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Öffnung der Katholischen Kirche gegenüber anderen ReligionenReligionen

Haltung der Katholischen Kirche

1.2 Öffnung der Katholischen Kirche gegenüber anderen ReligionenReligionen

Das Verhältnis des Christentums zu anderen Religionen steht spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Fokus kontroverser theologischer Diskussio-nen, die vor allem den Umgang mit den konkurrierenden Absolutheitsansprü-chen thematisieren (vgl. z. B. Leimgruber 2012: 50; Schambeck 2013: 31). In diesem Zusammenhang wird von einer ‚Theologie der Religionen‘ (vgl. z. B.

ebd.) gesprochen, welche sich seit den frühen 1980er-Jahren entlang dreier reli-gionstheologischer Modelle entfalten lässt (vgl. Dehn 2017: 13f.). Bevor diese im Folgenden erläutert werden, sei darauf hingewiesen, dass die Modelle nicht als absolut bzw. als Abbildung der Wirklichkeit zu bewerten sind. Vielmehr ver-stehen sie sich als Hypothesen, welche die drei als grundlegend geltenden christ-lichen Haltungen gegenüber anderen Religionen veranschauchrist-lichen (vgl. ebd.: 21;

Leimgruber 2012: 54).

Der Exklusivismus

Der im Folgenden vorgestellte exklusivistische Gedanke prägte bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil den Katholizismus (vgl. Dehn 2017: 14f.). Im Zentrum dieses Modelles steht der Christusglaube, der die Annahme einer Inkarnation Gottes in Jesus Christus impliziert, welche als Folge des Opfertodes Jesu zur Erlösung des Menschen führte (vgl. Ziebertz 1991: 316). Diese Fokussierung auf die Heilsnotwendigkeit Christi schließt folglich alle anderen Heilswege aus (vgl.

ebd.; Moyaert 2009: 15). In dem Leitmotiv „extra ecclesiam nulla salus“ (kein Heil außerhalb der Kirche) wird der angenommene hohe qualitative Unterschied zwischen christlichen und anderen Religionen entsprechend deutlich (vgl. Dehn 2008: 16; Leimgruber 2012: 50f.; Schambeck 2013: 32f.). Schlussfolgernd macht die im Exklusivismus implizierte Haltung eine angemessene, wertschätzende und würdigende Auseinandersetzung mit anderen Religionen, welche nicht dem Ziel einer Bekehrung dient, unmöglich. Somit ist der Exklusivismus aus inklusi-ver und pluralistischer Perspektive im Hinblick auf den interreligiösen Dialog als haltlos und unakzeptabel zu bewerten (vgl. Knitter 1988: 58; Moyaert 2009: 15;

Schambeck 2013: 33).

Der Inklusivismus

Insbesondere ausgelöst durch das Zweite Vatikanische Konzil, strebt die Katho-lische Theologie und Kirche nach einer von Toleranz getragenen Sprachreglung, die von einer inklusivistischen Religionstheologie fundiert wird. Dieser häufig als

Teil I: Theoretische Erschließung des Themas 24

das ‚römisch-katholische Modell’ bezeichnete inklusivistische Ansatz (vgl. Knit-ter 1988: 62) zielt auf eine Überwindung des zuvor beschriebenen Exklusivismus (vgl. Moyaert 2009: 23; Ziebertz 1991: 317). Die theologische Weichenstellung dieses Modelles ist vor allem auf Karl Rahner zurückzuführen, der davon aus-geht, dass auch „Menschen außerchristlicher Religionen“ (Rahner 2008: 92) von Gottes Gnade berührt werden können (vgl. auch Dehn 2017: 17). Das inklusivis-tische Denken kommt in den Schriften des Zweiten Vatikanischen Konzils neben der Thematisierung in der dogmatischen Konstitution Lumen gentium8 besonders in der Konzilserklärung Nostra aetate9 zum Ausdruck (vgl. Knitter 1988: 62).

Während in LG der Heilswille Gottes gegenüber Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit betont wird10 (vgl. Pesch 1994: 304), knüpfen die Aus-führungen in NA hier an, indem fremde Religionen gewürdigt, die Zugehörigkeit von Menschen zu anderen Glaubensgemeinschaften und Weltanschauungen akzeptiert und respektiert sowie alles Wahre und Heilige dieser Religionen aner-kannt wird (vgl. NA 2, 2–3; Leimgruber 2005: 129).

Abgrenzend zum Exklusivismus eröffnen sich somit neue Horizonte für das Verhältnis zwischen den Religionen. Dabei betreffen die Ausführungen des Kon-zildokumentes sowohl das Verhältnis zu den vom Christentum weiter entfernten Religionen (Hinduismus und Buddhismus, vgl. NA 2,1) als auch zu den Reli-gionen, die im theistischen Gottesverständnis dem christlichen Gottesgedanken nahestehen (Islam und Judentum, vgl. NA 3,1-4,8).

Die Betonung dessen, was „allen Menschen gemeinsam ist“ (NA 1,1; vgl.

auch Schambeck 2013: 36; Siebenrock 2005: 649), dient der Stärkung der bereits bestehenden Gemeinsamkeiten und der Fundierung eines Dialoges sowie einer Zusammenarbeit zwischen den Religionen. Auf diesem Weg sollen Differenzen

8 Im Folgenden Abgekürzt durch LG.

9 Im Folgenden abgekürzt durch NA.

10 Hier heißt es:

Diejenigen […], die das Evangelium noch nicht empfangen haben, werden auf das Volk Gottes auf verschiedene Weise hingeordnet. In erster Linie freilich jenes Volk, dem der Bund und die Verheißung gegeben worden sind, und aus dem Christus dem Fleische nach geboren ist (vgl. Röm 9,4f.) […]. Die Heils-absicht umfasst aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die, indem sie bekennen, dass sie den Glauben Abra-hams festhalten, mit uns den einzigen Gott anbeten […]. Aber auch anderen, die in Schatten und Bildern den unbekannten Gott suchen, auch solchen ist Gott selbst nicht fern, da er allen Leben und Atem und alles gibt (vgl. Apg 17,25-28) und als Erlöser will, dass alle Menschen gerettet werden (vgl. Tim 2,4). Die nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennen, Gott jedoch mit aufrichtigem Herzen suchen und seinen durch den Spruch des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluss der Gnade in ihren Werken zu erfüllen versuchen, können das ewige Heil erlangen (LG 16,1).

Die theologische Öffnung zum Dialog: Haltung der Katholischen Kirche 25 nicht etwa unterschlagen, wohl aber als ein Resultat „unserer Zeit“ neue Akzente gesetzt werden (vgl. ebd.). Als alle Religionen verbindend gilt hierbei auch die Suche nach Antworten auf existenzielle Fragen11 (vgl. NA 1,3).

NA liegt die Annahme zugrunde, dass jede Religion individuell das gött-liche Geheimnis zum Ausdruck bringen kann und somit Wahres und Heiliges umfasst (vgl. NA 2,2; Leimgruber 2005: 129). In der Betonung des allgemeinen Heilswillens Gottes gehen die Konzilsväter davon aus, dass die heilbringende Gnade Gottes auch nichtchristlichen Menschen und Glaubensgemeinschaften zukommen kann (vgl. ebd.):

Die Katholische Kirche verwirft nichts von dem, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtiger Hochachtung betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Gebote und Lehren, die, auch wenn sie von dem, was sie selber festhält und vorlegt, in vielem abweichen, nicht selten dennoch einen Strahl jener Wahrheit wiedergeben, die alle Menschen erleuchtet (NA 2,2).

Dennoch lässt die bewusste Beschreibung des Wahrheitsgehaltes anderer Reli-gionen als „Strahl jener Wahrheit“ (ebd.) darauf schließen, dass weiterhin von einem Heiluniversalismus des Christentums ausgegangen (vgl. auch NA 4,8;

Schambeck 2013: 34) und somit das biblisch-christliche Heilsverständnis auch vor dem Hintergrund eines sich wandelnden religiösen, soziokulturellen und poli-tischen Kontextes als bindend verstanden wird (vgl. Böttigheimer 2004: 54). Heil und Wahrheit werden folglich auch im Hinblick auf nichtchristliche Religionen explizit oder implizit in Verbindung mit Jesus Christus gesehen (vgl. ebd.: 55).

Eine Vermittlung des Heils über das religiöse System erfolgt deshalb – sowohl in anderen als auch in christlichen Religionen (vgl. Böttigheimer 2004: 57; vgl.

NA 5,1) – nur „insofern es zu einer Haltung anleitet, in der sich die christliche Botschaft widerspiegelt“ (Böttigheimer 2004: 57).12

Neben der deutlich gewordenen Anerkennung und Dialogbereitschaft gegen-über anderen Religionen, eröffnen sich in dem dargelegten Streben nach einer 11 Im Konzilstext wie folgt umrissen:

Die Menschen erwarten von den verschiedenen Religionen eine Antwort auf die verborgenen Rätsel der menschlichen Bedingung, die so wie einst auch heute die Herzen der Menschen im Innersten bewegen: was der Mensch sei, was der Sinn und das Ziel unseres Lebens, was gut und was Sünde, welchen Ursprung die Leiden haben und welchen Zweck, welches der Weg sei, um das wahre Glück zu erlangen, was der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tod, was schließlich jenes letzte und unaussprechliche Mysterium, das unsere Exis-tenz umfasst, aus dem wir unseren Ursprung nehmen und auf das wir zustreben (NA 1,3).

12 Oder mit Paul Knitter ausgedrückt: „Alle positiven Werte und Wahrheiten anderer Religionen, so sehr sie auch in sich gültig sind, bedürfen nach wie vor der Inklusion in Christus“ (Knitter 1988: 65).

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Inklusion in Christus folglich Anknüpfungspunkte für Kritik, wie beispielsweise von Stephan Leimgruber formuliert:

Sein [der des inkl. Modells, Anm. KW.] Nachteil liegt darin, dass es die Angehö-rigen der nicht christlichen Religionen in dem Sinne vereinnahmt, dass es dieses als von Christus „gerettet“ – als „anonyme Christen“ (Karl Rahner) – versteht. Die nicht christlichen Religionen definieren sich jedoch niemals über Jesus Christus als Heilsbringer (Leimgruber 2012: 54).

Die hier zum Ausdruck kommende Kritik an der im Inklusivismus implizierten Asymmetrie zwischen den Religionen stellt sich als Ausgangspunkt für den inter-religiösen Dialog als schwierig dar (vgl. Knitter 1988: 65; Moyaert 2009: 34;

Schweitzer 2014a: 102). Dennoch ist mit NA ein Fundament geschaffen, welches bis heute als wegweisend für die Öffnung und Bereitschaft der Katholischen Kir-che zum Dialog zu bewerten ist.

Der Pluralismus

Der oben dargelegten Kritik am Inklusivismus begegnen einige christliche Theo-logen (z. B. John Hick und Paul Knitter13) im religionstheologischen Modell des Pluralismus, der die Annahme einer „grundsätzlich gegebenen Heilsbedeutung aller Religionen“ (Schambeck 2013: 35) impliziert. Als Vordenker des Pluralis-mus gilt John Hick (vgl. Leimgruber 2012: 52), der folgende religionstheologi-sche These aufstellt: Alle Religionen vermitteln gleichermaßen heilshafte Trans-zendenzerkenntnis, indem sie die individuelle und kollektive Selbstbezogenheit der Gläubigen durchbrechen (vgl. Hick 1991: 62; vgl. auch Dehn 2017: 19f.;

Leimgruber 2012: 52).14 Hick beschreibt seinen persönlichen Erkenntnisprozess diesbezüglich wie folgt:

Während ich nun gelegentlich Gottesdienste in der Moschee, der Synagoge, im Tempel und im Gurdwara besuchte, wurde mir klar, dass dort im Wesentlichen das Gleiche geschieht wie in einer christlichen Kirche – nämlich, dass sich hier Men-schen einer höheren göttlichen Wirklichkeit öffnen, die sie als einen personalen und guten Gott kennen, der Gerechtigkeit und Liebe zwischen den Menschen gebietet (Hick 2002: 20).

Er spricht allen Religionen gleichermaßen diesen Erlösungsimpuls zu, während er jedoch nicht von einer Gleichheit der Offenbarung oder der Religionen ausgeht (vgl. Bernhardt 2005a: 169). Aus der beschriebenen, durch den Erlösungsimpuls

13 Vgl. dazu z. B. Knitter 1988 und Hick 2004.

14 Vgl. weiterführende Ausführungen Hick zur Hypothese des Pluralismus: Hick 2004:

233–277.

Die theologische Öffnung zum Dialog: Haltung der Katholischen Kirche 27 ausgelösten Umkehr entstehen sogenannte „ethische Früchte“ (Leimgruber 2012:

52). Nach Hick gibt es entsprechend mehr als nur einen einzigartigen Heilsweg, so dass sich „auf der Basis prinzipieller Gleichberechtigung mit den Angehöri-gen anderer Religionen“ (vgl. ebd.) die Möglichkeit interreligiöser dialogischer Begegnungen ergibt (vgl. ebd.). Schlussfolgernd wird der Wahrheitsbegriff aus pluralistischer Perspektive als dynamisch und prozessual verstanden. Somit ist Wahrheit immer vor dem jeweiligen Kontext zu erschließen und folglich in ihrem Wesen plural (vgl. Vött 2002: 41). Auf dieser Grundlage impliziert das religi-onstheologische Pluralitätsmodell kein Superioritätsdenken und jeglicher Abso-lutheitsanspruch einer bestimmten Religion ist damit hinfällig (vgl. Leimgruber 2012: 52). In diesem Sinne schlagen pluralistische Positionen „eine Revision der christlichen Einstellungen vor, die die Eigentümlichkeit von Christus wahrt und zugleich einen offeneren und authentischeren, interreligiösen Dialog ermöglicht“

(Knitter 1988: 68).

Trotzdem wird auch das Modell des Pluralismus häufig kritisch hinterfragt:

Es stellt sich die Frage, inwiefern die Betonung von Gemeinsamkeiten und Überschneidungen als gemeinsames Fundament verschiedener Religionen die Gefahr einer Relativierung von Besonderheit und Einzigartigkeit der einzelnen Religion in Kauf nimmt (vgl. Moyaert 2013: 65f.; Vött 2002: 41). So scheinen beispielsweise aus christlicher Perspektive die „Heilsunhintergehbarkeit des Christusgeheimnis“ (Schambeck 2013: 35) und die „Heilsbedeutung der Kirche“

(ebd.) unzureichend ausgesagt.15

Abschließend ist zusammenzufassen, dass die Katholische Kirche, während sie sich sowohl vom Modell des Exklusivismus als auch des Pluralismus dis-tanziert, schwerpunktmäßig eine inklusivistische Haltung gegenüber anderen Religionen einnimmt und somit eine mittlere und gegebenenfalls vermittelnde Position bezieht (vgl. Moyaert 2009: 33; Leimgruber 2012: 53).

Alle genannten religionstheologischen Modelle weisen als Ausgangsposition für einen interreligiösen Dialog Anknüpfungspunkte für Kritik auf. Hierbei ist jedoch Folgendes zu berücksichtigen bzw. zu unterscheiden: Die Religionstheo-logie ist als eine „intra-theologische Reflexion über die nichtchristlichen Religio-nen“ (Wohlleben 2004: 27) zu verstehen und „grundsätzlich vom interreligiösen Dialog, der praktischen Begegnung mit anderen Religionen, zu unterschieden“

(ebd.). Der interreligiöse Dialog zielt auf ein vertieftes gegenseitiges Verständnis, indem er sich „material mit diesen Religionen auseinandersetzt, Gemeinsamkei-ten und Unterschiede in den Lehren, Kultpraktiken und spirituellen Erfahrungen

15 Dies geht neben dem Konzilstext Nostra Aetate, außerdem z. B. aus Dokumenten Dialog und Verkündigung (DBK 1991), dem Schreiben der internationalen Theo-logenkommission Das Christentum und die Religionen (DBK 1996) sowie dem lehramtlichen Schreiben Dominus Jesus (2000) hervor (vgl. dazu auch Schambeck 2013: 35–45).

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herausarbeitet“ (ebd.). Dagegen untersucht die Theologie der Religionen auf formaler Ebene „die Bedingungen der Möglichkeit von Gotteskenntnis, Wahrheit und Heil in den anderen Religionen auf der Grundlage christlicher Theologie“

(ebd.). Eine inhaltliche Beschäftigung mit anderen Glaubenssystemen wird von der fundamentaltheologischen Disziplin der Religionstheologie folglich nicht geleistet und ist im Wesentlichen dem praktischen interreligiösen Dialog vorbe-halten (vgl. ebd.). Bezüglich der sich aufdrängenden Frage, welchen Einfluss die Theologie der Religionen auf den praktischen interreligiösen Dialog hat, halte ich folgenden Standpunkt Ulrich Dehns für sinnvoll und vertretbar:

Wenn gleich ich mich also dafür ausspreche, die Bedeutung religions-theologischer Konzepte für das Herangehen an den interreligiösen Dialog nicht zu hoch zu bewer-ten, halte ich die Auseinandersetzung mit diesen Konzepten und ihrer geistes- und theologiegeschichtlichen Herkunft im 20. Jahrhundert für unentbehrlich und für eine wesentliche Methode der Sensibilisierung für die Begegnung mit Menschen anderer religiöser Traditionen. Sie stellen die ‚Denkschule‘ des Dialoges dar, zugleich werden ‚Schülerinnen und Schüler’ dieser Denkschule nicht umhin kön-nen, sich selbst Orientierung zu verschaffen, welchen Weg sie einschlagen wollen (Dehn 2017: 25).