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Invasion der Ideen

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Academic year: 2022

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Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2020 I 36 I 04

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Roboter sind in der industriellen Produkti- on mittlerweile Alltag, beispielsweise in der Fertigung der Automobilindustrie. Im deutschen verarbeitenden Gewerbe ka- men 2019 laut dem World Robotics Report auf 10.000 Beschäftigte 346 Industriero- boter. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind hierzulande in diesem Bereich aktuell 221.500 Roboter im Einsatz.

Einen Boom beschreiben die Experten der International Federation of Robotics (IFR) in ihrem unlängst veröffentlichten Jahrbuch World Robotics 2020 vor allem im Bereich der Service- und Assistenzro- boter. Diese kommen etwa in der Logistik, im häuslichen Umfeld, in Rehabilitations- kliniken oder in Operationssälen zum Ein- satz. Die COVID-19-Pandemie sorgt für zusätzliche Impulse. Groß sei die Nachfra- ge nach Desinfektionsrobotern, Logistik - robotern in Fabriken und Lagerhäusern oder nach Robotern für die Zustellung von Waren bis an die Haustür, berichten die IFR-Experten.

Rekordhalter sind die Medizin-Roboter.

Das ertragsstärkste Segment bei den pro- fessionellen Service-Robotern sind Medi- zinroboter mit einem Marktanteil von

47 Prozent im Jahr 2019. Dazu tragen vor allem Robotersysteme bei, die in der Chi- rurgie eingesetzt werden und die höchsten Einzelpreise erzielen. Der Umsatz bei den Medizinrobotern insgesamt erreichte ei- nen neuen Rekordwert von 5,3 Milliarden US-Dollar. Rund 90 Prozent der Medizin- roboter stammen von amerikanischen und europäischen Anbietern. Bis 2022 rechnet die IFR weiterhin mit einem großen Markt- potenzial: Der Umsatz könnte sich auf 11,3 Milliarden US-Dollar mehr als ver- doppeln.

Im Jahr 2016 demonstrierten US-ame- rikanische Wissenschaftler, dass ein selbstständig operierender Roboter unter hochstandardisierten experimentellen Be- dingungen bei bestimmten chirurgischen Arbeitsschritten seinen menschlichen

„Kollegen“ überlegen war. Damit autono- me Roboter sicher und effektiv auch ohne menschliche Steuerung agieren können, sind jedoch noch weitreichende Entwick- lungen erforderlich. Diese könnten – so schätzen Experten – bis zum Ende dieses Jahrhunderts erreichbar sein. Die Kombi- nation von künstlicher Intelligenz (KI) mit der taktischen Präzision des Roboters wird dabei eine entscheidende Rolle spielen.

Invasion der Idee n

Roboter in der Medizin

Abb: Adobestock fotohansel

Henrys Gedankensplitter

Prof. Dr. iur. Heinrich („Henry“) Hanika ist Seniorprofessor für Wirt- schaftsrecht und Recht der Euro- päischen Union an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Lud- wigshafen. Er leitet an dieser Hoch- schule auch das DIG-Zentrum für Digitalisierung im Gesundheits - wesen. Das Zentrum bietet Praxis- seminare mit Themenfeldern zur digitalen Transformation, zu Daten - schutz sowie Informationssicher- heit und Datenschutz-Audits für Einrichtungen und Unternehmen im Gesundheitswesen an. Informa- tionen: www.bit.ly/dig-zentrum

Foto: privat

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Der Robotereinsatz in der Medizin ist vielfältig und entwickelt sich mit enormer Geschwindigkeit. Die Bandbreite lässt sich anhand der Interaktionen beschreiben, die ein Roboter ausführt (s. Brucksch):

Handling- und Assistenzsysteme füh- ren überwiegend Interaktionen mit der physischen Umgebung aus. Sie haben be- reits heute eine erhebliche Verbreitung in der Medizin. Hierzu zählen insbesondere Operations-, OP-Assistenz-, Positionie- rungs- und Bewegungssysteme.

Workflow-Systeme dienen der Interakti- on mit und von Maschinen und Materia- lien. Hierzu zählen insbesondere Laborro- boter und Dispositionssysteme. Laborro- boter übernehmen die Probenaufberei- tung und Probenzufuhr. Dispositionssys- teme umfassen Arzneimittel- und Medical Supply-Lager und Transportsysteme.

Servicesysteme lassen sich in reine Ser- vicesysteme und Convenience-Systeme unterteilen. Beide Systeme führen Interak- tionen zwischen Menschen und Maschi- nen aus. Zumeist handelt es sich dabei um eine personen- und aufgabenangepasste Unterstützung oder um Substitutionen manueller Tätigkeiten von Menschen durch eine Maschine. Dies geht deutlich über einfache Hol- und Bringdienste hi- naus und umfasst heute bereits Betreu- ungsaufgaben und therapieunterstützen- de Maßnahmen. Convenience-Systeme sind auf die Übernahme von Funktionen durch Roboter zur Erleichterung der Le- bensführung ausgerichtet. Betreuungs- aufgaben und therapieunterstützende Ro- botiklösungen lassen sich ebenso in diese Kategorie einordnen.

Substitutions- und Ergänzungssysteme bilden die vierte Gruppe der Roboter mit Einsatz in der Medizin. Hierzu zählen u.a.

Exoskelette und intelligente Implantate.

Den Cyborgs kommt eine Sonderstellung zu. Ursprünglich waren sie Helden und Fieslinge in großen Hollywoodstreifen.

Heute gelten als Cyborgs jene Menschen, in deren Körper technische Geräte nicht ausreichend leistungsfähige Organe un- terstützen oder ersetzen. Beispiele für sol- che künstlichen Bauteile sind Chips oder

Implantate, welche die Funktion von sen- sorischen oder physiologischen Syste- men übernehmen, etwa Cochlea- und Netzhaut-Implantate oder eine künstliche Bauchspeicheldrüse.

Zivilrechtliche Regelungen. Die Ent- wicklung der Robotik stellt die Gesell- schaft, die Medizin und nicht zuletzt die Rechtsordnung vor neue Herausforderun- gen. Der Rechtsausschuss des Europäi- schen Parlaments hat beispielsweise „Zi- vilrechtliche Regelungen im Bereich Ro- botik“ verfasst, und das Europäische Par- lament hat am 16. Februar 2017 dem Be- richt zugestimmt. In diesem werden u.a.

gesellschaftliche und wirtschaftliche He- rausforderungen, Haftungsfragen, der

Schutz geistigen Eigentums, Daten- schutz- und Datensicherheit, soziale so- wie ethische Aspekte der Anwendung in- telligenter Robotik behandelt.

Neue Haftungskonzepte. Angesichts der Vielzahl denkbarer Szenarien müssen neue Konzepte für die Haftung und die Haftungsteilung ausgearbeitet werden.

Neue Rechtsgrundlagen dafür werden be- reits in der Rechtswissenschaft diskutiert, wie z.B. analog der Gefährdungshaftung für neue Technologien, jener im Straßen- verkehr, in der Luftfahrt, bei der Verwen- dung von Kernenergie, dem Betrieb gen- technischer Anlagen, bei Produktfehlern oder der Anwendung von Arzneimitteln.

Des Weiteren wird bereits über staatliche I DGI NACHRICHTEN I

Die Zukunft der Chirurgie werde durch den Einsatz robotischer Assistenzsys- teme geprägt, prophezeien Experten.

In der Tat gewinnen solche Systeme in der Medizin an Bedeutung: Desinfekti- onsroboter reinigen OP-Säle, auf Ber- liner Intensivstationen begleiten Robo- ter im Rahmen eines Telemedizinpro- jektes die Ärzte bei ihrer Visite.

In der Zahnmedizin steckt die Ro- botik jedoch noch in den Kinderschu- hen. In einer im Juni dieses Jahres veröffentlichten Analyse identifizierte ein Forscherteam nur 49 Publikatio- nen zu diesem Thema in der Daten- bank PubMed. „Bislang haben es nur wenige Roboteranwendungen in die Realität geschafft und waren zumeist

auf Pilotanwendungen beschränkt“, schreiben die Fachleute. „Die Wahr- scheinlichkeit, dass die Tätigkeit von Zahnärzten oder MKG-Chirurgen dereinst von Robotern ausgeführt werde, sei gering“, trösteten die Zahnärztlichen Mitteilungen 2016 ih- re Leserschaft aufgrund einschlägi- ger Untersuchungen. Das scheint noch immer zuzutreffen: Besucht man 2020 die Website des US-ame- rikanischen Herstellers eines bereits 2017 für die Implantologie zugelas- senen Roboterarms (Yomi), steht dort im Bereich „Finden Sie einen Yo- mi-Zahnarzt“ nur ein Satz: „coming soon“.

Barbara Ritzert

AdobeStock_©Andrii

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sowie ggf. private Entschädigungsfonds, eine Versicherungspflicht für Roboter so- wie ein Roboterregister nachgedacht.

Nicht zuletzt gibt es ernst zu nehmen- de Überlegungen, die rechtliche Trennung von Menschen und Maschinen aufzuhe- ben und dem autonom handelnden Robo- ter einen Status als neue Entität zuzu- schreiben. So könnten neben den existie- renden Rechtsformen der natürlichen Per- son und der juristischen Person den Robo- tern der neue Status einer „elektronische Person“ (engl. e-person) verliehen und so- mit Roboter als rechtlich relevante Entität eingestuft werden. Diese eigenständige Konzeption würde die Abgrenzung der Roboter von natürlichen und juristischen Personen erlauben und den autonom han- delnden Robotern spezifische Rechte und Pflichten zuweisen können. Hierbei könn- te sachgerecht jeweils zwischen den Ro- boterarten unterschieden werden.

Kommentar. Angesichts der Entwicklun- gen sitzt uns auch hier die Zukunft im Na- cken, und wir sollten alles dafür tun, dass

wir die Vorteile der Robotik nutzbar ma- chen, Nachteile minimieren und uns dabei ethisch verantwortungsbewusst verhalten.

Denn wie sagte schon Victor Hugo 1877:

„On résiste á l´invasion des armées; on ne

résiste pas á l´invasion des idées” – man kann der Invasion von Armeen Widerstand leisten, nicht aber einer Invasion von Ideen.

Prof. Dr. iur. Heinrich Hanika Ludwigshafen

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Beck: Über Sinn und Unsinn von Status fragen – zu Vor- und Nach teilen der Einführung einer elektronischen Person, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.):

Robotik und Gesetzgebung. Beiträge der Tagung vom 7. 9. Mai 2012 in Biele feld, Baden-Baden, 2013, S. 255 ff.

Brucksch: KI und Robotik als Innova- tionstreiber in der Medizin, in: Hanika (Hrsg.): Künstliche Intelligenz, Robo- tik und autonome Systeme in der Ge- sundheitsversorgung, 2019, S. 43 ff.

Europäisches Parlament, Bericht mit Empfehlungen a.d. Kommission zu zi- vilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik (2015/2103(INL), 2017

Fioranelli: Künstliche Intelligenz, Robotik sowie autonome Systeme in der Pflege aus ethischer, gesund- heitsökonomischer und rechtlicher Sicht, 2017, S. 68 m.w.N.

Günther: Roboter und rechtliche Verantwortung, 2016

Hanika: Künstliche Intelligenz, Robotik, und autonome Systeme, in:

Hanika (Hrsg.): Digitalisierung und Big Data im Universum des Rechts, 2018, S. 268 ff.

Hanisch: Haftung für Automation, 2010, S. 174 ff.

Hugo: Histoire d´un crime – Déposition d´un Témoin, 1877, S. 600

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Referenzen

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