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Änderung der Kofaktorspezifität

5. Diskussion

5.7. Änderung der Kofaktorspezifität

Alle bislang beschriebenen Vertreter der IRED-Enzymfamilie sind strikt NADPH-abhängig.[105,111] Für die biotechnologische Anwendung ist jedoch NADH der geeignetere Kofaktor. Zum einen ist NADH stabiler[208] und billiger, zum anderen stehen für NADH deutlich effizientere Kofaktorregenerationssysteme zur Verfügung.[209–213]

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Um die Kofaktorspezifität von R-IRED_Ms zu ändern wurden verschiedene Mutantenbibliotheken erstellt und gescreent.[188] Ziel dabei war es nicht nur eine NADH-abhängige Variante zu erstellen, sondern Ziel war es auch, dass diese Variante eine gleichermaßen hohe Aktivität aufweist wie das Wildtypenzym. Die angewendete Mutationsstrategie basierte auf dem Vorschlag des Online-Tools CSR-SALAD[187]. Obwohl die Kristallstruktur einer verwandten IRED als Input-Datei für dieses Tool verwendet wurde, war die Vorhersage sehr zuverlässig. Die Mutagenese zeigte an sechs von sieben vorgeschlagenen Positionen die erwünschten Effekte. Abweichend vom Vorschlag des Online-Tools wurden an Position K37 alle 20 Aminosäuren getestet. Nur so konnten die Mutationen K37A und K37R gefunden werden, welche sich als sehr förderlich erwiesen.

Die adressierten Aminosäurepositionen können in zwei Gruppen eingeteilt werden. N32, R33, T34 und K37 bilden eine Bindetasche für die 2‘-Phosphatgruppe von NADPH.

Durch Mutationen an dieser Stelle kann die Interaktion mit der Phosphatgruppe verringert, und gleichzeitig die Interaktion mit der 2‘-Hydroxygruppe von NADH verbessert werden. Mutationen in diesem Bereich wirken deshalb sehr stark auf die Kofaktorspezifität. Die Positionen L67 und T71 hingegen interagieren mit dem Adenosin-Teil von NAD(P)H. Dieser Teil ist bei beiden Kofaktoren gleich aufgebaut, jedoch haben diese Aminosäuren einen Einfluss auf die Positionierung des Kofaktors.

Mutationen in diesem Bereich wirken deshalb eher auf die Aktivität als auf die Spezifität.[187]

Durch die Kombination von verschiedenen Mutationen an allen sechs Positionen konnte die Spezifität vollständig umgedreht werden. Dabei zeigte die Mutation K37A den höchsten Effekt auf die Spezifität und die Mutation T71V den höchsten Effekt auf die Aktivität mit NADH. Die beste Variante (V8) zeigte eine gleich hohe Aktivität mit NADH verglichen mit dem Wildtyp und NADPH. Um die Effekte der Mutationen in dieser Variante besser zu verstehen, wurde in Kooperation mit der Forschungsgruppe von Prof. Gideon J. Grogan (Universität York) die Kristallstruktur von R-IRED_Ms-WT und R-IRED_Ms-V8 gelöst, sodass ein direkter struktureller Vergleich möglich ist (Abb. 28).

In der Kristallstruktur von R-IRED_Ms-WT ist die natürliche Konformation und Positionierung von NADPH zu sehen. Vergleicht man dies mit der Kristallstruktur von R-IRED_Ms-V8, so sind kaum Unterschiede in der Ausrichtung des Kofaktors zu erkennen. Durch die Einführung der sechs gezeigten Mutationen ist es demnach

123 gelungen, NADH trotz der fehlenden 2‘-Phosphatgruppe in der natürlichen Konformation und Positionierung zu binden. Vor allem der Nikotinamid-Teil des Kofaktors (in dieser Darstellung der untere Teil) ist quasi identisch angeordnet. Dies ist insofern wichtig, da hier der Hydridtransfer auf das Substrat stattfindet. So lässt sich auch erklären, weshalb die Variante V8 eine vollständig wiederhergestellte Aktivität aufweist.

Abbildung 28: 3D-Darstellung der Kofaktorbindestelle von R-IRED_Ms Wildtyp (links) und R-IRED_Ms-V8 (rechts) basierend auf der Kristallstruktur. Der co-kristallisierte Kofaktor NADP+ (links) bzw. NAD+ (rechts) ist in Hellblau dargestellt. Die in dieser Studie adressierten Aminosäurereste sind in Cyan dargestellt. Gezeigt ist nur eines von zwei R-IRED_Ms-Monomeren. Das zweite Monomer würde in dieser Darstellung den unteren Teil der Kofaktorbindestelle verdecken und wurde für eine bessere Ansicht ausgeblendet. Die Visualisierung wurde mit PyMol durchgeführt.

Anhand der Kristallstruktur kann auch die Rolle der eingeführten Aminosäurereste erahnt werden. So ist es sehr wahrscheinlich, dass die eingefügten Glutaminsäurereste an Position 32 und 34, sowie der Argininrest an Position 37 eine Interaktion mit der Ribose von NADH eingehen. Insbesondere Wasserstoffbrücken zwischen den besagten Resten und der 2‘- bzw. 3‘-Hydroxygruppe sind denkbar. Neben der gesteigerten Affinität zu NADH wird die Bindung zu NADPH verschlechtert. Die Mutationen N32E und T34E verkleinern die 2‘-Phosphat-Bindetasche, sodass es zu sterischen Hinderungen bei der Bindung von NADPH kommt. Des Weiteren sorgen die beiden negativ geladenen

WT V8

N32

K37 R33 T34

T71

L67

N32E

K37R T34E R33Y

T71V

L67I

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Glutaminsäurereste für eine elektrostatische Abstoßung der ebenfalls negativ geladenen Phosphatgruppe.

Bei genauerem Betrachten der gebundenen Kofaktoren können geringfügige Unterschiede im Adenosin-Teil des Kofaktors festgestellt werden. Dies könnte im Zusammenhang mit den Aminosäureresten an Position 33 und 71 stehen. Durch die Mutation T71V wird eine mögliche Wasserstoffbrücke aufgelöst, was der Auslöser für die leichte Drehung des Adenin-Teils sein könnte. Offensichtlich ist dies sehr wichtig für die optimale Ausrichtung und Bindung von NADH, da die Mutation T71V einen stark positiven Effekt auf die Aktivität mit NADH zeigte. Eventuell werden dadurch auch die anderen Interaktionen verbessert, was die positiven kooperativen Effekte der Mutation T71V mit den weiteren Mutationen erklären würde.

Eine weitere wichtige Position ist R33. Es ist beschrieben, dass der Argininrest der Haupt-Interaktionsparnter der 2‘-Phosphatgruppe von NADPH ist.[187] Eine Mutation an dieser Stelle schwächt somit die Affinität zu NADPH ab. Der Austausch von Arginin gegen Tyrosin an dieser Position führte zu den besten Ergebnissen. Möglicherweise gibt es eine förderliche π-π-Wechselwirkung zwischen dem Tyrosinrest und dem Adenin-Teil.

Neben V8 war auch V10 eine sehr interessante Variante. Sie zeigt zwar eine geringere Aktivität mit NADH, dafür jedoch eine 2900-fach erhöhte NADH/NADPH Spezifität. Dies liegt daran, dass fast ausschließlich NADH akzeptiert wird. Für V10 wurde keine Kristallstruktur gelöst, jedoch unterscheiden sich die Varianten V8 und V10 nur in Position 37. Die Frage ist nun, warum der Alaninrest bei V10 an dieser Stelle dazu führt, dass NADPH viel schlechter akzeptiert wird. Die natürliche Aminosäure an dieser Position ist ein Lysin, welches eine positive Ladung trägt und damit die negativ geladene 2‘-Phosphatgruppe stabilisiert. Bei V8 ist an dieser Stelle ein Arginin welches ebenfalls eine positive Ladung trägt. Der stabilisierende Effekt bleibt also erhalten, sodass trotz der anderen Mutationen NADPH immer noch zu einem gewissen Grad interagieren kann.

Durch die Mutation zu Alanin geht diese Stabilisierung vollständig verloren, was der Grund dafür sein könnte, dass NADPH bei Variante V10 kaum noch akzeptiert wird.

Die Tatsache, dass die Varianten V8 und V10 auch für andere Substrate und andere Reaktionstypen erfolgreich eingesetzt werden konnten (Kap. 4.5.1 Tab. 84) zeigt, dass das aktive Zentrum der Varianten ähnlich funktionsfähig ist wie das des Wildtyps.

125 Dennoch haben sich die katalytischen Eigenschaften von V8 und V10 verändert, was anhand der gemessenen kinetischen Parameter deutlich wird (Kap. 4.5.1 Tab. 82). Beide Varianten zeigen eine verschlechterte Affinität zu 2-Methylpyrrolin (1) im Vergleich zum Wildtyp. Diese Beobachtung war entgegen der Erwartungen, da die Positionierung des Kofaktors fast identisch ist und keine Mutationen im aktiven Zentrum vorgenommen wurden. Anhand der Kristallstrukturen wurde nun das aktive Zentrum vom Wildtyp und V8 verglichen. Die Überlagerung der Strukturen zeigte, dass sowohl die Sekundärstruktur, als auch die Ausrichtung der Aminosäurereste bei beiden Strukturen im aktiven Zentrum gleich ist. Die einzige Auffälligkeit war der Methioninrest an Position 121. Hier zeigt der Methylrest in zwei unterschiedliche Richtungen (Abb. 29).

Auch wenn der Unterschied nur geringfügig ist, kann daraus geschlossen werden, dass es durchaus weitreichende Effekte der eingefügten Mutationen, bzw. des veränderten Kofaktors gibt, welche sich bis ins aktive Zentrum erstrecken. Die besagte Methylgruppe befindet sich in unmittelbarer Nähe (6,4 Å) zum C4-Atom des Kofaktors, an welchem der Hydridtransfer stattfindet. Des Weiteren ist sie in direkter Nachbarschaft (2,8 Å) zum katalytisch beteiligten Asparaginsäurerest. Eine Beeinflussung der katalytischen Eigenschaften ist deshalb denkbar.

Abbildung 29: Dreidimensionale Anordnung der Aminosäuren M121 und D171 im aktiven Zentrum von R-IRED_Ms-WT (beige) und R-IRED_Ms-V8 (blau). Die Strukturen wurden mithilfe eines Struktur-Alignments (PyMol) übereinander gelagert.

D171 M121

NAD(P)+

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