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Chemische Zusätze in Zahnpasten zur Hemmung der Zahnsteinbildung. Eine Literaturübersicht

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Academic year: 2022

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 130 6P 2020 ZUSAMMENFASSUNG

Zahnstein hat einen sekundären Einfluss auf die Pathogenese parodontaler Erkrankungen, da er die Anlagerung bakteriellen Biofilms auf seiner rauen Oberfläche begünstigt. Demgemäss ist die profes- sionelle Zahnreinigung mit dem Ziel der mechani- schen Entfernung von Zahnstein und Biofilm ein entscheidender Teil der Therapie und der Präven- tion von Gingivitis und Parodontitis.

Heute werden Kristallwachstumshemmer wie Zink ionen in Form von Zinkchlorid oder Zinkzitrat und Pyrophosphate allein oder in Kombination mit Copolymer den Zahnpasten beigesetzt, um eine Mineralisation des dentalen Biofilms zu verhindern.

Zudem wird Triclosan als antimikrobielle Substanz in Kombination mit Copolymer als Zusatz in Zahn- pasten benutzt, um die Menge der Plaque und somit das Substrat für Zahnstein zu reduzieren.

Chemische Zusätze in Zahnpasten zeigen in klini- schen Studien eine zahnsteinreduzierende Wir- kung. Es muss aber beachtet werden, dass neben der häuslichen Mundhygiene der Zahnsteinbefall auch von anderen Faktoren abhängt. Zugriff auf professionelle zahnmedizinische Versorgung, Ernährungsverhalten, Alter, ethnische Herkunft, Zeit seit der letzten professionellen Zahnreinigung, systemische Erkrankungen oder Medikamente können die Zahnsteinbildung ebenfalls beein- flussen.

Da jedoch chemische Zusätze in Zahnpasten nicht die tieferen Stellen parodontaler Taschen errei- chen, werden diese zur Hemmung der supragingi- valen Zahnsteinbildung empfohlen und unterstüt- zen somit die primäre Prävention der Gingivitis sowie die sekundäre Prävention der Parodontitis.

Bild oben:Der Einfluss von Triclosan/Pyrophosphat, Triclo­

san/Zinkzitrat und Triclosan/Copolymer auf die Substan­

tivität von Triclosan und dessen Plaque­reduzierende Eigenschaft (y­Achse) pro Zeit in Stunden (x­Achse) SCHLÜSSELWÖRTER

Zahnstein, Triclosan, Prävention, supragingival, Konkremente

Aleksandar Cvjetinovic

1

Christoph A. Ramseier

1

Giovanni E. Salvi

1

Oliver Laugisch

2

1 Klinik für Parodontologie, Zahnmedizinische Kliniken der Universität Bern

2Klinik für Parodontologie und periimplantäre Erkrankungen, Medizinisches Zentrum für Zahn­, Mund­ und Kieferheil­

kunde der Philipps­Universi­

tät, Marburg, Deutschland

KORRESPONDENZ PD Dr. med. dent.

Christoph A. Ramseier, MAS Zahnmedizinische Kliniken der Universität Bern Klinik für Parodontologie Freiburgstrasse 7 CH­3010 Bern Tel. +41 31 632 25 89 E­Mail: christoph.ramseier@

zmk.unibe.ch

Chemische Zusätze in Zahnpasten zur Hemmung der Zahnsteinbildung

Eine Literaturübersicht 70-

60- 50- 40- 30- 20- 10-

0- 0 2 6 12

Zeit (Stunden)

Su b st an ti vit ät (% )

Placebo

0,3% Triclosan/

5,2% Pyrophosphat 0,3% Triclosan/

1% Zinkzitrat 0,3% Triclosan/

2% Copolymer

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 130 6P 2020

Einführung

Zahnstein ist eine mineralisierte Ablagerung auf Zähnen oder anderen harten Oberflächen in der Mundhöhle. Wenn der Zahnstein im sichtbaren Bereich oberhalb des Gingivalsaumes auftritt, spricht man von supragingivalem, unterhalb davon wird von subgingivalem Zahnstein oder auch subgingivalen Konkrementen gesprochen.

Der supragingivale Zahnstein ist klinisch als cremig-weisse bis gelbe Ablagerung an den Zähnen zu erkennen. Mit der Zeit verfärbt sich dieser aufgrund exogener Einflüsse wie Tabak, Kaffee oder Tee braun. Er ist häufiger und in grösseren Mengen gegenüber den Ausführgängen grosser Speicheldrüsen in der Unterkiefer-Frontzahnregion (gegenüber dem Ausführgang der Glandulae submandibularis und sublingualis) und in der Ober- kiefer-Molarenregion (gegenüber dem Ausführgang der Glan- dula parotis) zu finden und lässt sich klinisch durch Trocknen mit dem Luftbläser visuell erkennen.

Demgegenüber ist der subgingival gelegene Zahnstein nicht sichtbar. Man erkennt ihn klinisch taktil mit einer Sonde, durch Freilegen der Wurzeloberflächen im Rahmen eines parodontal- chirurgischen Eingriffs oder radiologisch. Er ist härter und demnach mechanisch schwieriger bei einer professionellen Zahnreinigung zu entfernen. Subgingivale Konkremente sind aufgrund der metabolischen Abfallprodukte des Blutes dunkel- braun bis schwarz eingefärbt. Im Gegensatz zu supragingivalem Zahnstein ist der subgingivale gleichmässig in der ganzen Den- tition verteilt – vor allem in Kombination mit parodontalen Taschen. Ein Bereich 0,5 mm koronal der apikalsten Stelle des Taschenfundus ist aufgrund des koronalen Gradienten der Sul- kusflüssigkeit frei von Zahnstein.

Entzündliche Erkrankungen des Zahnhalteapparates wie Gingivitis und Parodontitis werden durch eine Infektion mit pathogenen Bakterien hervorgerufen. Diese organisieren sich im dentalen Biofilm oder im Zahnstein, dessen mineralisierter Form. Obwohl eine Parodontitis nicht direkt durch Zahnstein verursacht wird, zeigen Patienten häufig einen grösseren Zahn- steinbefall. Aufgrund der porösen Oberfläche ermöglicht dieser den parodontalen Pathogenen eine gute Adhäsion und beher- bergt somit auf seiner Oberfläche stets einen lebenden bakte- riellen Biofilm. Zudem verhindert er durch Nischenbildung eine optimale durchzuführende Mundhygiene.

Bei jeder Form der Therapie einer Gingivitis oder Parodontitis steht die Entfernung des Biofilms bzw. des Zahnsteins im Vor- dergrund. Die Schaffung einer glatten und dekontaminierten Oberfläche soll die Bildung neuen Biofilms minimieren. Wie jedoch aus einer tierexperimentellen und einer klinischen Stu- die hervorgeht, wird der Erfolg einer subgingivalen Depuration eher der Reduktion bestimmter subgingivaler Mikroorganismen zugeschrieben als der Entfernung von «kontaminiertem Wur- zelzement» (Mombelli et al. 1995; Nyman et al. 1986).

Da die Zahnmedizin in den letzten Jahren immer Prophylaxe- orientierter geworden ist und professionelle Zahnreinigungen einen immer grösseren Stellenwert bekommen haben, sind auch die Kosten für das Gesundheitswesen nicht zu unterschät- zen. Somit ist heute von Interesse, zwar vermehrt auf Präven- tion zu achten, aber auch darauf, die Kosten der Behandlung zu senken.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine Literaturübersicht über die häusliche Prävention der Bildung von Zahnstein mittels Zahn- pasten zu geben. Diese sind häufig mit chemischen Substanzen zur Hemmung der Zahnsteinbildung versetzt. Obwohl die meisten Zahnpasten auf dem Markt hemmende Substanzen

enthalten, ist der Zahnsteinbefall in der Bevölkerung trotzdem relativ hoch. Dies wiederum lässt bisherige Ansätze kritisch hinterfragen und Anreiz dazu geben, weiterhin nach neuen Ansatzpunkten zu forschen.

In den letzten 20 Jahren wurden zahlreiche narrative Über- sichtsarbeiten zu dieser Thematik publiziert. So wurde eine Übersicht über die Hemmung der Zahnsteinbildung gegeben (Davies et al. 1997; Fairbrother & Heasman 2000; Jin & Yip 2002;

White 1997; van Loveren & Duck worth 2013) und die Evidenz von der Effektivität kommerzieller Antizahnstein-Zahnpasten systematisch analysiert (Netuveli & Sheiham 2004).

Zusammensetzung von Zahnstein

Zahnstein besteht aus organischen und anorganischen Kompo- nenten. Bakterien, Speichel und die Ernährung des Wirtes lie- fern dessen Bausteine. Den Hauptteil bilden mit 80% die anor- ganischen Komponenten wie Mineralien und Kristalle. Der Mineralgehalt nach Volumen beträgt für den supragingivalen Zahnstein durchschnittlich 37% (16% bis 51%) und subgingival 58% (32% bis 78%) (Friskopp & Isacsson 1984). Supragingivaler Zahnstein ist aus heterogenen Schichten aufgebaut, die sich in ihrem Mineralgehalt stark unterscheiden. Dagegen erscheinen subgingivale Konkremente aufgrund gleicher Dichte der ver- schiedenen Schichten homogener (Kani et al. 1983). Haupt- bestandteil der Mineralien sind Kalzium- und Phosphationen, gefolgt von Magnesium und Zinn. Auch Spuren von anderen Ionen kommen vor. Kalzium und Phosphat spielen eine zentrale Rolle bei der Bildung, da deren Ausfällung zu Kristallbildung führen kann. Der Zahnstein besteht aus vier verschiedenen Kristallen aus Kalziumphosphat (Schroeder 1969):

1.) Brushit Ca[PO3(OH)]·2H2O

2.) Oktakalziumphosphat Ca8H2(PO4)6·5H2O 3.) Hydroxylapatit Ca5[OH|(PO4)3]

4.) Whitlockit Ca9(Mg,Fe)[PO3OH|(PO4)6]

Brushit ist nur in früheren Phasen der Zahnsteinbildung nach- zuweisen. In dieser Phase ist der Zahnstein nicht älter als zwei Wochen. Bei neutralem oder leicht erniedrigtem pH-Wert und hoher Kalzium-Phosphat-Konzentration im Speichel wird er gebildet. Brushit ist das löslichste Kristall und zusammen mit Oktakalziumphosphat als Vorläuferkristall bei der Zahnsteinbil- dung zu verstehen. Beide werden durch Hydrolyse in die weni- ger löslichen Kristalle Hydroxylapatit und Whitlockit umge- wandelt (van Loveren & Duck worth 2013).

Im Gegensatz zu anderen Kristallformen enthält Whitlockit Magnesium, das einen Teil des Kalziums ersetzen kann (Fris­

kopp & Isacsson 1984). Dieser ist Hauptbestandteil von subgin- givalem Zahnstein. Während Oktakalziumphosphat vor allem in äusseren Schichten von supragingivalem Zahnstein anzutref- fen ist, ist Hydroxylapatit in inneren Schichten vorhanden. Das zeigt auch, dass Hydroxylapatit später gebildet wird und einen reiferen kristallinen Zustand darstellt.

Die Kristallografie der verschiedenen Formen unterscheidet sich ebenfalls. Brushit enthält rhomboidale und polygonale Kristalle, Oktakalziumphosphat plättchenförmige, Hydroxyla- patit sandkorn- und stäbchenartige und Whitlockit hexagona- le, kuboide Kristalle (Kodaka et al. 1988).

Die organischen Komponenten machen 20% des Zahnsteins aus. Zu ihnen gehören Proteine mit einem Anteil von ungefähr 55% sowie Lipide mit rund 10%. Kohlenhydrate machen etwa 15% der organischen Matrix aus, und der restliche Teil der orga- nischen Matrix besteht aus Wasser. Zu den Lipiden gehören auch

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 130 6P 2020 saure Phospholipide, die Bestandteil der bakteriellen Zellmem-

bran sind (Goldfine 1972).

Die Konzentration saurer Phospholipide bei Menschen mit hoher Affinität zur Zahnsteinbildung ist im Speichel signifikant höher als bei Menschen, die weniger anfällig sind (Mandel &

Eisenstein 1969; Slomiany et al. 1981). Diese Erkenntnisse lassen vermuten, dass die Phospholipide eine wichtige Rolle bei der Zahnsteinbildung spielen.

Zahnstein ist immer von einem bakteriellen Biofilm bedeckt.

Supragingival sind dies vor allem bakterielle Spirochäten, wo- hingegen es subgingival eine Mischung aus Kokken, Stäbchen und Spirochäten sind (Friskopp & Hammarstrom 1980). Die Oberflächenstrukturen beider Zahnsteine wurde von Friskopp und Hammarström beschrieben (Friskopp & Hammarstrom 1980), die diese mit Natriumhypochlorit behandelten, um den dentalen Biofilm vom Zahnstein zu trennen. Die Oberfläche des supragingivalen Zahnsteins ähnelt einer Wabenstruktur, wäh- rend die Oberfläche des subgingivalen weniger organisierte Charakteristika zeigt. Unterhalb des dentalen Biofilms findet man Zentren der Kalzifikation mit dunklen und hellen Banden.

Friskopp berichtete, dass diese Zentren als heterogene mit da- zwischenliegenden Schichten von nicht kalzifizierenden Berei- chen klassifiziert sind (Friskopp 1983). Mineralablagerungen des Zahnsteins findet man zwischen, aber auch innerhalb der dege- nerierenden Mikroorganismen (White 1997). Das wiederum be- deutet, dass die initiale Mineralablagerung in der Matrix des Biofilms stattfindet. Mit der Reifung kalzifizieren einige Mikro- orga nis men aus dem dentalen Biofilm. Somit beherbergt Zahn- stein neben den Mineralen und Kristallen auch tote amorphe Bakterien, die jedoch aufgrund der fehlenden Vitalität keine pathogenen Eigenschaften aufweisen können.

Epidemiologie von Zahnstein

Indizes

Obwohl Indizes für Zahnstein im klinischen Alltag eigentlich nicht benutzt werden, sind im Verlauf viele verschiedene Zahn- steinindizes für Forschungszwecke entwickelt worden. Die Vielfalt dieser macht es wiederum schwer, verschiedene Stu- dien miteinander zu vergleichen.

Oral Calculus Index (OCI)

Nach Greene und Vermillion werden Zahnoberflächen auf sup- ra- und subgingivalen Zahnstein untersucht (Greene & Vermil­

lion 1964). Folgende Werte für den Oral Calculus Index (OCI) ergeben sich:

0: Kein Zahnstein

1: Supragingivaler Zahnstein bedeckt nicht mehr als 1/3 der untersuchten Zahnoberfläche

2: Supragingivaler Zahnstein bedeckt mehr als 1/3 der unter- suchten Zahnoberfläche

3: Supragingivaler Zahnstein bedeckt mehr als 2/3 der unter- suchten Zahnoberfläche oder subgingivaler Zahnstein ist vorhanden

Für die Berechnung des Indexes werden alle Werte zusammen- gerechnet und durch die Anzahl untersuchter Oberflächen dividiert.

Calculus Index (CI)

Nach Ramfjord wird der Calculus Index (CI) an den Zähnen 16, 21, 24, 36, 41 und 44 für supragingivalen Zahnstein ermittelt (Ramfjord 1959). Dabei ergeben sich folgende Werte:

0: Kein Zahnstein

1: Supragingivaler Zahnstein reicht leicht über die freie Gingiva, aber nicht mehr als 1 mm.

2: Supragingivaler Zahnstein bedeckt mehr als 1/3, aber nicht mehr als 2/3 der Zahnoberfläche

3: Supragingivaler Zahnstein bedeckt mehr als 2/3 der Zahnoberfläche

Für die Ermittlung des Indexes werden die Werte addiert und durch die Anzahl untersuchter Zähne dividiert.

Calculus Surface Index (CSI)

Nach Ennever und Mitarbeitern wird der Calculus Surface Index (CSI) an den Unterkieferinzisiven (Zähne 32–42) jeweils labial, lingual, mesial und distal für supra- oder subgingivalen Zahn- stein bestimmt (Ennever et al. 1961). Es ergeben sich folgende Werte pro Fläche:

0: Kein Zahnstein 1: Zahnstein vorhanden

Alle Werte werden aufaddiert. Der Maximalwert beträgt 16. Der CSI ist gut geeignet für Kurzzeituntersuchungen, da nicht die Quantität des Zahnsteins gemessen wird, sondern nur dessen An- bzw. Abwesenheit.

Volpe-Manhold-Index (VMI)

Der Volpe-Manhold-Index (VMI) wird an den Unterkieferfront- zähnen gemessen (Zähne 33–43) (Volpe & Manhold 1962). Dabei misst man mit einer Parodontalsonde millimetergenau die Men- ge des supragingivalen Zahnsteins lingual der Unterkieferfront- zähne. Pro Zahn wird an drei Stellen gemessen. Für das Ermit- teln des VMI werden alle Einzelwerte summiert und durch die Anzahl untersuchter Zähne dividiert.

Der Volpe-Manhold-Index ist der am häufigsten gebrauchte Index in klinischen Studien, die beispielsweise die hemmende Wirkung von Zahnpasten auf die Zahnsteinbildung untersuch- ten.

Marginal Line Calculus Index (MLC-I)

Der Marginal Line Calculus Index nach Mühlemann & Villa be- stimmt die Quantität des Zahnsteins durch Vermessen dessen Breite und Dicke (Mühlemann & Villa 1967). Es ergeben sich dadurch folgende Werte:

0: Kein Zahnstein

1: Zahnstein weniger als 0,5 mm breit und/oder dick 2: Zahnstein nicht mehr als 1 mm breit und/oder dick 3: Zahnstein mehr als 1 mm breit und/oder dick

Prävalenz

Die Prävalenz des Zahnsteins variiert bei Erwachsenen zwi- schen 42% und über 80% (van Loveren & Duck worth 2013).

In der Arbeit von White wird eine Prävalenz von 70% bis 100%

angegeben (White 1997). Anerud und Mitarbeiter (Anerud et al.

1991) publizierten longitudinale Daten zur Prävalenz von Zahn- stein in zwei unterschiedlichen Populationen ohne und mit zahnärztlicher Betreuung und Mundhygiene in Sri Lanka und Norwegen von 1969 bis 1988. Es konnte gezeigt werden, dass alle Studienteilnehmer aus Sri Lanka und 93% aus Norwegen Zahnstein hatten. Nur 6% der Zähne in Sri Lanka und 74% in Norwegen waren frei von Zahnsteinablagerungen. Gestützt auf alle Studien zur Prävalenz, fasste White zusammen (White 1997):

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1. In Populationen mit normaler Mundhygiene und zahnmedi- zinischer Versorgung gilt:

Supragingivaler Zahnstein kommt zwischen 50% und 100%

vorSupragingivaler Zahnstein kommt bei Jugendlichen vor, und der Zahnsteinbefall steigt nicht signifikant zum Alter

Supragingivaler Zahnstein kommt vor allem in der Unter- kieferfront und im Molarenbereich des Oberkiefers vor

Subgingivaler Zahnstein kommt zwischen 50% und 100%

vorSubgingivaler Zahnstein ist gleichmässig in der Dentition verteilt, am Einzelzahn meistens approximal

2. In Populationen mit unregelmässiger/keiner Mundhygiene und ohne zahnmedizinische Versorgung gilt:

Supra- und subgingivaler Zahnstein kommen zu 100% vor

Supra- und subgingivaler Zahnstein kommen in der ganzen Dentition vor

Supragingivaler Zahnstein bildet sich zu Beginn des Zahn- durchbruchs und erreicht ein Maximum im Alter von 30 Jahren

Subgingivaler Zahnstein beginnt innerhalb 10 Jahren nach Zahndurchbruch, und dessen Bildungsrate erreicht ein Maximum mit 30 Jahren

Inzidenz

Die Inzidenz für den Zahnsteinbefall ist zwischen den Ge- schlechtern unterschiedlich. Beiswanger und Mitarbeiter rekrutierten 908 Studienteilnehmer aus Texas (USA), um die Inzidenz des Zahnsteinbefalls nach 6 Monaten zu evaluieren (Beiswanger et al. 1989). Die Probanden erhielten zu Beginn der Studie eine professionelle Zahnreinigung, und nach 6 Monaten wurde der Volpe-Manhold-Index an den unteren Frontzähnen bestimmt. Es konnte gezeigt werden, dass Männer mit einem VMI von 11,15 altersunabhängig eine höhere Zahnsteininzidenz hatten als Frauen (VMI von 8,19). Die Inzidenz für beide Ge- schlechter nahm mit dem Alter zu. Insgesamt hatten 5% der Männer und Frauen keinen Zahnstein nach 6 Monaten, 60%

hatten einen VMI von unter 10 und 85% von unter 20. Bei einer Minderheit mit grossen Mengen an Zahnstein wurden VMI- Werte zwischen 40 und 50 ermittelt.

Die Inzidenz variierte ebenfalls zwischen verschiedenen Ethnien. Gaare und Mitarbeiter verglichen zwei verschiedene Ethnien in Bezug zur Inzidenz des Zahnsteinbefalls (Gaare et al.

1989). Eine Gruppe von Studenten aus Norwegen und Soldaten aus Indonesien erhielten eine professionelle Zahnreinigung, und der VMI wurde nach 6 Monaten bestimmt. Bei den Indone- siern waren 52% der untersuchten Zähne von Zahnstein befal- len, dagegen waren es bei den Norwegern nur 14%.

Zahnsteinbildung

Obwohl die Bildung von Zahnstein auch bei keimfreien Tier- modellen beobachtet wurde, ist er normalerweise mineralisierte bakterielle Plaque (Theilade et al. 1964). Aufgrund besserer Ak- kumulation von Kalzium- und Phosphationen stellt der dentale Biofilm ein gutes Substrat für die Bildung von Zahnstein dar.

Aus serdem kann er inhibitorische Faktoren der Zahnsteinbildung aus dem Speichel abbauen. Bakterielle Plaque besitzt ausserdem Faktoren, die den Mineralisationsprozess zusätzlich fördern, so- wie Bakterien und deren Komponenten, die diesen kalzifizieren können (van Loveren & Duck worth 2013). Nach der initialen Rei- fung der dentalen Plaque beginnt die Mineralisation. Obwohl der

Vorgang nicht vollständig geklärt ist, handelt es sich insgesamt um ein Ausfällen von Kalziumphosphat. Die hierfür notwendigen Kalzium- und Phosphationen für die Bildung des supragingivalen Zahnsteins haben ihren Ursprung im Speichel; dahingegen stam- men die Ionen für den subgingivalen Zahnstein aus der Sulkus- flüssigkeit. Die Mineralisation beinhaltet etappenweise eine Übersättigung, eine Kristallkeimung, ein Kristallwachstum und eine Umwandlung von Vorläuferphasen, wie die des Brushits oder des Oktakalziumphosphats, in weniger wasserlösliche Pha- sen wie Hydroxylapatit und Whitlockit (Davies et al. 1997).

Mineralisationstheorien

Kohlendioxidtheorie

Die Übersättigung der Plaque mit Kalzium- und Phosphationen ist Voraussetzung für deren Ausfällung und damit Bildung der Kristalle (Wong et al. 2002). Der Sättigungsgrad der Plaque steigt proportional zum pH-Wert. Da der CO2-Partialdruck des Spei- chels in der Mundhöhle abnimmt, führt dies zu einem Anstieg des pH-Wertes. Aufgrund der Änderung des Milieus kommt es zur Ausfällung von Kalziumphosphatsalzen. Diese Theorie er- klärt die Häufigkeit von supragingivalen Zahnstein entlang der Ausführgänge der grossen Speicheldrüsen, jedoch nicht die Bil- dung des subgingivalen Zahnsteins, da hier die Kalzium- und Phosphationen ihren Ursprung aus der Sulkusflüssigkeit haben.

Ammoniaktheorie

Harnstoff ist das metabolische Abfallprodukt des Stickstoff- Stoffwechsels. Dieser wird mit dem Speichel sezerniert und hat hier eine Konzentration von 4 bis 10 mmol/l (Macpherson &

Dawes 1991b). Aus der Sulkusflüssigkeit abgegeben, hat er eine Konzentration von über 60 mmol/l (Golub et al. 1971). Harnstoff kann in die Plaque diffundieren. Das bakterielle Enzym Urease baut den Harnstoff proportional zum pH-Wert in Ammoniak ab.

Dies führt zu einer Übersättigung der Plaque mit Kalzium- und Phosphationen (Dawes 2006), und es kommt zu Ausfällungen.

Epitaktisches Konzept

Epitaxie beschreibt die Kristallisation in einer Mischung ver- schiedener Substanzen (Eastoe 1968). Obwohl die Konzentra- tion von Kalzium- und Phosphationen für die spontane Ausfäl- lung nicht ausreicht, beginnt ein Kristallwachstum direkt nach Ausbildung eines Keimes. Die organische Matrix dient hier als geometrische Schablone, obwohl bis heute keine Initiatoren bekannt sind.

Bakterielle Theorie

Der Beginn der Mineralisation ist mit den sauren Phospholi- piden als Bestandteile der bakteriellen Membran assoziiert (Goldfine 1972). Diese können extrazelluläres Kalzium binden.

Anorganisches Phosphat verbindet sich mit diesem und ein Kalzium-Phospholipid-Phosphat-Komplex entsteht. Degene- rierende Bakterien können die Mineralisation auslösen, da sie hohe Konzentrationen intrazellulären Phosphates an die Umge- bung freisetzen (Sidaway 1979, 1980). Dies kann auch die Tatsa- che erklären, dass Chlorhexidin zwar eine starke Plaque-redu- zierende Wirkung hat und somit das Substrat für den Zahnstein reduziert, aber bei längerem Gebrauch auch dessen Bildung auslöst (Loe et al. 1976).

Hemmtheorie

Speichel besitzt Proteine mit negativer Ladung, die das Kristall- wachstum hemmen, da sie sich an die aktiven Stellen der Kris-

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 130 6P 2020 talloberfläche binden. Dies sind beispielsweise Statherine, Pro-

lin-Rich-Proteine, Cystatine, Immunoglobuline und Albumine (van Loveren & Duck worth 2013).

Hemmende Proteine können durch Proteasen im Speichel und in der Plaque abgebaut werden. So korreliert der Zahn- steinbefall positiv mit der Konzentration an Proteasen (Morita

& Watanabe 1986; Watanabe et al. 1982). Zusätzlich kann der pH-Wert aufgrund dieser Abbauprodukte steigen, was zur Ausfällung von Kalzium- und Phosphationen führt (Frostell

& Soder 1970).

Im Speichel sind Pyrophosphate enthalten, welche die Ab- sorptionsstellen für das Kristallwachstum hemmen. Sie können zudem die Transformation von Brushit zu Hydroxylapatit ver- hindern (Moreno et al. 1989). Pyrophosphatkonzentrationen sind im Speichel von mit Zahnstein befallenen Menschen nied- riger als bei solchen, die weniger auf Zahnstein anfällig sind (Edgar & Jenkins 1972).

Saure und alkalische Pyrophosphatasen können Pyrophosphat im Speichel hydrolysieren und somit diesen inhibitorischen Ef- fekt aufheben. Zusätzlich wird hierdurch anorganisches Phos- phat als Substrat für die Ausfällung frei (Poirier & Holt 1983).

Mit der Hemmtheorie kann Mineralisation als ortsspezifisches Geschehen verstanden werden, denn Mineralisation tritt nur dort auf, wo die hemmenden Mechanismen fehlen.

Die Rolle des Speichels bei der Zahnsteinbildung

Der Speichel hat eine essenzielle Rolle bei der Bildung von su- pragingivalem Zahnstein, da die für die Bildung von nötigen Kalzium- und Phosphationen ihren Ursprung im Speichel ha- ben. Auch die Tatsache, dass sich supragingivaler Zahnstein vor allem gegenüber den Ausführungsgängen der grossen Speichel- drüsen bildet, erklärt diesen Zusammenhang.

Speichel ist übersättigt mit Kalzium- und Phosphationen und ermöglicht die Bildung verschiedener Kalziumphosphatsalzen (Hay et al. 1982). Der Grad der Sättigung ist abhängig vom pH- Wert. Durchschnittlich beträgt er ca. 6,5–7 (Duck worth & Hun­

tington 2006). Ein Ansteigen durch Verlust von Kohlendioxid oder Abbau des Harnstoffs zu Ammoniak führt zu einer Über- sättigung mit Kalzium- und Phosphationen, die letztlich aus- fallen.

Speichel enthält Substanzen zur Förderung oder Hemmung der Zahnsteinbildung. Wohingegen Proteasen und Pyrophos- phatasen fördern, wirkt Pyrophosphat oder die Statherine hemmend.

Pradeep und Mitarbeiter untersuchten Ortho- und Pyrophos- phat sowie Pyrophosphatase im Speichel und deren Beziehung zur Zahnsteinbildung (Pradeep et al. 2011). Die Konzentrationen wurden in Speichelproben von Studienteilnehmern, aufgeteilt in verschiedene Gruppen unterschiedlichen Zahnsteinbefalls, bestimmt. Die Gruppe mit dem geringsten Zahnsteinbefall hatte die signifikant niedrigste Konzentration an Orthophosphat und Pyrophosphatase, aber die grösste an Pyrophosphat. Dagegen war es in der Gruppe mit dem grössten Zahnsteinbefall konträr.

So lässt sich schlussfolgern, dass Pyrophosphat die Zahnstein- bildung hemmt, wohingegen Orthophosphat und Pyrophos- phatase diese begünstigen.

Die Speichelfliessrate hat ebenfalls eine Auswirkung auf die Bildung von Zahnstein. Für unstimulierten Speichel beträgt die Fliessrate zwischen 0,8 und 8 mm/min, für stimulierten Spei- chel zwischen 1,3 und bis über 350 mm/min.

Die niedrigste Speichelfliessrate werden fazial der Ober- kieferinzisiven beobachtet, während die höchste lingual der

Unterkieferinzisiven zu finden ist (Dawes et al. 1989). Supra- gingivaler Zahnstein bildet sich proportional zur Fliessrate, ergo gegenüber den Ausführungsgängen der grossen Speichel- drüsen. Je höher die Speichelfliessrate, desto grösser ist die Clearance von Zucker und Säure aus der Plaque. Dieses führt wiederum zu einem Anstieg des pH-Wertes (Macpherson &

Dawes 1991a). In Abbildung 1 ist der Zusammenhang von su- pragingivalem Zahnstein, der Speichelfliessrate und der Kon- zentration von Zucker dargestellt. Zusätzlich wird der vor- handenen Plaque durch die höhere Speichelfliessrate mehr Harnstoff aus dem Speichel als Substrat zur Verfügung gestellt.

Hierdurch kann die bakterielle Urease den Harnstoff zu Am- moniak abbauen, was zu einem Anstieg des pH-Wertes führt (Macpherson & Dawes 1991b). So sind die Konzentrationen von Kalzium- und Phosphationen proportional zur Speichelfliess- rate.

Die Rolle des pH-Wertes bei der Zahnsteinbildung

Der Sättigungsgrad des Speichels steigt proportional zum pH- Wert. Eine Übersättigung an Kalzium- und Phosphationen ermöglicht die Bildung von Kalziumphosphatkristallen wie Hydroxylapatit, Oktakalziumphosphat oder Brushit. Die Rolle des pH-Wertes für die Zahnsteinbildung wird folgend am Bei- spiel von Hydroxylapatit gezeigt. Die Reaktionsgleichung zeigt, wie der Sättigungsgrad von Kalziumphosphat durch den pH- Wert beeinflusst wird:

Ca10 (PO4)6 + (OH)2ab 10Ca2+ + 6PO43- + 2OH-

Wenn sich die Kalziumphosphatkristalle im Gleichgewicht be- finden, ist die Ausfällungsrate gleich der Auflösungsrate.

Sinkt der pH-Wert (Die Konzentration von Wasserstoffionen steigt!), haben die Hydroxid- und Phosphationen die Tendenz durch Wasserstoffionen ersetzt zu werden. Es bilden sich Was-

+ +

+

+ +

+

––

––

+ +

+ +

+

+ + +

Speichelfliessrate

Zuckerkonzentration Zahnstein Speichelfliessrate

Zuckerkonzentration

Abb. 1 Der Zusammenhang der intraoralen Verteilung des supragingivalen Zahnsteins, der nicht stimulierten Speichelfliessrate und der Konzentration von Zucker: (+) hoch, (­) niedrig, (­­) sehr niedrig. Supragingivaler Zahnstein findet sich am häufigsten lingual an Unterkieferfrontzähnen: hohe Spei chel­

fliess rate und niedrige Zuckerkonzentration (Dawes 2006).

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 130 6P 2020

ser und eine saurere Form des Phosphates. Hierdurch ist das Gleichgewicht gestört, und die Gleichung wird zur linken Seite verschoben. Dies resultiert in der Auflösung von Hydroxylapa­

titkristallen bei sinkendem Sättigungsgrad zur Bildung von Hy­

droxylapatit (Abb. 2).

Wenn hingegen der pH­Wert steigt, verschiebt sich die Glei­

chung zur rechten Seite, resultierend in einen erhöhten Sätti­

gungsgrad zur Bildung von Hydroxylapatit und zur Ausfällung von Hydroxylapatitkristallen (Jin & Yip 2002).

Beziehung zwischen Zahnstein und Pathologien

Zahnstein und Karies

Die Bildung von Zahnstein und von Karies sind zwei entgegen­

gesetzte Prozesse. Während die Zahnsteinbildung einen Prozess der Mineralisation darstellt, entspricht die Karies einer Demi­

neralisation von Zahnhartsubstanz.

Duck worth und Huntington untersuchten in ihrer Über­

sichtsarbeit die Beziehung zwischen Zahnstein und Karies (Duck worth & Huntington 2006). Obwohl in früheren Über­

sichtarbeiten keine inverse Beziehung zwischen Zahnstein­

und Kariesbefall gezeigt wurde (Schroeder 1969), konnten sie die inverse Beziehung beweisen, obwohl die Schwierigkeit da­

rin lag, dass sowohl die Prävalenz von Karies und Zahnstein im Alter (Hugoson et al. 1986; Schroeder 1969) und bei ungenü­

gender Mund hygiene zunehmen (Howat et al. 1979; Ripa 1974).

Duck worth und Huntington unterteilten die eingeschlossenen Studien in Gruppen entsprechenden Alters (Duck worth & Hun- tington 2006). Dabei zeigten sie, dass die Kariesprävalenz bei Patienten mit Zahnsteinbefall signifikant niedriger ist als bei Patienten, die wenig Zahnstein bildeten. Bei Kindern zwischen 11 und 13 Jahren war der Kariesbefall 30% niedriger, und in der Gruppe der Erwachsenen nahm die Prävalenz von Karies und Zahnstein mit dem Alter zu; jedoch war die Beziehung zwi­

schen Karies­ und Zahnsteinbefall in den jeweiligen Alters­

gruppen invers. Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass viel Zahnstein mit weniger kariösen Läsionen assoziiert ist und umgekehrt.

Tabelle I zeigt die Faktoren in Speichel und Plaque, die Ein­

fluss auf Karies­ und Zahnsteinbildung nehmen. Während Kal­

zium, Phosphat oder ein pH­Wert im alkalischen Bereich die Zahnsteinbildung fördern, hemmen sie die Bildung von kariö­

sen Läsionen.

Aus Abbildung 2 ist ersichtlich, dass der Schwellenwert des pH­Wertes bei ungefähr 5,5 liegt. Oberhalb davon (alkalischen Bereich) kommt es zur Übersättigung und Ausfällung von Hy­

droxylapatit, Zahnsteinbildung und Remineralisation von ini­

tialen kariösen Läsionen. Unterhalb des Wertes, also im sauren Bereich, zeigen sich Untersättigung und die Auflösung von Hydroxylapatit sowie Vorläuferphasen des Zahnsteins und kariöse Läsionen.

Zahnstein und Parodontitis

Obwohl ein enger Zusammenhang zwischen Zahnstein und Parodontitis beobachtet wurde, war die Rolle des Zahnsteins bei deren Entstehung lange Zeit unklar (Lovdal et al. 1958). Man

9- 8- 7- 6- 5- 4- Plaque pH

Löslichkeit von Hydroxylapatit

Mineralisation oder Demineralisation

Kritischer

pH-Wert

Sättigung

Untersättigung Karies und Auflösung von jungem Zahnstein Übersättigung Zahnsteinablagerung und Remineralisierung

der White Spots

Abb. 2 Einfluss des pH-Wertes von Plaque auf die Bildung und Auflösung von Hydroxylapatit (Dawes 2006). Bei einem kritischen pH-Wert von etwas über 5 stellt sich ein Gleichgewicht ein zwischen Demineralisation von Zahn- stein oder Kariesbildung einerseits und Zahnsteinablagerung und Reminerali- sation von White Spots andererseits.

Tab. I Einflussnehmende Faktoren aus Speichel und Plaque zur Bildung von Zahnstein und Entstehung von Karies ( Duckworth & Huntington 2006)

Faktor Zahnstein Karies

Speichel

Kalzium + -

Anorganisches Phosphat + -

pH + -

Pyrophosphat -

Statherin - -

Prolin-reiche Proteine - -

Cystein-enthaltende Proteine - -

Histidin-enthaltende Proteine - -

Mucine - -

Immunoglobulin A ? -

Lipide ? ?

Saure Phosphatase ? +

Lysozyme - -

Peroxidase - -

Harnsäure + -

Sialin + -

Plaque

Baseproduzierende Bakterien + -

Säureproduzierende Bakterien - +

Kalzifizierende Bakterien + ?

Alkaline Phosphatase + +

Protease + +

+: hoher Gehalt fördert Zahnsteinbildung -: niedriger Gehalt hemmt Zahnsteinbildung

?: unbekannte Einwirkung

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 130 6P 2020 vermutete, dass der Zahnstein durch seine raue Oberfläche die

Epithelzellen irritieren würde und eine Entzündungsreaktion auslösen könnte. Waerhaug untersuchte den Effekt der rauen Oberfläche auf das gingivale Gewebe (Waerhaug 1956). Er konn­

te feststellen, dass die Rauigkeit die Epithelzellen nicht irritiert und keine Entzündungsreaktion auslöst. Allen und Kerr setzten sterilisierten Zahnstein operativ in das Bindegewebe ein, und es konnten keine Entzündungsreaktionen oder Abszessbildungen beobachtet werden (Allen & Kerr 1965).

Diese Studien zeigen, dass der Zahnstein keine primäre Ur­

sache für Parodontitis ist. Der irritierende Effekt des subgingi­

valen Zahnsteins ist eher auf die Bakterien und deren Toxine zurückzuführen, denn diese werden als primäre Ursache der Parodontitis angesehen.

Die Oberflächenrauigkeit des Zahnsteins erleichtert aber die Retention der Bakterien und erschwert die Mundhygiene. Da­

her ist eine Entfernung im Sinne eines Scalings und Wurzelglät­

tens unumgänglich.

Chemische Substanzen zur Hemmung der Zahnsteinbildung

In vielen Zahnpasten, aber auch in Mundspüllösungen, werden chemische Substanzen zur Hemmung der Zahnsteinbildung beigesetzt (van Loveren & Duck worth 2013).

Theoretisch kann Zahnsteinbildung folgendermassen ge­

hemmt werden (Davies et al. 1997):

1.) Reduktion der Plaque und somit des notwendigen Substra­

tes für die Zahnsteinbildung durch antimikrobielle Substan­

zen

2.) Modifizierung der Plaqueanhaftung an der Zahnoberfläche durch antiadhäsive Substanzen

3.) Hemmung des Kristallwachstums durch entsprechende Substanzen

Es gab in der Vergangenheit viele Ansätze zur Zahnsteinprä­

vention. Da man glaubte, dass die Haftung des Zahnsteins an

der Zahnoberfläche durch Speichelmuzine gewährleistet wur­

de, setzte man Enzyme wie Muzinase ein. Die Idee war dabei, die Muzine abzubauen und so den bereits gebildeten Zahn­

stein von der Zahnoberfläche zu lösen (Fairbrother & Heasman 2000).

Auch Chelate wurden eingesetzt, da diese kristalline Kal­

ziumphosphatsalze auflösen und mit dem Kalzium stabile Komplexe bilden. Dadurch löst sich der vorhandene Zahnstein zwar auf, aber auch der Zahnschmelz wird geschädigt (Fairbro- ther & Heasman 2000; Jin & Yip 2002; van Loveren & Duck worth 2013).

Antimikrobielle Substanzen wurden mit dem Ziel verwendet, die Menge an Plaque zu reduzieren. Experimente mit Penicillin waren nicht erfolgreich (van Loveren & Duck worth 2013). Chlor­

hexidin hemmte die Mengen an Plaque signifikant, aber bei Langzeitanwendung zeigte sich Zahnsteinbildung (Loe et al.

1976). Triclosan setzte sich bis heute aufgrund seiner guten Wir­

kung als antimikrobielle Substanz durch.

Seit den 1970er­Jahren ist der Ansatz vor allem die Hem­

mung des Kristallwachstums und die Prävention von Entste­

hung mineralisierter Plaque. Kristallwachstumshemmer wie Pyrophosphat allein oder in Kombination mit Polyvinylme­

thyl ether/Maleinsäure­Copolymer (PVM/MS) oder Zinkionen in Form von Zinkchlorid oder Zinkzitrat werden bis heute an­

gewendet.

Alle effektiven Wirkstoffe haben die Fähigkeit, die Kalzium­

phosphatkeimung und/oder das Kristallwachstum zu hemmen und somit die Transformation in stabilere Kalziumphosphat­

kristalle zu verhindern (van Loveren & Duck worth 2013).

Triclosan

Wirkmechanismus

Triclosan ist eine nicht ionische, antibakterielle Substanz, die Zahnpasten beigefügt wird. Es soll bakterielle Plaque reduzieren und somit das nötige Substrat für die Zahnsteinbildung senken.

Es hat eine Breitspektrumwirkung gegen Gram­positive und Gram­negative Bakterien, gegen Pilze und Hefen, bindet an die bakterielle Membran und kann diese zerstören, was den bakte­

riziden Effekt erklärt. In kleineren Konzentrationen wirkt es bakteriostatisch, indem es die bakterielle Aufnahme von essen­

ziellen Aminosäuren verhindert (Regos & Hitz 1974). Ferner hemmt es den Cyclooxygenase­ und Lipooxygenase­Pathway und ist dementsprechend auch entzündungshemmend (Gaffar et al. 1995).

Aufgrund der Tatsache, dass Triclosan eine nicht ionische Substanz ist, ist dessen Substantivität in der Mundhöhle sehr gering. Es braucht zusätzliche Substanzen, um diese zu erhö­

hen.

Das Copolymer von Polyvinylmethylether und Maleinsäure (PVM/MS) wird am häufigsten mit Triclosan kombiniert und zeigt die beste Wirkung im Vergleich zur Kombination mit Pyrophosphat oder Zinkzitrat (Abb. 3). PVM/MA­Copolymer fördert die Retention von Triclosan durch Anhaftung an Zahn­

schmelz und Epithelzellen der Mundschleimhaut. Der Mecha­

nismus der Substantivitätserhöhung durch PVM/MS­Copoly­

mer wurde in einer Übersichtsarbeit von Gaffar und Mitarbeiter beschrieben (Gaffar et al. 1997). Das Copolymer hat zwei funk­

tionelle Gruppen (eine für die Haftung und die andere für die Löslichkeit). Der Teil, der für die Löslichkeit zuständig ist, be­

steht aus Methoxyether und bindet Triclosan in Mizellen. Der andere Teil besteht aus einer Säuregruppe (COOH) und reagiert mit der Oberfläche des Schmelzes und der Mundschleimhaut.

70- 60- 50- 40- 30- 20- 10-

0-0 2 6 12

Zeit (Stunden)

Substantivität (%)

Placebo 0,3% Triclosan/

5,2% Pyrophosphat 0,3% Triclosan/

1% Zinkzitrat 0,3% Triclosan/

2% Copolymer

Abb. 3 Der Einfluss von Triclosan/Pyrophosphat, Triclosan/Zinkzitrat und Triclosan/Copolymer auf die Substantivität von Triclosan und dessen Plaque-reduzierende Eigenschaft (y-Achse) pro Zeit in Stunden (x-Achse) (Gaffar et al. 1997). Im Vergleich zu Placebo wurde bei allen Triclosan- haltigen Produkten die Plaque reduziert. Die Kombination von Triclosan und Copolymer zeigte jedoch die beste Substantivität und auch die stärkste Wachstumshemmung des dentalen Biofilms.

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Triclosan wird daraufhin langsam freigesetzt und übt damit sei­

ne antimikrobielle Wirkung aus (Abb. 4).

Aus der Tabelle II ist ersichtlich, dass die Konzentration von Triclosan in der Plaque nach Reinigung mit einer Triclosan/Co­

polymerhaltiger Zahnpasta auch noch nach 14 Stunden über der minimalen inhibitorischen Konzentration (MIC) für orale Bak­

terien liegt (MIC zwischen 0,3–4 µg) (Gaffar et al. 1997). Es ist aber zu bemerken, dass die MIC normalerweise an Bakterien in planktonischer Form bestimmt wird. Die Gegebenheiten im bakteriellen Biofilm sind dagegen sehr unterschiedlich. Norma­

lerweise braucht es eine deutlich höhere Konzentration eines Wirkstoffs als die MIC, um eine Wirkung im dentalen Biofilm zu erreichen.

Zusätzlich wird die Bildung von Zahnstein durch das Copoly­

mer selbst gehemmt, denn es hat kristallwachstumshemmende Eigenschaften und wirkt als ein Chelat. Die chelate Wirkung schädigt dabei jedoch den Zahnschmelz in einem pH­Bereich von 5,5 bis 7,5 nicht (Gaffar et al. 1990). PVM/MS kann auch die für die Aktivität der alkalinen Phosphatase notwendigen Magnesiumionen binden. Dadurch verliert das Enzym seine Aktivität, und Pyrophosphat aus dem Speichel wird nicht abge­

baut. Somit bleibt die hemmende Wirkung auf die Zahnstein­

bildung von Pyrophosphat erhalten (Mandel 1992).

Evidenz

Es liegen klinische Studien vor, welche die Effektivität von Zahnpasten mit 0,3% Triclosan und 2% PVM/MS­Copolymer mit herkömmlicher Fluoridzahnpasta vergleichen. Es konnte eine Reduktion des Zahnsteins von 26,34% (Lobene et al. 1990), 23,12% bis 26,15% (Schiff et al. 1990a) oder 36,27% (Lobene et al. 1991) im Vergleich zur Kontrollzahnpasta festgestellt wer­

den. Schiff und Mitarbeiter bestätigten diesen hohen Erfolg der Zahnsteinreduktion mit einem Prozentsatz von 34,8% (Schiff et al. 2008).

Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Zahnpasta mit 0,3% Triclosan und PVM/MS­Copolymer in einer Konzentra­

tion von 2% die Zahnsteinbildung im Vergleich zu einer her­

kömmlichen Fluoridzahnpasta um 23,12% bis 36% reduziert.

Zinkionen

Wirkmechanismus

Zinkionen werden als Hemmer des Kristallwachstums den Zahnpasten in Form von Zinkchlorid oder Zinkzitrat beige­

setzt. Zinkionen können die Zahnsteinbildung auf zwei ver­

schiedene Arten hemmen. Als antimikrobiell wirkende Ionen können sie die Menge der Plaque und damit die nötige Basis zur Bildung von Zahnstein reduzieren (Saxton et al. 1986). Auf der anderen Seite können sie an die Oberfläche der wachsenden Kristalle reversibel binden und somit die Anhaftung von Kal­

ziumionen verhindern. Hierdurch wird das Wachstum der Kristalle gehemmt (Gilbert & Ingram 1988). Dies bedeutet, dass die Kal zi umionen mit den Zinkionen um ihre Bindungsstellen an der Oberfläche der wachsenden Kristalle konkurrieren (Brudevold et al. 1963). Somit ist die inhibitorische Wirkung der Zinkionen abhängig von der Kalziumkonzentration der Umgebung.

Im Gegensatz zu anderen Kristallwachstumshemmern sind die Zinkionen positiv geladen. Dies erhöht deren Substantivität in der Mundhöhle aufgrund der dortigen negativ geladenen Oberflächen. Relevante Mengen von Zinkionen wurden 4 Stun­

den nach der Zahnreinigung mit einer zinkhaltiger Zahnpasta in der Plaque gefunden (Gilbert & Ingram 1988). So müssten die Zähne jedoch alle 4 Stunden gereinigt werden, um eine relevante Zinkkonzentration in der Mundhöhle zu gewähr­

leisten.

Evidenz

Klinische Studien zur Effektivität zinkhaltiger Zahnpasten kann man in drei Gruppen unterteilen. Alle Studien verglichen eine zinkhaltige Zahnpasta mit einer Placebo­Zahnpasta. Dabei wurde die Zahnsteinreduktion der Testzahnpasta mit einer herkömmlichen Fluoridzahnpasta verglichen.

Es wurden Zahnpasten untersucht, die Zinkionen in Form von Zinkchlorid oder Zinkzitrat enthalten. Eine Gruppe klini­

scher Studien untersuchte Zahnpasten mit 0,5% Zinkzitrat, die zweiten Zahnpasten mit 2% Zinkzitrat und die letzte Gruppe klinischer Studien Zahnpasten mit 2% Zinkchlorid. Für Zahn­

CI OHO

CI CI

Ca2+ Ca2+

Ca2+

Ca2+ Ca2+

COOH COOH COOH

COOH

COOH

COOH

COOH

COOH

COOH COOH COOH

COOH COOH

COOH COOH COOH COOH COOH

COOH COOH

COOH

COOH

COOH

COOH

COOH

COOH

COOH COOH COOH COOH COOH COOH COOH

COOH COOH

COOH

CH3O CH3O

CH3O

CH3O

CH3O

CH3O

CH3O

CH3O CH3O CH3O CH3O CH3O CH3O CH3O

CH3O CH3O

CH3O CH3O

Triclosan

Mizelle Copolymer Säuregruppe

Methoxy

Schmelz Abb. 4 Schematische Darstellung des Mechanismus der Retention von Triclosan auf orale Oberflächen (Zahnschmelz) mittels Copolymer. Das anti- bakterielle Triclosan (fettlöslich) wird mit Copolymer an Zahnoberflächen (Schmelz) festgehalten. Methoxy-Gruppen des Copolymers lagern sich den Triclosan-Molekülen an, während sich Säuregruppen des Copolymers an Kal- ziumionen von Zahnoberflächen (Schmelz) anlagern können (modifiziert nach Gaffar et al. 1997).

Tab. II Konzentrationen von Triclosan in Plaque 2 Stunden und 14 Stunden nach erfolgter Zahnreinigung (Gaffar et al. 1997) 0,3% Triclosan/Copolymer

n = 12

0,3% Triclosan/Pyrophosphat n = 12

0,3% Triclosan/1% Zink n = 12

2 Stunden 38,83 ± 18,28 20,90 ± 14,14 30,60 ± 13,6

14 Stunden 4,14 ± 1,72 2,74 ± 2,11 3,95 ± 1,79

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 130 6P 2020 pasten, die Zinkzitrat in einer Konzentration von 0,5% enthal-

ten, konnten Stephen und Mitarbeiter eine Zahnsteinreduktion von 30% und Segreto und Mitarbeiter eine Reduktion von 14%

im Vergleich zur Placebo-Zahnpasta feststellen (Segreto et al.

1991; Stephen et al. 1987). Dagegen zeigten Scruggs und Mitar- beiter keine signifikanten Unterschiede (Scruggs et al. 1991).

Diese Ergebnisse können darauf hinweisen, dass Zinkzitrat eventuell in höheren Konzentrationen beigefügt werden sollte.

Kazmierczak und Mitarbeiter untersuchten eine zinkhaltige Zahnpasta mit Zinkzitrat in einer Konzentration von 2% und stellten eine Zahnsteinreduktion von 32% im Vergleich zur Kontrolle fest (Kazmierczak et al. 1990).

Auch Zahnpasten mit einer Konzentration von 2% Zinkchlo- rid wurden in klinischen Studien untersucht. Kohut und Mitar- beiter zeigten eine Zahnsteinreduktion von 38%, Lobene und sein Team und Rustogi und Mitarbeiter von über 50% (Kohut et al. 1989; Lobene et al. 1987; Rustogi et al. 1988).

Zusammenfassend ist anzumerken, dass zinkhaltige Zahn- pasten die beste Wirkung in Form von Zinkchlorid mit einer Konzentration von 2% haben. Auch Zinkzitrat zeigt gute zahn- steinhemmende Eigenschaften, sollte aber in höheren Konzent- rationen (> 0,5%) verwendet werden (Kazmierczak et al. 1990).

Pyrophosphat

Wirkmechanismus

Pyrophosphat in Zahnpasten dient der Hemmung des Kristall- wachstums. Da Pyrophosphat auch natürlich im Speichel vor- handen ist und die Bildung von Zahnstein hemmt, wird es in verschiedenen Konzentrationen, allein oder in Kombination mit PVM/MS-Copolymer zugesetzt.

Im Gegensatz zu Makromolekülen wie Prolin-Rich-Protei- nen ist das Pyrophosphat ein kleines anionisches Molekül be- stehend aus zwei Phosphationen. Es besitzt die Eigenschaft, alle Absorptionsstellen auf der Oberfläche der wachsenden Kristalle zu besetzen. Hierdurch wird ein Wachstum verhin- dert, da notwendige Phosphationen nicht mehr binden können (Moreno et al. 1989). Um jedoch seine hemmenden Eigenschaf- ten zu entfalten, muss die Konzentration von Pyrophosphat über einem bestimmten Schwellenwert liegen. Unterhalb des Wertes kommt es sogar zu Kristallwachstum unter dem Einfluss von Natriumfluorid, das ebenfalls Bestandteil einer Antizahn- steinpaste ist. Neue Kristalle überlagern die Inhibitoren durch ihre Grösse, und es entsteht eine Oberfläche ohne Pyrophos- phat mit ungehindertem Kristallwachstum (Moreno et al.

1989).

Pyrophosphat verhindert auch die Transformation von Bru- shit zu Hydroxylapatit (White et al. 1989). Zusätzlich wurde be- richtet, dass es die Bildung der Pellikel beeinträchtigen kann (Rykke & Rolla 1990). Neben den positiven Eigenschaften ist Pyrophosphat in der Mundhöhle instabil. Es wird durch Hy- drolyse abgebaut, wodurch anorganisches Phosphat als Subst- rat für die Bildung von Zahnstein entsteht (Poirier & Holt 1983).

Die Instabilität wird ausserdem durch eine höhere Temperatur, einen niedrigeren pH-Wert und durch Enzyme verstärkt (Fran­

cis 1969).

In-vitro-Studien haben gezeigt, dass eine höhere Konzentra- tion von Pyrophosphaten die Substantivität erhöht und deren klinische Eigenschaft verbessert (Davies et al. 1997). Zur Ver- meidung der Hydrolyse wird PVM/MS-Copolymer beigesetzt.

Dieses kann die für die Aktivität der alkalinen Phosphatase not- wendigen Magnesiumionen binden. Damit wird die Wirkung dieses Enzyms gehemmt und die Wirkdauer des Pyrophosphats

verlängert (Gaffar et al. 1987). Daneben hat das PVM/MS-Co- polymer auch selbst die Eigenschaft, die Zahnsteinbildung zu hemmen.

Evidenz

Es gibt zahlreiche klinische Studien zur Effektivität pyrophos- phathaltiger Zahnpasten zur Hemmung der Zahnsteinbildung.

Pyrophosphate werden allein oder in Kombination mit PVM/

MS-Copolymer den Zahnpasten beigesetzt und wurden in ver- schiedenen Konzentrationen untersucht. Dies erschwert indes den Vergleich der einzelnen Studien.

Für Zahnpasten mit Pyrophosphat ohne Copolymer und in niedrigerer Konzentration (< 1,3%) zeigte Rugg-Gunn eine Zahnsteinreduktion von 45% im Vergleich zu einer herkömmli- chen Fluoridzahnpasta (Rugg­Gunn 1988).Schiff sowie Singh und ihre Teams konnten allerdings keine statistisch signifikante Reduktion von Zahnstein feststellen (Schiff et al. 1990b; Singh et al. 1990). Für eine Zahnpasta mit 3,3% Pyrophosphat konn- ten Zacherl und sein Team eine Zahnsteinreduktion von 32,4%, Lobene eine von 38,1% feststellen (Lobene 1989; Zacherl et al.

1985). Nur eine Studie untersuchte die Effektivität einer Zahn- pasta mit 5% Pyrophosphat, und es konnte eine Zahnsteinre- duktion von 44% im Vergleich zur Kontrollzahnpasta beobach- tet werden ( Petrone et al. 1991). Lu und Mitarbeiter verglichen eine 3,3%ige mit einer 5%igen Pyrophosphat-Zahnpasta und wiesen eine Reduktion des Zahnsteins von 14,5% der 5%igen im Vergleich zur 3,3%igen Pyrophosphat-Zahnpasta nach (Lu et al. 1988). Zusammenfassend kann man anmerken, dass die Pyrophosphatkonzentration in der Zahnpasta positiv mit einer Hemmung der Zahnsteinbildung korreliert.

Für Zahnpasten mit Pyrophosphat in einer Konzentration von 1,3% und Copolymer in einer von 1,5% wurde eine Reduktion der Zahnsteinbildung von über 35% beobachtet (Petrone et al.

1991; Schiff et al. 1990a; Singh et al. 1990). Cohen und Mitarbei- ter und Banoczy und Team stellten eine Zahnsteinreduktion von sogar 55% im Vergleich zur Kontrollzahnpasta fest (Banoczy et al. 1995; Cohen et al. 1994).

Für Pasten mit 3,3% Pyrophosphat und 1% Copolymer, konnten Lobene (1986) eine Zahnsteinreduktion von 44%, Juliano und Mitarbeiter von 39,7%, Lobene (1987) von 47%

und 50% fest, und Rosling & Londhe eine von 42% beobachten ( Juliano et al. 1986; Lobene 1986, 1987a, 1987b; Rosling & Londhe 1987).

Es kann also zusammengefasst werden, dass eine Zahnpasta mit 3,3% Pyrophosphat und 1% Copolymer eine Reduktion der Zahnsteinbildung von zwischen 39,7% und 50% bewirkt. Da- gegen bewirkt eine Zahnpasta mit 1,3% Pyrophosphat und 1,5%

Copolymer eine Reduktion von bis zu 55%. Daraus lässt sich wiederum schliessen, dass für die Wirkung von pyrophosphat- haltigen Zahnpasten die Konzentration von Copolymeren ent- scheidender ist.

Die beste Evidenz zur Reduktion der Zahnsteinbildung zeigt eine Zahnpasta mit 1,3% Pyrophosphat und 1,5% Copolymer mit einer Zahnsteinreduktion bis zu 55% verglichen mit einer herkömmlichen Fluoridzahnpasta.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Zahnstein hat einen sekundären Einfluss auf die Pathogenese der Parodontitis. Durch eine erfolgreiche häusliche Prävention der Zahnsteinbildung könnten die Intervalle für professionelle Zahnreinigungen verlängert und somit auch parodontalen Er- krankungen vorgebeugt werden.

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SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 130 6P 2020

Heute wird Triclosan als antimikrobielle Substanz in Kombi- nation mit Polyvinylmethylether/Maleinsäure-Copolymer (PVM/MS) in Zahnpasten verwendet, um die Menge der Plaque zu reduzieren und somit das Substrat für die Zahnsteinbildung zu entziehen. Ausserdem werden Kristallwachstumshemmer wie Zinkionen in Form von Zinkchlorid und Zinkzitrat oder Pyrophosphate allein oder in Kombination mit PVM/MS-Copo- lymer Zahnpasten beigefügt, um die Mineralisation des dentalen Biofilms zu verhindern. Diese chemischen Substanzen zeigen in klinischen Studien eine zahnsteinreduzierende Wirkung. Es muss aber beachtet werden, dass neben der häuslichen Mund- hygiene der Zahnsteinbefall auch von anderen Faktoren wie zahnmedizinische Grundversorgung, Ernährungsgewohnhei- ten, Alter, ethnische Herkunft, Zeitintervall seit letzter profes- sioneller Zahnreinigung, systemische Krankheiten oder Medi- kamenten abhängt.

Chemische Zusätze in Zahnpasten haben jedoch fast aus- schliesslich eine hemmende Wirkung auf den supragingivalen Zahnstein. Dies stellt die Prävention parodontaler Erkrankun- gen mit subgingivalem Zahnstein infrage. Dieser wird durch chemische Substanzen nicht erreichet, da ein koronaler Strom der Sulkusflüssigkeit die Substantivität negativ beeinflusst.

Danksagung

Bernadette Rawyler, Ressort für Multimedia der Zahnmedizini- schen Kliniken der Universität Bern, wird für die Herstellung der Abbildungen herzlich gedankt.

Abstract

Cvjetinovic A, Ramseier C A, Salvi G E, Laugisch O:Chemical addi- tives in toothpastes to inhibit calculus formation (in German).

SWISS DENTAL JOURNAL SSO 130: 503–513 (2020)

Dental calculus has a secondary effect on the pathogenesis of periodontal diseases by harboring bacterial biofilm on its rough surfaces. Consequently, professional removal of both calculus and biofilm is a crucial part of the therapy and prevention of gingivitis and periodontitis.

Today, crystal growth inhibitors such as zinc ions in the form of zinc chloride or zinc citrate, and pyrophosphates alone or in combination with copolymer are added to toothpastes to prevent the mineralization of the dental biofilm. In addition, triclosan is used as an antimicrobial agent in combination with copolymer as an additive in toothpastes to reduce the amount of plaque and thus the substrate for calculus formation. In clinical trials, chem- ical additives have demonstrated an inhibiting impact on calcu- lus formation. However, it must be clarified that in addition to home-based oral hygiene, the formation of dental calculus de- pends on other factors such as access to professional dental care, diet, age, ethnicity, time since last professional tooth cleaning, systemic diseases or medications.

However, since chemical additives in toothpastes do not reach the deeper sites of periodontal pockets, they are recommended for the inhibition of supragingival calculus formation, thus as- sisting the primary prevention of gingivitis as well as the sec- ondary prevention of periodontal disease.

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