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Archiv "Endoprothesenregister: „Ganze Produktgruppen werden vom Markt verschwinden“" (07.01.2008)

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A16 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 1–2⏐⏐7. Januar 2008

M E D I Z I N R E P O R T

N

achdem in einem Berliner Krankenhaus zwei Jahre lang Knieprothesen falsch implantiert und bis Ende 2004 fehlerhafte Hüft- gelenke eingesetzt worden waren (DÄ, Heft 34–35/2007), erschütter- te der „Prothesenskandal“ im Som- mer die Hauptstadt und zog auch bundesweite Kreise: Viele Patienten wurden verunsichert. Doch der Ber- liner Fall ist glücklicherweise eine seltene Ausnahme. Mehr als 300 000 Menschen erhalten jedes Jahr ein künstliches Gelenk.

Etwa 90 Prozent der Prothesen funktionieren zehn oder mehr Jahre ohne Komplikationen und ermög- lichen fast allen Patienten wieder

eine selbstbestimmte Lebensgestal- tung. „Der künstliche Gelenkersatz ist eine der erfolgreichsten rekons- truktiven Operationen“, betont Prof.

Dr. med. Joachim Hassenpflug (Kiel), Präsident der Deutschen Ge- sellschaft für Orthopädie und Or- thopädische Chirurgie (DGOOC).

Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland sei da- von auszugehen, dass Gelenker- satzoperationen in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewin- nen würden. Umso erstaunlicher sei es, dass hierzulande keine Daten über die Länge der Nutzungsdau- er der verschiedenen Implantate sowie keine systematischen In-

formationen über die Häufigkeit und Ursachen von Fehlschlägen vorlägen.

Ob ein Modell durch besonders viele Wechseloperationen auffällt oder eine Klinik hinter den Anfor- derungen zurückbleibt, lässt sich häufig nur mit statistischen Mit- teln erkennen. „Wir brauchen ein nationales Endoprothesenregister, wie es in anderen Ländern bereits etabliert ist“, forderte Hassenpflug bei dem diesjährigen Deutschen Kongress für Orthopädie und Un- fallchirurgie in Berlin, dessen Ta- gungspräsident der Kieler Orthopä- de gleichzeitig war.

Auch angesichts der ausgespro- chen günstigen volkswirtschaftli- chen Kosten-Nutzen-Relation von Gelenkersatzoperationen sowie der zunehmenden Vielfalt an Implanta- ten, die zum Teil sehr preiswert von China und osteuropäischen Staaten angeboten würden, sei das flächen- deckende Sammeln von Daten für langfristige Aussagen unerlässlich.

„Die Qualitätskontrolle darf nicht an der Klinikpforte enden, wie das heute leider der Fall ist“, betont Hassenpflug.

Auf freiwilliger Basis trug seit 1997 das Deutsche Endoprothesen- register e.V. über Jahre hinweg Daten von 41 teilnehmenden Kli- niken zu Erstoperationen und Revi- sionseingriffen von Hüft- und Knie- endoprothesen zusammen. Diese Daten waren jedoch nicht repräsen- tativ. Ihre Erhebung wurde deshalb mit der flächendeckenden Erfas- sung der Struktur- und Prozess- qualität durch die Bundesgeschäfts- stelle Qualitätssicherung (BQS) ein- gestellt. Bislang erfasst die BQS zwar regelmäßig die Daten aus 1 700 Krankenhäusern. Diese gestat-

ENDOPROTHESENREGISTER

„Ganze Produktgruppen werden vom Markt verschwinden“

Orthopäden und Unfallchirurgen fordern die Etablierung eines nationalen Endoprothesenregisters zum Zweck der Qualitätssicherung sowie die Stellung als Primärarzt.

Die künstlichen Materialien sollen eine gute Gleitfähig- keit bei minimaler Reibung aufweisen und kaum Abrieb erzeugen. Daher bestehen Kopf und Pfanne aus zwei verschiedenen

Materialien.

Foto:BVMed-Bilderpool

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 1–2⏐⏐7. Januar 2008 A17

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ten jedoch nur Aussagen über kurz- fristig eingetretene Komplikationen im Verlauf der stationären Behand- lung sowie Art und Anzahl der durchgeführten Operationen.

Die meisten Kunstgelenke wer- den dem BQS-Report zufolge nach wie vor in der Hüfte (147 000 im Jahr 2006) eingebaut. Doch die An- zahl der künstlichen Kniegelenke (125 000 im Jahr 2006) hat stark zugenommen. In den USA werden sie bereits häufiger implantiert als künstliche Hüftgelenke. Neu hin- zugekommen sind Prothesen für das Schultergelenk. Aber auch für das Sprunggelenk und das Ellen- bogengelenk sind in den letzten Jahren leistungsfähigere Prothesen entwickelt worden. „Neuartige Me- talllegierungen ermöglichen häufig eine Verankerung ohne Knochenze- ment“, erläutert Hassenpflug. Zu- dem sei die klassische Verankerung mit Knochenzement zu hoher Per- fektion weiterentwickelt worden.

Immer häufiger kämen computer- gestützte Navigationssysteme zum Einsatz, die die Präzision beim Protheseneinbau weiter verbes- sern.

Krankenkassen interessiert

Der BQS-Report zeigt auch, dass die Zahl der Wechseloperationen weiter steigt: So wurden 19 600 Hüft- endoprothesen und 8 600 Knie- endoprothesen im Jahr 2006 ge- wechselt. Da Gelenkersatzoperatio- nen bei immer jüngeren Patienten erfolgen und die Lebenserwartung zunimmt, sind künftig noch weiter steigende Zahlen für Wechselopera- tionen zu erwarten. Für Hassenpflug ist dies ein Grund mehr, endlich ein nationales Endoprothesenregister zu etablieren. Ziele des Registers seien:

> Information der Patienten über die Qualität der Versorgung

> Schaffung von Transparenz über Behandlungsstandards gegen- über den Kostenträgern

> Dokumentation der Qualität der Leistungserbringer

> Schaffung einer Informations- basis für die wissenschaftlichen Fachgesellschaften bezüglich der Leistungsfähigkeit neuer Techniken und Implantate

> frühzeitige Rückmeldungen über potenzielle Probleme an die Hersteller

> flächendeckende Erfassung der Langzeitqualität ohne Dunkelziffer

> Etablierung eines Frühwarn- systems zur Erkennung von Innova- tionsrisiken und Ergebnisdefiziten.

Auf Interesse stößt ein Endopro- thesenregister auch bei den Kran- kenkassen. Sie möchten es gern als Steuerungsinstrument verwenden und plädieren deshalb für eine Auskunftspflicht. „Ein Register ist lange überfällig und unter dem Gesichtspunkt der Versorgungsfor- schung ausgesprochen sinnvoll“, erklärte Martin Stockmeier vom Medizinischen Dienst der Spit- zenverbände der Krankenkassen (MDS) dem Deutschen Ärzteblatt.

So könne die Leistungsfähigkeit verfügbarer Endoprothesen longi- tudinal erfasst und überprüft wer- den. „Ganze Gruppen von Produk- ten werden vom Markt verschwin- den, weil sie sich nicht bewähren“, ist Stockmeier überzeugt.

Bislang seien weder Wirksam- keitsnachweise von Medizinpro- dukten nötig noch eine Kontrolle der Revisionsdaten möglich. Ansie- deln würde der MDS das Register gern unter dem Dach der BQS.

Durch einen erweiterten Datensatz wäre dies mit wenig gesetzgebe- rischem und bürokratischem Auf- wand möglich, meint Stockmeier.

Wichtig sei jedoch eine obligatori- sche und lückenlose Erfassung der Daten. In anderen europäischen Ländern werden Endoprothesenre-

gister indes seit Jahren mit Erfolg geführt – in Schweden beispielswei- se bereits seit 1979. Seit 1999 befin- det sich auch ein europäisches En- doprothesenregister im Aufbau, das als Zusammenschluss der nationa- len Register organisiert ist.

Nicht nur die Anzahl der Ge- lenkerkrankungen (etwa 20 Pro- zent der Erwachsenen sind betrof- fen) wird zunehmen. Mit Blick auf die alternde Gesellschaft verwie- sen die Kongressveranstalter* auf die wachsende sozioökonomische Bedeutung von Erkrankungen des Muskelskelettsystems, die derzeit jährliche Kosten in Höhe von 100 Milliarden Euro verursachen.

Um diese zu reduzieren und Fehlver- sorgungen zu vermeiden, schlägt der BVOU vor, dem Facharzt für Orthopädie und dem Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie für die Versorgung der Erkrankungen und Verletzungen der Haltungs- und Be- wegungsorgane die Stellung des

„Primärarztes“ im Sinn des Durch- gangsarztprinzips der Berufsgenos- senschaften einzuräumen.

Versorgungsdefizite muskulo- skelettaler Erkrankungen

„Im Bereich der orthopädischen Volkskrankheiten sowie der Unfälle gibt es erhebliche Unter- und Fehl- versorgungen, die einer dringenden Korrektur bedürfen“, erklärt Dr.

med. Siegfried Götte, Präsident des BVOU und einer der drei diesjäh- rigen Kongresspräsidenten. Diese fänden ihren Ausdruck zum Beispiel darin, dass weniger als zehn Prozent der Osteoporosepatienten nach dem aktuellen Stand der Leitlinien ver- sorgt würden. Auch behandelten Hausärzte 71 Prozent der Patienten mit Rückenschmerzen, obwohl sie dafür nicht ausreichend qualifiziert seien. Muskuloskelettale Erkran- kungen – insbesondere Arthrose, Osteoporose – und Rückenschmerz seien in der Weiterbildungordnung der Hausärzte lediglich fakultativ abgebildet, kritisiert Götte. I Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

* Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) sowie der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)

Künstliche Hüft- gelenksköpfe werden heute ent- weder aus Edel- stählen, Cobalt- Chrom-Legierun- gen oder Alumini- umoxidkeramiken hergestellt.

Foto:BVMed-Bilderpool

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