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Globalisierung in der Krise?

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© RAABE 2020

Wirtschaft/Handel

Globalisierung in der Krise? – Chancen

und Probleme des Welthandels

Dr. Henning Schöpke, Sommerhausen

Die Krise der Globalisierung des Welthandels hat mehrere Ursachen, z. B. die Corona-Pandemie und die Reaktion der Verantwortlichen darauf, sowie die politischen Strukturen allgemein und Zielkon-flikte der Wirtschaftsmächte. Ihre Schüler lernen unterschiedliche wirtschaftspolitische Einflüsse und Zusammenhänge kennen, aufgezeigt mithilfe unterschiedlicher Medien und Darstellungsfor-men.

KOMPETENZPROFIL

Klassenstufe: Sek. II

Dauer: 11 Unterrichtsstunden

Kompetenzen: Videos und Grafiken auswerten, Entwicklungen erklären, Folgen aufzeigen, Szenarien bewerten, Ergebnisse als PowerPoint-Präsen-tationen vorstellen, Mindmaps entwickeln, Internetrecherche

Thematische Bereiche: Merkmale der Globalisierung, Einfluss der Corona-Pandemie

auf die Weltwirtschaft, Wirtschaftsverflechtungen, Lieferketten, Global Player, Entwicklung des grenzüberschreitenden Warenver-kehrs, World Trade Organization, globaler Freihandel

Medien: Karten, Fotos, Farbseite, Statistiken, Diagramme, Internet, Karikaturen

Foto: ake1150sb/iS

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Begründung des Reihenthemas

Der Globale Handel prägt die geopolitische Lage schon seit langem, vor kurzem kam die

Coro-na-Pandemie hinzu. Diese Einflüsse haben bewirkt, dass die geopolitische Lage zunehmend von

Misstrauen und nationalen Alleingängen geprägt ist. Jüngstes Beispiel waren die EU-Verhandlungen um ein Investitionspaket, das Unternehmen in einer vom Corona-Virus geprägten Phase wirtschaft-lich unterstützen sollte. Die Verhandlungen führten letztwirtschaft-lich zu einer Einigung, die jedoch erhebwirtschaft-lich von nationalen Interessen einzelner Mitgliedsstaaten beeinflusst wurde. Das gleiche Bild zeigt sich beim globalen Handel, der zunehmend durch steigende Zölle geprägt ist, da kein Land dem anderen einen Vorteil gönnt.

Handelsketten und Corona-Pandemie haben eines gemeinsam – sie sind global bedeutsam und

machen die globale Vernetzung deutlich. China ist nicht nur einer der bedeutendsten Handelspart-ner – das Land ist zugleich der Ursprung der Corona-Pandemie. Die Corona-Krise zeigt deutlich die weltweite gegenseitige Abhängigkeit. Globale Lösungen sind an Stelle von nationalen Lieferketten erforderlich. Es wäre ein Erfolg, wenn diese Krise die Weltgemeinschaft langfristig stärkt und hand-lungsfähiger machen würde.

Doch hier sind Zweifel angebracht. 2017 ermittelte die Bertelsmann Stiftung, dass fast jeder zweite Deutsche und fast jeder zweite Bürger der EU die Globalisierung als Bedrohung ansahen. Und das zu einem Zeitpunkt, da die Globalisierung als Wirtschaftsmodell bereits beinahe 20 Jahre lang das Wirtschaftsgeschehen dominiert hatte. Das Handelsmuster hatte gelautet: Kapital und Know-how nach China, preisgünstige Produkte in den Westen. Doch gegen Ende des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends trat eine Veränderung ein: China suchte den Weg nach Westen, wollte nicht mehr nur liefern, sondern in Unternehmen mitbestimmen. Mit dem Megaprojekt „Neue Seidenstraße“ setzte China zum nächsten Sprung an. Dies gelang, da in der EU noch Uneinigkeit darüber herrschte, wie zu reagieren ist – argwöhnisch und damit restriktiv oder als Partner, dem sich damit selbst neue Märkte erschließen würden? China versuchte, deutsche Unternehmen wegen deren auf höchstem technologischem Niveau befindlichen Produktion aufzukaufen. Auch Diebstahl geistigen Eigentums kam vor. Vor allem zwischen China und den USA haben sich so Konflikte ergeben, die über Zollfragen hinausgingen. Der Streit um den Komponenteneinsatz der im Telekommunikationsbereich tätigen chinesischen Firma Huawei verwies auf die Sensibilität im High-Tech-Sektor. High-Tech-Konzerne sind auf einen reibungslosen Austausch von Einzelteilen zwischen USA und Asien besonders an-gewiesen. Es besteht die Gefahr einer andauernden Rivalität, da keine Großmacht nachgeben will. Auch das Verhalten der aktuellen US-Regierung sorgt für Belastungen des globalen Handels. Im Ja-nuar 2017 kündigte die größte Wirtschaftsmacht der Erde an, sie werde internationale Autokonzer-ne zwingen, ihre Fertigung in die USA zu verlegen – zum Wohl der US-Arbeiter. Denn diese zählten oft zu den Globalisierungsverlierern, da deren Jobs in billig produzierende Länder wie China und Mexiko verlagert worden waren. Die Produktionsverlagerung in Billiglohnländer, in denen die Men-schen unter oft unzumutbaren Verhältnissen für die Industrienationen arbeiten, wurde erst durch die Globalisierung ermöglicht und durch die Digitalisierung beschleunigt.

In den USA regiert ein protektionistischer Präsident, der Produkte der wichtigsten Handelspartner der USA mit Zöllen belegt. Und in der EU und China reagieren Politiker mit Gegenmaßnahmen – eine

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Fachwissenschaftliche Orientierung

Aus der Perspektive des Völkerrechts ist jeder Staat ein territorialer Herrschaftsverband. Doch es wurden zum Beispiel immer mehr Handelshemmnisse völkerrechtlich verbindlich abgebaut, um allen Wettbewerbern unabhängig von deren Nationalität gleiche Chancen auf übernationalen Märk-ten einzuräumen. So entstand allmählich ein transnationaler Wirtschaftsraum für Unternehmen. In einer globalisierten Wirtschaft entscheiden die internationalen Wirtschaftsakteure auch, in-wieweit sie auf hoheitliche Rechte zugunsten staatsübergreifender Handelsbeziehungen verzichten wollen. Dies geschieht im Sinne einer Nutzenoptimierung. Von der Transnationalisierung profitieren beispielsweise Arbeitnehmer aus Niedriglohnländern, die in Hochlohnländern in bestimmten Bran-chen als Saisonarbeiter gesucht sind. Dies gilt z. B. für Spargelstecher oder andere Saisonarbeiter in der Landwirtschaft sowie Mitarbeiter in der Altenpflege, im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in der Fleischindustrie.

Der Begriff „Globalisierung“ bedeutet Öffnung nationaler Grenzen zugunsten globaler Aktivitäten der Menschen im Interesse eines Bedeutungsgewinns beispielweise des Handels. Im Zuge der natio-nalen wirtschaftlichen Entwicklungen, technologischer Innovationen sowie verbesserter Mobilität rückt die Welt zusammen und vernetzt sich.

Die Globalisierung wird oft als recht neues Phänomen beschrieben, aber ihr Ursprung geht bereits in das Jahr 1947 zurück, als 23 Länder das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen Gatt absen. Dahinter stand die Idee, Nationen zu verbinden und den Wohlstand zu mehren. Es schlos-sen sich immer mehr Länder dem Gatt an. Von 1948 bis 1995 verhundertfachte sich das globale Handelsvolumen. Dieses Wachstum sollte die Welthandelsorganisation WTO noch ausweiten, die 1995 ihre Arbeit aufnahm und heute 162 Mitgliedsstaaten zählt. Der Welthandel vervierfachte sich noch einmal, auf knapp 24 Billionen US-Dollar im Jahr 2014, Dienstleistungen eingeschlossen. Mit dem Zusammenrücken der Weltgemeinschaft werden Infrastruktur und somit Beziehungen und Abhängigkeiten im Welthandel verletzlicher. Diese Verletzlichkeit wird als Vulnerabilität bezeich-net. Bereits vor der Corona-Krise haben sich Firmen aus Kostengründen neu orientiert. Nicht zuletzt der Handelskrieg des US-Präsidenten Trump hat gezeigt, wie verletzlich globale

Wertschöpfungs-ketten heutzutage sind. Auch ein Produktionsstopp in verschiedenen Regionen Chinas zieht

Aus-wirkungen in aller Welt nach sich. Dies ist ein weiterer Beleg für die Verletzlichkeit von Lieferketten. Um von einzelnen Lieferanten unabhängiger zu sein, haben vor allem Automobilunternehmen um-fangreiche Datenbanken angelegt, um im Notfall alternative Anbieter für jedes einzelne Bauteil zur Hand zu haben.

Welche Rolle spielt China im globalen Handel? Die Volksrepublik ist innerhalb von drei Jahrzehn-ten vom rückständigen Entwicklungsland zu einer Weltmacht aufgestiegen. China ist inzwischen der größte Exporteur von Industriegütern und der drittgrößte Importeur. Die Wirtschaftsleistung je Einwohner ist von ca. 1600 US-Dollar (1990) auf ca. 18.000 US-Dollar (2019) gestiegen. Da China keine Demokratie und kein Rechtsstaat ist, ergeben sich Probleme für die Weltwirtschaftsordnung. Denn der globale Handel wird nicht nur durch den Austausch von Gütern geprägt, auch Wissen und Informationen werden weitergegeben. Das bedeutet, auch Vertrauen und Werte sind wichtig. Das Vertrauen in den Handel mit China ist durch Preis-Dumping erschüttert. Anti-Dumping-Verfahren der westlichen Industriestaaten gegen China führen zu Schutzzöllen als Reaktion auf staatliche Subventionen. Allerdings kümmert sich US-Präsident Trump auch nur um das, was seinen eigenen Interessen nützt.

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Bisher hoffen westliche Industriestaaten vergebens auf Chinas politische Entwicklung nach dem Vorbild Südkoreas, hin zu Demokratisierung und Transparenz. Ist China nur Mitglied der WTO ge-worden, da andere Mitglieder auf einen Demokratisierungsprozess dort gehofft hatten? China ist jedenfalls als Handelspartner zu mächtig und wichtig. Die anderen Handelsnationen könnten es sich nicht erlauben, China aus der WTO auszuschließen.

Seitdem China der WTO im Jahr 2001 beigetreten ist, wurde das Land zur Fabrik für die Welt. Das McKinsey Global Institute (MGI) hat errechnet, dass die Weltwirtschaft – gemessen an Handels-, Technologie- und Kapitalströmen – 2017 drei Mal abhängiger von China war als im Jahr 2000. Über ein Drittel aller weltweit produzierten Industrieprodukte stammt heutzutage aus chinesischen Fab-riken. Mehr als 50.000 Firmen weltweit haben nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Dun & Bradstreet einen Systemlieferanten der Kategorie Tier 1 in der Region rund um Wuhan. „Viele Länder und Unternehmen denken jetzt verstärkt darüber nach, ob sie zu stark auf Lieferungen aus China angewiesen sind“, sagt Max Zenglein, Chefökonom des Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin (Handelsblatt 15.4.2020).

Und die heutige Macht der WTO? „Bei der WTO wird sichtbar, wie sehr die Globalisierung die Macht-konzentration auf der Erde dezentralisiert hat. Aus einer streng geordneten Welt, die aufgeteilt war in zwei Blöcke mit jeweils einer Hegemonialmacht im Zentrum – den USA im Westen, der Sowjet-union im Osten – […] ist ein unübersichtliches Gelände geworden. Etablierte Staaten und Konzerne werden herausgefordert von Newcomern in den Schwellenländern. Märkte und Machtpositionen, die früher in Stein gemeißelt schienen, sind bestreitbar geworden. Die USA und die Europäische Uni-on stehen im Wettbewerb mit China, Indien, Brasilien und Russland. Aus einer statischen Struktur ist ein großer globaler Fluss geworden – mit Strudeln, Untiefen und unvorhersehbaren Biegungen. […] Man kann das als Fortschritt betrachten und die neue multipolare Weltordnung sympathisch finden. Aber diese Entwicklung hat eine problematische Kehrseite: Die Diffusion der Macht schafft eine Knappheit an Ordnung und Gestaltungsmöglichkeiten. Wer löst Konflikte? Wer führt? Wer ent-wickelt Visionen? […] Wer hält das globale Handelssystem offen? […] Fragen, die bislang unbe-antwortet sind.“ (Henrik Müller: Die sieben Knappheiten. Campus Verlag: Frankfurt 2008, S. 104). Das globale Wirtschaftswachstum nimmt nur noch langsam zu. Der Welthandel wuchs seit 2012 nur noch um magere 2,5 Prozent jährlich. Gründe sind zunehmende Handelsbarrieren und wachsende Unsicherheit in Folge geopolitischer Risiken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) war 2019 für die kommenden Jahre wieder zuversichtlicher, ahnte dabei aber noch nicht, dass die Corona-Pan-demie im März 2020 um sich greifen werde. Mitte 2020 war von einer prophezeiten Entspannung im Handelsstreit zwischen USA und China nichts zu bemerken. Das wird auch bis zur nächsten Präsidentenwahl in den USA so bleiben. US-Präsident Trump tut alles um wiedergewählt zu werden. Ob die weiterhin lockere Geldpolitik der Zentralbanken tatsächlich den erhofften Effekt bringt, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, für Investitionen Kredite zu gewähren und die Produktion zu erhöhen, ist zu bezweifeln. Konsum kann nur gestärkt werden, wenn die coronabedingte Kurzarbeit zurückgeht und Unternehmen Planungssicherheit haben. Zudem befürchtet der IWF, dass geopolitische Span-nungen und damit der Handelsstreit zwischen den USA und dem Iran erneut eskalieren. Aus den politisch bedingten Unruhen im Welthandel leitet sich ein Kerngedanke ab: Handelsströme und

Lieferketten sind nicht mehr ausschließlich ökonomisch zu sehen.

Eine zunehmende Renationalisierung ist jedoch als problematisch anzusehen. Schwellenländer, in denen Arbeitskräften die Basis für die Teil- oder Endfertigung entzogen wird, da die Lieferketten ge-kappt werden und die Produktion wieder autark erfolgt, leiden nicht nur unter zunehmender Armut und Hunger – sie fallen auch als Absatzmarkt aus.

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Dies ist das Terrain der Globalisierungsgegner. Sie kritisieren, die Globalisierung werde auf dem Rücken von Arbeitern in Entwicklungsländern ausgetragen. Es werden Missstände in globalen Pro-duktions- und Lieferketten angeprangert. Zutreffend ist die Kritik an noch zu häufig schlechten Arbeitsbedingungen, die geändert werden müssen, indem die Firmen zur Einhaltung von Standards verpflichtet werden. Die Globalisierungsgegner übersehen jedoch, dass Unternehmen in Entwi-cklungs- und Schwellenländern von der Einbindung in weltweite Lieferketten profitieren und damit die Volkswirtschaft beleben. Ausländische Unternehmen zahlen höhere Löhne als einheimische, da sie mit modernen Maschinen, die sie oft selbst mitbringen, produktiver arbeiten können. Auch dürfen die Globalisierungsgegner nicht die oft geringere Qualifikation der Einheimischen außer Acht lassen. Die Gesetzgebung in Entwicklungsländern entspricht auch nicht unbedingt jenen der Indus-trieländer. Investitionsförderungsagenturen wie German Trade & Invest helfen Entwicklungs- und Schwellenländern beim Aufbau von menschenwürdigen Arbeitsstrukturen.

Ist die Ära der Hyperglobalisierung beendet? Der Multilateralismus stand schon vor der Coro-na-Pandemie vor einer großen Herausforderung, und diese Herausforderung ist nicht kleiner ge-worden. Die Corona-Pandemie und die seit Jahren wachsende wirtschaftspolitische Unsicherheit veranlassen Firmen, ihre Fertigung in die Industrieländer zurückzuholen und Roboter einzusetzen. So können sie noch billiger produzieren. Dies ist nicht nur ein Problem für China.

Diese Entwicklung führt ansatzweise zu einer Renaissance der Industrieproduktion in den Indust-rieländern. Die Rückverlagerung von Produktion ist Teil eines Masterplans, den heimischen Wert-schöpfungsanteil wieder zu erhöhen.

Die Welthandelsorganisation (WTO) rechnet weltweit wegen der Covid-19-Pandemie mit der „schlimmsten Rezession zu Lebzeiten“. Der Welthandel könnte um ein Drittel einbrechen. Das sag-te der Chef der 1994 gegründesag-ten WTO, Roberto Azevedo. Die Organisation rechnet in diesem Jahr mit einem Absturz des Welthandels infolge der Corona-Krise um 13 bis 32 Prozent. Ein Aufschwung sei umso wahrscheinlicher, je mehr Unternehmer und Verbraucher die Krise als genauso heftigen wie einmaligen Schock ansehen würden. Auf dieser Grundlage würden Investitionen und Konsum-ausgaben schnell wieder anziehen, sagte Azevedo. Sollte die Pandemie im laufenden Jahr unter Kontrolle gebracht werden, sei 2021 in den meisten Regionen mit mehr als 20 Prozent Wachstum zu rechnen. Allerdings seien die Unwägbarkeiten generell gewaltig.

Die Entwicklung der externen Produktion in Niedriglohnländer begann Anfang der Neunzigerjahre. Ursachen waren der Fall des Eisernen Vorhangs, Chinas globale Integration und Aufnahme in die Welthandelsorganisation sowie eine Revolution im Transportwesen: die Containerwirtschaft. Es kam zu einer explosionsartigen Ausweitung der globalen Lieferketten in diese Regionen, um Arbeits-kosten zu sparen. Die Zeit zwischen 1990 und der globalen Finanzkrise von 2008 wurde als Ära der Hyperglobalisierung bekannt, in der ca. 60 Prozent des Wachstums des Welthandels auf die globa-len Wertschöpfungsketten fiegloba-len.

Die zunehmende Löchrigkeit der Lieferketten und die wieder zunehmenden handelspolitischen Un-sicherheiten bei notwendigerweise fortgesetztem globalem Handel haben ein neues Schlagwort kreiert: Glokalisierung. Das ist ein Mischwort aus Globalisierung und Lokalisierung und bedeutet, dass Länder und Kontinente wieder autarker werden. Dass deshalb der Peak der Container(-schiff-fahrt) nach Meinung von Wirtschaftswissenschaftlern überschritten sei, dürfte übertrieben sein. Die US-Regierung unter Präsident Trump versucht die amerikanische Wirtschaft abzuschotten, er-hebt Zölle auf Importe und meint patriotisch zu denken. Dies schützt zwar die US- Landwirtschaft – die andererseits auch auf Exporte z. B. von Soja angewiesen ist – aber dadurch werden die erfor-derlichen Importe teurer. Hierzu führt Henrik Müller 2008 aus: „Nach dem Ersten Weltkrieg, als das System offener Grenzen zusammengebrochen war, versuchten die westlichen Länder an die Zeit vor 1914 anzuknüpfen: Freihandel und feste, an den Goldpreis gebundene Wechselkurse. Tatsächlich

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kam es in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer Wiederbelebung des Freihandels. Doch in den Jahren nach dem Börsencrash von 1929, als Massenarbeitslosigkeit, Bankenkrisen, Deflation zu einem sich selbst verstärkenden Abschwung führten, machten die westlichen Staaten in wenigen Schritten dicht: Jedes Land versuchte, sich einen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass es Importe aus anderen Ländern erschwerte, und hoffte, mit einem Außenhandelsüberschuss aus der Krise zu kommen. Eine Illusion. Alle mussten feststellen, dass dieser Vorteil, wenn überhaupt, nur von kurzer Dauer war, weil die übrigen Länder ihrerseits mit der Erhöhung der Zölle reagierten. […] Binnen vier Jahren wandelte sich die Weltwirtschaft von einem offenen System zu einem Neben-einander von Volkswirtschaften, die nach Autarkie strebten.“ (Müller S. 266). „Wo niemand mehr die Mittel hat, Macht auszuüben und die Weltordnung nach seinen Interessen zu formen, gibt es entweder Chaos – oder das Machtvakuum wird gefüllt durch Kooperation, durch Zusammenarbeit mittels friedlichen Ausgleichs von Einzelinteressen.“ (Müller, S. 271/272).

Ein brisantes Beispiel für Handelskrisen ist die Ölförderung auf der arabischen Halbinsel, da es Spannungen zwischen mehreren Ländern im vorderen und Mittleren Orient gibt, die jederzeit auf-brechen und die Ölförderung und -lieferung gefährden können. Im Bereich der Ölförderländer ist die geopolitische Situation hochgradig komplex. Anschläge auf Pipelines und Tanks reduzieren nicht nur die Ölförderung und den Transport – sie verändern den Ölpreis auf dramatische Weise und sorgen dafür, dass sich die gesamte globale Wirtschaftssituation als unsicher darstellt. Darüber hinaus nutzen Großmächte die Situation, um in ihren Interessenterritorien militärisch einzugreifen und Ein-fluss auf die Entwicklung zu nehmen.

Handel braucht einen offenen Markt, in dem nicht nur Einer das Sagen haben kann. Doch Nationa-lismus – fälschlich als Patriotismus verstanden – zielt auf Protektionismus ab. Es gibt jedoch keine Alternative zur Internationalisierung der Volkswirtschaften, denn nur so gibt es Wachstum, mehr Jobs und mehr Einkommen. Am Beispiel der Automobilindustrie zeigt sich deutlich, dass ein starker Wirtschaftspartner wie China eine entscheidende Voraussetzung für den Export deutscher Autos ist.

Didaktisch-methodische Orientierung

Zu Beginn befassen sich die Schüler mit dem Kernbegriff „Globalisierung“ und lernen verschiede-ne Einschätzungen kenverschiede-nen, die sich durch die Globalisierung für Menschen und Handel ergeben. Zudem ermitteln sie im Text genannte Phänomene, die nicht mit dem Begriff „Globalisierung“ in Verbindung stehen (M 1). Sie betrachten Videoclips und erörtern mithilfe der daraus gewonnenen Informationen, was Globalisierung für den Handel bedeutet. Sie erstellen eine PowerPoint-Präsen-tation (M  2). Die Schüler lernen Beispiele der globalen Wirtschaftsverflechtung kennen und in-formieren sich über die Folgen der Corona-Krise für die Weltwirtschaft (M  3). Sie befassen sich detaillierter mit dem Welthandel und der Arbeitsteilung am Beispiel der Textilindustrie (M 4). Sie beschäftigen sich mit Statistiken, die Chinas Wirtschaftswachstum darstellen (M 5). Sie lernen die wichtigsten Export- und Importnationen im Welthandel kennen (M 6). Die Lernenden untersuchen die Ursache des Handelsstreits zwischen USA und China (M 7). Sie vergleichen Szenarien eines Han-delskonflikts (M 8). Sie beschäftigen sich mit den Export- und Importwerten des Handels zwischen USA und China (M 9). Sie erfahren, dass das Verhängen von US-Strafzöllen kontrovers beurteilt wird (M 10). Die Schüler thematisieren weltwirtschaftliche Krisen (M 11). Sie untersuchen die Bedeu-tung des Begriffs „Glokalisierung“ (M 12) und dessen Folgen (M 13). Sie lesen Veränderungen des Welthandels aus Grafiken ab (M 14). Sie erörtern die globale Vernetzung anhand von zwei Karten (M 15 und M 16). Die Lernenden erfahren den Bedeutungsverlust von Transportkosten für den glo-balen Warenverkehr (M 17). Sie leiten aus einer Karte die Bedeutung des Seeverkehrs für Importe nach Deutschland ab (M 18). Sie vergleichen die Entwicklung des globalen Warentransports und der

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Warenproduktion (M 19). Sie vergleichen den intraregionalen Handel weltweit von 1980 und 2013 (M 20). Die Schüler befassen sich mit der Notwendigkeit eines Lieferkettengesetzes (M 21). Am Bei-spiel des Erdöls erfahren sie, wie empfindlich Handelsströme sein können (M 22). Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung stellen sich die Schüler der Frage, inwieweit das Coronavirus die Weltwirt-schaft verändern wird (M 23). Sie beschäftigen sich mit der World Trade Organisation (WTO) (M 24). Sie befassen sich mit der Forderung nach einem globalen Freihandel als Szenario eines zukünftigen Welthandelssystems (M 25). Die Unterrichtseinheit schließt mit einer Lernerfolgskontrolle, die sich mit Handel, Kaufverhalten und der Entwicklung des Welthandels während der Corona-Krise und mit der kontinentalen Bevölkerungsentwicklung befasst (LEK).

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Auf einen Blick

1. Stunde

Thema: Globalisierung

M 1 (Tx/Bd) Globalisierung – Begründung für alles? / Zuordnen von Phänomenen,

die nicht auf die Globalisierung zurückzuführen sind

M 2 (Tx/Bd) Was bedeutet „Globalisierung“ für den Handel? / Auswerten von

Video-clips, Erstellen einer PowerPoint-Präsentation

Benötigt: £ Internet

2. Stunde

Thema: Weltwirtschaft und Handel

M 3 (Tx/Gd) Folgen der Corona-Krise für die Weltwirtschaft / Beispiele globaler

Wirt-schaftsverflechtung

M 4 (Tx) Textilindustrie im Zeichen globaler Arbeitsteilung / Textarbeit

3. Stunde

Thema: Global Player

M 5 (Tx/Gd) Chinas Wirtschaftswachstum / Diskutieren von Statistiken

M 6 (Gd) Export- und Importländer im Welthandel / Interpretieren von Grafiken

4. Stunde

Thema: Vom Handelsstreit zum Handelskonflikt?

M 7 (Gd/Tx) Handelsstreit zwischen USA und China / Textarbeit, Interpretieren einer

Grafik

M 8 (Tx/Gd) Szenarien eines Handelskonflikts / Nachvollziehen verschiedener

Szena-rien, Erstellen einer PowerPoint-Präsentation

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5. Stunde

Thema: Handelskonflikt im Spiegel von Weltwirtschaftskrisen

M 9 (Gd) Gesamtwert des US-Warenhandels mit China / Interpretieren einer Grafik M 10 (Gd) Weltweiter Handelskrieg durch US-Strafzölle? / Diskutieren der

Ergeb-nisse einer Umfrage

M 11 (Tx/Bd) Chronik weltwirtschaftlicher Krisendaten / Zuordnen einer Karikatur zu

einer Textpassage, Vergleich von Wirtschaftskrisen und deren Bedeutung

6. Stunde

Thema: Arbeitsteiliger Welthandel oder Glokalisierung?

M 12 (Tx/Gd) Das neue Schlagwort „Glokalisierung“ / Erklären des Begriffs,

Diskutie-ren eines möglichen Beispiels für Glokalisierung

M 13 (Tx/Bd) Glokalisierung im Spiegel der Corona-Pandemie / Interpretieren einer

Karikatur, Erörtern der weltweiten Arbeitsteilung und der globalen Konse-quenz des verstärkten Robotereinsatzes

M 14 (Gd/Bd) Der Welthandel verändert sich / Interpretieren von Grafiken Benötigt: £ Internet

7. Stunde

Thema: Globale Transporte

M 15 (Fs) Vernetzung – Voraussetzung der Globalisierung / Kartenarbeit M 16 (Fs) Erdgastransporte im Spiegel der globalen Vernetzung / Kartenarbeit M 17 (Tx/Gd) Transportkosten / Erstellen einer PowerPoint-Präsentation zum

Zusam-menhang von Transportkosten und Wirtschaftswachstum, Vergleich von Transportkosten

Benötigt: £ Internet

£ farbige Darstellung der Karten auf CD für Beamer oder PC

8. Stunde

Thema: Verflechtung des globalen Warenverkehrs

M 18 (Ka/Bd) Deutschlands Seegüterimporte / Kartenarbeit

M 19 (Gd/Bd) Entwicklung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs / Analysieren

einer Grafik

M 20 (Fs) Interregionaler Warenverkehr / Vergleichen zweier Karten Benötigt: £ farbige Darstellung der Karten auf CD für Beamer oder PC

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9. Stunde

Thema: Veränderung der Weltwirtschaft?

M 21 (Tx/Bd) Lieferkettengesetz / Formulieren von Stellungnahmen, Nennen von

Vortei-len und Problemen der Globalisierung

M 22 (Tx/Gd) Gefahren für den Welthandel – Beispiel Rohstoff Erdöl / Erörtern von

Gefahren für den Welthandel am Beispiel des Rohstoffs Erdöl

M 23 (Tx/Gd) Verändert die Corona-Krise die zukünftige Weltwirtschaft? /

Verglei-chen von Prognosen und Stellungnahme

10. Stunde

Thema: Globaler Freihandel – Lösungsansatz weltwirtschaftlicher Konflikte?

M 24 (Ta/Tx) Welthandelsorganisation in Schwierigkeiten? / Erfassen von

Schwierig-keiten mit denen die Welthandelsorganisation (WTO) zu kämpfen hat

M 25 (Tx/Bd) Globaler Freihandel – Welthandelssystem der Zukunft? / Zuordnen

einer Karikatur zu einer Textstelle, Diskutieren, ob ein globaler Freihandel in Zukunft auf der Welt möglich sein kann

11. Stunde

LEK (Bd/Gd) Welthandel und Weltbevölkerung / Interpretieren einer Karikatur,

Be-schreiben und Bewerten der Entwicklung von Handelsströmen

Ab: Arbeitsblatt – Bd: Bildliche Darstellung – Fs: Farbseite – Gd: Grafische Darstellung – Ka: Karte

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