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Einfluss der Androgendefizienz auf die kardiale Elektrophysiologie der Maus

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Academic year: 2022

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Klinik für Kardiologie und Angiologie Der Medizinischen Hochschule Hannover

Einfluss der Androgendefizienz auf die kardiale Elektrophysiologie der Maus

Dissertation

Zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

Vorgelegt von Thorben König

aus Hamburg

Hannover 2009

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am 18.01.2010

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann Betreuer: Prof. Dr. Karl Thomas Korte Referent: Prof. Dr. Armin Wessel Korreferent: Prof. Dr. Johannes Hensen

Tag der mündlichen Prüfung: 18.01.2010

Promotionsausschussmitglieder:

Prof. Dr. Alexander Kapp

PD Dr. Lorenz Grigull

Prof. Dr. Stefan Kubicka

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1. Einleitung... 5

2. Material und Methoden... 9

2.1 Tiere ... 9

2.2 Kastration ... 9

2.3 Elektrophysiologische Untersuchung... 10

2.3.1 Aufbau des EPU-Messplatzes ... 10

2.3.2 Der Katheter ... 13

2.3.3 Vorbereitung der EPU... 14

2.3.4 Platzierung des Katheters... 15

2.3.5 Stimulationsprotokoll... 17

2.4 EKG-Telemetrie... 27

2.4.1 Implantation des Transmitters ... 28

2.4.2 EKG-Aufzeichnung ... 29

2.4.3 Analyse der Herzfrequenz ... 30

2.4.4 Analyse der Herzfrequenzvariabilität ... 30

2.5 Blutabnahme und Testosteronspiegelbestimmung... 34

2.6 Statistische Analyse... 34

3. Ergebnisse... 36

3.1 Überleben in den Versuchsgruppen ... 36

3.2 Einfluss der Kastration auf die Testosteronspiegel... 36

3.3 Elektrophysiologische Untersuchung... 37

3.3.1 Herzfrequenz und Durchführbarkeit der Untersuchung ... 37

3.3.2 Kardiale Reizbildungs- und Reizleitungseigenschaften ... 37

3.3.3 Induzierbarkeit von Arrhythmien ... 39

3.4 Analyse des Oberflächen-EKG... 39

3.5 Herzfrequenzanalyse über 90 Minuten ... 40

(4)

3.6 Herzfrequenzvariabilitätsanalyse über 30 Sekunden... 40

4. Diskussion ... 42

4.1 Einfluss von Androgenen auf autonome Regulation, intrakardiale Reizbildung und Erregungsleitung ... 43

4.2 Einfluss von Androgenen auf die Repolarisation ... 45

4.3 Androgene und die Induzierbarkeit von Arrhythmien... 48

4.4 Vergleichbarkeit mit anderen in-vivo-Studien ... 48

4.5 Limitationen der Studie ... 50

4.6 Signifikanz der vorliegenden Studie und Ausblick ... 51

5. Zusammenfassung ... 52

6. Abkürzungsverzeichnis... 53

7. Literaturverzeichnis ... 55

8. Tabellenverzeichnis... 60

9. Abbildungsverzeichnis... 61

10. Lebenslauf ... 62

11. Erklärung ... 64

12. Danksagung ... 65

(5)

1. Einleitung

Die Erstbeschreibung von geschlechtsspezifischen Unterschieden der kardialen Elektrophysiologie des Menschen erfolgte bereits 1920 durch Bazett.1, 2 Er erkannte, dass die frequenzkorrigierte QT-Zeit (QTc) bei Frauen im Schnitt 6 % oder 24 ms länger als bei Männern ist. Nachfolgende Studien bestätigten diese Aussage3, 4 und zeigten, dass die Unterschiede der QT-Zeiten bei niedrigen Herzfrequenzen am größten sind.5, 6 Weiterhin konnten geschlechtsspezifische Merkmale der T- Wellenmorphologie als Ausdruck der unterschiedlichen Repolarisation festgestellt werden.3, 7 Die Unterschiede in der QTc-Zeit bestehen nicht von Geburt an8, sondern entwickeln sich erst mit der Pubertät und nehmen mit zunehmenden Lebensalter wieder ab4.

Ergänzend hierzu wurde bei Athleten, welche Abusus von anabolen androgenen Steroiden betreiben, ein verkürztes QTc-Intervall gemessen9, während bei kastrierten Männern eine verlängerte Repolarisation gefunden wurde10. Diese Beobachtungen werden als eine androgenabhängige Verkürzung des QTc-Intervalles gewertet.4, 11 Auch die weiblichen Geschlechtshormone waren Gegenstand von Studien. In einer Studie konnte bei postmenopausalen Frauen kein Einfluss einer Hormonersatztherapie auf die QTc-Zeit festgestellt werden.12 Rosano et al. dagegen wiesen einen akuten elektrophysiologischen Effekt mit Verlängerung der AH-Zeit und der atrialen Refraktärität nach Gabe von 17-β-Östradiol in postmenopausalen Frauen nach.13 Eine andere Arbeitsgruppe zeigte an Frauen vor dem 40. Lebensjahr, welche orale Kontrazeptiva einnehmen, eine höhere Inzidenz ventrikulärer Ektopien als bei unbehandelten Vergleichspersonen.14

Die Inzidenz potentiell lebensbedrohlicher Arrhythmien bei den Long-QT-Syndromen zeigt eine Geschlechtsabhängigkeit. Erworbene Long-QT-Syndrome werden durch

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pharmakologische Beeinflussung kardialer Ionenkanäle ausgelöst, wobei dem hERG („Human ether-a-go-go related gene“) Kanal eine besonders große Bedeutung zukommt, weil er durch eine Vielzahl chemisch unterschiedlicher Substanzen blockiert werden kann.15-17 Als Folge kommt es zu einer verlängerten QT-Zeit, die potentiell letale Torsades de pointes-Tachykardien begünstigt.16

Es existiert eine starke Evidenz, dass Frauen einem größeren Risiko als Männer ausgesetzt sind, ein medikamenteninduziertes Long-QT-Syndrom und eine lebensbedrohliche Torsades de Pointes-Tachykardie zu entwickeln.18-23

Angeborene Long-QT-Syndrome haben ihre Ursache in Mutationen an kardialen Proteinen, insbesondere Ionenkanalproteinen. Bei ihnen bestehen ebenfalls geschlechtsspezifische Unterschiede in der Inzidenz letaler Arrhythmien.2, 24-27 Die Ursachen hierfür sind unklar, vermutet wird ein Einfluss männlicher2, 18, 24 und weiblicher2, 26 Geschlechtshormone.

In den letzten Jahren verstärken sich die Bemühungen, an Tiermodellen die grundlegenden Mechanismen der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der kardialen Elektrophysiologie ex vivo und in vitro nachzuvollziehen.

So wurden Studien unter anderem an Kaninchen28-32, Hunden33 und Mäusen34-37 durchgeführt. In diesen konnte eine solide Evidenz geschaffen werden, dass Geschlechtshormone, insbesondere Androgene, in den jeweils verwendeten Tier- und Versuchsmodellen einen modulierenden Einfluss auf die kardiale Elektrophysiologie besitzen38 11. In zahlreiche Studien wurden ex-vivo-Techniken angewandt, wie Langendorff-perfundierte Herzen28, 29 oder es wurden isolierte Zellen untersucht34-37, 39, 40. Die komplexen physiologischen Zusammenhänge im lebenden Organismus wurden in diesen Untersuchungen durch die ausschnittsweise Betrachtung eines isolierten Organs bzw. einer isolierten Zelle vereinfacht. Die

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Relevanz der so gewonnenen Erkenntnisse für den lebenden Gesamtorganismus muss jedoch in ergänzenden in-vivo-Studien überprüft werden.

Die Maus hat sich aufgrund ihrer Größe, einfacher Haltung und des vollständig aufgeklärten Genoms, durch welches sie sich für transgene Modelle eignet, inzwischen als wichtiges Modelltier für die Erforschung der kardialen Elektrophysiologie fest etabliert.

Zusätzlich zu den in-vitro-Methoden sind seit einigen Jahren auch in-vivo- elektrophysiologische Untersuchungen an der Maus durchführbar. Die Erstbeschreibung einer epikardialen elektrophysiologischen Untersuchung an der Maus über den Zugang einer medianen Sternotomie erfolgte durch Berul et al. im Jahre 1996.41 Die Entwicklung eines speziellen oktapolaren Elektrophysiologie- Katheters durch dieselbe Arbeitsgruppe erlaubte ab 1998 die transvenös- endokardiale elektrophysiologische Untersuchung an der Maus.42 Diese minimalinvasive Technik ermöglicht nach intrakardialer Platzierung des Katheters die Erhebung elektrophysiologischer Daten unter annähernd physiologischen Bedingungen vom intakten Organismus. Auch können über das Lumen des Katheters Medikamente appliziert werden.

Nach Implantation eines Radiofrequenztransmitters ist es möglich, Langzeit-EKGs bei der wachen, sich frei bewegenden Maus aufzuzeichnen und die erhobenen Daten anschließend in Bezug auf EKG-Morphologie, Arrhythmien, Herzfrequenz und Parameter der Herzfrequenzvariabilität auszuwerten43.

Bei der Maus kann also in Analogie zum Menschen ein detaillierter in-vivo-Phänotyp der kardialen Elektrophysiologie bestimmt werden. In vorangehenden Studien unserer Arbeitsgruppe führten wir mit dieser Methode bereits eine elektrophysiologische Charakterisierung des Myokardinfarktes am Mausmodell44 erfolgreich durch. Unter Verwendung dieser Methode zeigten wir eine

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elektrophysiologische Bedeutung des β-Östrogenrezeptors nach Myokardinfarkt45 sowie des „muscle LIM proteins“46 jeweils an spezifischen Knockout-Tieren.

Die aus ex-vivo-Methoden gewonnene Evidenz einer Beeinflussung der kardialen Elektrophysiologie durch Androgene ist relativ stark11, 38, während die in-vivo-Daten noch lückenhaft und teilweise widersprüchlich34, 39 sind. Die vorliegende Studie soll weitere Evidenz bezüglich der modulierenden Wirkung männlicher Geschlechtshormone auf die kardiale in-vivo-Elektrophysiologie generieren. Zu diesem Zweck wurde der Einfluss von Androgenen auf die kardiale Elektrophysiologie an männlichen Mäusen nach Orchiektomie untersucht.

Die Hypothese der Arbeit ist, dass Androgene die kardiale Reizbildung, Erregungsleitung und Repolarisation der Maus in-vivo signifikant beeinflussen.

(9)

2. Material und Methoden

2.1 Tiere

Es wurden insgesamt 35 männliche FVB/N Wildtyp-Mäuse untersucht, welche auf die zwei folgenden Untersuchungsgruppen verteilt wurden:

1. 20 Mäuse der Kontrollgruppe wurden im Alter von ca. 14 Wochen untersucht.

2. Bei 15 Mäusen in der Versuchsgruppe wurde zunächst die Kastration durchgeführt und anschließend zwei Wochen abgewartet, damit sich die Mäuse von der Operation erholen konnten und die Androgenspiegel absinken konnte.

Die Tiere wurden von Charles River Laboratories Deutschland bezogen. Alle Mäuse wurden im Tierhaus der Medizinischen Hochschule Hannover unter identischen Bedingungen untergebracht; sie hatten nach Belieben Zugang zu Standard- Mäusefutter und Wasser.

Die Bezirksregierung Hannover genehmigte das Untersuchungsprotokoll (Aktenzeichen 33-42502-05/972), die Untersuchungen erfolgten entsprechend der European Convention for the Protection of Vertebrate Animals used for Experimental and other Scientific Purposes (1986).

2.2 Kastration

Die Anästhesie der Mäuse erfolgte durch intraperitoneale Injektion eines Gemisches aus Ketamin (Ketanest, Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe, Deutschland) in einer Dosierung von 100 µg/g Körpergewicht und Xylazin (Rompun, Bayer Healthcare AG, Leverkusen, Deutschland) in einer Dosierung von 4 µg/g Körpergewicht. Sobald nach einigen Minuten die Narkose tief genug war, wurde der Skrotalbereich der Tiere rasiert und desinfiziert. Dann erfolgte ein Querschnitt über dem Skrotum. Da Mäuse

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einen physiologischen Pendelhoden besitzen, wurde das Abdomen nun vorsichtig mit der Fingerkuppe auf das Skrotum hin ausgestrichen, um eine intraskrotale Lage des Hodens zu gewährleisten. Zunächst wurde als Leitstruktur der Nebenhoden aufgesucht, welcher weiß durch die Tunica albuginea durchscheint. Über diesem wurde die Hüllfaszie eröffnet und danach unter vorsichtigem Zug am Nebenhoden zunächst dieser, dann auch der anhängende Hoden aus dem Skrotum hervorluxiert.

Nun wurde der Samenstrang mit den darin verlaufenden Gefäßen aufgesucht und mit 6/0 Prolene Fäden (Fa. Ethicon, Norderstedt) ligiert. Der Hoden wurde distal der Ligatur vorsichtig abpräpariert und der Samenstrang wieder ins Skrotum reluxiert. Mit dem kontralateralen Hoden wurde in gleicher Weise verfahren. Der Wundverschluss erfolgte mit zwei Einzelknopfnähten, danach wurde ein Antiseptikum auf das Operationsgebiet aufgebracht.

Die Mäuse befanden sich während der gesamten Operation auf einer 37°C warmen Wärmeplatte, um ein Auskühlen zu verhindern.

2.3 Elektrophysiologische Untersuchung

2.3.1 Aufbau des EPU-Messplatzes

Kernstück der Versuchsanordnung ist ein volldigitales Elektrophysiologie- Messsystem von der Firma Schwarzer, bestehend aus der Cardis Patient Connection Box (Type 4-18 with HIS (EP)) und dem Interfacemodul UTMS Cardio. Letzteres ist in einen handelsüblichen Standard-PC (Intel Pentium 4; 2,8 GHz; 512 MB RAM) fest eingebaut und kommuniziert mit diesem über den USB-Bus. Zur Ansteuerung der Hardware verwendet der Rechner die Schwarzer Electrophysiology Software.

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Abbildung 1: Schematische Darstellung des EPU-Meßplatzes

Die vier Extremitätenableitungen der Maus wurden über ein gemeinsames Kabel mit dem Eingang „ECG“ der Patient Connection Box verbunden, während die acht Katheterableitungen über zwei Kabelpeitschen an die Buchsen „H1“ respektive „H2“

angeschlossen wurden. Die Analogdaten wurden hier digitalisiert und über ein Datenkabel an das Interfacemodul im PC weitergeleitet. Der programmierbare Stimulator Medtronic Modell 5328 (Medtronic Inc. Minneapolis, Minn., USA) wurde so modifiziert, dass er die für die murine Elektrophysiologie benötigten hohen Stimulationsfrequenzen generieren kann. Die Stimulationsimpulse wurden an den Eingang „S1“ der Patient Connection Box abgegeben. In dieser erfolgte die Weiterleitung der Impulse an die zuvor ausgewählten Elektroden des Katheters. Das Verbindungskabel zwischen Stimulator und Interfacekarte versetzte das System in

Schwarzer Cardis Patient

Connection Box Medtronic

programmierbarer Stimulator

Modell 5328 (modifiziert) PC-Computer

Pentium 4/2,8 GHz;

512 MB RAM

Schwarzer UTMS Cardio Interfacemodul (in PC eingebaut, Anschluss über USB)

1

4 5

3

2 Verbindungskabel für…

1. Oberflächen EKG Ableitungen (vierpolig) 2. Katheter-Ableitungen (achtpolig)

3. Stimulationsimpulse (zum Katheter)

4. automatische EKG-Aufzeichnung bei Stimulation 5. digitalisierte EKG-Daten

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die Lage, eine Stimulation zu erkennen und ermöglichte so eine automatische, stimulationsgetriggerte EKG-Aufzeichnung.

Die Software berechnete aus den vier Extremitätenableitungen ein Sechskanal-EKG (Ableitungen nach Vorbild von Einthoven und Goldberger) sowie sieben intrakardiale Ableitungen aus den jeweils benachbarten Elektroden des Katheters. Ebenfalls per Software wurden die Katheterelektroden ausgewählt, zu denen der Stimulator zwecks Impulsabgabe durchgeschaltet werden sollte.

Durch die Digitalisierung der EKG-Stromkurven war die Anlage zwar weniger störanfällig als ältere Analoganlagen, trotzdem mussten größere Metallteile sternförmig geerdet und Analogdatenleitungen möglichst weit entfernt von Netzspannung führenden Komponenten verlegt werden, um Störeinstrahlungen und Brummschleifen zu vermeiden. Der in der Software implementierte 50 Hz-Filter konnte nicht verwendet werden, weil er die kleinamplitudigen Anteile des Mäuse- EKGs zu stark veränderte.

Abbildung 2: normales Oberflächen-EKG einer Maus

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2.3.2 Der Katheter

Der verwendete oktapolare Katheter (CIBer Mouse EP catheter, NuMED, Inc., Hopkinton, New York, USA) wurde von Charles I. Berul zusammen mit der Firma NuMed speziell für elektrophysiologische Untersuchungen an Mäusen entwickelt. Er verfügt an seiner Spitze über acht 0,5 mm breite Elektrodenringe aus Platin, welche im Abstand von 0,5 mm angeordnet sind. Nach Platzierung im rechten Herzen erlaubte diese Konfiguration, ohne dass eine Veränderung der Katheterlage nötig ist, mittels der distalen Elektroden eine ventrikuläre Stimulation und mittels der proximalen Elektroden eine atriale Stimulation. Während der Stimulation können über die übrigen Elektroden intrakardiale EKGs abgeleitet werden. Ferner verfügt der Katheter über ein feines Lumen, welches die Verabreichung von Medikamenten während einer Studie ermöglicht.

Der Katheter wurde über die rechte Vena jugularis vorgeschoben.

Abbildung 3: Schematische Lage des Katheters im rechten Herzen 1. Sinusknoten im rechten Atrium

2. AV-Knoten mit ventrikulärem Reizleitungssystem

3. atriale Elektrodenringe 4. ventrikuläre Elektrodenringe

1 3 2

4

(14)

2.3.3 Vorbereitung der EPU

Die zu untersuchende Maus wurde aus ihrem Käfig genommen, gewogen und danach in eine Plexiglas-Kammer gesetzt. In diese wurde nun ein Gemisch von reinem Sauerstoff (Fluss 2l/min) mit einem Anteil von 2% Isofluran eingeleitet. Das Gasgemisch wurde in einem Vapor (Drägerwerk AG, Lübeck, Deutschland) erzeugt.

Nach dem Erlöschen der Reaktion auf einen dosierten Schmerzreiz („tail pinch reflex“) war die Narkose tief genug, um mit der Intubation zu beginnen. Hierzu legte man zunächst die Maus in Rückenlage unter eine starke, punktuelle Lichtquelle.

Dann fasste man die Zunge der Maus mit einer feinen, in der rechten Hand gehaltenen Pinzette. Nun wurde die Zunge vorsichtig so übergeben, dass sie zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand gehalten werden konnte. Jetzt wurde eine Halteschlaufe um die Schneidezähne des Oberkiefers gelegt und mit der freien rechten Hand der Lichtpunkt auf den Thorax der Maus eingestellt. Danach konnte durch behutsamen Zug an der Zunge der Kehlkopf eingestellt werden, wobei der Trachealeingang als heller, etwa 1 mm großer Punkt imponierte, der sich von lateral durch die Stimmlippenbewegungen rhythmisch erweiterte und verengte. War der Trachealeingang ausgemacht, nahm man Tubus und Mandrin in die freie rechte Hand und schob ihn, ohne einen Widerstand zu überwinden, in die Trachea vor. Als Tubus wurde eine Venenverweilkanüle mit 1,3 mm Außendurchmesser verwendet (18 G Braunüle, Braun, Melsungen, Deutschland), deren Stahlmandrin stumpf gefeilt wurde.

Nach Intubation wurde die Maus auf die 38°C warme Wärmeplatte am EPU- Messplatz gelegt, an das dort installierte Nagetierbeatmungsgerät (Harvard Apparatus Co., South Natick, Massachusetts, USA) angeschlossen und wieder mit Narkosegas beatmet. Der Anteil des Isofluran im Gasgemisch konnte nun auf die

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Erhaltungsdosis von 1,5 % reduziert werden. Das Atemzugvolumen war mit 250 µl und die Frequenz mit 180 Zügen pro Minute eingestellt.

Für den gesamten Vorgang der Intubation stand ein Zeitfenster von etwa 60 Sekunden zur Verfügung, weil sonst die Maus zuviel Isofluran abatmete und wieder erwachte.

Nun wurde die Maus in Rückenlage an ihren Extremitäten mit Leukosilk auf der Wärmeplatte fixiert und die Nadeln für das Oberflächen-EKG subkutan an den Extremitäten platziert.

Als nächstes erfolgte die Rasur eines Hautareals an der rechten Halsseite. Der Hautschnitt erfolgte rechts lateral der Trachea in longitudinaler Richtung. Dann wurde die annähernd parallel zum Hautschnitt verlaufende Vene auf etwa 10 mm Länge unter dem Operationsmikroskop freipräpariert.

Danach wurden mit einem 6/0 Prolene-Faden zwei Ligaturen vorgelegt, von denen die kraniale fest zugezogen und durch einen Leukosilk-Streifen fixiert wurde, während die kaudale zunächst offen blieb, um später einen Durchtritt des Katheters zu ermöglichen.

2.3.4 Platzierung des Katheters

Die gesamte Prozedur wurde unter Beobachtung der Oberflächen-EKG Ableitungen durchgeführt. Nach Entfernung seiner Schutzhülle wurde der Katheter mit physiologischer NaCl-Lösung gespült, an seiner Spitze befeuchtet und seine Spitze in der Nähe des OP-Situs abgelegt. Nachdem man einige kleine, saugfähige Zellstoffstücke als Tupfer vorbereitet hatte, fasste man die Vene mit einer in der linken Hand gehaltenen Pinzette und schnitt sie mit einer feinen Schere ein. Nun legte man mit der freien rechten Hand einen Tupfer so zurecht, dass er das

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austretende Blut sofort aufsaugte und dieses nicht die Sicht auf den Eingang der Vene behindern konnte. Jetzt wurde der Katheter gefasst, in die Vene eingeführt und gefühlvoll vorgeschoben, ohne dass ein Widerstand zu spüren war. Die proximale Ligatur konnte geschlossen werden, wenn alle Elektrodenringe des Katheters den Faden passiert hatten. In der Regel befand sich die Katheterspitze zu diesem Zeitpunkt im Bereich der oberen Thoraxapertur und musste in mehr dorso-medialer Richtung unter Beachtung des intrakardialen EKGs vorsichtig weiter vorgeschoben werden. Wurden auf den distalen intrakardialen EKG-Ableitungen nun Vorhofaktionen sichtbar, so befand man sich bereits im Vorhof. Das weitere Vorschieben von hier aus erfolgte gefühlvoll tastend eher nach links und ventral. Die korrekte Lage des Katheters war dann erreicht, wenn auf den distalen Ableitungen ein rein ventrikuläres Signal sichtbar war und auf den proximalen Ableitungen ein starkes atriales Signal registriert wurde. Häufig ließ sich auch ein HIS-Bündel-Signal ableiten. Wenn eine erfolgreiche Probestimulation in Vorhof und Kammer die korrekte Katheterlage bestätigte, konnte nach einer fünfminütigen Erholungszeit mit der elektrophysiologischen Untersuchung begonnen werden. Ansonsten musste die Katheterlage noch optimiert werden.

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Abbildung 4: Intrakardiales EKG bei korrekt platziertem Katheter sowie Oberflächenableitung II. Großamplitudige Kammersignale in den distalen,

ventrikulären Ableitungen (RV d bis RV p) und großamplitudige Vorhofsignale in den proximalen, atrialen Ableitungen (RA d und RA p), HIS-Potential markiert.

2.3.5 Stimulationsprotokoll

Zunächst wurde die Software so eingestellt, dass zwei oberflächliche sowie eine atriale und eine ventrikuläre intrakardiale Ableitung gleichzeitig dargestellt wurden.

Man begann mit der ventrikulären Stimulation. Damit eine sichere Erregung des Myokards gewährleistet war, wurde der Stimulator auf eine Amplitude von 1 mA und eine Pulsbreite von 1 ms eingestellt. Eine erfolgreiche ventrikuläre Stimulation erkannte man an dem steilen Aufstrich des Stimulationsspikes (S) und der unmittelbar nachfolgenden ventrikulären Depolatisation (V) (vgl. Abbildung 5). Diese unterschied sich aufgrund der atypischen Erregungsausbreitung bei einer Stimulation durch ihre breitere Morphologie deutlich von dem intrinsischen QRS-Komplex (Q), welchem zusätzlich noch eine P-Welle vorausgeht (P).

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Abbildung 5: Rechtsventrikuläre effektive Refraktärperiode bei einem Extrastimulus (RVERPs2=40 ms)

Es erfolgte eine programmierte rechtsventrikuläre Stimulation mit maximal drei angehängten Extrastimuli, wie sie von der elektrophysiologischen Untersuchung des Menschen bekannt ist. Man begann mit der Bestimmung der rechtsventrikulären Refraktärzeit für einen angehängten Extrastimulus. Zu diesem Zweck wurde eine ventrikuläre Grundstimulation von sieben Impulsen mit einer Basiszykluslänge von 120 ms durchgeführt (S1) und nachfolgend ein weiterer Stimulus (S2) abgegeben, welcher zunächst einen zeitlichen Abstand von 100 ms hatte. War es nicht sicher möglich, bei einer Basiszykluslänge von 120 ms den intrinsischen Sinusrhythmus der Maus zu unterdrücken, so wurde die Intervalllänge für S1 auf 100 ms verkürzt. Als nächstes verkürzte man das S2-Intervall in Schritten von zunächst 10 ms und dann 5 ms, bis auf den Stimulationsspike keine Depolarisation des Ventrikelmyokards mehr folgte (vgl. Abbildung 5). Diese Intervalllänge bezeichnet man als effektive

S1

S1 S1 S1 S1 S1 S1

S1

S1 S1 S1 S1 S1 S1

V V V V V V V

V V V V V V V

P P P P

Q Q Q Q

S2

S2

(19)

Refraktärperiode des rechten Ventrikels für einen angehängten Extrastimulus (RVERPs2).

Um nachfolgend die effektive Refraktärperiode des rechten Ventrikels für zwei angehängte Extrastimuli (RVERPs3) bestimmen zu können, wurde zunächst ein S2- Intervall 20 ms oberhalb seiner Refraktärzeit (RVERPs2) gewählt, so dass gerade noch eine sichere Kammerdepolarisation erreicht wurde. Dann wurde der zweite Extrastimulus (S3) nach einem Intervall von 100 ms abgegeben und dieses dann wie oben bereits beschrieben so lange verkürzt, bis es zu keiner ventrikulären Antwort mehr kam (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6: Rechtsventrikuläre effektive Refraktärperiode bei zwei Extrastimuli (RVERPs3=20 ms)

Indem man nun für S3 einen Wert einstellte, welcher 20 ms über der zuvor bestimmten Refraktärzeit lag und einen dritten Extrastimulus (S4) nach einem Intervall von 100 ms hinzuschaltete, wurden wiederum zunächst zuverlässige

S1

S1 S1 S1 S1 S1 S1

V V V V V V V

P P P

Q Q Q Q

S2 S3

(20)

Ventrikeldepolarisationen erreicht. Das Ankopplungsintervall von S4 wurde nachfolgend um zunächst 10 ms und dann 5 ms verkürzt, bis schließlich die Kammererregung ausblieb. Die Intervalllänge zu diesem Zeitpunkt wurde als rechtsventrikuläre effektive Refraktärperiode bei drei Extrastimuli (RVERPs4) bezeichnet.

Abbildung 7: Rechtsventrikuläre effektive Refraktärperiode bei drei Extrastimuli (RVERPs4=25 ms)

Zum Abschluss der Kammerstimulation wurde eine Serienstimulation mit zunächst 40 ms und nachfolgend 30 ms durchgeführt. Diese auch als Burststimulation bezeichnete Prozedur wurde als Provokationstest für das Auftreten ventrikulärer Arrhythmien, insbesondere ventrikulärer Tachykardien benutzt. Waren nach ca. 1 min kumulierter Stimulationszeit keine Arrhythmien aufgetreten, so wurde der Test abgebrochen und als negativ bewertet. Folgten auf den letzten Stimulus mehr als drei ventrikuläre Aktionen, wurde dies als nicht-anhaltende ventrikuläre Tachykardie

S1

S1 S1 S1 S1 S1 S1

V V V V V V V

P P P

Q Q Q

S2 S3 S4

(21)

gewertet. Dauerte die ventrikuläre Tachykardie länger als 30 s an, so wurde sie als anhaltend gewertet.

Um jetzt die atriale Stimulation durchführen zu können, wurde der Stimulatorausgang auf die proximalen Katheterableitungen umgeschaltet. Für eine zuverlässige Depolarisation des Vorhofmyokards reichte bei unveränderter Amplitude von 1 mA eine Pulsbreite von 0,1 ms aus. Die korrekte atriale Stimulation erkannte man an dem steilen Aufstrich des Stimulationsspikes (S) und der direkt anschließenden P- Welle (P), welche sich in ihrer Morphologie von der intrinsischen P-Welle unterscheiden kann, aber durchaus nicht muss. Der nachfolgende QRS-Komplex (Q’) ist aufgrund der physiologischen Erregungsausbreitung über den AV-Knoten in seiner Konfiguration identisch mit dem intrinsischen QRS-Komplex (Q).

Man begann die Stimulation mit einer Zykluslänge von 120 ms und verringerte diese zunächst in 10 ms-, dann in 5 ms-Schritten. Auf diese Weise wurde die Stimulationsfrequenz so lange erhöht, bis eine 1:1 Überleitung durch den AV-Knoten nicht mehr möglich war und ein QRS-Komplex ausfiel. Die Zykluslänge zu diesem Zeitpunkt wird als Wenckebachpunkt bezeichnet.

(22)

Abbildung 8: Atriale Stimulation am Wenckebachpunkt (Pfeil: ausgefallener QRS- Komplex)

Jetzt verkürzte man die Zykluslänge so lange weiter, bis nur noch jede zweite Vorhoferregung in die Kammer übergeleitet wurde und somit eine 2:1 Überleitung stattfindet.

Q’

S

Q’

S

Q’

S

Q’

Q’

S S S S S S S S S S S S S S S S S Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’

(23)

Abbildung 9: Atriale Stimulation mit 2:1-Überleitung (Pfeil: ausgefallener QRS- Komplex)

Anschließend wurde die Sinusknotenerholungszeit (SNRT) als die Zeit zwischen dem letzten Stimulus einer 15 Sekunden langen Vorhofstimulation mit einer Zykluslänge von 120 ms und der ersten auf die Stimulation folgenden Vorhofaktion bestimmt.

Außerdem wurde die AV-Überleitungszeit der ersten intrinsischen Herzaktion bestimmt (AVI) sowie die Zykluslänge zwischen erster und zweiter Eigenaktion (Sinus cycle length = SCL) gemessen (siehe Abbildung 10).

Q’ Q’ Q’ Q’

S S S S S

Q’

Q’

S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S

Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’

(24)

Abbildung 10: SNRT, AVI und SCL nach 15 Sekunden atrialer Stimulation

Nachfolgend wurden die atrio-ventrikulären effektiven Refraktärperioden für einen, zwei und drei angehängte Extrastimuli ermittelt. Diese werden als AVERPs2, AVERPs3 und AVERPs4 bezeichnet. Um die AVERP für einen Extrastimulus zu bestimmen, wurden im Vorhof zunächst sieben Stimuli mit einer Zykluslänge von 120 ms abgeben, auf die nach einem Intervall von zunächst 100 ms der Extrastimulus folgte. Das Ankopplungsintervall wurde nun in Schritten von zunächst 10 ms und später 5 ms solange verkürzt, bis der AV-Knoten refraktär war und die Kammerdepolarisation ausfiel. Die Zykluslänge zu diesem Zeitpunkt wird AVERPs2 genannt (Abbildung 11).

S S S S S S S

Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’

Q’

P P P

Q Q

Q

SNRT

AVI

SCL

(25)

Abbildung 11: AVERPs2: der Stimulus S2 führt zu keiner Kammerdepolarisation mehr

Nun erfolgte die Messung der effektiven AV-Knotenrefraktärzeit bei zwei angehängten Extrastimuli. Auf die atriale Basisstimulation von sieben Impulsen im Abstand von 120 ms folgte zunächst ein erster Extrastimulus nach einer Zeit, die 20 ms über der zuvor ermittelten AVERPs2 lag. Der zweite Extrastimulus wurde dann nach einem Intervall von 100 ms abgegeben und dieses zunächst in Schritten von 10 ms und später 5 ms solange verkürzt, bis eine AV-Überleitung ausblieb.

S S S S S S S

Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’

Q’

S2 P P

Q Q

P P

Q Q

(26)

Abbildung 12: AVERPs3: der Stimulus S3 führt zu keiner Kammerdepolarisation mehr

Analog hierzu erfolgte die Bestimmung der effektiven AV-Knotenrefraktärzeit bei drei angehängten Extrastimuli. Der Stimulus S3 wurde auf einen Wert 20 ms oberhalb der AVERPs3 eingestellt und nach einem weiteren Intervall von 100 ms der Stimulus S4 abgegeben. Diese Intervallbreite wurde nun so lange schrittweise zunächst um je 10 ms und später 5 ms verringert, bis es zu keiner Erregungsüberleitung in die Kammer mehr kam. Diese Intervallbreite wurde als AVERPs4 bezeichnet.

S S S S

Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’

S2 Q’

P Q S

Q’

S3

AVERPs2 + 20 ms AVERPs3

(27)

Abbildung 13: AVERPs4: der Stimulus S4 führt zu keiner Kammerdepolarisation mehr

Die Vorhofstimulation wurde mit einer Serienstimulation mit zunächst 40 ms und nachfolgend 30 ms beendet. Durch diese Burststimulation wurde versucht, supraventrikuläre Arrhythmien zu provozieren. Waren nach ca. 1 min kumulierter Stimulationszeit keine Arrhythmien aufgetreten, so wurde der Test abgebrochen und als negativ bewertet.

2.4 EKG-Telemetrie

Die klinische Einführung des Langzeit-EKGs begann Anfang der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nach der wegweisenden Arbeit von Norman J. Holter 47. Sie ermöglichte erstmals die Erfassung von Herzfrequenz, Herzrhythmus und weiterer EKG-Parameter über einen Zeitraum von 24 h und mehr unter Alltagsbedingungen des Patienten. Mit dem Aufkommen rechnergestützter

S S S S S S

Q’ Q’ Q’ Q’ Q’ Q’

S2 Q’

P Q S

Q’

S3 Q’

S4

AVERPs2 + 20 ms AVERPs3 + 20 ms

AVERPs4

(28)

Analyseverfahren konnte zusätzlich die Herzfrequenzvariabilität bestimmt werden, welche ihrerseits Rückschlüsse über die autonome Aktivität und ihre Modulation erlaubt (Task Force of the European Society of Cardiology and the North American Society of Pacing and Electrophysiology)48. Durch die fortschreitende Miniaturisierung elektronischer Baugruppen war es schließlich möglich, so kleine EKG-Radiotransmitter zu entwickeln, dass diese auch kleinen Versuchstieren wie Mäusen implantiert werden konnten.

2.4.1 Implantation des Transmitters

Die Mäuse wurden durch die intraperitoneale Injektion eines Gemisches aus Ketamin (Ketanest, Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe, Deutschland) in einer Dosierung von 100 µg/g Körpergewicht und Xylazin (Rompun, Bayer Healthcare AG, Leverkusen, Deutschland) in einer Dosierung von 4 µg/g Körpergewicht anästhesiert.

Nach etwa 10 min war die Narkose tief genug, um mit der Operation zu beginnen.

Zunächst wurde die Haut im Nackenbereich rasiert und dann quer inzidiert und von dort aus eine subkutane Tasche geschaffen. In diese Tasche wurde der 3,5 g schwere Transmitter (PhysioTel EA-F20, Data Sciences Int., St. Paul, MN, USA) implantiert, die beiden Elektroden subkutan an die ventrale Thoraxwand getunnelt und dort fixiert. Dann erfolgte die Hautnaht und anschließend eine Desinfektion der Wunde.

Es wurden keine weiteren Anästhetika oder Antibiotika verabreicht.

Die Aufzeichnung des EKGs begann frühestens am Abend des dritten Tages nach der Implantation, so dass die Mäuse sich von der Operation erholen konnten.

(29)

2.4.2 EKG-Aufzeichnung

Zur Registrierung des EKGs wurde der Radiotransmitter durch einen Magneten eingeschaltet und der Käfig mit der Maus auf eine Receiver-Platte (RPC-1, Data Sciences Int., St. Paul, MN, USA) gestellt. Die Maus konnte sich in ihrer gewohnten Umgebung frei bewegen; es wurden keine Medikamente verabreicht. Die empfangenen Signale wurden in einem Analog-Digital-Wandeler (PowerLab 4SP, ADInstruments GmbH, Spechbach, Deutschland) digitalisiert und über die USB- Schnittstelle an einen Standard-PC weitergegeben. Auf diesem erfolgte über Nacht die Aufzeichnung der Daten mit dem Programm Chart 5.3 (ADInstruments GmbH, Spechbach, Deutschland).

Eine Herzfrequenzanalyse wurde später mit dem Chart 5.3 Modul „HRV Module“ bei allen Mäusen für den gleichen Aufzeichnungszeitraum von 24:00 bis 1:30 Uhr durchgeführt.

Zur Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität wurde ein 30 s langes Intervall mit einem möglichst störungsfreien Signal verwendet.

Das Modul „ECG Analysis Module“ wurde benutzt; um im Analysezeitraum von 24:00 bis 1:30 Uhr Blöcke von je 100 Herzschlägen zu mitteln. Dann wurde ein repräsentatives gemitteltes EKG ausgewählt, dieses ausgedruckt und an diesem die Oberflächen-EKG-Parameter manuell vermessen. Bei zwei Mäusen trat ein Softwarefehler auf, der den Ausdruck des EKGs verhinderte, so dass die Messungen am PC vorgenommen wurden.

Die frequenzkorrigierte QT-Zeit (QTc-Zeit) wurde mit der Formel nach Mitchell49 wie folgt berechnet:

100

0 0

QT RR QTc= ×

Wobei QT0 der QT-Zeit bei der gegebenen Zykluslänge RR0 entspricht.

(30)

Abbildung 14: Schematische Darstellung der Langzeit-EKG-Registrierung

2.4.3 Analyse der Herzfrequenz

Aufgrund softwareseitiger Beschränkungen war eine Bestimmung der Herzfrequenz über maximal 90 Minuten möglich. Zur Standardisierung wurde daher bei allen Mäusen derselbe Analysezeitraum von 24:00 bis 01:30 Uhr gewählt. Um zu verhindern, dass falsch erkannte QRS-Komplexe die Berechnung der Herzfrequenz verfälschen, wurde die EKG-Aufzeichnung manuell kontrolliert. Außerdem wurden die Einstellungen zur EKG-Erkennung so lange modifiziert, bis der prozentuale Anteil der als normal erkannten Herzaktionen („normals“) den Maximalwert erreicht hatte, also das EKG optimal ausgewertet war. Die durchschnittliche Rate der „normals“

betrug über 98 Prozent. Mäuse, deren Signalqualität so schlecht war, dass eine Rate über 90 Prozent nicht zu erreichen war, wurden von der weiteren Analyse ausgeschlossen.

2.4.4 Analyse der Herzfrequenzvariabilität

Die Analyse der Herzfrequenz und ihrer Variabilität erfolgte unter Anwendung von in der Humanmedizin etablierten Standardtechniken, welche für die murine Elektrophysiologie modifiziert wurden. Verwendet wurde das HRV-Modul des

PC-Computer Pentium 4 2,8 GHz;

512 MB RAM

Receiver RPC-1 A/D Wandler

PowerLab 4SP

Transmitter Verbindungskabel für…

1. Analogsignale

2. digitalisierte Daten (USB)

1 2

(31)

Programms Chart in der Version 5.3, welches explizit für die Analyse von Nagetier- EKGs ausgelegt ist. Das zu analysierende Intervall wurde auf 30 s festgelegt, wie von der Task Force of the European Society of Cardiology and the North American Society of Pacing and Electrophysiology vorgeschlagen48 und in einer Studie von Uechi et al. angewandt50. Um Fehler durch falsch erkannte Herzaktionen in der Berechnung der HRV-Parameter auszuschließen, wurde die Erkennung jedes einzelnen QRS-Komplexes manuell kontrolliert. Es wurden nur Erkennungsraten von 100 % akzeptiert. Der Zeitpunkt der Analyse wurde auf 24:00 Uhr ± 5 min festgelegt.

Bei einer Maus musste wegen schlechter Signalqualität auf 0:37 Uhr ausgewichen werden.

Die Herzfrequenzvariabilitäts-Analyse unterscheidet Zeitbereichs- („time-domain“) und Frequenzbereichsmessungen („frequency domain“). Beide Analyseverfahren wurden in der vorliegenden Studie verwendet.

2.4.4.1 Time Domain Analysis

Alle Zeitbereichsmessungen basieren auf den Abständen zwischen zwei als normal erkannten QRS-Komplexen, den sogenannten NN-Intervallen. Artefakte und ektope Schläge werden so von der Analyse ausgeschlossen. Es wurden folgende Parameter berechnet:

Parameter (Einheit) Beschreibung

Mean NN (ms) arithmetisches Mittel der NN-Intervalle Median NN (ms) Median der NN-Intervalle

Average heart rate (bpm) Reziprokwert des „Mean NN“

SDNN (ms) Standardabweichung der NN-Intervalle

(32)

SD of delta NN (ms) Standardabweichung der Differenzen zwischen je zwei aufeinander folgenden NN-Intervallen

Ratio SDNN dividiert durch SD of delta NN

RMSSD Wurzel der mittleren quadrierten Unterschiede zwischen je zwei aufeinander folgenden NN- Intervallen

Tabelle 1: verwendete Parameter der Time Domain Analysis

2.4.4.2 Frequency Domain Analysis

Allen Frequenzbereichsmessungen liegt die sogenannte „Power Spectrum Density Analysis“ zu Grunde, welche Rückschluss darauf gewährt, wie sich die Varianz („power“) als Funktion der Frequenz verteilt. Berechnet wurde die Verteilungsfunktion mit Hilfe der schnellen Fourier-Transformation, wobei eine 50 prozentige Überlappung und eine Transformationslänge von 512 Segmenten benutzt wurde.

Das so berechnete Spektrum wurde in drei Hauptspektralkomponenten eingeteilt:

Hohe Frequenz (HF), tiefe Frequenz (LF) und sehr tiefe Frequenz (VLF). Die Frequenzbänder wurden wie folgt definiert: HF von 1,5 bis 5,0 Hz, LF von 0,4 bis 1,5 Hz und VLF von 0 bis 0,4 Hz. Diese Werte wurden von den für Menschen verwendeten abgeleitet und aufgrund der bei Mäusen um den Faktor 10 höheren Herzfrequenz mit dem Faktor 10 multipliziert.51 Folgende Parameter wurden berechnet:

Parameter (Einheit) Beschreibung

Total Power (ms²) absoluter Wert der Varianz aller NN-Intervalle

VLF (DC-0,4 Hz) (ms²) absoluter Wert der Varianz im VLF-Frequenzbereich

(33)

LF (0,4-1,5 Hz) (ms²) absoluter Wert der Varianz im LF-Frequenzbereich LF norm (0,4-1,5 Hz)

(nu = normalized units)

Varianz im LF-Frequenzbereich, normalisiert auf die Varianz aller NN-Intervalle abzüglich der Varianz im VLF- Frequenzbereich (LF norm = LF/(Total Power – VLF)*100 HF (1,5-4 Hz) (ms²) absoluter Wert der Varianz im HF-Frequenzbereich HF norm (1,5-4 Hz)

(nu = normalized units)

Varianz im HF-Frequenzbereich, normalisiert auf die Varianz aller NN-Intervalle abzüglich der Varianz im VLF- Frequenzbereich (HF norm = HF/(Total Power – VLF)*100 LF/HF Verhältnis der absoluten Werte von LF zu HF

Tabelle 2: verwendete Parameter der Frequency Domain Analysis

2.4.4.3 Physiologische Korrelate der HRV-Komponenten

Verschiedene Studien wurden durchgeführt, um die physiologischen Hintergründe der Änderungen des Herzfrequenzvariabilitätsspektrums aufzuklären. Die Versuche wurden teils an Tieren, teils an Versuchspersonen durchgeführt und arbeiteten mit pharmakologischen oder orthostatischen Provokationstests.

Verschiedene Studien konnten zeigen, dass ein verstärkter parasympathischer Einfluss auf das Herz die HF-Komponente der Herzfrequenzvariabilität verstärkt.52-54 Die Bedeutung der LF-Komponente ist dagegen umstritten. Einige Forscher sehen in ihr einen Indikator für die sympathische Modulation, insbesondere, wenn sie in normalisierten Einheiten angegeben wird.53, 54 Andere schreiben der HF-Komponente zu, ein Parameter zu sein, welcher sowohl sympathische als auch parasympathische Einflüsse hat.52

Dementsprechend spiegelt für einige Untersucher das LF/HF-Verhältnis die sympathovagale Balance, für andere die sympathische Modulation wider.

(34)

Für den VLF-Bereich wurde bisher kein physiologisches Korrelat gefunden.

2.5 Blutabnahme und Testosteronspiegelbestimmung

Im Anschluss an die Elektrophysiologische Untersuchung wurde die A. carotis in tiefer Isofluran-Narkose mit einer feinen Schere inzidiert und das austretende Blut mit einer Spritze aufgenommen. Das Blut wurde in ein Eppendorf-Gefäß überführt und in diesem bei 4000 Umdrehungen pro Minute in einer Zentrifuge eine Minute lang zentrifugiert. Danach konnte das Plasma in ein anderes Eppendorf-Gefäß umpipettiert und bis zur weiteren Untersuchung bei -12°C eingefroren werden.

Mäusen, welche vor Abschluss der elektrophysiologischen Untersuchung verstarben, wurde kein Blut abgenommen.

Die Bestimmung des freien Testosterons erfolgte mit einem Radioimmunassay vom Typ „Active Free Testosterone RIA“ DSL-4900 (Diagnostic System Laboratories, Inc., Webster, Texas, USA) nach Anleitung des Herstellers.

2.6 Statistische Analyse

Die Datenerfassung erfolgte mit dem Programm Excel 2003 (Microsoft GmbH, Unter- schleißheim, Deutschland). Die statistische Analyse wurde mit dem Programm SPSS 14 (SPSS Inc., Chicago, Illinois, USA) durchgeführt. Zum Vergleich von Versuchs- und Kontrollgruppe wurde für die EKG-Intervalle, die kardialen Reizleitungszeiten und die Parameter der Herzfrequenzvariabilität der zweiseitige t-Test nach Student verwendet. Die Entscheidung, ob der t-Test für Stichproben mit gleichen oder ungleichen Varianzen durchgeführt werden musste, wurde mit dem Levene-Test

(35)

getroffen. Die Varianzen der Stichproben wurden als ungleich angesehen, wenn der P-Wert unter 0,05 lag.

Für den Vergleich der zum sicheren Überstimulieren des Sinusrhythmus benötigten Basiszykluslängen wurde der Chi-Quadrat-Test verwendet, ebenso wie für den Vergleich der Induzierbarkeit ventrikulärer Tachykardien. Ein p-Wert von <0,05 wurde als statistisch signifikant angesehen.

(36)

3. Ergebnisse

3.1 Überleben in den Versuchsgruppen

In der Kontrollgruppe der nicht kastrierten Mäuse konnten an 13 von 20 Mäusen einen vollständige elektrophysiologische Untersuchung durchgeführt werden. Drei Mäuse verstarben periprozedural und bei vier weiteren ließ sich keine sichere Stimulation mit dem Elektrophysiologie-Katheter erreichen. Eine Registrierung von Langzeit-EKG-Daten gelang bei allen 20 Mäusen dieser Gruppe.

Von den 15 Mäusen in der Versuchsgruppe verstarb eine Maus bei der Narkoseeinleitung vor der Kastration. Bei allen 14 überlebenden Mäusen war die Aufzeichnung des Langzeit-EKGs erfolgreich. Bei drei Mäusen ließ sich keine sichere Stimulation mit dem Katheter erreichen, an elf Mäusen konnte die vollständige Untersuchung erfolgreich durchgeführt werden.

Das durchschnittliche Körpergewicht der kastrierten Mäuse betrug 27±2 g und unterschied sich nicht signifikant von dem Durchschnittsgewicht der Wildtypmäuse, welches 28±2 g betrug.

Die gemittelte Erfolgsrate der elektrophysiologischen Untersuchung betrug somit 71% (24 von 34 Mäusen), was den in der Literatur angegebenen Werten entspricht.41, 42, 55

3.2 Einfluss der Kastration auf die Testosteronspiegel

Der gemittelte Testosteronspiegel der kastrierten Mäuse (n=6) lag mit 0,24 pg/ml deutlich niedriger als der der Wildtyp-Mäuse mit 11,05 pg/ml.

(37)

Testosteron (pg/ml) N Mittelwert Standardabweichung

Wildtyp 7 11,05 15,39

kastrierte Maus 6 0,24 0,22

Tabelle 3: Testosteronspiegel

3.3 Elektrophysiologische Untersuchung

3.3.1 Herzfrequenz und Durchführbarkeit der Untersuchung

Bei allen 11 kastrierten Mäusen war die Elektrophysiologische Untersuchung mit einer Basiszykluslänge von 120 ms möglich. Bei 8 von 13 Wildtyp-Mäusen reichte die Basiszykluslänge von 120 ms nicht aus, den intrinsischen Sinusrhythmus zu unterdrücken, so dass die Elektrophysiologische Untersuchung mit einer Basiszykluslänge von 100 ms durchgeführt wurde. Die Signifikanz für dieses Ereignis beträgt nach dem Chi-Quadrat-Test 0,001.

erforderliche Basiszykluslänge Gesamt

BCL 120 ms BCL 100 ms

Gruppe Wildtyp 5 8 13

kastrierte Maus 11 0 11

Gesamt 16 8 24

Tabelle 4: erforderliche Basiszykluslänge und Hormonstatus

3.3.2 Kardiale Reizbildungs- und Reizleitungseigenschaften

Tabelle 5 gibt die Ergebnisse der Elektrophysiologischen Untersuchung wieder. Die vor Beginn der EPU gemessene Zykluslänge war bei den kastrierten Mäusen mit 147±13 ms signifikant länger als bei der Kontrollgruppe mit 127±14 ms (P=0,001).

(38)

Sinusknotenerholungszeit und nachfolgendes AV-Intervall unterschieden sich in beiden Gruppen nicht signifikant. Die Länge des ersten eigenen Sinuszyklus nach Bestimmung der Sinusknotenerholungszeit war bei den kastrierten Mäusen mit 153±12 ms signifikant länger als in der Kontrollgruppe mit 136±23 ms (P<0,05). Die Zykluslänge der letzten 1:1-Überleitung war ebenso wie die Wenckebach- Zykluslänge bei den kastrierten Mäusen signifikant länger als in der Kontrollgruppe (P jeweils <0,001). Bei der programmierten Vorhofstimulation (AVERPs2, AVERPs3) zeigte sich bei den kastrierten Mäusen eine Refraktärität bei signifikant längeren Ankopplungsintervallen als bei der Kontrollgruppe. Bei den Messungen der rechtsventrikulären Refraktärität zeigen sich keine signifikanten Unterschiede.

Wildtyp (N=13) Kastrierte Mäuse (N=11) P

Zykluslänge (ms) 127±14 147±13 <0,01

SNRT (ms) 159±36 177±16 n. s.

AVI (ms) 31±3 32±3 n. s.

SCL (ms) 136±23 153±12 <0,05

1:1 (ms) 77±4 84±5 <0,01

WB (ms) 72±4 78±4 <0,01

2:1 (ms) 57±5 60±5 n. s.

AVERP-S2 (ms) 48±4 54±7 <0,05

AVERP-S3 (ms) 51±5 57±8 <0,05

AVERP-S4 (ms) 54±4 58±8 n. s.

RVERP-S2 (ms) 28±8 31±6 n. s.

RVERP-S3 (ms) 21±8 24±7 n. s.

RVERP-S4 (ms) 26±7 30±9 n. s.

Tabelle 5: Kardiale Reizbildungs- und Erregungsleitungseigenschaften

(39)

3.3.3 Induzierbarkeit von Arrhythmien

In Tabelle 6 sind die Ergebnisse der Tests zur Provokation von Arrhythmien dargestellt. Bei drei von dreizehn Mäusen in der Kontrollgruppe konnten ventrikuläre Tachykardien induziert werden, während dies bei keiner der elf kastrierten Mäuse gelang. Die Unterschiede sind im Chi-Quadrat-Test nicht signifikant.

ventrikuläre Tachykardie induzierbar Gesamt

nein ja

Gruppe Wildtyp 10 3 13

kastrierte Maus 11 0 11

Gesamt 21 3 24

Tabelle 6: Induzierbarkeit ventrikulärer Tachykardien

3.4 Analyse des Oberflächen-EKG

Die Parameter der Oberflächen-EKG-Analyse sind in Tabelle 7 dargestellt. Bei den kastrierten Mäusen ist das QT- und das QTc-Intervall signifikant länger als bei den Wildtyp-Mäusen. (P=0,01 bzw. P<0,05). Auch das JT- und das JTc-Intervall ist bei den kastrierten Mäusen im Vergleich zu den Wildtypen signifikant verlängert (P<0,01 bzw. P<0,05). In allen anderen Messwerten des Oberflächen-EKGs unterscheiden sich die beiden Gruppen nicht signifikant.

Wildtyp Kastrierte Mäuse P

P-Dauer (ms) 13±1 13±2 n. s.

PR Intervall (ms) 29±1 29±1 n. s.

QRS-Dauer (ms) 13±1 13±1 n. s.

QT Intervall (ms) 50±3 54±6 <0,05

(40)

QTc Intervall (ms) 50±4 53±3 <0,05

JT Intervall (ms) 37±3 42±6 <0,01

JTc Intervall (ms) 37±3 41±4 <0,05

Tabelle 7: Parameter des Oberflächen-EKG

3.5 Herzfrequenzanalyse über 90 Minuten

Die mediane Zykluslänge der kastrierten Mäuse betrug 103±14 ms (Herzfrequenz 583 bpm) gegenüber 94±7 ms (Herzfrequenz 638 bpm) bei den Wildtypmäusen. Der Unterschied ist signifikant auf dem Niveau p<0,05.

3.6 Herzfrequenzvariabilitätsanalyse über 30 Sekunden

In Tabelle 8 sind die Parameter der Herzfrequenzvariabilität für beide Gruppen zusammengefasst. Die der HRV-Analyse zugrunde liegende mediane Zykluslänge bei den kastrierten Mäusen betrug 107,1±16,0 ms (Herzfrequenz 570±78 bpm) gegenüber 92,3±6,7 ms (Herzfrequenz 651±45 bpm) bei den Wildtyp-Mäusen (P jeweils <0,01). Die Standardabweichung der Differenzen zwischen je zwei aufeinander folgenden NN-Intervallen (SD of delta NN) war bei den kastrierten Mäusen mit 4,30±2,47 ms signifikant größer als bei den Wildtyp-Mäusen mit 2,48±1,19 ms (P<0,01). Die mathematisch verwandte RMSSD (Quadratwurzel der mittleren quadrierten Unterschiede zwischen je zwei aufeinander folgenden NN- Intervallen) war gleichsinnig verändert (P<0,01). Alle anderen Parameter der Herzfrequenzvariabilität unterschieden sich nicht signifikant.

(41)

Wildtyp (n=20) Kastrierte Mäuse (n=14) P

Median NN (ms) 92,3±6,7 107,1±16,0 <0,01

Average heart rate (bpm) 651±45 570±78 <0,01

SDNN (ms) 2,84±1,39 4,11±2,30 n. s.

SD of delta NN (ms) 2,48±1,19 4,30±2,47 <0,01

Ratio 1,20±0,45 0,99±0,30 n. s.

RMSSD 2,47±1,19 4,29±2,46 <0,01

Total Power (ms2) 9,12±8,69 18,46±21,86 n. s.

VLF (DC-0,4 Hz) (ms2) 5,71±6,79 7,36±7,40 n. s.

LF (0,4-1,5 Hz) (ms2) 0,85±1,01 3,61±7,22 n. s.

LF (0,4-1,5 Hz) (nu) 23,86±19,12 24,77±17,35 n. s.

HF (1,5-4 Hz) (ms2) 1,92±1,77 6,81±9,19 n. s.

HF (1,5-4 Hz) (nu) 55,95±23,37 62,65±19,06 n. s.

LF/HF 0,64±0,75 0,48±0,39 n. s.

Tabelle 8: Parameter der Herzfrequenzvariabilität

(42)

4. Diskussion

Unsere Studie untersuchte erstmalig den Effekt von Androgenen auf die kardiale Elektrophysiologie der Maus mit minimalinvasiven elektrophysiologischen Methoden.

Die Hauptergebnisse der Studie sind die folgenden:

• Die Herzfrequenz der kastrierten Mäuse ist im Vergleich zu den Mäusen der Kontrollgruppe niedriger. Diese Beobachtung konnte sowohl bei der elektrophysiologischen Untersuchung als auch bei den Analysen der Langzeit- EKG-Aufzeichnung gemacht werden.

• Die SD of delta NN und die RMSSD der kastrierten Mäuse ist signifikant größer als die der Wildtyp-Mäuse. Diese „time domain“ Parameter der Herzfrequenz- variabilitätsanalyse sind dem „high-frequency“-Bereich der „frequency domain“

Berechnungen zuzuordnen.48 Dies spricht für einen erhöhte parasympathische Aktivität bei den kastrierten Mäusen.

• Die AV-nodale Leitung ist im Vergleich zur Kontrollgruppe bei den kastrierten Mäusen verlängert und als Konsequenz früher refraktär. Der Wenckebachpunkt liegt bei den kastrierten Mäusen bei niedrigeren Stimulationsfrequenzen als in der Kontrollgruppe. Auch die AV-nodale effektive Refraktärperiode wird bei den kastrierten Mäusen früher erreicht als in der Kontrollgruppe.

• Die Repolarisation ist bei den kastrierten Mäusen verlängert. Dies wurde aus den Messungen der JT- und QT-Zeiten sowie den ebenfalls signifikant unterschiedlichen frequenzkorrigierten JTc- und QTc-Zeiten ersichtlich.

• In dem Auftreten induzierbarer und spontaner Arrhythmien als Parameter der ventrikulären Vulnerabilität unterscheiden sich die kastrierten Mäuse nicht von der Kontrollgruppe.

(43)

4.1 Einfluss von Androgenen auf autonome Regulation, intrakardiale Reizbildung und Erregungsleitung

Wir konnten eine signifikant reduzierte Herzfrequenz sowie verlängerte AV-nodale Reizleitungseigenschaften bei den kastrierten Mäusen zeigen. Weiterhin war bei den kastrierten Mäusen die Herzfrequenzvariabilität im „high-frequency“-Frequenzband größer, was auf eine verstärken parasympathische Aktivität bei diesen Tieren hindeutet.

In der Literatur finden sich nur wenige Studien, welche sich zum Vergleich mit unseren Beobachtungen eignen.

So konnten Appleton et al. bei vergleichenden Untersuchungen an männlichen und weiblichen Mäusen weder einen Unterschied in der Herzfrequenz noch bei der intrakardialen Reizleitung finden. Einzig eine bei den männlichen Mäusen gering verlängerte PR-Zeit fiel auf.56 Die Experimente testeten jedoch nicht den Einfluss von Androgenen auf männliche Mäuse und widersprechen insofern unseren Daten nicht, des Weiteren wurden sie unter anderer Narkose durchgeführt als die vorliegende Studie.

Die Arbeitsgruppe um Brouillette fand keinen Unterschied in der Herzfrequenz zwischen männlichen Mäusen unter Androgeneinfluss und Androgen-defizienten männlichen Mäusen der Stämme CD-134 und C57BL/635. Die EKGs beider Studien wurden allerdings unter Narkose aufgezeichnet und zeigen Herzfrequenzen, welche etwa um ein Drittel unter den durch uns gemessenen liegen. Dies schränkt die Vergleichbarkeit ein.

Berul et al. wiesen eine signifikant geringere Herzfrequenz bei weiblichen im Vergleich zu männlichen Mäusen des Stammes 129/BS nach, auch die

(44)

Sinusknotenerholungszeit war signifikant verlängert.42 Die Ergebnisse wurden unter einer anderen Anästhesie erhoben als der von uns verwendeten.

In einer Studie, die Wildtyp-Mäuse beiderlei Geschlechts verglich, konnten Shusterman und Mitarbeiter zeigen, dass FVB-Mäuse eine höhere Ruheherzfrequenz besitzen als C57BL6/SV129-Mäuse. Mittels pharmakologischer Tests zeigte die Arbeitsgruppe weiterhin, dass sich die höhere Ruheherzfrequenz der FVB-Mäuse über einen stärkeren Sympathikotonus dieses Stammes erklären lässt.

Des Weiteren konnte die Arbeitsgruppe nachweisen, dass sich die Herzfrequenz als guter Prädiktor für die sympathikovagale Balance eignet, während die Parameter der Herzfrequenzvariabilität hierfür weniger geeignet erschienen.57

Eine andere Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass C57BL6-Wildtyp-Männchen als androgen-defizient einzustufen sind, während FVB-Wildtyp-Männchen einen normalen Androgenspiegel aufweisen.35

Bei Zusammenschau der beiden letztgenannten Arbeiten lässt sich spekulieren, ob nicht möglicherweise die stärkere sympathische Aktivität bei den FVB-Mäusen zum Teil durch die höheren Androgenspiegel der Männchen mitverursacht sein könnte.

Ähnlich wie in unserer Studie fanden Chu et al. an FVB-Mäusen eine signifikant höhere Herzfrequenz bei männlichen als bei weiblichen Tieren gleichen Alters.58 Die Werte wurden an nicht narkotisierten Tieren erhoben und sind von dieser Seite her gut mit unseren Daten vergleichbar.

Die Untersuchung des Barorezeptoren-Reflexes ist ein etabliertes Verfahren zur Bestimmung der autonomen Regulation des Herzens. Hierbei kann durch die Erhöhung des systemischen Blutdrucks eine reflexvermittelte Reduktion der Herzfrequenz erreicht werden. Die Veränderungen von Herzfrequenz und Blutdruck werden zueinander in Relation gesetzt und ergeben ein Maß für die Stärke des Barorezeptoren-Reflexes. In einer Studie an kastrierten Ratten zeigten El-Mas et al.

(45)

eine verminderte Reflexbradykardie nach pharmakologischer Reizung mittels Phenylephedrin im Vergleich zur Kontrollgruppe. Nach Testosteronsubstitution war der Unterschied nicht mehr nachweisbar. Eine muskarinerge Blockade reduzierte die Reflexbradykardie bei den kastrierten Ratten in signifikant geringerem Maße als bei der Kontrollgruppe, so dass die Autoren eine modulierende Wirkung des Testosterons auf die kardiale vagale Innervation postulierten.59 Diese Beobachtung stützt unsere Vermutung, dass Androgene modulierend auf die autonome kardiale Regulation wirken. Allerdings lassen sich mit dem von den Autoren vorgeschlagenen Mechanismus die durch uns festgestellten Veränderungen der Herzfrequenz nicht erklären. Zudem sind die Daten an einer anderen Tierart erhoben, was die Vergleichbarkeit einschränkt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Wirkung von Androgenen auf die autonome kardiale Regulation, Herzfrequenz und intrakardiale Reizleitung wahrscheinlich ist. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind weitgehend ungeklärt.

Die vielfältigen und divergenten Ergebnisse in der Literatur lassen keine konkreten Schlüsse zu, sprechen aber für eine komplexe Interaktion der Androgene mit verschiedenen kardialen und extrakardialen Partnern. Der gesamte Bereich der geschlechtsspezifischen Beeinflussung der autonomen Modulation und insbesondere die Bedeutung von Androgenen ist bislang wenig erforscht. Zukünftige Studien müssen hier weitere Klarheit bringen.

4.2 Einfluss von Androgenen auf die Repolarisation

Die bei den kastrierten Mäusen in unserer Studie signifikant verlängerten JTc und QTc-Zeiten sind Ausdruck einer verlängerten Repolarisation bei diesen Tieren.

(46)

Die meisten Untersuchungen zur Wirkung von Androgenen auf die Repolarisation wurden an Kaninchen mit ex-vivo-Methoden durchgeführt.

Liu et al. zeigten an Langendorff-perfundierten Herzen männlicher Kaninchen einen signifikanten Anstieg der QT-Zeit nach Kastration und Placebo-Substitution bis auf Werte, wie sie auch von weiblichen Kaninchen erreicht wurden. Unter Dihydrotestosteron-Substitution fanden sich keine signifikanten Unterschiede in der QT-Zeit im Vergleich mit normalen, männlichen Tieren.28

Drici et al. fanden an ovariektomierten weiblichen Kaninchen nach Dihydrotestosteron-Substitution eine signifikante Verkürzung des QT-Intervalls im Vergleich zur Placebo-behandelten Kontrollgruppe. Weiterhin führte eine Infusion des Klasse I Antiarrhythmikums Quinidin bei den Dihydrotestosteron-substituierten Tieren zu einer signifikant geringeren Verlängerung des QT-Intervalls im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die Studie wurde am Langendorff-perfundierten Herzen durchgeführt.29

Die Gruppe um Hara et al. untersuchte isolierte Papillarmuskeln ovariektomierter weiblicher Kaninchen. Bei einer stimulierten Zykluslänge oberhalb von 500 ms zeigte sich eine signifikant kürzere Aktionspotentialsdauer APD30 bei den Dihydrotestosteron-substituierten Tieren im Vergleich zur Kontrollgruppe. Dies wurde von den Autoren als eine durch Dihydrotestosteron induzierte Verkürzung der frühen Repolarisation gewertet.60

An kastrierten Kaninchen beobachtete die Arbeitsgruppe um Pham et al., dass die Verlängerung der Aktionspotentialsdauer durch Gabe des Klasse III Antiarrhythmikums Dofetilide bei Dihydrotestosteron-substituierten Tieren weniger stark ausgeprägt war als bei der Kontrollgruppe. Dofetilide blockiert selektiv den repolarisierenden Kaliumstrom IK, r. Das Ergebnis wurde von den Autoren auf eine

(47)

schützende Wirkung des Dihydrotestosterons gegen die proarrhythmogene Wirkung einer IK, r Blockade zurückgeführt.30

In einer nachfolgenden Studie der gleichen Arbeitsgruppe wurde weiblichen Kaninchen Dihydrotestosteron verabreicht, so dass im Blut Konzentrationen erreicht wurden, die ähnlich derer männlicher Kaninchen waren. Die nachfolgenden Messungen zeigten, dass die repolarisationsverlängernde Wirkung von Dofetilide in der mit Dihydrotestosteron behandelten Gruppe signifikant geringer war.31 Beide Studien wurde an isolierten Papillarmuskeln des Kaninchenherzens durchgeführt.

Eine signifikante Verlängerung der QTc-Zeit nach Kastration wurde auch von Brouillette et al. gefunden.34 Verwendet wurde ein murines Tiermodell.

Im Gegensatz hierzu stehen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Brunet, welche keinerlei Unterschiede im Oberflächen-EKG zwischen normalen männlichen und weiblichen Mäusen verschiedener Stämme fanden.39

In der Studie von Brunet et al. wurden weibliche mit männlichen Mäusen verglichen, während in der vorliegenden Studie ausschließlich kastrierte und normale männliche Mäuse untersucht wurden. Daher ist eine direkte Gegenüberstellung nicht möglich.

Eine von der Arbeitsgruppe um Fülöp am Hund durchgeführte Untersuchung zeigte ebenfalls eine deutliche Verlängerung der QT-Zeit nach Kastration.33

Brouillette et al. konnten nachweisen, dass es keine Unterschiede in der Repolarisation zwischen männlichen und weiblichen Meerschweinchen gibt und diese Tierart konsekutiv nicht für vergleichende Studien geeignet ist.61

In einer anderen Studie gelang es Bai et al. am Langendorff-perfundierten Meerschweinchenherzen eine reversible, durch Testosteronperfusion induzierte Verkürzung der QT-Zeit zu zeigen.62

(48)

In den meisten bisher durchgeführten Studien wurde eine Verkürzung der Repolarisation unter Androgeneinfluss oder eine Verlängerung der Repolarisation unter Androgenentzug festgestellt. Allerdings gibt es auch Studien, die keinen eindeutigen Einfluss von Androgen auf die Repolarisation nachweisen konnten. Der umgekehrte Fall, dass Androgen zu einer Verlängerung der Repolarisation geführt hätte, ist in der Literatur bisher niemals beschrieben worden.

4.3 Androgene und die Induzierbarkeit von Arrhythmien

In einer früheren Studie unserer Arbeitsgruppe wurde die vermehrte Induzierbarkeit ventrikulärer Arrhythmien bei Mäusen mit chronischem anteriorem Myokardinfarkt nachgewiesen.44

Die in der Studie von Maguire et al. gemachte Beobachtung, dass bei ca. 30 Prozent aller Wildtyp-Mäuse ventrikuläre Tachykardien auszulösen seien63, können wir anhand unserer Daten eingeschränkt bestätigen. So zeigten in unserer Studie 3 von 13 Wildtyp-Mäusen (23%) induzierbare ventrikuläre Tachykardien. Interessant war in diesem Zusammenhang, dass bei keiner der 11 kastrierten Mäuse eine ventrikuläre Arrhythmie auslösbar war. Der Unterschied war allerdings statistisch nicht signifikant, so dass weitere Untersuchungen an größeren Strichproben durchgeführt werden müssen.

4.4 Vergleichbarkeit mit anderen in-vivo-Studien

Der Einfluss der Untersuchungsbedingungen auf die Ergebnisse der elektrophysiologischen Untersuchung bei Mäusen ist groß. Die technisch deutlich einfachere transösophageale EPU erlaubt aufgrund der anatomischen

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