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Der Wachstumsfaktor VEGF gilt als fundamentaler Regulator der Tumorangiogenese und ist daher für das Tumorwachstum und dessen Metastasierung von höchster Bedeutung.

Die Untersuchung der VEGF Konzentration in Serum und/oder Plasma von Hunden mit Tumoren fand daher in zahlreichen Studien statt, um Aussagen über die Bedeutung und den prognostischen Nutzen von VEGF zu machen. Die quantitative Bestimmung von VEGF erfolgte in der Regel mithilfe eines humanen VEGF ELISA (Fa. R&D Systems, Minneapolis), dessen Funktionsfähigkeit zur Messung caniner VEGF-Konzentrationen von TROY et al.

(2006) validiert wurde.

Erst seit 2007 ist auch ein kommerzieller caniner VEGF ELISA (Fa. R&D Systems, Minneapolis) erhältlich, der hauptsächlich die dominante canine Isoform VEGF 164 nachweist.

Ziel dieser Dissertation war die Untersuchung der Serum-VEGF Konzentrationen in Hunden mit Milzläsionen (Hämangiosarkom oder Hämatom) und Gesäugetumoren im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe unter Verwendung des caninen VEGF ELISA.

Da eine Differenzierung von Milzläsionen bis heute nur anhand einer histopathologischen Untersuchung möglich ist, lag der Schwerpunkt der 1. Studie zusätzlich auf der Überprüfung, ob der Serum-VEGF Level geeignet ist, zwischen Hämangiosarkomen in der Milz und nicht-malignen Milzläsionen (Hämatomen) zu unterscheiden.

Den Nachweis erhöhter VEGF-Konzentrationen in Hunden mit tumoröser Erkrankung im Vergleich zu gesunden Probanden haben bereits etliche veterinärmedizinische Studien erbracht (GENTILINI et al. 2005; KATO et al. 2007; TAYLOR et al. 2007; SOBCZYNSKA-RAK 2009; ARESU et al. 2012).

Erste Ergebnisse zu VEGF-Konzentrationen bei Hunden mit Hämangiosarkomen lieferten CLIFFORD et al. (2001). Sie stellten mithilfe des humanen VEGF ELISA signifikant erhöhte Plasma-VEGF Level in erkrankten Hunden gegenüber gesunden Hunden fest. Eine Beziehung zwischen VEGF-Konzentrationen und Erkrankungsstadium konnte nicht nachgewiesen werden. YONEMARU et al. (2006) und CAMPOS et al. (2012) beschäftigten sich später mit der VEGF-Expression in Hämangiosarkomen und Hämangiomen bei Hunden.

Beide Studien zeigten immunhistochemisch eine signifikant höhere VEGF-Expression in

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Hämangiosarkomen als in Hämangiomen. Diese Ergebnisse deuten auf einen Zusammenhang zwischen VEGF-Expression und maligner Proliferation von Hämangiosarkomen hin.

Die Untersuchung von Serum-VEGF Konzentrationen in Hunden mit Hämangiosarkomen in der Milz mithilfe des neuen caninen ELISA sowie der Vergleich mit nicht-malignen Milzläsionen wurde unserer Kenntnis nach bisher nicht durchgeführt.

Die Ergebnisse unserer ersten Studie stimmen dabei mit bisher veröffentlichten veterinärmedizinischen Studien, die einen humanen VEGF ELISA einsetzten, überein.

Hunde mit Milzläsionen (Hämangiosarkom oder Hämatom) zeigen hier signifikant erhöhte Serum-VEGF Level im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe. Die Serum-VEGF Konzentrationen waren jedoch nicht geeignet, zwischen Hämangiosarkom- und Hämatompatienten zu unterscheiden. Auch wenn Hunde mit Milzläsionen (10/15) signifikant häufiger detektierbare Serum-VEGF Konzentrationen als gesunde Hunde (2/23) aufwiesen, zeigte sich zwischen Hämangiosarkom- (4/7) und Hämatompatienten (6/8) kein statistisch signifikanter Unterschied in Bezug auf den VEGF Nachweis.

Die an einem Hämangiosarkom erkrankten Hunde, die bereits Fernmetastasen in der Leber ausgebildet hatten, waren allesamt positiv für Serum-VEGF. Ob diese Beobachtung von prognostischer Bedeutung sein könnte, müssen weiterführende Studien an einem größeren Kollektiv mit unterschiedlichen Erkrankungsstadien klären.

Die Auswertung unserer zweiten Studie ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Hunden mit Gesäugetumoren und gesunden Hunden in Bezug auf den Nachweis von VEGF.

KATO et al. (2007) hingegen kamen bei Hunden mit Gesäugetumoren zu gegensätzlichen Ergebnissen. Unter Verwendung des humanen VEGF ELISA waren im Vergleich zu gesunden Probanden sowohl Plasma- als auch Serum-VEGF Konzentrationen in Hunden mit Gesäugetumoren signifikant erhöht. Außerdem lagen innerhalb der Gesäugetumorgruppe signifikant höhere Serum- und Plasma-VEGF Level in Hunden mit malignen Gesäugetumoren als bei Hunden mit benignen Gesäugetumoren vor. Eine zusätzliche Einteilung in Gruppen mit postoperativen Lungenmetastasen und ohne Metastasen ergab ebenfalls deutlich erhöhte Serum- und Plasma-VEGF Konzentrationen bei den Hunden mit postoperativen Metastasen. Die Ergebnisse dieser Studie deuten im Gegensatz zu unserer Studie darauf hin, dass VEGF bei caninen Gesäugetumoren von prognostischer Bedeutung

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sein könnte. Bestätigt wird dies auch von QIU et al. (2008a). Hier konnte eine signifikant erhöhte VEGF-Expression in caninen malignen Gesäugetumoren als in normalem Mammagewebe und benignen Gesäugetumoren nachgewiesen werden.

Humanmedizinische Studien bei Brustkrebspatienten weisen ähnliche Ergebnisse auf. HEER et al. (2001) und ADAMS et al. (2000) stellten signifikant erhöhte Serum- und/oder Plasma-VEGF Level in Krebspatienten im Vergleich zu gesunden Probanden fest.

Mögliche Ursachen dafür, dass unsere Ergebnisse nicht mit bisher veröffentlichten Studien übereinstimmen, sind zum einen die Verwendung des caninen ELISA und zum anderen die angiogene Beteiligung anderer Wachstumsfaktoren (z. B. basic fibroblast growth factor) sowie von VEGF-Isoformen, die nicht vom caninen ELISA detektiert werden.

Auch wenn die Aminosäuresequenz von VEGF zwischen Hund und Mensch nahezu identisch ist (95% Homologie, nach SCHEIDEGGER et al. 1999), unterscheiden sich der canine und humane ELISA von R&D Systems vor allem durch ihre Sensitivität.

So liegt die minimal detektierbare Dosis (MDD) beim caninen ELISA mit 19,5 pg/ml deutlich über der des humanen ELISA mit 9,0 pg/ml. Die schlechtere Sensitivität mag eine Erklärung dafür sein, dass nahezu alle Hunde mit Gesäugetumor negativ für VEGF waren bzw. die zwei VEGF positiven Hunde mit Gesäugetumor (6,9 und 10,3 pg/ml) nur errechnete Serumkonzentrationen unterhalb der Nachweisgrenze des ELISA aufwiesen.

In der Studie von KATO et al. (2007) erreichten die mit dem humanen ELISA gemessenen Serum-VEGF Konzentrationen in den an Gesäugetumoren erkrankten Hunden einen Wert von nicht-detektierbar bis 992,9 pg/ml, wobei ein Medianwert von 14,85 pg/ml vorlag. Der niedrige Medianwert von 14,85 pg/ml bestätigt zum Teil die negativen Ergebnisse unserer Studie. Andererseits konnte KATO et al. (2007) auch VEGF Level nachweisen, die deutlich über der minimal detektierbaren Dosis beider ELISA lagen.

Unsere Entscheidung zur Versuchsdurchführung mit dem caninen VEGF ELISA lag nicht nur in der erst kürzlich kommerziellen Verfügbarkeit begründet, sondern auch in dem Studienresultat von SEKIS et al. (2009). In der Studie wird das für Zellkulturüberstände validierte canine und humane DuoSet ELISA von R&D Systems verglichen. Die Ergebnisse weisen auf eine adäquatere Messung von caninem VEGF durch den caninen ELISA hin, während der humane ELISA die canine VEGF Konzentration eher unterschätzt.

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In der Literatur mangelt es bisher an einer Vergleichsstudie, die den humanen und caninen Quantikine-ELISA, die auch für Serum- und Plasmaproben validiert wurden, auf Unterschiede hinsichtlich der Detektierbarkeit von VEGF und VEGF-Konzentrationen im Serum und/oder Plasma von Hunden überprüft.

Nach Herstellerangaben besteht beim caninen Quantikine ELISA eine Kreuzreaktivität von 100% zu rekombinanten VEGF 165, während diese beim humanen ELISA lediglich 67% zu rekombinanten caninen VEGF ausmacht. Damit ist hier ebenfalls anzunehmen, dass die Verwendung des humanen Testkits bei Hunden zur Messung niedriger VEGF Konzentrationen führt als eigentlich vorhanden. Allerdings ist zu klären, ob sich diese Ergebnisse bei Messung von natürlichem VEGF in Serum und/oder Plasmaproben bestätigen lassen. Daher haben wir in einer Voruntersuchung anhand von 18 Hunden mit unterschiedlichen Erkrankungen beide Test-Kits verglichen. Unter Verwendung des humanen ELISA konnten wir in sechs Hunden Serum VEGF nachweisen (4,9-92,2 pg/ml), während nach der Messung mittels caninem ELISA nur einer dieser Hunde VEGF positiv war (71 pg/ml). Die VEGF Konzentrationen der übrigen fünf Hunde lagen unterhalb der Nachweisgrenze des caninen ELISA. Diese Ergebnisse deuten auf eine schlechtere Sensitivität des caninen ELISA hin und widersprechen sowohl den oben genannten Angaben des Herstellers und den Ergebnissen der Vergleichsstudie von SEKIS et al. (2009).

Zum Vergleich des humanen und caninen Quantikine Testkits sind weitere Untersuchungen an einem homogenen Kollektiv erforderlich, um fundierte Aussagen machen zu können.

Eine andere mögliche Ursache für das Abweichen unserer Studienergebnisse von KATO’s

„Gesäugetumorstudie“ (2007) ist die angiogene Beteiligung weiterer Isoformen von VEGF.

Durch alternatives Splicing entstehen fünf canine VEGF-A Isoformen (VEGF 120, VEGF 144, VEGF 164, VEGF 188 und VEGF 205) (SCHEIDEGGER et al. 1999). Nach Herstellerangaben wird mittels caninem ELISA hauptsächlich die dominante Isoform VEGF 164 gemessen. Der Nachweis anderer Isoformen wie z.B. VEGF 120, die laut SCHEIDEGGER et al. (1999) ebenfalls bedeutend ist, wurde nicht getestet.

Neben VEGF-A scheint ein weiteres Mitglied der VEGF-Familie in Gesäugetumoren von Bedeutung zu sein. VEGF-C ist wegen seiner hochaffinen Bindung an die Rezeptortyrosinkinase VEGFR-3 (Flt-4/fms like tyrosine kinase), dessen Expression in normalem adulten Gewebe auf lymphatische Endothelzellen beschränkt ist, hauptsächlich an

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der Lymphangiogenese beteiligt. Zusätzlich ist VEGF-C ein Ligand für VEGFR-2, der als der Hauptvermittler der angiogenen Effekte von VEGF gilt (YLA-HERTTUALA et al. 2007).

QIU et al. (2008a) berichteten von einer signifikant erhöhten VEGF-C mRNA Expression in caninen malignen Gesäugetumoren im Vergleich zu benignen Gesäugetumoren oder normalem Mammagewebe. Zusätzlich zeigte sich eine deutlich höhere VEGF-C Expression in Tumoren mit Lymphknotenmetastasen als in denen ohne Metastasen.

Die Studie von KUREBAYASHI et al. (1999) beschäftigte sich mit dem Expressionsmuster verschiedener VEGF Familienmitglieder in Brustkrebs und wies neben A auch VEGF-B, VEGF-C und VEGF-D in allen untersuchten Brustkrebs-Zelllinien nach. Darüber hinaus stellten sie eine VEGF-C Expression nur in nodal-positiven Brustkrebsproben fest (KUREBAYASHI et al. 1999). Diese Beobachtung ebenso wie die in QIU’S Studie (2008a) nachgewiesene erhöhte VEGF-C Expression in Gesäugetumoren mit Lymphknotenmetastasen deuten auf einen Zusammenhang zwischen VEGF-C Expression und lymphatischer Tumorausbreitung hin.

Das VEGF-C auch eine Rolle bei der Blutgefäßentwicklung (Angiogenese) spielt, zeigen in vivo und in vitro Studien von CAO et al. (1998) und PEPPER et al. (1998).

Humanmedizinische Studien an Plattenepithelkarzinomen und Brustkrebs deuten ebenfalls auf den „zusätzlichen“ angiogenen Effekt von VEGF-C hin. KITADAI et al. (2001) stellten in ösophagealen Plattenepithelkarzinomen eine signifikant erhöhte Gefäßdichte in VEGF-C positiven im Vergleich zu VEGF-C negativen Tumoren fest. Auch in MOHAMMEDS’s Studie an primären Mammakarzinomen war eine hohe VEGF-C Expression signifikant mit hoher Blutgefäß- sowie Lymphgefäßdichte assoziiert. Zusätzlich ging die hohe VEGF-C Expression mit einer schlechteren Prognose (verkürzte Gesamtüberlebenszeit und krankheitsfreies Intervall) für die Patientin einher (MOHAMMED et al. 2007). VALTOLA et al. (1999) demonstrierten die Hochregulierung des VEGFR-3 im Endothelium von Blutgefäßen in Brustkrebs und das VEGF-C als angiogener Wachstumsfaktor für Blutgefäße fungiert.

Auch für VEGF-D, welche mit VEGF-C eine VEGF-Unterfamilie bildet, ist eine Beteiligung an der Angiogenese und Erhöhung der Gefäßpermeabilität nachgewiesen (RISSANEN et al.

2003; YLA-HERTTUALA et al. 2007).

In welchem Ausmaß VEGF-C und VEGF-D letztendlich an der Tumorangiogenese beim Hund beteiligt sind, müssen weiterführende Untersuchungen klären.

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Neben der Evaluierung der VEGF-A und VEGF-C Konzentrationen sollte die Mikrogefäßdichte im Tumor herangezogen werden, um den Grad der Angiogenese und mögliche Zusammenhänge mit der Höhe der VEGF-A sowie VEGF-C Konzentrationen und damit deren angiogenes Potential zu ermitteln.

Möglicherweise liefern zukünftige Studien auch Antworten darauf, warum einige Hunde mit Milzläsionen (Hämangiosarkom oder Hämatom) ebenfalls nicht detektierbare Serum VEGF Konzentrationen aufwiesen.

Das Ziel der Dissertation, neben der Evaluierung von Serum VEGF Konzentrationen in Hunden mit Milzläsionen und Gesäugetumoren, mithilfe des caninen Quantikine ELISA auch einen diagnostischen und prognostischen Nutzen von VEGF zu ermitteln, ist nur teilweise gelungen.

Hunde mit Milzläsionen zeigten zwar signifikant erhöhte Serum VEGF Konzentrationen im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe, aber eine Differenzierung zwischen Hämangiosarkom- und Hämatompatienten anhand der VEGF Level war nicht möglich.

Limitiert wird diese Studie durch die kleine Probandenanzahl. Zusätzlich zu Hämatom-Patienten sollten zukünftig Hunde mit weiteren benignen Milzläsionen miteinbezogen werden.

Inwieweit die Verwendung des caninen ELISA zu unseren Ergebnissen, die nicht mit anderen Gesäugetumor- bzw. Brustkrebsstudien übereinstimmen, beigetragen hat, ist ebenfalls in Folgestudien zu klären.

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