Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 822. Februar 2008 A383
P O L I T I K
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eit gut einem Jahr ist ein Test zur Geschlechtsbestimmung beim ungeborenen Kind auf dem Markt. Mit dem molekulargene- tischen „Gendertest“ der Kölner Firma Plasmagen AG kann durch eine einfache Blutentnahme bei der werdenden Mutter das Geschlecht des Kindes mit 99-prozentiger Si- cherheit bestimmt werden. Inner- halb von zwei bis acht Tagen, nach- dem vier Milliliter EDTA-Blut der Patientin an das Labor von Plasma- gen geschickt wurden, erhält der Arzt die streng vertrauliche Aus- wertung.In einem Beitrag für das Deutsche Ärzteblatt wurde dieser Test von Prof. Dr. med. Heribert Kentenich und Dr. med. Katharina Refardt, Berlin, scharf kritisiert (DÄ, Heft 36/2007). Sie schlossen sich der Ar- gumentation der Deutschen Gesell- schaft für Humangenetik an, die in der frühzeitigen Geschlechtsbestim- mung ein großes Problem sieht. Es bestehe die Gefahr, dass vermehrt Babys des unerwünschten Ge- schlechts aus nicht medizinischer In- dikation während der gesetzlichen Frist von zwölf Wochen abgetrieben würden. Um einem Missbrauch ent- gegenzuwirken, hatte der 110. Deut- sche Ärztetag die Anwendung neuer Labortests zur Geschlechtsbestim- mung ohne ärztliche Indikation vor Ablauf der zwölften Schwanger- schaftswoche post conceptionem ab- gelehnt. Des Weiteren sprach er sich gegen eine durch den Testbefund mögliche Geschlechtsselektion mit- tels eines Schwangerschaftsabbruchs aus.
Abwicklung über Frauenärzte Florian Funken, Vorstandsvorsitzen- der der Plasmagen AG, teilte als Re- aktion auf den Beitrag mit, dass die Firma sich bemühe, „jegliches Miss- brauchspotenzial auszuschließen“.
So sei der Test bislang ausschließlich über Frauenärzte abgewickelt wor- den, „und diese gaben das Ergebnis erst nach der zwölften Schwanger- schaftswoche nach Empfängnis wei- ter“. Da es dazu allerdings – außer in Bayern – keine gesetzliche Verpflich- tung gebe „und offenbar die Berufs- verbände und Ärztekammern teil- weise ihren Mitgliedern diese Ergeb- nishandhabung nicht zutrauen bezie- hungsweise ihnen unsere Vorgehens-
weise nicht bekannt war“, sei es zu dem Beschluss des Ärztetages und dem Beitrag von Kentenich und Re- fardt gekommen.
Darin hieß es, dass in einigen Ländern, zum Beispiel in Indien und China, Mädchen systematisch abgetrieben oder bei künstlicher Befruchtung vor der Übertragung in den Mutterleib selektiert würden.
Es gebe Hinweise, wonach vor al- lem in Berlin gezielt Gynäkologen mit ausländischen Patientinnen von der Plasmagen AG beworben wor- den seien. Das wird von dem Unter- nehmen dementiert: „Wir haben im Dezember 2006 alle öffentlich ver- zeichneten Frauenärzte angeschrie- ben und alle in den Großstädten verzeichneten Frauenärzte zwecks Versand unserer Fachinformationen
im Laufe des Jahres 2007 telefo- nisch angesprochen. Dabei wurde keine Auswahl getroffen. Auch zeigt die sehr geringe Anzahl der ausländischen Patientinnen, die uns bisher etwa in Berlin mit der Durch- führung von Gendertest beauftrag- ten, dass weder Berlin noch eine andere Region von uns aufgrund ih- rer Ausländerdichte angesprochen wurde.“ Nach China und Indien würde Plasmagen auf keinen Fall exportieren, der Test sei ausschließ- lich in Deutschland und Österreich erhältlich. Kentenich und Refardt halten dies zunächst für beruhigend.
„Da aber einmal entwickelte Tests weltweit angewandt werden kön- nen, bleibt die Verfügbarkeit eines solchen Tests weltweit gerade für Länder, in denen eine kulturbeding- te Geschlechtsselektion stattfindet, höchst bedenklich“, schreiben sie.
Funken teilte weiterhin mit, dass Gendertest seit dem 1. November 2007 aufgrund des Ärztetagsbe- schlusses umgestellt worden sei. „Die Patientinnen können seitdem die Blutproben ab der zehnten Schwan- gerschaftswoche post menstruatio- nem bei ihrem Frauenarzt entnehmen lassen, und die Testdurchführung er- folgt in unserem von der Deutschen Akkreditierungsstelle Chemie akkre- ditierten Labor frühestens in der 14. Schwangerschaftswoche p. m.
Der Frauenarzt bekommt das Ergeb- nis von Gendertest erst nach Ablauf der 14. Schwangerschaftwoche p. m.
schriftlich mitgeteilt und kann es nun sofort an die Patientin weiter- geben.“ Refardt und Kentenich be- grüßen diese „spontane Reaktion auf den Beschluss des Deutschen Ärztetages“. Sie halten dennoch den Test „aus medizinischer und biopsy- chosozialer Sicht für überflüssig“
sowie nach wie vor für „ethisch
höchst fragwürdig“. I
Gisela Klinkhammer
GESCHLECHTSTESTS
Kein Export nach China und Indien
Der Test der Plasmagen AG zur Geschlechtsbestimmung stieß auf scharfe Kritik. Die Firma hat daraus inzwischen Konsequenzen gezogen und nimmt Stellung zu den Bedenken.
Umstritten:der Geschlechtstest der Firma Plasmagen AG (www.maedchen oderjunge.de)