• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Psychiatrie in Bosnien: Manchmal hilft nur Herzlichkeit" (16.06.1995)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Psychiatrie in Bosnien: Manchmal hilft nur Herzlichkeit" (16.06.1995)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

POLITIK

E

.4

wie sie in der allgemeinen Umwelt un- seres Landes vorkommen, sind be- drohliche Gesundheitsschäden nicht zu erwarten. Bei besonders empfindli- chen Personen können bei gleichzeiti- ger starker körperlicher Belastung vorübergehend Einschränkungen der Lungenfunktion sowie Husten auftre- ten. Einzelne Personen können auch schon bei natürlichen Ozonkonzen- trationen reagieren. Personen, die sich nicht stark körperlich belasten, be- kommen in der Regel auch keine Be- schwerden. Relevante Dauerschäden sind bisher nicht beobachtet worden.

Es gibt keine Veranlassung, bei Ozonkonzentrationen von weniger als 360 Mikrogramm/m 3 das Haus nicht zu verlassen. Ozon ist ein Indi- kator von vielen gesundheitsschädli- chen Faktoren, die in komplexer Wei- se die Luftgüte der Außenluft min- dern können. Aus diesem Grunde ist das gesundheitspolitisch relevante Ziel nach wie vor die Einschränkung der anthropogenen Ozonquellen.

(Dabei ist das höhere Ziel eher die Reduktion der Vorläuferschadstoffe als die Beseitigung des Ozons selbst.) Auch bei einem Versiegen sämtlicher anthropogener Ozonquellen kann die Durchschnittsbelastung durch Ozon höchstens um 50 Prozent reduziert werden. Natürliche Spitzenwerte oberhalb von 200 Mikrogramm/m 3 dürften auch in einer solchen (theore- tischen) Situation unter gleichblei- benden geoklimatischen Vorausset- zungen weiterhin die Regel sein. Inso- fern relativiert sich die Frage, ob lun- gengesunde Kinder, Schulkinder und Erwachsene sich bei sommerlich ho- hen Ozonwerten im Freien belasten dürfen.

Bei den in der Regel dabei anzu- treffenden Außentemperaturen über 30 Grad Celsius liegt ein vernünftiges gesundheitsbewußtes Verhalten in der Verantwortung eines jeden einzel- nen. In jedem Falle ist eine Kasernie- rung von Kindern unter solchen Be- dingungen mit wesentlich mehr rele- vanten negativen gesundheitsschädli- chen Auswirkungen verbunden als der Aufenthalt im Freien. „Kinder sind selbst vernünftig genug, bei 35 Grad Celsius nicht zu rennen."

Dr. rer. nat. Claus Rink

Prof. Dr. med. Ulrich Hüttemann Prof. Dr. med. Heyo Eckel

AKTUELL

Psychiatrie in Bosnien

Tuzla, etwa 100 Kilometer nord- östlich von Sarajewo, ist die zweit- größte Industriestadt von Bosnien.

Hier leben heute rund 110 000 Ein- wohner und 70 000 Flüchtlinge. Ein großer Teil der urbanen Bevölkerung ist ins Ausland geflohen, Menschen aus ländlichen Bereichen mit traditio- nellen Lebensweisen haben ihren Platz eingenommen.

Seit drei Jahren herrscht in der Region Bürgerkrieg. Tuzla ist fast.

vollständig von humanitärer Hilfe ab- hängig. Nur wenige Zufahrtsstraßen führen in die Stadt und in die Lager der UNHCR.

Eingeschränktes Therapieangebot In der Stadt selber sind nur weni- ge Spuren des Krieges zu sehen. Ver- einzelt haben Granaten Einschlagmu- ster im Asphalt und an den Häuser- wänden hinterlassen. Zerborstene Fensterscheiben sind mit Pla- stiksäcken notdürftig repariert. Nur wenige Häuser sind ernsthaft beschä- digt. Die Maschinen der Fabriken ste- hen still, von den drei riesigen Schlo- ten des Kohle-Kraftwerks raucht nur einer.

Die Luft ist stickig. An vielen Stellen qualmen Müllcontainer. Auf den Balkonen der in sozialistischer Architektur entstandenen Wohnsilos ist Holz gestapelt. In Zeiten der Blockade gibt es keinen Strom und keine Heizung. Die psychiatrische Klinik liegt am Rand der Stadt. Sie ist

Die psychiatrische Klinik von Tuzla, am Stadtrand ge- legen, ist der Universitätsklinik angegliedert.

Teil des universitären Klinik-Zen- trums. Der leitende Arzt, Dr. Osman Sinanovic, ist gleichzeitig Vize-Dekan der medizinischen Fakultät.

Das Gebäude macht von außen einen guten Eindruck; es wurde 1993 vom Internationalen Roten Kreuz teilweise renoviert. Das Innere läßt mich zunächst erschrecken. Die Wän- de sind kahl, der Putz bröckelt an vie- len Stellen ab. Keine Tapeten, keiner- lei Mobiliar. Die Patienten sitzen oder liegen auf nackten Schaumgummi- Matratzen. Bettwäsche gibt es nicht, nicht einmal genug Decken.

Es kann kalt werden in Tuzla, bis zu 20 Grad minus im Winter. In diesen

Manchmal hilft nur Herzlichkeit

Hans—Georg Hoffmann

Seit drei Jahren herrscht Bürgerkrieg in der Region Bosnien-Herzegowina. Mit den Folgen des Krieges fertig zu werden überfordert viele der Betroffenen nicht nur physisch, sondern auch psychisch. „Posttraumatische Belastungsreaktion" lautet eine häufig gestellte Diagno- se in der psychiatrischen Klinik von Tuzla in Bosnien. Ein deutscher Arzt berichtet von seinen Erfahrungen bei einem Besuch in der hoffnungslos überfüllten und unterversorgten Klinik.

A-1724 (18) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 24, 16. Juni 1995

(2)

Die Patientin Dann ist den Erlebnissen des Krieges psychisch nicht mehr gewachsen.

POLITIK

Tagen, Anfang März, ist es mild. Es gibt den ganzen Tag Strom, so daß die Heizung in der Klinik läuft. Wo vor dem Krieg 45 Patienten behandelt wurden, müssen jetzt über 120 Platz finden. Zusätzlich sind noch 80 Pati- enten in zwei kleineren Gebäuden et- was vom Haupttrakt entfernt unter- gebracht. Die Region wurde früher noch von der Klinik in Modrica mit- versorgt, in der überwiegend chro- nisch Kranke behandelt wurden.

Heute ist Modrica von den Serben be- setzt.

Sinanovic berichtet, daß die Kli- nik von der WHO und dem Interna- tionalen Roten Kreuz unterstützt wird, wenngleich die Hilfe nicht kon- tinuierlich ist. Mal reichen die Medi- kamente nur für 50 Patienten, ein an- deres Mal müssen die Substanzgrup- pen der Neuroleptika gewechselt wer- den, da nicht genügend Einzelsub- stanzen zur Verfügung stehen. Das schränkt natürlich die Behandlung deutlich ein.

Für die psychotherapeutische Betreuung steht nur eine Psychologin zur Verfügung. Auch sonst gibt es keinerlei psychotherapeutisches Be- handlungs- und Beratungsangebot in der Stadt. Die wenigen Psychologen, die vor dem Krieg in Tuzla tätig wa- ren, haben, wie viele andere mit quali- fizierter Ausbildung, die Stadt verlas- sen und sind ins Ausland gegangen.

Dana ist in der vergangenen Nacht aufgenommen worden. Sie hat- te in den letzten zwei Wochen kaum geschlafen und unter starken Angst- zuständen gelitten. Verwandte hatten sie aus ihrem kleinen Dorf, etwa 15 Kilometer von Tuzla entfernt, in die Klinik gebracht.

Mit versteinertem Gesicht sitzt sie in ihren traditionell muslimischen Kleidern auf der Bettkante. Die Oberschwester kann noch nicht viel zur Vorgeschichte berichten, zu einsil- big verläuft das Gespräch. Die Infor- mationen der Verwandten deuten darauf hin, daß es sich hier um eine posttraumatische Belastungsreaktion handelt, eine häufige Diagnose in die- sen Tagen. Wie kann hier geholfen werden, bei so wenig Personal, das zu- dem für den Umgang mit Gewalter- lebnissen nicht ausgebildet ist?

Dazu kommt, daß die traditionell lebende ländliche Bevölkerung es

AKTUELL

nicht gewöhnt ist, über ihre Probleme zu sprechen, schon gar nicht, wenn es um so existentielle Erlebnisse wie ei- ne am eigenen Leib erfahrene Verge- waltigung oder die Ermordung naher Familienangehöriger geht. Oft dauert es wochen- und monatelang, bis sie überhaupt darüber reden können

— oft geht es gar nicht.

Unberechenbar wie das Wetter

Mit Dana sind auf dieser Station noch 48 Patienten. Sie werden von ei- nem Arzt und zwei Schwestern be- treut, die seit drei Jahren kein Gehalt bekommen haben. Auf die Frage, wo- von sie denn leben, ernte ich nur ein verlegenes Lächeln. Es ist auf Dauer beschämend, auf humanitäre Hilfe von außen angewiesen zu sein.

Das Personal lebt und arbeitet in einer andauernden Kriegssituation.

Wenn es auch im Moment ruhig ist, so gab es doch in den vergangen Jahren immer wieder Perioden, in denen re- gelmäßig Granaten in Tuzla einschlu- gen.

„Manchmal kamen sie im Stun- dentakt, wohl um uns zu demoralisie- ren", erzählt eine Schwester. „Mit der Zeit registriert man sie aber kaum noch, es ist wie mit dem Wetter, mal regnet es mehr, mal weniger."

Alle — egal, welcher Volksgruppe sie angehören — sind sich einig, daß sie so bald wie möglich Frieden wollen,

um wieder normal leben zu können.

„Unter uns gibt es Moslems, Serben und Kroaten", erzählt die Schwester weiter, „und alle sind Freunde, wir ha- ben keinen Haß."

Für Sinanovic ist es ein großes Problem, daß viele soziale Strukturen zerstört sind, um Patienten wieder aufzunehmen, wenn sie entlassungs- fähig sind. Familien sind auseinander- gerissen, Häuser, ganze Dörfer und Städte zerstört.

Vor dem Krieg gab es Ansätze, ein sozialpsychiatrisches Verbundsy- stem aufzubauen. Es gab einige Wohngruppen und Wohnheime, eine Tagesklinik war im Aufbau. Heute gibt es keine Mittel mehr, dieses zu er- halten beziehungsweise fortzuführen.

Viele Patienten können deshalb nicht entlassen werden, sie könnten unter den Bedingungen des Krieges nicht überleben.

Wenn auch am Anfang die äuße- ren Bedingungen der Klinik be- drückend wirken, so spüre ich nach ei- niger Zeit, daß eine warme, freundli- che Atmosphäre herrscht. Alle gehen achtungsvoll und freundlich mitein- ander um, so daß der Zustand der Räumlichkeiten mehr und mehr in den Hintergrund tritt.

Anschrift des Verfassers:

Hans-Georg Hoffmann DRK-Tagesklinik,

DRK—Fachklinik Hahnknüll GmbH Postfach 23 03

24513 Neumünster

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 24, 16. Juni 1995 (19) A-1725

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

15.2 Der Anbieter verpflichtet sich, DN und seine verbundenen Unternehmen, Auftragnehmer, Unterauftragnehmer, Kunden und deren jeweilige Nachfolger und Rechtsnachfolger

b) bei einer wesentlichen Vertragsverletzung durch Siemens, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Eingang einer schriftlichen Mitteilung durch den

(7) Im Fall einer Kündigung nach diesem § 6 erhalten die Gläubiger einen Betrag („Kündigungsbetrag“), der von der Emittentin als angemessener Marktpreis für die

(5) Im Fall einer Kündigung nach diesem § 6 erhalten die Gläubiger einen Betrag („Kündigungsbetrag“), der von der Emittentin als angemessener Marktpreis für die

Wenn die Schuldverschreibungen insgesamt zurückgezahlt werden, zahlt die Emittentin jedem Gläubiger in Bezug auf jedes von diesem Gläubiger gehaltene Schuldverschreibungen einen

Bedingungen für die eigenen Untersuchungen 51 Die gaschromatographischen Harnsteroidprofile wurden unter Verwendung einer Optima-1 Kieselglassäule ermittelt, wobei Helium

Bestellung bei deineTorte.de mit Lieferung in die Schweiz ist nur per Mail möglich. Hierzu bitte eine E- Mail mit der Angabe des gewünschten Artikels und des Gutscheincodes an

Fällt der Endfälligkeitstag (wie in § 4 (1) definiert) in Bezug auf eine Schuldverschreibung auf einen Tag, der kein Geschäftstag ist, hat der Anleihegläubiger -