiven und Schiffen. Seine Auffassung von Design war, Design als ein zusammenhängendes System zu verstehen, die spätere Bezeichnung Corporate Identity (die innere Struktur der Unternehmen: um Integration, Motivation und Verbindlichkeiten und deren Widerschein im öffentlichen Bewusstsein). Diese Auffassung propagierte er und unterschied sich so von seinen Vorgängern. Raymond Loewy sah die Qualität des Designs als permanente Verbesserung des Bestehenden, als Entwicklungsprozess: nutzerorientiert. Er hat sich stark von Künstlern und dem Kunsthandwerk distanziert. Er entwickelte mit seiner Arbeit perspektivisch das Design zur komplexen Aufgabe, in der die psychischen, sozialen, kulturellen, ökonomi-schen und ökologiökonomi-schen Bedingungen verständlich gemacht und verbessert werden (vgl.

ebenda, S. 90).

Für die Arbeit heutiger Designer bieten Datensammlungen über Nutzermaße und Richt-werte Hilfestellungen, um Produkte so zu gestalten, dass sie an den menschlichen Körper aus-gerichtet sind, wie in Kapitel 3.2.2 beschrieben. Die Daten sind über die Jahre immer wieder verfeinert worden und bilden jetzt die tatsächlichen Maße und Richtwerte des Menschen der heutigen Zeit ab.

Aufgabe heutiger Designer 25 Design muss sich an den Bedürfnissen orientieren, die durch stetige Veränderung immer neue Variablen bilden. Design steht im Kontext zum Umfeld, mit dem Ziel der Nutzerzufrie-denheit (vgl. Jonas 2010).

Die Aufgabe des Designers besteht darin, Bedürfnisse und Umwelten zu analysieren und Gegenstände zu gestalten, die zur Nutzung, also auf Gebrauch ausgelegt sind.

Designer müssen eine Kompetenz des reflektierten Umgangs mit fundamentalen Unge-wissheiten entwickeln. „Dies bedeutet, dass Letztere nicht durch geduldige Reflektion aufgelöst werden kann, sondern dass sie sich in der Reflektion sogar ausweitet, weil jede Beobachtung neue Felder (noch) nicht beobachteter Phänomene eröffnet“ (vgl. Jonas 2006, S. 68).

Thielsch und Hassenzahl (2008) sagen das Schönheit und Hässlichkeit allgegenwärtig sei. Alles um uns herum kann im Hinblick auf Schönheit beurteilt werden (vgl. Thielsch und Hassenzahl 2008, S. 26). Es fällt uns leicht ein Urteil darüber abzugeben, wie wir das Aussehen von Objekten empfinden. Dieses spontane Urteil wird schnell getroffen und ist nachhaltig über-einstimmend mit der Gruppe. Sollen wir jedoch unsere Bewertung abgeben, ob wir das Objekt für uns passend empfinden, variieren die Antworten. Gefühle sind spontan und stark und wer-den durch die Merkmale des Objektes angestoßen. Nach Thielsch und Hassenzahl haben Schön-heitsurteile zwei Eigenschaften: sie sind schnell und relativ stabil. SchönSchön-heitsurteile werden schnell und spontan gefällt. Sind sie einmal gefällt, werden sie auch nicht mehr oder nur selten revidiert (vgl. ebenda, S. 29).

Dagegen misst die überlegte Bewertung das Objekt an persönlichen Standards. So sagt auch der Volksmund „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ oder „über Geschmack lässt sich streiten“. Der Grund hierfür ist, nach Thielsch und Hassenzahl (2008), dass alle Menschen über den gleichen visuellen Wahrnehmungsapparat verfügen und vergleichbare kognitive und emotionale Prozesse ablaufen. Gerade spontane, stark gefühlsbasierte Urteile sind dann gar nicht mehr so individuell gedacht (vgl. ebenda, S. 27). Je besser wir hier die grundlegenden neuronalen Prozesse verstehen, desto weniger ist das Empfinden von Schönheit und Beurtei-lung über ein Objekt ein unergründbares, rein subjektiv-individuell erlebtes Mysterium (vgl.

ebenda S. 27).

Das Bauhaus-Gestaltungs-Credo hieß „die Form folgt der Funktion“. Heute weiß man, dass die Optik der Produkte einen großen Einfluss auf das Urteil hat. Thielsch und Hassenzahl sagen „Schönheit ist mehr. Mehr als nur ein schöngeistiges Forschungsfeld, mehr als nur ein reines Add-on zur Funktion. Schönheit ist ein komplexes, interessantes und für alle interaktiven Produkte relevantes Thema“ (ebenda, S. 31).

26 Designer Der Halo-Effekt (Heiligenschein), der aussagt, dass schönen Menschen mehr positive Eigenschaften zugesprochen werden als weniger schönen, lässt sich nach Thielsch und Hassen-zahl (2008) oder Lidwell et al. (2004, S. 18), auch auf Produkte übertragen und bewußt in den Gestaltungsprozess integrieren. Schönheit kann ebenso systematisch gestaltet werden wie jede andere Qualitätsdimension auch (vgl. Thielsch und Hassenzahl 2008, S. 31). Eine Studie von Tractinsky et al. (2000), in welcher Nutzer vor und nach der Nutzung zum Urteil eines Produk-tes befragt wurden, bestätigt dies. Das Resultat der Studie „What is beautiful is usable” zeigt deutlich auf, dass eine enge Verbindung besteht zwischen dem ästhetischen Empfinden und dem Urteil über die Nutzbarkeit eines Produktes. Wird das Produkt als positiv gestaltet ange-sehen, wird auch die Bedienung positiv bewertet. Wird die Optik des Produkts als negativ be-wertet, fällt auch die Bewertung über die Nutzbarkeit negativ aus (vgl. Tractinsky et al. 2000, S. 127-145).

Die Optik eines Produktes hat demnach großen Einfluss auf unser Urteil über das ge-samte Produkt, dessen Funktionsweise und dessen Neuheitsgrad.

Mugge und Shoormans (2012) manipulierten in einer Studie systematisch ein Produkt mit den Attributen von Farbe und Form. Nutzer hatten als Aufgabe die Nutzbarkeit zu bewerten:

von gering bis hoch. Sie stellten in einer Untersuchung fest, dass es eine Beziehung gibt zwi-schen der ästhetizwi-schen Beurteilung eines Gegenstandes und dem Urteil über die Bedienung.

Mugge und Shoormans (2012) fanden auch heraus, wenn der Level der Neuerung sehr hoch ist, hat dies einen negativen Effekt auf die Beurteilung der Bedienbarkeit (Mugge und Shoormans 2012, S. 1081-1088).

Die Forschungsergebnisse von Thielsch und Hassenzahl (2008), Tractinsky et al. (2000) und Mugge und Shoormans (2012) zeigen deutlich, dass die Bedienbarkeit von Produkten nicht losgelöst von deren Ästhetik betrachtet werden kann.

Im Gestaltungsprozess geht es immer um die Analyse der Ist-Situation, um das Ausloten des Spielraums der Gestaltungsvariablen hin zur Soll-Situation. Für Wolf (2010) beginnt der Pro-zess des Gestaltens mit der Analyse der Ausgangssituation. Ihrer Ansicht nach müssen Designer heute neben den gestalterischen Fähigkeiten auch über ein Methodenspektrum verfügen, wel-ches ihnen ermöglicht die Nutzergruppen zu analysieren und Anforderungen an zukünftige Pro-dukte (Soll-Situation) abzuleiten (vgl. Wolf 2010, S. 209).

Denn „Design zielt auf eine menschenbezogene Form von Wahrheit“ (Krippendorff 2013, S. 56), was es von anderen Disziplinen unterscheidet. Nach Krippendorff (2013) leitet

Aufgabe heutiger Designer 27 menschbezogenes Design seine Kriterien aus einer Gemeinschaft von Benutzern ab, welche sich in das Umfeld einfinden müssen (vgl. ebenda, S. 58).

Es ist die Aufgabe des Designers nach Variablen zu suchen, nach Dingen, die sich va-riieren, bewegen, verändern, beeinflussen, kombinieren, auseinandernehmen, neu zusammen-setzen oder verändern lassen. Die definierten Variablen legen den Raum fest, der vom Designer gestaltet werden kann, aus dem das spätere Produkt entsteht (vgl. ebenda, S. 55).

Das Ziel zukünftiger Gestaltung von Produkten ist immer Bestehendes in Frage zu stel-len und zu verbessern. Aus der Ist-Situation, mit den definierten Variabstel-len, lässt sich die Soll-Situation, das zukünftige Produkt, ableiten. Der Analyseprozess ist Voraussetzung, so Wolf (2010), um eine Beschreibung und Abgrenzung der Soll-Situation vorzunehmen (vgl. Wolf 2010, S. 209). Nach Krippendorff (2013) steht Design für die Verbesserung der bestehenden Umstände. Er spricht davon, Vorhandenes in bevorzugte Situationen zu verwandeln. Es geht um die Analyse der Ist-Situation, auf deren Basis die Dinge der Zukunft entstehen (vgl. Krip-pendorff 2013, S. 54f).

Die Aufgabe des Designers ist es, realisierbare Vorschläge und Vorgehensweisen für zukünftige Produkte zu kreieren. Vorschläge von einem Designer sind immer Zukunftsvisio-nen, die schließlich als funktionierende Produkte realisiert werden. Design ist immer ausgerich-tet auf die Zukunft; dem geht eine Auseinandersetzung mit der Ist-Situation voraus. Es bedeuausgerich-tet existierende Produkte zu verändern, somit auch ein Wagnis einzugehen und Verantwortung zu übernehmen für das zukünftige Produkt und dessen Nutzung. Es ist die Aufgabe des Designers realistische Wege aus der Gegenwart in die erwünschte Zukunft zu finden und dies denjenigen vorzuschlagen, die ein Design verwirklichen können (Auftraggeber) (vgl. ebenda, S. 54f).

Neben der Gestaltungsarbeit ist auch Überzeugungsarbeit, Kompromissbereitschaft und permanente Offenheit von Wünschen und Anregungen gefragt. Nach Krippendorff (2013) ist erfolgreiches Design auch von der Fähigkeit der Designer abhängig die „Stakeholder“ (Auf-traggeber) in ihre Projekte einzubeziehen, ohne ihre eigenen Interessen einzuschränken oder abzulehnen (vgl. ebenda, S. 56). Um neue Ideen umzusetzen muss der Auftraggeber überzeugt werden. Krippendorff (2013) spricht davon, dass die Ideen der Designer in der Lage sein müs-sen, zu Ideen der Stakeholder zu werden (vgl. ebenda, S. 56).

Die tatsächliche Umsetzung von Produkten fällt nicht in das Aufgabengebiet des Desi-gners, sondern ist die Aufgabe anderer Disziplinen. Designer nehmen in der Realisierungsphase teilweise eine begleitende Funktion ein und können in der Phase der Umsetzung beratend tätig sein.

28 Designer Nach Norman (1989) ist es die zentrale Aufgabe des Designers Gegenstände zu verein-fachen. Eine Vereinfachung wird nach seiner Aussage erzeugt, indem z.B. die Auswahlmög-lichkeit der Bedienoberfläche eingeschränkt wird oder ggf. Zwangsfunktionen (z.B. eine Funk-tion kann nur dann durchgeführt werden, wenn die zuvor begonnene abgeschlossen ist) mit eingeplant werden (vgl. Norman 1998, S. 159f). Um diese Vereinfachung zu erzeugen, wird eine intensive Auseinandersetzung mit dem Produkt vorausgesetzt. Nur durch Beobachtung und Analyse von Nutzungsabläufen können Verläufe verkürzt und verbessert werden.

Nach Romero-Tejedor (2007) sollte es der Anspruch sein, Produkte zu gestalten, an denen sich der Nutzer optisch erfreuen kann, die aber auch in ihrer Handhabung verständlich sind und sich intuitiv bedienen lassen. Sie betont das Cognition Design (Design, welches der intuitiven (kognitiven) Handhabung folgt), welches richtungsweisend sei bei der Gestaltung von Produkten. Es soll nicht blind und leer gestaltet werden, sondern anschaulich und verständ-lich (vgl. Romero-Tejeor 2007, S. 56f und 129).

Nach Krippendorff (2013) müssen Designer Herausforderungen annehmen, auf schwie-rige Bedingungen, Probleme oder Konflikte, die sich bisher nicht lösen ließen, einzugehen (vgl.

Krippendorff 2013, S. 54). Designer nur als Problemlöser zu sehen wäre sehr begrenzt betrach-tet (vgl. Frenzl 2009, S. 14). Das Tätigkeitsfeld der Designer biebetrach-tet die Gelegenheit an gesell-schaftlichen Prozessen aktiv teilzunehmen. Der positive Beitrag besteht darin, Produkte zu ge-stalten, die zu zufriedenen Nutzern führen. Es geht um die stetige Verbesserung von bestehen-den Produkten. Das sind Veränderungen, die als Möglichkeiten zuvor nicht erkannt wurbestehen-den oder aber wo eine Veränderung erst jetzt vorgenommen werden kann, z.B. durch neue Materi-alverarbeitungsverfahren. Krippendorff (2013) beschreibt Möglichkeiten der Designer, also Variationen zu schaffen, die andere nicht in Betracht zu ziehen wagen und dabei etwas Neues, möglicherweise etwas Aufregendes kreieren (vgl. Krippendorff 2013, S. 54f).

Designer arbeiten zum großen Teil in interdisziplinären Teams. Durch die Position, die der Designer im Entstehungsprozess einnimmt, steht er stets im Spannungsfeld zwischen Auf-traggeber und seinem eigenen Verwirklichungswunsch.

Um Produkte realisieren zu können, ist der Designer auf die Zusammenarbeit mit ande-ren angande-renzenden Disziplinen angewiesen, z.B. eine Zusammenarbeit in der Produktion des Auftraggebers in einem Konzern oder mit externen Designern. Erlhoff und Marshall (2008) sprechen bereits von spezialisierten Generalisten, die aktiv und erfolgreich in interdisziplinären Teams arbeiten (vgl. Erlhoff und Mashall 2008, S. 92). 2004 identifizierte Terence Love 650 Felder, in denen Design praktiziert wird (vgl. Love 2004). Das stellt deutlich heraus, dass De-signer heute nicht nur in den klassischen Designberufen einsetzbar sind. Zukünftig kann man

Designprozess 29 davon ausgehen, dass der Designer mit seinem Kompetenzspektrum zunehmend die Vermitt-lerfunktion zwischen anderen Disziplinen übernehmen wird. Design etabliert sich als multi-disziplinäre Disziplin, gerade wegen der integrativen Kompetenz im Umgang mit Material, Ur-teilskraft, Fantasie und ökonomischem Verständnis.

Die Fähigkeit von Designern, die Realität präzise wahrzunehmen, hilft ihnen, Tenden-zen innerhalb der Gesellschaft zu erkennen und auf Produkte zu übertragen. Design ist damit unwiderruflich in alle gesellschaftlichen Prozesse involviert (vgl. Erlhoff und Mashall 2008, S.

90).

Im Dokument Design und Wirkung  (Seite 30-35)