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Archiv "Behandlung statt Strafvollzug" (21.11.1991)

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kelten Maßnahmen, wie zum Bei- spiel in der Perinatologie, der Neo- natologie, der Chirurgie und der La- boratoriumsdiagnostik usw., belegen, daß die Ärzteschaft auch ohne ge- setzliche Vorgaben auf freiwilliger Basis Qualitätssicherungsmaßnah- men entwickelt und in der Praxis wirksam umgesetzt hat. Die hohe Akzeptanz der Maßnahmen konnte in der Vergangenheit auf das Prinzip der Freiwilligkeit gegründet werden und darauf, daß ein kollegialer Mei- nungs- und Erfahrungsaustausch ge- sichert war.

Unter den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen wird die Ärz- teschaft damit zu leben lernen müs- sen, daß ein bestimmtes Maß an förmlicher Verpflichtung zur Teil- nahme an Qualitätssicherungsmaß- nahmen Raum greift. Dies darf aber die oben beschriebenen Grenzen nicht überschreiten.

Ziel: gute Patienten-

versorgung

Qualitätssicherungsmaßnahmen als Instrument zur Kostendämpfung müssen entschieden abgelehnt wer- den. Ziel von Qualitätssicherungs- maßnahmen ist es, die Patientenver- sorgung zu verbessern, zu effiziente- ren Ergebnissen in Diagnostik und Therapie zu gelangen. Dabei kann es durchaus sein, daß Verfahren und Standards herausgearbeitet werden, die erst einmal zu einem höheren Aufwand führen. Dies ist nicht nur im Interesse der Patienten, sondern sollte auch ein Anliegen der Kosten- träger sein. Insofern kann Qualitäts- sicherung dazu dienen, verläßliche Informationen darüber zu gewinnen, ob die Aufwendungen in einer ver- nünftigen Relation zum gewünsch- ten Ergebnis stehen. So verstanden, kann auch die Wirtschaftlichkeit von Leistungen als Voraussetzung für die Abrechnungsfähigkeit akzeptiert werden.

Deutlich gemacht werden muß allerdings auch, daß Qualitätssiche- rungsmaßnahmen in der Regel als zusätzliche administrative und zum Teil auch zusätzliche technische Maßnahmen nicht zum "Nulltarif' eingeführt werden können.

.... Demzufolge müssen Quali- tätssicherungsmaßnahmen in die Ko- stenkalkulation eingehen, d. h. sie müssen als pflegesatzrelevante Auf- wendungen für den stationären Be- reich ebenso anerkannt werden, wie sie in der Honorarkalkulation für niedergelassene Ärzte ihren Nieder- schlag finden müssen.

.... Wichtig ist die Evaluation.

Ein einmal entwickeltes Konzept ist nicht statisch. Qualitätssicherungs- maßnahmen dürfen nicht zum Selbstzweck werden und routinemä- ßig auch dann noch Anwendung fin- den, wenn die ursprünglich analy- sierten Schwachstellen mittlerweile beseitigt sind. Es müssen immer wie- der Uberprüfungen dahingehend vorgenommen werden, ob der Um- fang der Datenerhebung und die Form der Auswertung dem Problem noch gerecht werden, und ob die er- mittelten Orientierungsgrößen noch dem aktuellen Stand der Medizin- wissenschaft und der Medizintechnik entsprechen.

Qualitätssicherung kann nur dann eine Kette von Maßnahmen ohne Schwachstellen sein, wenn auf der Basis einer guten Aus- und Wei- terbildung sowie einer berufsbeglei- tenden Fortbildung ausreichende Ressourcen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden und ein permanenter Prozeß der Analyse des Leistungsgeschehens mit den daraus resultierenden Konzepten zur Ver- besserung der Qualität von Diagno- stik und Therapie gesichert ist.

Dies setzt Selbstkritik bei der Ärzteschaft voraus, ebenso wie die Bereitschaft, in den ärztlichen Orga- nisationen Unzulänglichkeiten im Berufsalltag konstruktiv anzugehen.

Es setzt vor allem aber auch die Be- reitschaft von Politik und Kostenträ- gern voraus, positive Rahmenbedin- gungen für die "Leistungserbringer"

und für die Etablierung von Quali- tätssicherungsmaßnahmen zu schaf- fen bzw. deutlich offenzulegen, aus

~eichen übergeordneten politischen Uberlegungen heraus Begrenzungen von Ressourcen erfolgen.

Manfred Brüggemann Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Straße 5 W-5000 Köln 41 (Lindenthal) A-4110 (30) Dt. Ärztebl. 88, Heft 47, 21. November 1991

Behandlung statt

Strafvollzug

Die Gruppe ist klein, aber sie er- regt immer wieder Interesse:

Gemeint sind psychisch kranke Straftäter, die auf Gerichtsbe- schluß zur Begutachtung oder zur dauerhafteren Unterbrin- gung in psychiatrische Anstalten eingewiesen werden. Den Mög- lichkeiten und Erfolgen ihrer Be- handlung widmeten sich rund hundert Psychologen aus rheini- schen und westfälischen Lan- deskliniken kürzlich in Bonn.

E

ingeladen hatte der Landschafts- verband Rheinland (L VR ), der im Auftrag des Landes in seinen psychiatrischen Kliniken die gericht- lich untergebrachten Patienten be- handeln läßt. Aktuellen Diskussions- anlaß bot schon die Tatsache, daß das Maßregelvollzugsgesetz in Nord- rhein-Westfalen novelliert werden soll. Dabei geht es weniger um in- haltliche Korrekturen als vielmehr um eine Änderung der Finanzie- rungsregelungen. Bisher ist nämlich lediglich festgelegt, daß das Land die Kosten des Maßregelvollzugs trägt.

In der Praxis heißt das, daß die ange- fallenen Kosten übernommen wer- den - 1991 werden es in Nordrhein- Westfalen vermutlich 120 Millionen DM sein. In Zukunft soll ein ordent- licher Haushalt aufgestellt werden, der auf einem pauschalierten Auf- wendungsersatz beruht.

Diplom-Psychologe Gerd Höh- ner vom Landschaftsverband findet die Absichten der Landespolitiker

"haushaltstechnisch verständlich".

Problematisch sei, daß die geplante Pauschale keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Standortkosten in- nerhalb der Psychiatrie nehme.

"Zwischen Bedburg-Hau und Bonn beträgt der Kostenunterschied pro Tag in der Psychiatrie rund 100 DM", erläuterte Höhner. Das liege zum Beispiel daran, daß in Bedburg- Hau mehr Langzeitpatienten un- tergebracht sind, die faktisch

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weniger Kosten verursachen als viele Kurzzeitpatienten.

Doch die Psychologen der Lan- deskliniken widmeten sich in Bann vor allem der Behandlung psychisch kranker Straftäter. Die Anzahl de- rer, die nach § 63 StGB in eine Kli- nik eingewiesen werden, hat sich nach Angaben von Gerd Höhner in den letzten 15 Jahren innerhalb der (alten) Bundesrepublik gegenüber 4500 im Jahr bei 2500 stabilisiert.

§ 63 ermöglicht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, falls eine rechtswidrige Tat im Zu- stand der Schuldunfähigkeit/der ver- minderten Schuldfähigkeit begangen wurde. Im Zusammenhang mit § 64 StGB (Unterbringung in einer Ent- ziehungsanstalt in Zusammenhang mit einer Tat im Rauschzustand) werden rund tausend Menschen un- tergebracht. Die Angaben beziehen sich auf Erhebungen an Stichtagen.

Allerdings ist zu beobachten, daß die eingewiesenen Straftäter tenden- ziell jünger und schwerer gestört sind und schwererwiegende Straftaten be- gangen haben als früher. Darauf wies Diplom-Psychologin Sabine Nowara vom Institut für forensische Psychia- trie der Universität Essen hin. Unge- wöhnlich innerhalb der Psychiatrie ist laut Höhner, daß der Anteil der Män- ner im Maßregelvollzug bei durch- schnittlich 98 Prozent liege.

Die Erfolge der Behandlung sind nach Darstellung von Sabine Nowara besser als im Strafvollzug.

Aber: "Wenn ein ,normaler' Straftä- ter wieder rückfällig wird, kräht kein Hahn danach; bei psychisch Kranken wird es hochgespielt", gab sie zu be- denken. Ein Drittel der forensischen Patienten werde, falls überhaupt, im ersten Jahr rückfällig. "Rückfällig"

meine aber nicht unbedingt eine neue Straftat, sondern auch lediglich die erneute Unterbringung. Die mei- sten kämen zurück, weil das soziale Umfeld schlecht sei und die Rückkehr nicht gelinge. "Zwei Drittel haben gu- te Chancen zur dauerhaften Besse- rung/Veränderung, wenn die Bedin- gungen gut sind", bestätigte Höhner.

Schwierig ist es sicher trotzdem: Im- merhin beträgt die durchschnittliche Verweildauer bei Tätern, die nach

§ 63 eingewiesen wurden, zwischen fünf und acht Jahre. th

Rauchen und Gesundheit

"Tabakwerbung zielt auf die Jugendllchen"

Zu dem geplanten EG-weiten Werbeverbot

für

Tabakwaren (Deut- sches Ärzteblatt, Heft 31-32/1991) nahm der "Ärztliche Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit e. V." in einer öffentlichen Veranstaltung in Bonn Stellung. Der folgende Beitrag ist eine Kurzfassung des um- fangreichen Referats, das Dr. med. Bernhard Humburger, Vorsitzen- der des Arbeitskreises, dort gehalten hat.

I

n der Kontroverse um die Einfüh- rung eines EG-weiten Werbever- bots für Tabakwaren ist die Frage nach dem Einfluß der Werbung auf das Rauchen Jugendlicher ins Zen- trum der Diskussion gerückt. Die Bundesgesundheitsministerin hat so- gar ein entsprechendes Forschungs- vorhaben angekündigt. Brauchen wir wirklich ein solches Forschungpro- jekt, oder läßt der gegenwärtige Kenntnisstand nicht schon bereits ei- ne Antwort auf die Themafrage zu?

~ 90 Prozent aller Raucher be- ginnen ihre Raucherkarriere vor dem zw~_nzigsten Lebensjahr.

~ Uber 93 Prozent aller Ju- gendlichen halten Rauchen für ge- sundheitsschädlich. Es wird also nicht aus Unkenntnis geraucht, son- dern mit Risikobereitschaft

~ Rund eine Million neue Konsumenten pro Jahr - es ist kein Zweifel, daß Jugendliche die wich- tigste Zielgruppe der Tabakwerbung sein müssen, insbesondere vor dem Hintergrund eines sonst schrump- fenden Marktes.

Diese wenigen Schlaglichter mö- gen genügen, um die Konstellation Jugend und Tabakindustrie zu be- schreiben. Welche Instrumente ste- hen jedoch zur Verfügung, um einen möglichen Einfluß der Tabakwer- bung auf das Rauchverhalten Ju- gendlicher zu verifizieren? Da sind Selbstaussagen jugendlicher Rau- cher, Beobachtungen der Werbewir- kung und Interventions-St~dien.

1976 wurde für den "Arztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesund- heit e. V." eine Repräsentativbefra- gung bei 2000 Oberschülern im Alter von 12 bis 20 Jahren aus Nord-Baden durchgeführt. Bei der Page nach ih- ren Motiven für das Rauchen ant-

warteten 28 Prozent mit "Nachah- mung", und 23 Prozent gaben an:

"Manipulation durch Reklame".

Fast zwei Drittel der Befragten wa- ren der Meinung, daß Zigarettenre- klame den Verbraucher stark beein- flußt. Der Anteil stieg dabei von 53 Prozent bei den 12- bis 14jährigen auf 73 Prozent in der Gruppe der 18- bis 20jährigen.

1982 wurde eine weitere Unter- suchung bei Schülern von 10 bis 19 Jahren aus 35 Schulen in fünf Bun- desländern durchgeführt. Auswert- bar waren 9080 Fragebögen. Auf die Frage: "Meinst du, daß Zigaretten- reklame zum Rauchen verleitet?" er- kannten von den nichtrauchenden Schülern 69 bis 97 Prozent der Ziga- rettenreklame einen starken Einfluß zu, von den rauchenden Schülern im- merhin noch 54 Prozent.

Wirkung der Werbung aufJugendliche

Ein noch höherer Beweiswert als diesen subjektiven Einschätzungen kommt den Studien über Werbewir- kungen auf Kinder zu. In einer belgi- schen Studie an der Universität Lou- vain wurde untersucht, ob Jugendli- che von Tabakwerbung mehr ange- zogen würden als Erwachsene. Für acht vorgelegte Zigarettenwerbun- gen gaben 45 Prozent der Erwachse- nen an, diese noch nie gesehen zu haben, hingegen nur 18 Prozent der Jugendlichen. Durchschnittlich 72 Prozent der Jugendlichen konnten Zigarettenwerbung einer bestimm- ten Marke zuordnen, aber nur 45 Prozent der Erwachsenen konnten das. Wenn Werbung bedeutet, den Bekanntheitsgrad zu steigern, dann

A-4112 (32) Dt. Ärztebl. 88, Heft 47, 21. November 1991

Referenzen

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