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2. Literaturübersicht

2.2 Immunologie

2.2.1 Übertragung von Immunglobulinen (Ig) durch Kolostrum

Die Kenntnisse über Immunglobuline (Ig) beim Pferd sind noch unvollständig. So ist bisher noch nicht endgültig geklärt, welche Isotypen beim Pferd vorkommen. Die Einteilung der Immunglobulinklassen bei Pferden basiert auf dem

Wanderungsverhalten in der Elektrophorese (HALLIWELL u. GORMAN, 1989). Aus früheren Studien ergeben sich acht verschiedene Immunglobuline beim Pferd (ROCKEY et al., 1964). Die acht Immunglobuline wurden in folgende Klassen oder Subklassen eingeteilt (ROCKEY, 1967; SUTER u. FEY, 1981):

• IgM

• IgG mit den Subklassen:

! IgGa

! IgGb

! IgGc,

! IgG(T)

• IgA

• sekretorisches IgA

• IgE

IgD konnte beim Pferd noch nicht nachgewiesen werden. Angenommen wird, dass es wie beim Menschen überwiegend als Antigenrezeptor auf der Oberfläche von B-Lymphozyten vorkommt (HALLIWELL u. GORMAN, 1989).

Die Eigenschaften der Immunglobulinklassen beim Pferd entsprechen größtenteils denen der anderen Haussäugetiere (TIZARD, 1981).

Beim Pferd wird IgG im Blutserum mit 80 % am häufigsten bestimmt. Mit einer Halbwertzeit von 18 bis 23 Tagen ist IgG beim Pferd am längsten von allen

Immunglobulinen haltbar. Wegen der geringen Größe von 180.000 Dalton kann IgG aus dem Blutserum austreten und ist bei Immunreaktionen in Gewebsräumen nachweisbar. Der IgG-Antigen-Komplex ist für die Aktivierung des

Komplementsystems verantwortlich (TIZARD, 1981).

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Equines IgM ist mit 900.000 Dalton das größte und schwerste Immunglobulin. Es ist überwiegend als Pentamer im Serum zu finden. IgM hat durch seine starke

Bindungsvalenz agglutinierende, komplementaktivierende und zytotoxische Aktivität (TRAUTWEIN, 1982).

IgA wird beim Pferd überwiegend aus seromukösen Sekreten nachgewiesen. Sein Molekulargewicht liegt bei 360.000 Dalton. Es wird hauptsächlich als Dimer

gefunden. Am IgA kann eine sekretorische Komponente nachgewiesen werden.

Dabei handelt es sich um ein Protein, welches IgA vor proteolytischen Enzymen schützt. IgA ist in großen Mengen im Kolostrum zu finden und sorgt im Darmtrakt von neugeborenen Fohlen für eine passive, lokale Immunität (BACHMANN et al., 1982).

Die physiologische Aufgabe des IgE besteht in der Abwehr von Parasiten. Es hat beim Pferd ein Molekulargewicht von 196.000 Dalton und ist für allergische Reaktionen vom Typ 1 zuständig (TIZARD, 1981).

2.2.1.2 Die Plazentation der Stute

An der Plazenta wird die Placenta fetalis (Chorion) von der Placenta maternalis (Endometrium) unterschieden. Histologisch besteht die Plazenta der Stute aus den 6 folgenden Schichten (MICHEL, 1983):

- Endothel des Endometriums - Bindegewebe des Endomeriums - Epithel des Endometriums - Epithel des Chorions

- Bindegewebe des Chorions - Endothel des Chorions

Der Stoffaustausch erfolgt durch Diffusion. Die Diffusionsstrecke ist durch die sechs Schichten sehr lang, weswegen eine deutliche Trennung zwischen dem Kreislauf des Fohlens und dem der Stute vorhanden ist (MICHEL, 1983). Nur Stoffe bis zu einem bestimmten Molekulargewicht können diese Schranke passieren. Für Makromoleküle wie Immunglobuline ist die Plazentarschranke undurchlässig. Erst im letzten Drittel der Trächtigkeit kommt es, bedingt durch eine Auflockerung des Chorionepithels und

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eine Reduktion maternaler Epithelanteile, zu einer Verkürzung der Diffusionsstrecke.

Dadurch wird ein geringer Transfer von maternalen Antikörpern möglich. Zur gleichen Zeit ist der Fötus bereit, einen im Uterus gesetzten Antigenreiz mit der Bildung quantitativ geringer Mengen spezifischer Immunglobuline des Typs IgG und IgM zu beantworten (THEIN, 1983). Ein ausreichender Infektionsschutz ist dadurch nicht gegeben, das Fohlen ist auf die kolostrale Aufnahme von Immunglobulinen angewiesen (THEIN, 1983).

2.2.1.3 Kolostrum der Stute

Das Kolostrum ist ein zu Beginn der Laktation abgegebenes energiereiches Sekret, das einen höheren Gehalt an Eiweiß, Vitaminen, Mineralstoffen, Leukozyten und Immunglobulinen besitzt als das während der restlichen Laktation abgegebene Sekret. Alle neugeborenen Haussäugetiere verfügen nur über geringe

Energiereserven. Sie sind darum auf die Kolostrumaufnahme direkt nach der Geburt angewiesen (THEIN, 2003). Beim Pferd spielt die Übertragung von Immunglobulinen durch das Kolostrum eine besonders große Rolle (LÖWE u. MEYER 1979;

WIESNER u. RIBECK 2000).

In den letzten Wochen der Trächtigkeit findet eine selektive Anreicherung der Immunglobuline in der Milchdrüse der Stute statt (SMITH et al., 1971).

Ab neun Stunden post partum wird zunehmend IgA in das Kolostrum abgegeben, das, passiv vom Fohlen aufgenommen, in erster Linie zu einem muzingebundenen Immunschutz im Fohlendarm führt. Die Kontrolle dieses komplexen Geschehens erfolgt über die Veränderung des Östrogen-Progesteron-Quotienten. (SMITH et al., 1971; THEIN, 2003)

2.2.1.4 Aufnahme der Immunglobuline durch das Fohlen

Das Fohlenserum vor der Kolostrumaufnahme des Fohlens hat keine nachweisbaren Immunstoffe. Erst nach der ersten Kolostrumaufnahme werden Antikörper

nachweisbar (SCHNEIDER u. SZATHMARY, 1940; BURTON et al., 1981).

Der Immuntiter des Kolostrums sinkt in den ersten 24 Stunden nach der Geburt auf nahezu null ab. Diese zeitliche Begrenzung geht von Seiten der Stute aus (THEIN, 1983). Daneben sind auch von Seiten des Fohlens Grenzen der Immunglobulin-

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Absorption nachzuweisen. Der gesamten Dünn- und Dickdarm gilt als zur Resorption von Immunglobulinen genutzte Fläche (JEFFCOTT, 1972; TIZARD, 1981). Die

Aufnahme der maternalen Immunkörper erfolgt aktiv mittels Pinozytose durch die jugendlichen Darmzellen des neonatalen Intestinaltraktes. Über die Lymphe

gelangen die Antikörper in die Blutbahn. Dabei arbeiten die Darmzellen nicht selektiv (JEFFCOTT, 1975). Somit entspricht die Zusammensetzung der Immunglobuline des Neugeborenen der des Kolostrums. Die Absorption der Antikörper wird durch die geringen Verdauungsvorgänge möglich, gleichzeitig konnten im Kolostrum Trypsininhibitoren nachgewiesen werden, die einen Abbau der Antikörper im

Verdauungstrakt verhindern (JEFFCOTT, 1975; TIZARD, 1981; THEIN, 1983). Das Absorptionsmaximum im Fohlendarm liegt bei 3 bis 6 Stunden post partum. 20 Stunden post partum liegt die Aufnahme unter einem Prozent (JEFFCOTT, 1976).

Dieser Absorptionsstillstand ist zeitgleich mit der Veränderung der Darmzellen. Die neonatalen Darmzellen werden unter Einfluss von Nebennierenhormonen durch spezialisierte epitheliale Darmzellen ausgewechselt. Diese haben die Fähigkeit zur Absorption von Makromolekülen verloren. Gleichzeitig setzt die enzymatische Verdauung der Globuline ein (KIM u. SCHMIDT, 1983).

2.2.1.5 Entwicklung der antikörpervermittelten Immunität beim Fohlen Das Immunsystem eines 80 Tage alten Fetus reagiert bereits auf einen

immunologischen Reiz mit der Bildung von reaktiven T-Zellen. Mit 185 Tagen kommt es schon zur Antikörperbildung durch B-Lymphozyten (THEIN, 1989). Somit ist der Organismus zum Zeitpunkt der Geburt zwar immunologisch kompetent, jedoch reicht die Menge gebildeter Immunglobuline nicht aus, um einer Infektion standzuhalten (THEIN, 1989). Das Fohlen besitzt vor der ersten Kolostrumaufnahme keine

nennenswerte Menge an Immunglobulinen. Ohne Kolostrumaufnahme innerhalb der ersten 20 Lebensstunden ändert sich dieser Zustand erst in einem Alter von 3-4 Monaten (MCGUIRE u. CRAWFORD, 1973; JEFFCOT, 1976; BURTON et al., 1981;

PERRYMAN, 1981). Fohlen mit ausreichender Kolostrumaufnahme weisen 18-24 Stunden post partum IgG-Werte auf, die denen erwachsener Pferde entsprechen.

Die unzureichende Kolostrumaufnahme direkt nach der Geburt wird für die meisten Infektionen von Neonaten verantwortlich gemacht (MCGUIRE et al., 1977; BURTON

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et al., 1981; JULIA et al., 1999). Da die Halbwertzeit für IgG von Pferden bei 22 Tagen liegt (MC DOUGALL, 1975; PERRYMAN, 1981), erreichen die IgG-Werte von Fohlen zwischen der 4. und der 8. Woche nach der Geburt ihren Tiefpunkt, wenn die maternalen Antikörper größtenteils abgebaut sind. Die eigene Antikörpersynthese ist jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht voll aktiviert (JEFFCOTT, 1975; CRAWFORD u. PERRYMAN, 1980; PERRYMANN, 1981; HINES u. HIETALA, 1996; PRESCOTT et al., 1996; JULIA et al., 1999). Erst mit 6 Monaten werden wieder Antikörperwerte zwischen 8 und 10 g/l ermittelt (CRAWFORD u. PERRYMAN, 1980).

Rhodococcus-equi-Pneumonien treten klinisch am häufigsten zwischen dem 2. und 4. Lebensmonat auf (KNOTTENBELT, 1993; JULIA et al., 1999). Nach dem 6.

Lebensmonat tritt eine Erkrankung durch eine Rhodococcus-equi-Infektion kaum mehr auf (AINSWORTH, 1999).