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Archiv "in vino veritas" (13.08.1981)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Risiko durch Übergewicht

„Idealgewicht": 5,4 Prozent; mit 20 Prozent Übergewicht: 4,5 Prozent;

mit 40 Prozent Übergewicht: 3,9 Pro- zent.

Der von dieser Skala ausgehende In- formationswert ist dem Verfasser of- fenbar groß genug, um verwundert zu fragen: „Je runder, desto unge- sunder? Ganz im Gegenteil: je run- der, um so gesunder, und dann auch noch dies: „Die dicken Menschen sterben nicht eher! Ganz im Gegen- teil. Das kürzeste Leben hatten jene Männer und Frauen, die dünn oder gar ganz dünn waren!"

Mit Recht kann sich niemand, der mit der Statistik umzugehen weiß, mit obengenannten Ziffern zufrie- dengeben. Wer jedoch die Mühe nicht scheut und in der Framing- ham-Studie nach näheren Informa- tionen sucht, erlebt Überraschen- des. Dort finden sich nämlich Tabel- len, die etwas völlig anderes besa- gen als das, was uns die „Hör zu"

einzureden versucht. Und am Ende, in der Zusammenfassung, steht es schwarz auf weiß: „Die Resultate aus Framingham bestätigen das bis- her Bekannte. Übergewicht ist ver- knüpft mit hohem Bludruck, hohem Cholesterin- und Harnsäurespiegel und einem gehäuften Vorkommen von Diabetes. Die Studie stellt außer- dem fest, daß eine Gewichtszunah- me einen Anstieg der Arteriosklero- se zur Folge hat, eine Gewichtsab- nahme hingegen eine Senkung be- wirkt."

Stellt sich die Frage: Wie gelangte die „Hör zu" zu ihrer völlig konträ- ren Auslegung? Operiert sie mit Zahlen, die völlig aus der Luft gegrif- fen sind? Keinesfalls. Erwähnte Pro- zente entstammen zugegebenerma- ßen der Studie. Allerdings: Es sind Zahlen, die überhaupt nichts über chronische Auswirkungen aussagen – es handelt sich nämlich um einen Zwischenbericht aus dem Jahr 1954.

Hätte die „Hör zu" statt Prozenten absolute Zahlen genommen, dann hätte dies folgendes ergeben: Von den unter die „Idealgrenze" Einge- stuften sind in Framingham in den ersten fünf Jahren 14 Personen ver-

storben, unter den mit dem größten Übergewicht waren es 9. Aus sol- chen Differenzen lassen sich weder signifikante noch allgemeingültige Aussagen ableiten, vor allem aber fehlt eine Differenzierung nach To- desursachen.

Wesentlich aussagefähiger ist dage- gen eine uns von der „Hör zu" vor- enthaltene Grafik, die eine Beobach- tungszeit von 24 Jahren umfaßt und diese Zeit in zwei gleiche Perioden untergliedert. Ganz gleich nun, ob man sich für die ersten oder die letz- ten 12 Jahre entscheidet, für die Schwergewichtigen mit mehr als 20 Prozent Übergewicht sehen die Aus- sichten gleich trübe aus. Sie stehen im Hinblick auf das Sterberisiko glei- chermaßen obenauf.

Nicht so eindeutig ist die Antwort, wenn es um Männer zwischen Ideal- gewicht und einem mäßigen Über- gewicht geht. Generell läßt sich aber sagen, daß sich mit der Zeit und auf eine Sicht von 24 Jahren der Vorzug auf das Idealgewicht verlagert. Ein- fach gesagt: Männer mit Normalge- wicht sind dem geringsten Sterberi- siko ausgesetzt, Männer mit Idealge- wicht haben aber eine besonders große Chance, ein hohes Alter zu erreichen.

Schlechter als die „Idealgewichti- gen" stehen sich diejenigen, die noch weniger wiegen. In diesem Punkt widerlegt die „Framingham- Studie" die Meinung einer großen Versicherungsgesellschaft in den USA, wonach die Beziehung zwi- schen Körpergewicht und Mortalität eine gesetzmäßig-kausale Bezie- hung bedeutet.

[— BLÜTENLESE

in vino veritas

„Trinkwasser ist als Lebens- mittel nicht zu ersetzen."

Der hessische Sozialminister Armin Clauss in einer Mittei-

lung über die chemischen Kontrollen von Trinkwasser

Die Frage, ob sich daraus etwas Grundsätzliches ableiten läßt gegen die „Unter-Idealgewichtigen" oder, wie sie die „Hör zu" nennt, „Super- schlanken", beantwortet sich von selbst, wenn man die der Framing- ham-Studie zugrundeliegende Erhe- bungsmethode unter die Lupe nimmt.

Man muß bedenken: Die in Framing- ham durchgeführten Untersuchun- gen waren prospektiv angelegt, die Ausgangssituation war aber ge- zeichnet durch das Fehlen einer anamnestischen Abklärung. Anders gesagt: Man hat keinen Unterschied gemacht zwischen einem Unterge- wicht unter dem positiven Aspekt ei- ner gesunden Lebensführung und einem Untergewicht, das vorwie- gend auf negativen Einwirkungen wie Streß, Alkohol- und Nikotinmiß- brauch beruht.

In der Studie steht, daß der Gruppe der „Unter-Idealgewichtigen" 80 Prozent gewohnheitsmäßige Rau- cher angehört haben, unter den Übergewichtigen fand man dagegen nur 50 Prozent. Man sieht: Unter den Untergewichtigen war der Anteil der Risiko-Personen übermäßig hoch.

Ist das auch heute noch so? Lassen sich Verhaltensmuster aus dem Jahr 1948 vorbehaltlos auf die Situation von heute übertragen? Darf man von einer Strukturgleichheit sprechen?

Dies aber wäre die Voraussetzung, wollte man die Erfahrungen aus Fra- mingham wortgenau nehmen und das, was sich prozentual oder am Kurvenverlauf als geringfügige Ab- weichung ausnimmt, einem statisti- schen Prüfverfahren unterwerfen. – Überflüssig daher zu sagen, was von gewissen sensationell aufgemach- ten Sprüchen zu halten ist ...

Anschrift des Verfassers:

Alfred Liedermann Statistiker im Städtischen Gesundheitsamt

Hohe Straße 28 7000 Stuttgart 1572 Heft 33 vom 13. August 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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