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Tiermodelle sind eine wichtige Komponente für die Erforschung von Erkrankungen. Hierbei stehen zum einen die Untersuchung der Pathomechanismen, zum anderen die Erprobung mögli-cher Therapieoptionen im Fokus. Zurzeit existieren eine Reihe von Tiermodellen, die die HD unterschiedlich gut widerspiegeln. Im Folgenden sollen die am häufigsten genutzten Modelle zur Erforschung der HD beschrieben werden.

1.6.1 Neurotoxisch induzierte Tiermodelle

Die erste Möglichkeit zur Untersuchung der HD-Symptomatik im Tiermodell stellten zunächst die Excitotoxin- und die 3-Nitropropionsäuremodelle dar, in denen durch die Injektion von neu-rotoxischen Substanzen eine striatale Affektion herbeigeführt wurde (Beal et al. 1993). Dabei konnte gezeigt werden, dass sich sowohl histologische als auch einige Motorfunktionssympto-me, wie zum Beispiel Gangbildveränderungen und kognitive Symptome der HD, replizieren ließen (Borlongan et al. 1995; Brouillet et al. 1999). Durch die neurochemische Induktion sind die damit einhergehenden Veränderungen nicht progressiv, weshalb sich diese Modelle für On-set- und Progredienzstudien nicht eignen. Der Beginn wird vom Untersucher induziert und ein fortschreitender Krankheitsverlauf existiert nicht. Des Weiteren wird kein mutiertes Htt gebil-det, was die weitere Untersuchung und tieferes Verständnis der Pathophysiologie der HD ver-hindert.

1.6.2 Transgene Tiermodelle der HD

Nachdem im Jahr 1993 die genaue Gensequenz für die HD entschlüsselt worden war (The Hun-tington's Disease Collaborative Research Group 1993), war das Bestreben groß, ein Tiermodell zu entwickeln, dass ebenfalls diesen Gendefekt aufweist. Transgene (tg) Tiermodelle ermögli-chen Onset- und Progredienzstudien. Außerdem wird in diesen Tieren das mutierte Protein exprimiert, was eine detaillierte Untersuchung der Pathophysiologie ermöglicht.

Im Folgenden wird das am weitesten verbreitete Tiermodell, die R6/2-HD Maus, sowie zwei weitere Mausmodelle und das in dieser Arbeit verwendete tgHD Rattenmodell vorgestellt.

1.6.2.1 R6/2-HD Mausmodell

Das R6/2-HD Mausmodell wurde in der Arbeitsgruppe von Gillian Bates in London generiert (Mangiarini et al. 1996). Die R6/2-HD Mäuse exprimieren das erste Exon des humanen HD Gens mit 141-157 Repeats und entwickeln eine Reihe von typischen Symptomen der HD. Es zeigt sich eine progressive Motorfunktionsstörung (Mangiarini et al. 1996; Dunnett et al. 1998;

Carter et al. 1999) und das Auftreten von neuropathologischen neuronalen

Einschlusskörper-chen (Davies et al. 1997). Außerdem weist die R6/2-HD Maus eine verschlechterte Lernfähig-keit (Lione et al. 1999) und reduzierte ÄngstlichLernfähig-keit auf (File et al. 1998).

Das R6/2-HD Mausmodell besitzt jedoch eine Reihe von Nachteilen. Die Anzahl der CAG-Repeats (141-157) entspricht der seltenen juvenilen humanen HD Form mit mehr als 100 Re-peats. Aufgrund dieser hohen Repeat-Anzahl kommt es bei den Mäusen zu einem schnelleren und frühletalen Krankheitsverlauf (die Tiere sterben bereits nach 12-14 Wochen).

Obwohl die R6/2-HD Mäuse einen neurologischen Phänotyp zeigen, konnten viele Studien keine neurodegenerativen Veränderungen beobachten (Li 1999). Dies konnte bislang nur in einer Studie durch Turmaine et al. in Form einer selektiven striatalen Neurodegeneration gezeigt werden (Turmaine et al. 2000), wobei die zur Anwendung kommenden Methoden im Nachhi-nein mehrfach kritisiert wurden und nicht repliziert werden konnten. Zusätzlich tritt bei den R6/2-HD Mäusen ein Diabetes mellitus auf (Hurlbert et al. 1999; Luesse et al. 2001), der bei HD Patienten seltener beobachtet wird und wohl auf ein Defizit der Beta-Zellen des Pankreas zurückzuführen ist (Bjorkqvist et al. 2005). Inwiefern diese Komorbidität einen Einfluss auf Parameter wie Motorfunktion, Gewichtsverlauf und Todeszeitpunkt hat, ist schwer zu beurtei-len, jedoch ist eine Beeinflussung des Phänotyps der R6/2-HD Maus nicht auszuschließen.

1.6.2.2 YAC Maus mit 128 CAG-Repeats

Es gibt mittlerweile eine Reihe von verschiedenen YAC-HD Mäusen (Yeast artificial chromo-some = künstliches Hefe-Chromosom). Das am häufigsten verwendete Modell ist die YAC128, die das gesamte humane HD-Gen (full-length) mit 128 CAG-Repeats enthält (Slow et al. 2003).

Für dieses Modell konnte ein Phänotyp mit Motorfunktionsverlust und kognitiven Einschrän-kungen, sowie eine Atrophie des Cortex und Striatums gezeigt werden (Slow et al. 2003; Van Raamsdonk et al. 2005).

1.6.2.3 Reversibles HD Mausmodell

Im reversiblen HD Modell von Yamamoto et al. exprimieren die Mäuse das erste Exon des hu-manen HD Gens mit 94 CAG-Repeats (Yamamoto et al. 2000). Das Besondere an diesem Mo-dell ist, dass der Promotor des humanen HD Gens mittels Tetracyclin inhibiert werden kann. Es konnte gezeigt werden, dass durch eine Inhibition des Promotors zum einen die HD-Symptomatik gebessert wurde und sich zum anderen die neuronalen HD Aggregate zurückbil-deten (Yamamoto et al. 2000). Doch waren auch diese Ergebnisse in nachfolgenden Studien nicht komplett reproduzierbar.

Generell ist die Maus zwar nach wie vor die Spezies der Wahl für viele Experimente mit Ein-bringung von fremder DNA, da es z.B. auch möglich ist, knockin/-out (KI/KO) Mäuse zu gene-rieren, welche auch für Fragestellungen zur Untersuchung bei HD vermehrt aufkommen.

Aller-Abb. 1.3: Transgenes HD-Ratten-Konstrukt. Mittels PCR wurde ein mutiertes Allel eines HD Patienten mit 51 CAG-Wiederholungen in das Rattengenom inseriert.

Dieses steht unter der Kontrolle des endogenen Ratten-promotors (RHD-Prom).

dings muss zusätzlich zu den bereits erwähnten Problemen auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Maus für eine Reihe von Untersuchungen und Methoden, wie z.B. Stammzell-transplantationen und bildgebende Verfahren wie PET oder MRT, ungeeignet ist und sich grö-ßere Spezies wie die Ratte dafür deutlich besser eignen.

1.6.2.4 HD Rattenmodell

Die im Rahmen dieser Doktorarbeit durchgeführten Tierexperimente verwenden das von Olaf Riess entwickelte und von Stephan von Hörsten phänotypisierte tg Rattenmodell der HD (von Hörsten et al. 2003).

Die genaue Charakterisierung des endogenen, rattenspezifischen HD Promotors ist von Holz-mann et al. (HolzHolz-mann et al. 1998) und die Charakterisierung des Ratten-Huntingtin-Gens (rHtt) ist von Schmitt et al. durchgeführt worden (Schmitt et al. 1995). Beide Komponenten wurden im Konstrukt der tgHD Ratte verwendet, wobei Exon 1 des rHtt-Gens durch ein humanes PCR-Produkt mit 51 CAG-Repeats verlängert wurde (Abb. 1.3).

Daher zeichnet sich die tgHD Ratte dadurch aus, dass sie im Genom ihrer Keimbahn- und so-matischen Zellen eine aberrante Sequenz des HD Gens enthält. Dieses weltweit erste tg Ratten-modell für eine humane neurodegenerative Erkrankung trägt 51 CAG-Repeats unter der Kon-trolle des endogenen rHtt-Promotors und weist einen langsam progredienten neurologischen Phänotyp auf, der eng die häufigste Form der adulten HD beim Menschen widerspiegelt. Die Vergleichbarkeit des Rattenmodells zur humanen HD zeigt sich in folgenden Veränderungen:

1.) neuropathologisch (Einschlusskörperchen im Striatum), 2.) neuroradiologisch (erweiterte laterale Ventrikel, fokale Läsionen im Striatum im MRT, reduzierte Glucoseutilisation im PET) und 3.) neurochemisch (Tryptophanmetabolismus im ZNS). Diese Veränderungen gehen mit typischen Verhaltensauffälligkeiten der tgHD Ratten einher und entsprechen den

Auffälligkei-ten im VerhalAuffälligkei-ten beim Menschen. Die Tiere imponieren durch emotionale Beeinträchtigungen, wie z.B. reduzierte Angst, kognitive Veränderungen und Einbußen im Bereich der Motorfunkti-onen (von Hörsten et al. 2003; Nguyen et al. 2006). Es ist davon auszugehen, dass diese Tiere ein geeignetes Modell für Therapiestudien bei neurodegenerativen Erkrankungen und besonders für die Gruppe der CAG-Repeat-Erkrankungen darstellen, was sich bereits in ersten Studien, z.B. in Form von Tiefenhirnstimulationen, gezeigt hat (Temel et al. 2006).

Dieses tgHD Rattenmodell hat im Vergleich zur R6/2-HD Maus einen langsam progredienten Verlauf, der Onset-, Progredienz- und Therapiestudien besser ermöglicht. Die CAG-Repeat-Anzahl des tgHD Rattenmodells liegt im selben Bereich wie die bei der häufigsten humanen HD Form. Deswegen spiegelt dieses Modell den Verlauf deutlich besser wider als die R6/2-HD Maus, die eher der selteneren juvenilen HD entspricht. Außerdem entwickeln die tgHD Ratten keinen Diabetes mellitus, welcher die Beurteilung der verschiedenen Parameter (Motorfunktion, Körpergewicht, Letalität) beeinflussen könnte. Aufgrund der Größe der Spezies Ratte im Ver-gleich zur Spezies Maus ist erstere besser geeignet für bildgebende Verfahren, neurochirurgi-sche Interventionen und Stammzelltransplantationen. In den bisherigen Studien an den tgHD Ratten wurde zumeist nur ein Geschlecht untersucht, weswegen es keine Möglichkeit gab, Aus-sagen über eventuelle Geschlechtsunterschiede zu treffen. Auch an den verbreiteten Mausmo-dellen der HD wurden bislang keine systematischen Untersuchungen zu Unterschieden zwi-schen den Geschlechtern vorgenommen.