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Moritz von Schwind ; Moritz von Schwind (1804-1871) - Adams Schlaf, um 1824 ; Moritz von Schwind (1804-1871) - Der wunderliche Heilige, 1835 ; Moritz von Schwind (1804-1871) - Unvollendeter Entwurf zur Zauberflöte, um 1852 ; Moritz von Schwind (1804-187

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Aktie "Moritz von Schwind ; Moritz von Schwind (1804-1871) - Adams Schlaf, um 1824 ; Moritz von Schwind (1804-1871) - Der wunderliche Heilige, 1835 ; Moritz von Schwind (1804-1871) - Unvollendeter Entwurf zur Zauberflöte, um 1852 ; Moritz von Schwind (1804-187"

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WERNER BUSCH

MORITZ VON SCHWIND

MoritzvonSchwindgilt nebenLudwigRichter als derInbegriffeines deutschenspätromantischen Märchenillustrators. Wieim Falle von Ludwig Richter konnte seine Kunst insbesonderenach den beiden Weltkriegen Trostfunktionübernehmen.Die Auflagenvon Publika­ tionen zu Richter und Schwind sind -aus heutiger Sicht - unvorstell­ bar hoch gewesen. IhreGestalten schienen sich in einer engen, heilen, naturverbundenen Welt zu bewegen,fern aller Politik und bedrängen­ der sozialer Verhältnisse. Heute gelten beide Künstler eher alskonser­

vativ, ja, als reaktionär, einem gänzlich überholten Kunstbegriff anhän­

gend,aller Modernität aus dem Wege gehend. Moritz von Schwind scheint dieRichtigkeit dieser Klassifizierungbesonders 1848 unterBe­

weis stellen zu wollen. Er siehtdie revolutionären Unruhen mitAb­

scheu, nennt sich mitBetonung selbst einenHauptreaktionär, möchte lieber untereinerJesuitenherrschaftleben als vom revolutionären Ge­ sindel bestimmt zuwerden. Am liebsten säheer diesesPack aufge­ knüpft (Stoessl1924, S. 233-237, 242-245). Da hatman zu schlucken - unddennoch: Wir haben zubegreifen,dass in ihrenGrundanschau­

ungen konservative Künstler, deren Thematik noch dazu einem der­

artigen Weltbild durchaus zu folgen scheint, dennoch künstlerisch in­ novativund zukunftsweisend sein können. Dasist nicht ganz leicht zu begreifen. Die Nazarener, katholische ErneuererkonservativsterPro­

venienz, Anhänger Metternichs unddes Staatstheoretikers Adam Mül­

ler, der einen mittelalterlichen Ständestaat propagierte,auchder Hei­

ligen Allianz verbunden,haben zeichnerisch den Abstraktionen der Moderne vorgearbeitet. OderIngres in Frankreich: staatsoffizieller Künstler, Akademiker par excellence,demkaiserlichen Napoleon ver­ pflichtet,ebenfallsim Dienste der Kirche tätig, war dessen ungeachtet einWegbereiter des Kubismus.Und auch Moritz vonSchwinds Kunst geht nichtinseiner Gesinnung auf. Es ist wohl so, selbstwenn die Kunstgeschichte es nicht gerne hören mag, dass Künstler, diemit ei­ nem besonderen Sensorium für zeitgenössische Verhältnisse ausge­ stattetsind, gleichgültig, ob sie progressivoderkonservativ darauf rea­

gieren, in ihrer Kunst dieProblemeder Gegenwart, direktoder indi­

rekt, zur Anschauung bringen, zumeist in einer reflexiven Form.

Schwind war -wie die NazareneroderIngreses waren - einvorzüg­

licherZeichner, aberauch ein begabterMusiker,der mit Franz Schu­ bertzusammenmusizierteundmit diesem die Beethoven-Verehrung

teilte. In seiner ,Symphonie1 von1852,seit 1846vorbereitet,gelingt es ihm, ein Äquivalent zur musikalischen Strukturzu finden (s. Kat. Nr.

111-113).Dass er dies geradeamBeispiel vonBeethovensChorfanta­

sie, op. 80unternimmt,ist bezeichnend. Denn derenkomplexe wider­ sprüchliche Struktur, die allen musikalischen Ordnungsvorgaben Hohn spricht, scheint ihmdurchdie arabeskeForm - ausgezeichnet durch ausgeprägten Wildwuchsundeine novellistische Erzählweise- adäquat zum Ausdruck gebracht.Das Geschichtchen mochte nochso harmlos sein, seine Einbindung in geradezu kosmologische Zusam­ menhänge, seine .Zerlegung1 in allein ornamentalzusammengehaltene Elemente, bringt noch einmal romantische Welterfahrung aufden Punkt. Ebendiese, klassischer Bildauffassung widersprechende Form betrachtetSchwind selbstdurchaus als „modern“ (Stoessl 1924, S. 253).

Die Widersprüche alsGegenwartserfahrungen werden dialektischauf­ gehoben, d.h.sie bleiben sichtbar - eine Allegoriedes Badeurlaubs stellttradierte Allegorese auf denKopf und erscheint unfreiwillig ko­ misch.Die Arabeske umfasst die divergierendenTeilealsseiensie na­

türlich, im Wissen darum, dassdies eine Illusionist. Und insofern kommtSchwindsKunst, gerade in ihrenarabeskenBildern,die auf Wanddekorationzielten,nicht ohne eine milde Ironie aus. Darin ist sie der KunstKaulbachs verwandt,mit dem zusammen er in München für die Ausstattungsprogramme von Corneliusgearbeitet hat. Kaul­

bachallerdings pflegt mit größerem Pathosaufzutreten.DerWeltge­

schichtszyklus im Treppenhaus des Berliner Neuen Museums istvon einem Puttenfriesüberwölbt, der die darunter riesig zur Anschauung gebrachten Weltgeschichtsereignisse ironischkommentiert. Die Ironie der Geschichtestellt einegeradezu notwendigeReaktion auf dieGe­

genwartserfahrung dar.WennSchwind schreibt, „dieHandlungslosig- keit unserer Zeit könnte einen zur Verzweiflung bringen“ (Stoessl 1924, S. 253), dann greifter einen Gedanken Hegelsauf, derkonstatiert hat, dass in derGegenwart alles Heldische in der Verfassung des bürger­

lichen Staates aufgegangensei, derjedes Idealische auflöse (Georg Friedrich Wilhelm Hegel,Vorlesungen überdieÄsthetik, Bd. 1,in:

ders., Werke, Bd. 13, Frankfurt a. M.1970, bes. S. 238-251). DerVer­

lust des (klassischen) Ideals: Das ist es, wasdieRomantiker, was Corne­ lius undseineSchule,vonSchwind über Neureuther bis zu Kaulbach, in dieArme der Arabeske trieb.

228 VI. TRAUM, MUSIK UND MÄRCHEN

Originalveröffentlichung in: Busch, Werner ; Maisak, Petra ; Weisheit, Sabine (Hrsgg.): Verwandlung der Welt : die romantische Arabeske. Petersberg 2013, S. 228-237

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MORITZ VON SCHWIND (1804-1871)

ADAMS SCHLAF, UM 1824

Aquarell und Feder, mit Gold gehöht;

42,7 cm x 33,5 cm

Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, Inv. Nr. H 11

Literatur: Sauerlandt 1912/13, S. 369-371; Böhme 1960, S. 128-146; Kat. Karlsruhe 1996, Nr. 36.

Der knapp 20-jährigeMoritzvon Schwind versucht bei diesem Frühwerk,hoch zu grei­

fen. Seit seinem 17.Lebensjahrhatteer Kon­ takt zumKreisumFranzSchubert,der mit den frühromantischen Schriften einesNova­

lisundbesonders eines Ludwig Tieck wohl vertraut war.Der junge Schwind muss hier ei­

niges aufgesogen haben, besondersdie über Tieck vermittelte Mystik Jacob Böhmes (s.

Kat. Nr. 44). Denn, wie Sauerlandt schon 1912/13 festgestellt hat: Sein Aquarell sucht nach einer bildlichen Umsetzung des 12. Ka­ pitels von Böhmes .Beschreibungder drey Prinzipiengöttlichen Wesensvon1619.Sau­

erlandt bezieht sich allerdingsallein auf das Teilkapitel „VonAdams Schlaffe“. Man ver­ steht die Zusammenhänge jedoch nur, wenn man einerseits das gesamte Kapitel 12 in Rechnung stellt und andererseits begreift, dass Schwind, um überhaupt verständlich werdenzu können, auf tradierte ikonographi- sche Muster zurückgreifen muss.

Das große,mitGold feierlich gehöhte Blatt, das einorientalischerBogenabschluss ziert, zeigt ein Aufwachsen von unten nachoben, nicht nur in dieser Hinsicht denPrinzipien derArabeskeverwandt. Adamliegt schlafend imUrwasser, es bildetdieMatrix,dieallesaus Adam erwachsen lässt (Böhme, 12. Kap., § 19).

Schwind nutztdafür das Modell der Wurzel Jesse: Sowie dortderGeschlechterbaum aus AbrahamsSchoß erwächst, so entsteht hier aus Adams Schoß ein Blütenbaum mit seitli­

chen Verästelungen. Er reicht vomOrient bis zum Okzident - ein Gedanke, den Runge in seiner .Ruhe aufder Flucht1 bereits aufgegrif­

fen hatte. Nunsitztauf den Ästen links eine Jungfrau, rechts auf einem Geflecht von Schlangen ein Jüngling. Sie sindeinander zu­

gewandt, der Jüngling ist dabei der Drängen­

de. Für Böhme verkörpern Jungfrau und Jüngling zwei in AdamangelegteGeistfor­

men: denGeist der Welt und den reinen Geist Gottes. Sonne,Sterne unddie Elemente ha­

ben mit Adam gerungen, ihn schließlich überwunden, so dass er in tiefenSchlaf fiel.

Dadurch, dass die Sterne all ihre Kraft in die Wassermatrix werfen,ist sie permanent am Sieden und Aufsteigen (§ 21). Das, was in Adams Baum geschieht - womit auch auf den Paradiesesbaum mit seiner Schlangenversu­

chung angespielt wird -, betrachtetBöhmeals ein Gleichnis, vondemdie Vernunftberich­ tet. Adam, der ursprünglich Jungfrau und Jüngling in einer Personwar, ist -wie der Mensch - in einen Kampf zwischenGeistund Materie, zwischen „spiritus“ und „caro“ (Pau­ lus,Galaterbrief, Kap. 4 und 5) gestellt.Den Jünglinggelüstet es nach der Frucht derJung­ frau, underkann vondiesem Verlangen nicht lassen, so sehr ihn die Vernunft auf Enthalt­ samkeitverpflichten will (§ 38). Denn auch derMensch istvom Geist der Natur und der Welt besessen,dieJungfraudagegenvomrei­

nen GeistGottes erfüllt (§40). Ineinemlan­ genDialog zwischen Jungfrau und Jüngling versuchtsieseinVerlangenzu mäßigen - oh­

ne Erfolg. So stehter fürdieFinsternis, sie für das Licht (§ 42).Verkörperung derFinsternis ist die Schlange der Versuchung, der finstere Wurm, von demBöhme spricht. Die Schlange windet sichin denSchoß der Jungfrau, vom Okzident in den Orient. DochGott stattet die Jungfrau mit der Kraft aus, den Kopfder Schlange zuzertreten. Schon beiBöhmehan­

delt es sich hier umeine mariologische Para­

phrase, die in derKunst im Motiv der Mond­

sichelmadonna zum Ausdruck kommt: Maria als neue Eva hebt durch das Zertreten der Schlange die Schuld Evas auf, wie Christus die­

jenige Adams übernimmt, um die Menschheit zuerlösen, so sündigsieauch geworden sein mag.Von daher macht es Sinn, dass als Ziel der arabeskenEntwicklung obenim Zentrum Mariamit dem Christuskind imSonnenkranz erscheint. Von der Seite des Jünglings wendet sich eineSonnenblume dem Licht entgegen und empfängt seine Strahlen.

Dieunterschwellige Erotik von Böhmes Mys­

tik ist nicht zu übersehen - sie dürfte ein Grund dafür gewesensein,dassBöhme vom

orthodoxen Protestantismusverfolgt wurde.

Worte, wiedie folgenden, vonder Jungfrau gesprochenen, waren nicht zu akzeptieren:

„du bist ein finsterWurm,wiemagichbey dirwohnen? Laßnur ab,ich gebe mich dir nicht zum Eigenthum: Ich will dir meine Zierheit geben und solst in meiner Freude le­ ben, meiner Frucht solst du genießen, und meineSüßigkeit schmecken; aber mitmirin- qualiren kanst du nicht:dennmeine Essentia ist die Göttliche Kraft“. DerJüngling droht Gewalt an, sie sucht sich ihn mit der Dro­ hung, derWurm, die Schlange, würde ihn zerbrechen, vom Leibe zuhalten, von dem er nicht begreift, dass es nureinätherischerLeib ist. Diese verquereVerhandlung über seine Lust und ihre Reinheit,alsden jedeSeelequä­

lendenKonflikt,kleidet Schwind indiesem Frühwerk inein buntes Welten- undKosmos­

bild, das noch einmal versucht, die rungesche odertiecksche Begeisterung für Böhme zu re­ aktivieren. Doch aus der rungeschen Strenge ist, bei allem symmetrisch-zeichenhaften Auf­

bau,ein spätromantisches Sehnsuchtsbildge­

worden, das, so dekorativ-schönheitliches ist, letztlich an Glaubwürdigkeiteinbüßt, denn strenge Ordnung undzartes Gefühl wollen nichtrecht zusammenfinden. W.B.

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MORITZ VON SCHWIND (1804-1871)

DER WUNDERLICHE HEILIGE, 1835

Feder in Schwarz und Gold, aquarelliert auf gelblichem Bütten, auf Pappe aufgezogen, die Hauptbilder auf den Seitenflügeln eingeklebt;

42,0 x 44,5 cm

Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung, Inv. Nr. Cn 38

Literatur: Cornaro 1971, S. 16-35; Kat. Stuttgart 1976, Nr. 1426; Kat. Karlsruhe 1996, Nr. 134.

Offenbar sindZwillinge besonders gut für die Arabeske geeignet. Jedenfalls ist die Ver- tauschbarkeit, ihre Verwirrung stiftendeÄhn­

lichkeit, aberauch ihre durchaus denkbare un­ terschiedlicheVeranlagung bei dann doch pa­

rallelverlaufendem Schicksalgeradezu ara- besk zu nennen.Schwind erzählt eben nicht dieGeschichte eines wunderlichenHeiligen,

230 VI. TRAUM, MUSIK UND MÄRCHEN

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sondern von zweien. UnddasieimEndeffekt fromme Einsiedler werden,ordnet erihre Ge­

schichteeinem kleinenHausaltarzu. Daszen­

trale Mittelbildund die beiden Seitenflügel beschreiben das Ende derGeschichte, die bei­ den leben inihrer Einsiedelei,während die langeVorgeschichte in vielenSzenen in den Rahmenstreifen ausgebreitet ist,im Mittelbild umflochten von Arabesken. Unten in der Mitte, wie sich das für dieArabeske gehört, findet sich der Ursprungspunkt:dieGeburt der Zwillinge. Obenim Gesprenge sind sie ausihrer Verzweiflung von ihren Schutzen­

geln gerettet worden, umarmen sich, weilsie ihrenSeelenfrieden als fromme Einsiedler ge­

funden haben. Ihr Elend, das beschreibendie

Randstreifen,bestand darin, dassjeweils ihre Liebe durch die brüske Ablehnung einerHei­

ratdurchdie Eltern ihrerGeliebtenzu einem Ende kommen musste. Der eine derZwillinge war Naturforscher und Arzt, deranderewar Musikus.Eshilft nichts. Nun sind sie zwar in einer engen Klause, aber in der freien Natur und tunGutes. Und wie es so kommen muss, diepotenziellen aberverhinderten Bräute su­ chenRat und Hilfebei ihnen, ohne siezu er­

kennen. Schwind macht sichein Vergnügen daraus, fürdie Zwillinge beständig dieSeiten zu wechseln: Einmal ist der Musikus links, einmalrechts und so ergeht es auch dem ehe­

maligen Arzt, der jetzt mit Naturkräutern heilt. Das arabeske Gespinst der Mittelbild­

streifen mag auchfür die Irrungenund Wir­

rungen des Lebens stehen, für die unter­

schiedlichen Lebenswegederbeiden, die dann doch mit gleichemSchicksal wiederzusam­ menkommen und ihreErfüllungauf ganz an­

dere Weise finden.

Schwinds Bilderfmdung war erfolgreich, so dasser den Entwurf 1844nocheinmal wieder­ holte. Einsiedler- und Mönchsgeschichten bil­ deneineigenes Genre imdeutschen19. Jahr­

hundert(s. HansOst,Einsiedlerund Mönche in der Malereides 19.Jahrhunderts, Düssel­

dorf 1971), weniger schauerromantisch alsin England, siehtmaneinmalvonE.T. A. Hoff­

mannab. Bei Schwind,wie so oft bei ihm, ist der Tonmelancholisch-ironisch. Auchdafür

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232 VI. TRAUM, MUSIK UND MÄRCHEN

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ist die Arabeske als Träger gutgeeignet. Die milde Ironiebewirkt eine leichte Distanznah- me, zugleichermöglicht siedie Zusammen­

führung unterschiedlicher undzeitlich sich breitentfaltender Erzählebenen.Die Arabeske führtdie Teile zusammen, und wirwissen, dass es eine Fügung bleibt. W. B.

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MORITZ VON SCHWIND (1804-1871)

UNVOLLENDETER ENTWURF ZUR ,ZAUBERFLÖTE1, UM 1852

Aquarell über Bleistift auf gelblichem Papier;

54,8 x 36,6 cm

Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 1958/100 Literatur: Kat. Karlsruhe 1996/97, S. 81f.

(Ulrike Olbrich), Nr. 294.

DerZauberflötenentwurfwarfür eine Wand des lange von Schwindgeplanten, doch nie ausgeführtenSchubertzimmers vorgesehen.

DieZauberflöten-Wand sollte gegenüber der Beethoven-Wandliegen, für die die .Sympho­

nie'(s.Kat.Nr. lllff.) ursprünglichgedacht war. Die beiden übrigen Wände sollten Haydn vorbehalten seinund die .Schöpfung' und die.VierJahreszeiten zeigen. Der aqua­ rellierte Zauberflötenentwurf entspricht im Aufbauweitgehend der.Symphonie', beson­

ders was das Rahmenwerk angeht. Einziger gravierenderUnterschied: der 4-stufige Auf­

bau der .Symphonie' wird durch einen3-stu- figen ersetzt. Manhatvermutet, dass dies der besonderenRolle der Dreizahl in der .Zau­

berflöte' geschuldetist und sichbesondersauf die alles lenkende Funktion derdreiKnaben bezieht, deren Ermahnungan Tamino auch im Zentrum von Schwinds Entwurf steht.

Größten Raum jedochnimmt dieuntereSze­

ne mitder Königin der Nacht ein, dievor Ta­

mino als riesige Gestaltvordervollen Scheibe des Mondes erscheint, um ihn zur Rettung ih­ rer Tochter Pamina zu verpflichten.Das Mit­ telbild wird von weiterenSzenen in Medail­ lonform undStaffeleibilderngerahmt, ganz so wiebei der .Symphonie', hier sind sie nicht in kosmologischen Zusammenhängen zu denken, sie stellen schlichtweitere Szenen der Zauberflötenhandlung dar. Oben in der Lü­

nette triumphieren Tamino undPamina, sie haben alleProbenbestanden, werden vom gu­

ten König Sarastround den drei Knabenbe­

grüßt, währenddieböse Königinder Nacht, wie bei einem Jüngsten Gericht, in die Hölle fährt, während rechtsPapageno undPapage- na glücklich miteinander schmusen. Zwi­

schen diesen beiden Szenen ein Relief mit dem,Mohrentanz'.

Dass das Reich derKönigin der Nachtvon den Nischenfiguren .Isis' und .Osiris' gerahmt wird, entspricht wiederumdem Aufbauder .Symphonie“,wo sich anentsprechender Stelle die Figuren der Heilige Cäcilieund derVenus befinden. Inwieweit Schwind die freimaure­ rische Dimension von Mozarts Musik und Schikaneders Text bewusst war, bleibedahin­

gestellt, dieWahl der beiden Nischenfiguren könnte dafür sprechen. Der Aufbau der ara- besken Zauberflötenillustration entspricht nicht nurweitgehend demSchema der .Sym­ phonie',sonderngenereller romantischer Ara­ beskenstruktur. Verkürzt gesagt: Vom Dunkel des Chthonischen geht der Weg, der eben auchalsInitiationsritus zu verstehen ist, ins Licht des Göttlichen, zur Erfüllung. W. B.

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MORITZ VON SCHWIND (1804-1871)

DIE SYMPHONIE, UM 1849

Entwurf zu den Rahmenleisten der .Symphonie', um 1849

Aquarell; 68,3 x 67,9 cm

Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstich­

kabinett, Inv. Nr. SZ Schwind 32.

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MORITZ VON SCHWIND (1804-1871)

LIEBESERKLÄRUNG IM FASCHING, SKIZZE ZUM MITTELMOTIV DES DRITTEN SATZES DER .SYMPHONIE', 1856

Vorzeichnung zu Kat. Nr. 113

Feder in Schwarz auf Transparentpapier;

16,1 x 17,2 cm

Privatsammlung Frankfurt a. M.

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MORITZ VON SCHWIND (1804-1871)

DIE SYMPHONIE, 1856

Radierung und Kupferstich, gestochen von Julius Ernst unter der Leitung von Julius Thaeter;

81,1 x 48,5 cm (Platte), 95,0 x 55,0 cm (Blatt) Bez. u. I.: „Erfunden und gez. von Prof. Moriz von Schwind“; u. r.: „Gestochen unter der Leitung des Prof. Thaeter von Julius Ernst“;

u. Mitte: „DER KUNSTVEREIN IN MÜNCHEN SEINEN MITGLIEDERN FÜR DAS JAHR 1856"

Privatsammlung Frankfurt a. M.

Literatur: Stoessl 1924, S. 200, 211, 236, 242, 245, 250-255, 257, 261-263, 268, 305, 525, 526;

Busch, 1985, S. 95-108; Seidel 1994, S. 618- 625; Kat. Karlsruhe 1996, S. 79-82 (Ulrike Olbrich), Nr. 287-291; Busch 1998, S. 252-267;

Kat. Bonn 2004, Nr. 47, S. 87, Abb. S. 47; Nr. 49, S. 86, Abb. S. 49; Konrad 2011.

Schwinds Gemälde der .Symphonie“, das er 1852 fürdenaus Bayernstammenden grie­

chischen KönigOtto I.gemalthat, nachdem der bayerische König Ludwig L, der Weima­ rer Hof und derenglische Prinzgemahl für ei­ nenAnkauf nicht zu gewinnen waren und das in der Neuen Pinakothek in München aufbewahrt wird (Abb. 4,S. 21), ist aufgrund seines prekären Erhaltungszustandes nicht ausleihbar. Sozeigenwirin der Ausstellung für dieses arabeske Schlüsselbild des 19. Jahr­

hunderts einen farbigen Entwurf eines Teils desRahmenwerkes (Kat. Nr. 111), eine Vor­

zeichnung des Mittelteilsmit derLiebeserklä­ rungals Vorlage zur druckgraphischenRepro­

duktion der .Symphonie'(Kat. Nr. 112) und den nachVollendung des Gemäldesgefertig­ ten Reproduktionsstich (Kat. Nr. 113).

Schwinds .Symphonie' hat eine lange Vor- und einelängere Entstehungsgeschichte. Zeit seinesLebenshatSchwind von der Gestal­ tung eines Schubertzimmers geträumt. Eini­ ges vonseinenGedanken istspät indieGe­ staltung der Schubert gewidmetenLünetten des Foyers der WienerStaatsoper geflossen (1865-1867).Von 1835 stammtein ganzes Skizzenbuch zumgeplanten Schubertzimmer mit einerWandaufteilung indrei Registern, arabesk-pompejanischen Dekorationsstrei­ fen, gefertigt auf derItalienreise (Museum

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Oskar Reinhart,Winterthur). In dem Zim­

mer sollten „Schubertsche Liedergesungen werden“ (Stoessl 1924, S. 114), wasvonvor- neherein auf densynästhetischenCharakter der schwindschen Entwürfe hinweist. Archi­

tektur,Malerei und Musik sollten hier zu­

sammenfinden,und dieschwindschen De­

korationen der vier Wände desRaumes soll­

ten auf die Texte von Mayrhofer, Goethe, Schiller und von Romantikern zurückgehen, so dass auch die Literatur ihren Anteilgehabt hätte. Als Schwind 1848erste Ideen zur .Sym­

phonie' entwarf, mündete diesbald in diePla­

nung eines weiteren Musikzimmers. Die Symphonie-Wand,die Beethoven gewidmet war, sollte begleitet werden von einerMozart- Wand und zwei Wänden zum Werk Haydns.

Das Gemälde der .Symphonie' ist der einzige ausgeführte Ablegerdieses Plans, zur Mozart- Wandliegt immerhin ein Aquarellentwurf zur,Zauberflöte' (s. Kat. Nr.110)vor,beiden Haydn-Wänden wissen wir allein die The­ men, siesolltenden .VierJahreszeiten' und der .Schöpfung' gewidmetsein.

Bereits 1846treibenSchwind Gedanken zu die­

ser „modernen Novelle“ (Stoessl 1924, S. 200), wie er die .Symphonie'nennt, um; die Eintei­ lung ist ihmbereitsklar, denKartonentwirft er 1848/49. Die erste Benennung lautete:

„Projektzur Wandverzierung eines Musik­ zimmers. Mit Benutzung der .Fantasie für Klavier, Orgel undChorvon Beethoven, op.

80‘“ (Stoessl1924, S. 526). Andernorts nennt erdenEntwurfeine „moderne Zeichnung“

(Stoessl1924,S. 253), mokiertsich brieflich über dieHandlungslosigkeit der Gegenwart -

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234 VI. TRAUM, MUSIK UND MÄRCHEN

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womit gemeint ist,dasssie kein künstlerisch verwertbares Thema hergibt -, schreibt, dass die Geschichte sichvon unten nach obenin vier Registern, vier Episoden einerNovelle entwickelt,die in ihrem Ausdruckder klassi­ schenSatzabfolge der Symphonie nachgebil­ det sind,er nennt sie „Symphonie - Andante - Scherzo-Allegro“(ebd.).

Es handeltsichumdieLiebesgeschichteder von Schwindbewunderten Münchner Hof­ sängerinKaroline Hetzenecker.Im untersten Register, alsAusgangspunkt undBasis, führt ein privat zusammengestelltes Orchester,das Schwindidealiter mit Freunden besetzt, die beethovensche ,Chorfantasie1 auf.Derlängst verstorbene Schubert ist dabei, Schwind selbst blättert die Noten der Pianistin um, der Dirigent ist Schwinds Freund, der Kapell­

meister Lachner. Die Büste Beethovens ist über dem Orchester in einer Nische auf der Mittelachse des Bildes angeordnet - wir kön­ nen hier schon sagen, dasssie im Organismus der Arabeske der Ursprungspunktfür alles Weitere ist.DieNotwendigkeiteines solchen Ursprungspunktes aller Entfaltung hatte Schwind von Runges ,Vier Zeiten gelernt.

Entgegen der beethovenschen Orchestrierung hat Schwind ein Gesangssolo eingeplant; die Sängerin,Karoline Hetzenecker, hat sich er­ hoben und erwartet ihrenEinsatz, ein junger Mann ist auf sie aufmerksamgeworden und verliebtsich aufder Stelle. Diezweite, mittlere Szene, dasAndante,zeigtdie Begegnung im Wald ohne eigentliche Annäherung. Am jun­

gen Mann im Schatten einesBaumes zieht seine Angebetete, begleitet von einer An­ standsdame,gemessenen Schrittes vorbei.Die dritteSzene bringt das Scherzo: Ein Masken­ ball gibtihmdieChance,ihr seine Liebe zu erklären.Im Allegro, der vierten Szene, geht es beschwingt dem neuen Heim des Paares, einem Schlösschen auf demLande, entgegen.

Gerade erkennt sie das Domizil inder Ferne undhat sich inder Kutsche erhoben.

In das arabeskeGeflecht sind nachpompeja- nischem oder raffaelischem Muster einzelne Szenen undFiguren eingelassen,diedie je­ weiligen Szenen,die sie begleiten,kommen­ tieren, den Sinn verallgemeinernund ineinen naturzyklischen Zusammenhang einbetten.

So begleitetdie Chorprobe unten im Grisaille-

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stil in NischendieHeiligeCäcilielinks, die Schutzpatronin der Musik,und die Liebesgöt­

tin Venus rechts: die Musik löst dieLiebeaus.

Am ausführlichsten ist die Begegnung ohne Annäherung mit Motiveneingefasst, hierent­ faltet sich ein ganzer Naturkosmos, vor allem vermischen sich auf geradezu irritierende Weise Klassisches undZeitgenössisches. In den Tondi sind die vier Tageszeiten unterge­ bracht, Schwind spricht von demeinen ais von „nackten Sachen“, vondenanderen als von„modernenSachen“ (Stoessl1924, S. 290).

Zwischen den Tondi finden sich Bildfelder, die sage und schreibedieErfrischung auf Reisen unddieheilsame Wirkung des Besuchs einer Quellean einemBadeort darstellen.An der Basis diesesFeldesfinden sich dienoch gefes­ selten Amor und Psyche,während es von ei­ ner Lünette mit der Darstellungdes Gany­ med, dervomAdlergen Himmel entführt wird, bekrönt wird.Ganymed war für Schwind soetwas wie dasZentrum des Ganzen, sorg­ fältig hat er Goethes,Ganymed‘-Gedicht gele­ sen. Er sieht inihm ein „Sinnbild des erwa­ chendenFrühlings“ (Stoessl 1924, S. 253),die Liebe ist auf bestem Wege. Begegnung und Liebesgeständnis werden seitlich von schma­

len Grisaillepilastern begleitet, aufwachsen­ denEichen, in deneneineFülle von Tieren turnt. Die Hochzeitsreise dagegen, alsZiel des Ganzen,hat im HalbbogenvierGrisaillefelder mit den vier Winden, sie stehen für die Tages­

zeiten, Lebensalter, für den Lebensweg im Wechsel der Zeiten.

Soweit dasProgramm, Schwind hatesnoch detaillierter erläutert, hier gibt es keinen Zweifel. Doch in welchem Verhältnisstehen dieSzenen zu dennaturzyklischen Arabes­ ken, vor allem aber zuBeethovens ,Chorfan­ tasie? Da diese Fragen in der Forschungnicht wirklichgestellt werden,bleibt das Verständ­

nisvon Schwinds .Symphonie1 unbefriedi­

gend. Die Forschungwarvorallem deswegen irritiert, weildie striktesymphonische Satz­

folge vonSchwindsBilderzählung mitnichten sich bei Beethovens ,Chorfantasie1 findet. Im Gegenteil, die .Chorfantasie1, die auch der Musikgeschichte Schwierigkeiten bereitet, ist einfortlaufendes Musikstück, das inkammer­ musikalischer Formbeginnt, sichüber viele nur flüchtig angesprochene Variationen und Instrumentierungen immer mehr steigert, um ingroßes Orchester und vorallem großen Chor zumünden. Beethoven hat dasStück

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1808 entworfen, der Erstdruck erfolgte 1811 bei Breitkopf& Härtel(s.Kat. Nr. 114). Die ,Chorfantasie wargedacht als Schlussstück ei­

ner gewaltigen Akademie am 22. Oktober 1808,bei derunteranderem (!) die 5.und 6.

Symphonie Beethovens, Teile der C-Dur Messeund das 4. Klavierkonzert aufgeführt wurden,die,Chorfantasie“ bildete dazuden programmatischenSchlusspunkt. DieAufhe­

bung der symphonischen Struktur erfolgt durcheinefreiagierende Phantasie, diewohl weniger, wie die musikalischeForschungge­

meint hat, ein Selbstporträt Beethovens dar­

stellt, alsvielmehr, allgemeiner, eine Reflexion überdie Möglichkeiten der Kunst.

Schon andiesemPunkt wird man sagen kön­

nen, dass die Struktur der.Chorfantasie“, ihr Fortweben undAufstreben, ihreunendliche Füllevon MotivenundVariationen, dem Wu­

chern und Wachsen der Arabeskeentspricht.

DieGeschichte,dieSchwind erzählt, mag ihre Satzabfolge haben, ihren geradezu kosmi­ schen Zusammenhang erhält die an sich harmlose NovelledurchdiearabeskeEinbet­

tung. Verschiedene Wirklichkeitscharaktere treffen aufeinander: Gegenwärtiges, sichim Hier und Jetzt Ereignendesund ideale ferne Überhöhung, die sich der SprachederNatur­ wesenheitenund der Antike bedient. Nicht umsonst verkörpert Ganymed, nebenseiner

naturzyklischen Funktion, inseiner Entfüh­

rung durch Zeus’ Adlerinden Olymp auch den Aufstieg der menschlichenSeelezuGott.

Im Übrigenlässt Beethovenim Mittelteil sei­

ner.Chorfantasie“symphonische Form anklin­

gen, auf Andantemotivefolgt - eben doch wie bei Schwind-ein Scherzoverweis. Schwind, der ein vorzüglicherMusiker war, als Geiger mitSchubert dessenNeukompositionen er­ probt hat und der wie Schubert ein großer Ver­

ehrer Beethovenswar, wirdStruktur und Funk­ tion von BeethovensStück vollständig verstan­ den haben. Beide, Beethoven und Schwind, realisieren dieFragwürdigkeit der gegenwärti­

gen Verhältnisse,erfahren ihreOrdnungslosig- keit und Fragmenthaftigkeit undversuchen in ihrer Kunst darauf zu antworten:Beethoven sicher radikaler, aber auch Schwindversucht über die naturwüchsigeArabeske utopischen universalen Zusammenhang (Friedrich Schle­

gel) wenigstenszu denken undzu eröffnen.

AnseineErfüllung in der Gegenwart kann er nichtglauben.

Es lohntsich, noch zweierleizu reflektieren:

denSinn desbeethovenschen Chortextesund die erstaunlich hellsichtige Rezension von 1812 nach dem Erstdruck von Beethovens .Chorfantasie“ (anonyme Rezension des Erst­

drucks,in:Allgemeinemusikalische Zeitung, 14. Jg„ Nr. 19,6. Mai 1812, Sp. 307-311). Die Rezension ist derart intelligent,dass manda­

ran gedacht hat, sieE. T. A. Hoffmann zuzu­ schreiben, was sich nicht hat verifizieren las­ sen. Der Text der Singstimmenstammt von Christoph Kuffner. Es ist die Rede vom Schönheitssinn,bewirktdurchmusikalische Harmonien, dem sich ewigblühende Blumen

„entschwingen“. Schroffes,Feindliches „ordnet sichzuHochgefühl“ - die Funktion von Phan­

tasieund Arabeske istangesprochen. Und die zentrale Passagewiederholt dies noch einmal:

„Doch der Künste Frühlingssonne [Schwinds Ganymed hat hier seinen Ursprung] / lässtaus Leiden Licht entstehen“. DieKunstwird in ei­ nem Hymnus gefeiert:„Nehmt denn hin ihr schönen Seelen, / froh die Gaben schöner Kunst! /Wenn sich Liebund Kraft vermählen, / lohnt dem Menschen Götter Lust“. DenText zitiertBeethoven mit Nennung des Namens von Christoph Kuffner in seiner autographen Partitur der Singstimmen von 1808. Hier

236 VI. TRAUM, MUSIK UND MÄRCHEN

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zeichnetsich der Gedanke zu Schwinds Lie­ besgeschichteab- bezeichnenderweise betont Beethoven musikalisch sehr vielstärker noch den Kraftbegriff. Er willaus der Kunst Kraft für eine neue Welt schöpfen,Schwind setzt auf dieMacht der Liebe - mehr in Mozarts Sinn.

Die Rezension zur.Chorfantasie' ist deswegen so beeindruckend,weil sie sichüber den Be­

griffder Phantasie im Nachvollzug der musi­ kalischenEntwicklung zugleich aufeineDeu­

tungsebene begibt: Der Künstler, der auf Phantasiebaut, macht die KunstzumReflexi­

onsspiegel des eigenen Inneren. Erist ohne Zwangdurch irgendeine gegebene Form - wie denjenigen durchdie Satzfolgeder Sym­

phonie. „Die Phantasie“, heißt es,„ist derMo­ nologdes Künstlers“: Von der sich selbst ent­ wickelnden Arabeske wird man Entsprechen­ des sagen können. AusanfänglichemChaos bildet sich in mächtigem„Emporstreben aus dem unendlichen Meer der Harmonien“ das Ganze zur höchsten Klarheit.Langekämpfen dieGedanken und Träume, suchen nachEr­

füllung - Beethovens Motivvielfalt undVaria­ tionsfülle istgemeint.Zum Schluss steigert es sich zumkonzertiertenFinale, es istein Pro­

zess der Selbstbewusstwerdung. Ausdem Un-

KOHXIU

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artikulierten, dasdennoch zum Gefühlspricht, wirddasArtikulierte, das auch auf denVer­

stand antwortet. Diehierfreigelegte Struktur derbeethovenschen ,Chorfantasie1,begriffen als Suche nacheinem Wegzu einem (utopi­

schen) Ziel, entsprichtexakt den Grundprin­ zipiender romantischen Arabeske, derenErbe Schwind immer nochist. W. B.

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LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770-1827)

FANTASIE FÜR KLAVIER, CHOR UND ORCHESTER C-MOLL, OP. 80

Leipzig: Breitkopf & Härtel 1811 (Erstdruck) Beethoven-Haus Bonn, Sign. HCB C op. 80 - HCB Md 16; Sammlung H. C. Bodmer Literatur: Whiting 1988; Seidel 1994; Kopitz 2003; Konrad 2011.

Die ,FantasiefürKlavier,Chor und Orches­ ter“in c-Moll, op. 80 ist1808 entstanden. Die Erstaufführung fand am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien im Rahmeneiner vielstündigen Akademie mit weiteren Wer­

kenBeethovensstatt, die Chorfantasie stand am Ende - und fiel durch. Zu diesem Zeit­ punkt war die Chorfantasie nicht eigentlich vollendet. Noch amTagvor derAufführung soll Beethovendas Schlussstück geschrieben haben, den Beginnphantasierte erwährend des Konzertes.Notiert wird die Chorfantasie erst 1809/1810. Der Text zur Singstimme stammt von ChristophKuffner,wie Beetho­

ven im Autographen der Singstimme an­

merkt. DieChorfantasieist ein sonderbares Gebilde. DieRezension des Erstdrucks von 1811in der .Allgemeinen musikalischen Zei­ tung1vom 6. Mai1812bringt esin verschie­

dener Hinsicht auf den Punkt. Die Rezension ist vonbesondererSubtilitätundmusikali­

schem Einfühlungsvermögen, siewurde lange E. T. A.Hoffmann zugeschrieben, wassich

nicht hat verifizierenlassen. Dort heißt es: „Es eröffnet sich diese Phantasie mit einem Solo des Fortepiano, einem Adagio inC moll, das mit einer Kraft und Fülle denunerschöpfli­

chenReichthum von B.s Gedanken ausspricht - nicht ohne chaotische Verwirrung [...]Bilder undTräume drängen sich unter und durch einander, verlieren sich imdicht geschlunge­ nen Wechseltanz, und die Entwicklung ist noch vorbehalten.“ Der Rezensent beschreibt dann, wie schrittweise die Instrumente einset­ zen, sich zu vollem Orchester steigern, um sich amEnde verblüffenderweiseingroßem Chor aufzulösen. Ähnlich hatte dies schon die Ankündigungzur Akademie formuliert. Der Chor nimmt Motive der 9. Symphonievor­

weg. Beethoven hat diesen Zusammenhang indirekt bestätigt, indem er an den Leipziger Verleger H. A.Probstam 10. März 1824zur 9.Symphonie schreibt: „[...]aufdie Art wie meine Klavierfantasie mitChor, jedoch weit größer gehalten“. Der Rezensent beschreibt die Steigerung als einen Prozess der Selbstbe­

wusstwerdung mit einer allmählichen Konzen­

tration aufein Hauptgefühl. Esist keineFrage, Beethovens Chorfantasie hat eine arabeske Struktur. Der Beginn ist unbestimmt, arabeske Schnörkelscheinen noch keine abschließende Form zu gewinnen, es folgt die Entfaltung undschließlich die Aufhebung des Ganzen im Chor. Der Text der Singstimme feiert in einemHymnusdie Kunst: „Wassich drängte rauh undfeindlich, ordnetsichzu Hochge­ fühl“.Bei der Formulierung denktman auto­

matisch an die antithetische Anlage bild­

künstlerischer Arabesken.Vom Aufblühen ist die Rede,einer VermählungvonLiebeund Kraft undschließlich vonErfüllung. Damit findet der Text eine Analogie zur Musik, so wie Moritz von Schwindinseiner .Symphonie“ aufBeethovens op. 80mit Hilfe der gemalten Arabeskeeine Analogie zur Musik anstrebt unddamit das erzählte Geschichtchen trans­ zendiert (s. Kat. Nr. 111-113). W.B.

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