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Der Übergang vom tragenden, nicht-laktierenden Status zum nicht-tragenden, laktierenden Status ist für die Kuh in Bezug auf ihren Energiestoffwechsel eine schwierige Adaptation (GOFF et al. 1997). Aufgrund des plötzlich ansteigenden Energiebedarfs für die Milchproduktion kommt die laktierende Milchkuh in dieser Zeit in eine negative Energiebilanz. Sie kann nicht mehr so viel Energie aus dem Futter gewinnen, wie benötigt wird (GOFF et al.1997; HAYIRLI 2006; HERDT 2000). In gewissem Maße ist sie aber in der Lage, ihren Stoffwechsel entsprechend anzupassen und Energie aus der Bildung und dem Abbau von Ketonkörpern zu gewinnen.

In der Leber können unveresterte Fettsäuren zu Ketonkörpern metabolisiert werden oder zu Triglyzeriden rückverestert werden. Die Verteilung in die eine oder andere Richtung ist abhängig von der aktuellen Energiebilanz (HERDT 2000). So lange genügend Glucose vorhanden ist, gelangt diese in den Krebs-Zyklus (Citratzyklus) in den Mitochondrien der Leberzellen. Das gebildete Citrat wird aus dem Mitochondrium ausgeschleust und in Malonyl-CoA umgebaut. Dieses wiederum inhibiert die Carnitin-Palmityltransferase 1 (CPT 1), die freie Fettsäuren ins Mitochondrium transportiert und damit die Ketogenese in Gang setzt. Damit besteht eine reziproke Assoziation zwischen dem Kohlenhydrat-Status und der Ketonkörpersynthese in der Leber (HERDT 2000). Bei Glucosemangel wird dagegen kaum Malonyl-CoA gebildet, so dass freie Fettsäuren über die CPT 1 ins Mitochondrium transportiert werden. Aus den freien Fettsäuren entsteht Acetyl-CoA, der Vorläufer der Ketonkörper. Acetyl-CoA unterdrückt den Glukoseverbrauch und

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stimuliert die Gluconeogenese. Der Ketonkörper Acetoacetat verläßt das Mitochondrium ins Zytosol, wo ein Teil in BHB umgewandelt wird, um dann die Leber über den Blutkreislauf zu verlassen und als zusätzlicher Energieträger zu dienen (HERDT 2000). Diese physiologische Bildung von Ketonkörpern kann durch eine verminderte Adaptation an die negative Energiebilanz gestört sein. Das Ergebnis ist die Ketose und die Fettleber.

Die Ketose wurde von HOLTENIUS und HOLTENIUS (1996) in zwei Typen eingeteilt. Die Typ 1-Ketose tritt erst drei bis sechs Wochen nach dem Kalben bei Kühen auf, deren Milchproduktion so hoch ist, dass der Glucosebedarf das Glucoseangebot deutlich übersteigt. Um den Körper vor zu hohem Proteinabbau für die nötige Gluconeogenese zu schützen, wird die Energiegewinnung durch Ketonkörper erhöht. In diesem stark katabolen Status sind die Plasmalevel von Glucose und Insulin sehr niedrig, die Ketonkörperspiegel sind stark erhöht und das Risiko für eine Leberverfettung ist gering. Es entsteht eine Hypoglykämie und Hypoinsulinämie ähnlich des Typ-1 Diabetes beim Menschen. Dieses Krankheitsbild wird auch spontane Ketose genannt (HERDT 2000).

SAKAI et al. (1993) konnten in einer Feldstudie zeigen, dass die Plasma-Insulin-Konzentration bei ketotischen Tieren deutlich niedriger war als bei Kontrolltieren.

Auch der Anstieg der Insulinwerte nach einer Glucose-Infusion war signifikant geringer als bei gesunden Kühen. 1996 konnten sie diese Ergebnisse noch einmal untermauern: Bei gesunden Kühen stieg die Insulinkonzentration im Blut nach Glucose-Infusion um das 7fache, bei ketotischen Tieren nur um das 3 bis 6 fache (SAKAI et al. 1996). Auch ITOH et al. (1998) wiesen für ketotische Tiere einen signifikant erniedrigten Blutglucosespiegel nach. Zusätzlich stellten sie eine deutliche Erhöhung der AST, der freien Fettsäuren, des Cholesterols und der Ketonkörper fest.

Die hyperglykämische und hyperinsulinämische Form ist die Typ 2-Ketose. Sie tritt in der Frühlaktation kurz nach dem Kalben auf. Wichtigster ätiologischer Faktor ist die Überfütterung der Milchkuh während der Trockenstehperiode, die zu erhöhten Plasmaglucose- und Insulinwerten führt und meist von einer Insulinresistenz begleitet wird. Es kommt zu einer vermehrten Lipolyse des Fettgewebes. Dadurch

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akkumulieren große Mengen freier Fettsäuren in der Leber, ohne dass die Gluconeogenese und die Ketogenese maximal stimuliert sind. Die vermehrt produzierten Triglyzeride, für deren Bluttransport nicht genügend Lipoproteine zur Verfügung stehen, reichern sich in den Leberzellen an. Als Konsequenz kommt es zur Leberverfettung. Dieses Krankheitsbild ist mit dem Typ-2 Diabetes des Menschen zu vergleichen (HOLTENIUS u. HOLTENIUS 1996).

Insgesamt wird also bei der Ketose die Oxidation von unveresterten Fettsäuren zu Ketonkörpern gesteigert, während die Veresterung zu Triglyzeriden vermindert wird (HOLTENIUS u. HOLTENIUS 1996).

Bei an linksseitiger LMV erkrankten Tieren ist der BHB-Anteil im Blut signifikant höher als bei gesunden Tieren, was bei diesen Tieren auf Energieimbalancen hindeutet (ZADNIK 2003). SEN et al. (2006) haben die Ketose als Risikofaktor für die LMV gewertet, da in ihren Untersuchungen alle an LMV erkrankten Tiere eine subklinische bis klinische Ketose aufwiesen. Untersuchungen von VAN WINDEN et al. (2003) deuten darauf hin, dass die Ketose zeitlich vor der LMV auftritt und damit eventuell an der Pathogenese der LMV beteiligt ist.

(Labor-) Referenzwerte

Tabelle 1: Darstellung der (Labor-)Referenzwerte und der gemessenen BHB-Konzentrationen im Blutplasma von gesunden und ketotischen Kühen verschiedener Autoren

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28 2.5 Kalzium und Hypokalzämie

Ähnlich wie der Energiehaushalt erfährt auch der Kalziumhaushalt mit Eintritt in die Laktation eine große Umstellung. So wird für die Milchproduktion deutlich mehr Kalzium in die Milch abgegeben, als die Kuh aus der Nahrung aufnehmen kann. Um diese Lücke zu schließen, begibt sich die Kuh in eine laktationsbedingte Osteoporose (GOFF 2008). Die Kalziumresorption aus dem Knochen wird über das Parathormon (PTH) angeregt, sobald zu wenig Kalzium im Blut vorhanden ist. Auch die renale tubuläre Rückresorption wird durch PTH stimuliert. Die Umwandlung von Vitamin D in das 1,25 Dihydroxyvitamin D in der Niere steigert die Kalziumresorption im Darm und ist ebenfalls PTH abhängig (GOFF 2008). Die physiologischen Gesamtkalziumwerte im Blut liegen beim Rind zwischen 2,1 – 2,8 mmol/l (Tab. 2).

Hypokalzämie vermindert die Sekretion von Insulin und damit die Aufnahme von Glucose ins Gewebe. Es folgt eine erhöhte Fettmobilisation und ein erhöhtes Risiko für eine Ketose. Die eingeschränkte Futteraufnahme, die mit dem klinischen Bild der Hypokalzämie verbunden ist, führt zu einer verminderten Pansenfüllung und zu reduzierter Labmagenmotilität. Alle diese Effekte der Hypokalzämie prädisponieren die Entwicklung einer Labmagenverlagerung (GOFF u. HORST 1997).

In verschiedenen Studien konnte bisher eine Korrelation zwischen der Hypokalzämie und der Labmagenverlagerung hergestellt werden. DELGADO-LECAROZ et al.

(2000) wiesen bei an linksseitiger LMV erkrankten Milchkühen signifikant niedrigere Kalziumkonzentrationen im Blut nach im Vergleich zu gesunden Tieren der gleichen Herde. 70 % der erkrankten Tiere waren hypokalzämisch, während es bei den Kontrolltieren nur 23 % waren. SEN et al. (2006) erhielten in ihrer Studie ähnliche Ergebnisse für das ionisierte Kalzium im Blut. Auch ZADNIK (2003) konnte über Blutanalysen eine Korrelation zwischen Hypokalzämie und LMV herstellen.

MASSEY (1993) errechnete für Kühe, die zur Geburt hypokalzämisch waren, sogar ein 4,8mal höheres Risiko an LMV zu erkranken als für normokalzämische Tiere.

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Allerdings gibt es auch Studien mit gegenteiliger Aussage: LEBLANC et al. (2005) konnten keine Unterschiede im Serumgesamtkalziumgehalt von an LMV erkrankten und gesunden Kühen erkennen. Sie deuteten die Ergebnisse so, dass nicht die Hypokalzämie der Risikofaktor für die LMV ist. Die Hypokalzämie ist ihrer Meinung nach ein Symptom einer nicht ausreichenden Futteraufnahme im Puerperium, was mit anderen direkt LMV-auslösenden Faktoren, wie erhöhte freie Fettsäuren oder einer subklinischen Ketose, zusammenfällt. Den Zusammenhang zwischen Hypokalzämie und negativer Energiebilanz arbeiteten auch REINHARDT et al.

(2010) heraus: Kühe mit Serumkalziumkonzentrationen über 2 mmol/l hatten signifikant niedrigere Gehalte an unveresterten Fettsäuren im Serum. Dies deutete auf eine bessere Energiebilanz im Vergleich zu Tieren mit subklinischer Hypokalzämie hin. Auch GEISHAUSER (1997) konnte keine Assoziation zwischen LMV und Hypokalzämie feststellen.

Allerdings konnte DANIEL (1983) die Anzahl der Kontraktionen von Pansen und Labmagen signifikant reduzieren, indem er die physiologische Konzentration des freien Kalziums im Blut von Kühen akut um die Hälfte absenkte. Die Reduktion der Labmagenmotilität wiederum kann die Entstehung einer LMV stark begünstigen (GOFF 2007). Auch HANSEN et al. (2003) konnten in einer Studie über die Effekte einer induzierten subklinischen Hypokalzämie auf die Futteraufnahme und Wiederkau- und Kauaktivität bei Kühen den negativen Einfluss von erniedrigten freien Kalziumgehalten im Blut auf die genannten Parameter feststellen. Bei Konzentrationen des freien Kalziums im Blut zwischen 0,8 mmol/l und 0,6 mmol/l fiel die Futteraufnahme linear mit dem Kalziumgehalt und auch die Wiederkauaktivität und die Kauaktivität verminderten sich deutlich. Dabei zeigten die Tiere keine weiteren klinischen Anzeichen einer Hypokalzämie.

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Tabelle 2: Zusammenfassende Darstellung für die Referenzwerte und gemessenen Kalziumkonzentrationen (Cagesamt= Gesamtkalziumkonzentration im Blutplasma; Caionisiert= ionisiertes Kalzium im Blutplasma) verschiedener Autoren

2.6 Kalium–Homöostase

Der intrazelluläre Kaliumgehalt liegt bei Säugetieren zwischen 120 und 140 mmol/l, der extrazelluläre bei 3,5 – 5 mmol/l. Die homöostatische Kontrolle der extrazellulären Kaliumkonzentration ist essentiell für die physiologischen Funktionen von Nerven und Muskelzellen, weil Kalium wesentlichen Einfluss auf das Membranpotential hat (YOUN u. MCDONOUGH 2009). Kalium wird über die Nahrung aufgenommen und im gesamten Gastrointestinaltrakt absorbiert (WARD 1966). Die Ausscheidung erfolgt zum größten Teil über die Nieren (ca. 75 %), bei laktierenden Kühen auch über die Milch (ca.12 %) und letztlich über die Fäzes (WARD 1966; YOUN u. MCDONOUGH 2009). Die Regulation dieser Ausscheidung wird strikt reguliert: bei kaliumreicher Fütterung müsste der Kaliumgehalt im Blut durch die Kaliumaufnahme sonst stark erhöht sein. Allerdings schwankt die Blutkaliumkonzentration nur sehr gering, da das mit der Nahrung aufgenommene Kalium Insulin-vermittelt sehr schnell in die Leber- und Muskelzellen transportiert wird (YOUN u. MCDONOUGH 2009). Gleichzeitig erhöht die Niere die

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Ausscheidung. Später entlässt die Muskelzelle das Kalium wieder in den Extrazellulärraum und es wird weiter über die Niere ausgeschieden (YOUN u.

MCDONOUGH 2009). Im Hungerzustand kann die Niere die Kaliumausscheidung nahezu vollständig einstellen, indem sie die Reabsorption steigert und die Exkretion vermindert (WEINER u. WINGO 1997). Bei wechselndem Kaliumangebot über die Nahrung übernimmt die Muskulatur eine Art Pufferwirkung (YOUN u. MCDONOUGH 2009). Diese sehr fein regulierte Abstimmung wird wahrscheinlich über zwei Kontrollmechanismen reguliert. Zum einen scheint ein „Feedback“–Mechanismus zu bestehen: dieser erhöht die Kaliumausscheidung über die Niere, sobald erhöhte Konzentrationen im Extrazellulärraum wahrgenommen werden. Wesentlich bei dieser Regulation ist das hormonell wirksame Mineralcorticoid Aldosteron. Es führt bei erhöhten Kaliumaufnahmen in der Niere zu einer erhöhten Kaliumsekretion in den Zellen im kortikalen Sammelrohr (GIEBISCH et al. 2003). Zum anderen scheint eine

„Feedforward“-Kontrolle Einfluss zu nehmen: So könnte schon im Gastrointestinaltrakt ein Sensor die Kaliumaufnahme registrieren und entsprechend die Niere zur Kaliumexkretion anregen und zwar über das Niveau der Kaliumaufnahme hinaus (YOUN u. MCDONOUGH 2009).

Soweit das Tier an hohe Kaliumdosen adaptiert ist, werden diese über die genannten Regulationsmechansimen kontrolliert. Allerdings kann eine sehr hohe orale Gabe wie eine intravenöse Applikation von Kalium toxische Wirkung entfalten (WARD 1966).

Je nach individueller Adaptation kann für das eine Tier eine orale Gabe von 238g Kalium schon tödlich sein, wobei ein anderes Tier eine orale Gabe von 400g ohne klinische Symptomatik übersteht (WARD 1966). Von Irritationen über vermehrtes Urinieren bis hin zum Herzversagen reicht die Toxizität abhängig von der Höhe der Kaliumzufuhr und der Regulationsfähigkeit des Organismus (WARD 1966). Auch das klinische Bild der Weidetetanie kann auf einer erhöhten Kaliumaufnahme basieren:

Wenn die Rinder im Frühjahr aus der Winter- und Stallhaltung, mit überwiegender Heu- oder Silagefütterung, auf kaliumreiche Wiesen kommen, wird mit der erhöhten Kaliumaufnahme weniger Magnesium im Pansen absorbiert (WARD 1966).

Übererregte Neuronen führen in der Folge zu tetanischen Krämpfen.

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Eine zu niedrige Kaliumkonzentration in der Diät tritt bei der Wiederkäuerfütterung so gut wie nie auf (WARD 1966). Hypokaliämien können aber trotzdem durch Veränderungen der externen oder internen Kaliumbalance entstehen (SWEENEY 1999). Tiere, die aufgrund anderer Erkrankungen eine deutlich verminderte Futteraufnahme zeigen, Passagestörungen im Gastrointestinaltrakt aufweisen, an Diarrhoe leiden oder durch die einsetzende Laktation vermehrt Kalium in die Milch abgeben, können das klinische Bild der Hypokaliämie entwickeln (SATTLER et al.

1998; WARD 1966). Klinische Anzeichen sind eine schlaffe Muskulatur, wodurch die Tiere nicht mehr in der Lage sind den Kopf anzuheben, allgemeine Schwäche, Pansenhypomotilität bis Atonie, veränderte Beschaffenheit der Fäzes, Appetitlosigkeit, Tachykardien bzw. kardiale Arrhythmien, metabolische Alkalose und Hyperglykämie (SATTLER et al. 1998; STOBER 2006; SWEENEY 1999). In einem Fütterungsversuch mit laktierenden Kühen konnten PRADHAN und HEMKEN (1968) bei kaliumarmer Fütterung niedrige Blutplasma- und Milchkaliumkonzentrationen sowie einen erhöhten Hämatokrit nachweisen. In der Milch gab es eine inverse Beziehung zwischen Kalium und Natrium: je weniger Kalium in der Milch war, umso mehr Natrium wurde nachgewiesen. Die Autoren interpretierten dies als weitere Regulation des Tieres um höhere Kaliumgehalte im Gewebe zu bewahren (PRADHAN u. HEMKEN 1968).

Das Membranpotential von Zellen ist ein Kalium-Gleichgewichtspotential. Durch den Ausstrom des Kaliums aus der Zelle bei gleichzeitig geringer Anionenpermeabilität der Zellmembran, verliert das Zellinnere in der Summe Kationen, was zu einem negativen Membranpotential im Zellinnern führt (SCHRÖDER u. DIENER 2010).

In in vitro Versuchen konnte TÜRCK (2009) durch eine Erhöhung der Kaliumkonzentration im Puffer die Kontraktilität der glatten Labmagenmuskulatur steigern. KATO et al. (2007) machten ähnliche Beobachtungen am Rektum von Kaninchen: Die Stimulation durch erhöhte Kaliumkonzentrationen im Puffer führte zu einem Anstieg der Kontraktionsamplitude und der Frequenz. Die Autoren schlossen daraus, dass glatte Muskelzellen bei hohen extrazellulären Kaliumkonzentrationen

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erregbarer werden, da die Zellen dann intrazellulär weniger negativ geladen sind und somit die Schwelle für die spannungsabhängigen Ca2+-Kanäle schneller erreicht wird.

2.7 Hypothese

Die vorliegende Dissertation sollte Ergebnisse zur weiteren Aufklärung der Mechanismen und Pathogenese der linksseitigen LMV liefern.

Als Hypothese galt die Annahme, dass eine Verminderung der Kalziumkonzentration bzw. eine Erhöhung der BHB-Konzentration in vitro einen direkten Effekt auf die Aktivität der Slow waves und die Kontraktionen der glatten Muskulatur im Labmagen haben. Übertragen auf in vivo Verhältnisse könnten die Hypokalzämie und die Ketose gegebenenfalls als kausale Faktoren für die linksseitige LMV benannt werden.

Um diese Hypothese zu überprüfen war das Ziel dieser Arbeit die Slow waves in der glatten Muskulatur verschiedener Wiederkäuer zu charakterisieren und den Einfluss von BHB und verschiedenen Kalziumkonzentrationen auf die Aktivität der Slow waves zu testen. Auch der Einfluss von Kalium wurde überprüft. In vitro wurden damit Ketose, Hypokalzämie und Hypokaliämie, drei der vielen mit linksseitiger LMV in Zusammenhang gebrachten Faktoren, auf ihre Kausalität zur Erkrankung untersucht. Die möglichen Auswirkungen auf der Ebene des Membranpotentials sollten im Weiteren auch auf der Ebene der Kontraktionen der glatten Muskulatur erforscht werden.

Daraus ergaben sich folgende Fragestellungen:

-Wie stellen sich Slow waves in der Labmagenmuskulatur der Wiederkäuer grundsätzlich dar?

-Welchen Einfluss haben BHB, Kalzium und Kalium auf die Aktivität der Slow waves?

-Lassen sich die Ergebnisse auch auf Kontraktionsebene reproduzieren?

Material und Methoden

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3 Material und Methoden

3.1 Versuchstiere

3.1.1 Bullen und Hammel

Das Versuchsmaterial der Labmagenmuskulatur von Hammeln und Bullen wurde im Schlachthof Hannover gewonnen. Die Betäubung der Hammel erfolgte elektrisch, die der Bullen per Bolzenschuss. Beide Tierarten wurden direkt im Anschluss durch Blutentzug getötet. Es wurden nur Tierkörper beprobt, die keine Veränderungen am Schlachtkörper und den Innereien aufwiesen.

3.1.2 Ziegen

Im Rahmen eines Fütterungsversuches an Ziegen im Physiologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule Hannover stand weiteres Versuchsmaterial zur Verfügung.

Die Ziegen waren in zwei Gruppen unterteilt: Als Kontrollgruppe dienten fünf weibliche Ziegen, die mit 7,09 g Kalzium/Tier/Tag versorgt wurden. Die zweite Gruppe wurde Kalzium-restriktiv gefüttert. Diesen fünf weiblichen Tieren wurde 1,43 g Kalzium/Tier/Tag über das Futter verabreicht. Die Fütterung des Versuchsfutters begann vier bis sechs Wochen vor der Schlachtung. Die Ziegen wurden im hiesigen Institut geschlachtet. Ihre Betäubung erfolgte durch Bolzenschuss.

Tabelle 3: Durchschnittliche tägliche

Material und Methoden

35 3.1.3 Kühe mit Dislocatio abomasi sinistra

In Zusammenarbeit mit der Klinik für Rinder der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurden von fünf an linksseitiger Labmagenverlagerung (LMV) erkrankten schwarz - bunten Milchkühen Proben der Labmagenwand im Corpusbereich des Labmagens entnommen.

Die Tiere wurden nach der Hannoverschen Methode von Dirksen operiert, d.h.

stehend per Laparotomie von rechts mit rechtsseitiger Omentopexie. Zur Schmerzausschaltung diente eine distale Paravertebralanästhesie, sowie eine Infiltrationsanästhesie der Schnittlinie. Als Lokalanästhetikum wurde 2 %iges Procain mit 0,25 % Epinephrin als Sperrkörper eingesetzt. Die Paravertebralanästhesie bestand aus je 15 ml Anästhetikum, das, ausgehend zwei fingerbreit ventral vom Querfortsatz des zweiten Lumbalwirbels, subkutan parallel und leicht ventral entlang des lateralen Randes der Querfortsätze in kraniale und kaudale Richtung verabreicht wurde. Zusätzlich wurden 5-10 ml als Depot im lateralen Drittel unter die Querfortsätze des ersten bis dritten Lumbalwirbels verbracht. Zur Infiltrationsanästhesie der Schnittlinie wurde ausgehend von der Mitte der geplanten Schnittlinie 15 ml Anästhetikum subkutan gleichmäßig in dorsale und ventrale Richtung der Schnittlinie verteilt. Zusätzlich wurde auf gleichem Wege ein intramuskuläres Depot von 5-10 ml gesetzt. Auch die Omentopexiestelle wurde subkutan wie auch intramuskulär mittels 10 ml 2 %igem Procain mit Sperrkörper anästhesiert.

Die Schnittführung erfolgte auf der rechten Seite des stehenden Tieres in der Flanke von kaudodorsal nach kranioventral. Nach der eingehenden Bauchhöhlenexploration wurde die Labmagenkuppe an höchster kraniodorsaler Stelle mit einer Kanüle punktiert, die über einen Schlauch das angesammelte Gas aus dem Labmagen entließ. Zur Repositionierung des Labmagens wurde nun das große Netz aus der Wundöffnung gezogen, so dass man letztlich den Pylorus erfassen konnte. Zur Gewinnung des Versuchsmaterials wurden der Pylorus und der angrenzende Corpusbereich des Labmagens möglichst weit vorgelagert und per Fasszange fixiert.

Mit Hilfe eines Skalpells wurde ein 3 mal 2 cm großes Stück der kompletten

Material und Methoden

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Labmagenwand herausgeschnitten und sofort in gekühlte Krebs-Henseleit-Lösung (KH-Lösung) verbracht. Die Labmagenwand wurde umgehend vernäht. Im großen Netz nahe des Pylorus wurde nun eine Perlonscheibe per Kunststofffaden verankert und später mit einem subkutan versenkten Perlonknopf verknotet. Schlussendlich wurde die Bauchwand wieder verschlossen.

Bei drei der fünf Tiere lag zum Zeitpunkt der OP keine Verlagerung des Labmagens mehr vor, da diese Tiere kurz zuvor auf dem Klauenwagen behandelt worden waren und es durch das seitliche Ablegen der Tiere höchstwahrscheinlich zu einer Rückpositionierung des Labmagens gekommen war. Nach der Behandlung auf dem Klauenwagen dauerte es etwa eine Stunde bis zum OP-Beginn. Bei zwei Tieren lagen Gesamtkalziumwerte im Blut vom Tag der Operation vor: 1,95 mmol/l und 2,16 mmol/l bei einem Referenzbereich von 2,1-2,8 mmol/l (Tab. 2).

3.2 Probenentnahme

Die Probenentnahme erfolgte bei den Hammeln ca. 20 Minuten und bei den Bullen ca. 30 Minuten nach der Schlachtung. Die im Institut geschlachteten Ziegen konnten schon 10 Minuten nach Todeseintritt beprobt werden. Am Beginn der Magenpumpe im Bereich des Corpus des Labmagens wurde ein 5 mal 5 cm großes Stück Labmagenwand herausgeschnitten und sofort in gekühlter (ca. 6 °C) KH-Lösung gespült und transportiert. Bei den Kühen mit linksseitiger Labmagenverlagerung wurde ebenfalls der Corpusbereich genutzt, allerdings in direkter Nachbarschaft zur Pars pylorica, da eine weitere Vorlagerung des Labmagens nicht möglich war.

3.2.1 Präparation der Muskulatur des Labmagens

Die Proben wurden unmittelbar nach der Entnahme präpariert. Dazu wurde die Labmagenwand mit der mukosalen Seite nach oben mittels Präpariernadeln in eine mit begaster KH-Lösung befüllte und mit Sylgard beschichtete Petrischale

Material und Methoden

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aufgespannt. Mit Hilfe einer Pinzette und einer feinen Präparierschere wurden Mukosa und Submukosa entfernt, so dass nun die zirkuläre Muskelschicht komplett frei lag ohne von der Längsmuskulatur getrennt zu sein. Auch der serosale Überzug wurde nicht entfernt. Aus der Mitte des Präparates wurde nun ein 1 mal 1 cm großes Stück Muskulatur herausgeschnitten und mit der zirkulären Muskelschicht nach oben in einer kleinen Kammer, die ebenfalls mit Sylgard beschichtet war, mit Präpariernadeln zur Mikroelektrodenmessung festgesteckt. Das verbleibende Material wurde über Nacht bei 6°C in KH-Lösung gelagert und ggf. am folgenden Tag

aufgespannt. Mit Hilfe einer Pinzette und einer feinen Präparierschere wurden Mukosa und Submukosa entfernt, so dass nun die zirkuläre Muskelschicht komplett frei lag ohne von der Längsmuskulatur getrennt zu sein. Auch der serosale Überzug wurde nicht entfernt. Aus der Mitte des Präparates wurde nun ein 1 mal 1 cm großes Stück Muskulatur herausgeschnitten und mit der zirkulären Muskelschicht nach oben in einer kleinen Kammer, die ebenfalls mit Sylgard beschichtet war, mit Präpariernadeln zur Mikroelektrodenmessung festgesteckt. Das verbleibende Material wurde über Nacht bei 6°C in KH-Lösung gelagert und ggf. am folgenden Tag