Pharmakakinetik
während der Schwangerschaft, unter der Geburt
und im Wochenbett
Joachim Hüter
Aus der Universitäts-Frauenklinik Haideiberg (Direktor: Professor Dr. med. Fred Kubli)
Die Pharmakakinetik in der Schwangerschaft hat außer drei Vertei- lungsräumen, den Kompartimenten Schwangere, Frucht und Frucht- wasser, noch das Gestationsalter zu berücksichtigen. Hinter dem Gestationsalter verbirgt sich die praktisch wichtige Frage nach der negativen Beeinflußbarkeit der Organogenese. beziehungsweise nach der eventuell· kurz bevorstehenden Geburt. Die drei Komparti- mente stehen auf zwei Wegen, die diaplazentare und die parapla- zentare Passage, untereinander im Austausch~
Definition und Abgrenzung
Die Begriffe "Pharmakokinetik"
und "Pharmakodynamik" haben sich während der letzten Jahre mehr und mehr im medizinischen Sprachgebrauch eingebürgert. Da- bei ist linguistisch nicht unmittel- bar klar, ob es sich bei ihnen um Synonyma handelt.
Konventional versteht man unter Pharmakakinetik die Erforschung der ADME-Vorgänge, das heißt der Resorption (Absorption), Verteilung (Distribution), biologische Um- wandlung (Metabolismus) und Aus- scheidung (Exkretion) eines Phar- makons im tierischen oder mensch- lichen Organismus.
Unter Pharmakadynamik wird der Verlaut aller durch das Pharmakon induzierten Wirkungen verstanden.
Nach der Verabreichung einer
pharmakologischen Substanz hat man grundsätzlich drei Wirkungsty- pen zu erwarten:
..,.. Hauptwirkungen, ..,.. Nebenwirkungen, ..,.. Wechselwirkungen.
Die Beschreibung "erwünschter"
Hauptwirkungen, "unerwünschter"
Nebenwirkungen und der Wechsel- wirkungen gehört zur Pharmakody- namik. Es versteht sich von selbst, daß in Abhängigkeit vom Therapie- ziel die Nebenwirkung zur "er- wünschten" Hauptwirkung werden kann und umgekehrt.
ln Grenzbereichen der Forschung verschwimmt die scharfe Tren- nungslinie zwischen Pharmakaki- netik und Pharmakodynamik. ln diesem Grenzgebiet befindet sich zum Beispiel die Lehre vom Wir-
kungsmechanismus, bei dessen Er- forschung man sich der Methoden beider Disziplinen bedienen wird.
Eingrenzung des Themas
Die pharmakakinetischen Beson- derheiten unter der Geburt können nicht von den Verhältnissen in der Schwangerschaft und im Woch·en- bett losgelöst werden. Dabei gilt das Interesse bis zur Geburt bei- den, der Schwangeren (Kreißen- den) und dem Embryo (Feten) und nach der Geburt der Wöchnerin und dem Neugeborenen.
Die nachstehende schematisieren- de Einteilung, die noch die Früh- schwangerschaft abtrennt, ist kli- nisch relevant (Tabelle 1). Aus ihr sind die Zeiträume und die Kom- partimente zu entnehmen .
Pharmakakinetik
in der Frühschwangerschaft (1. bis 12. Woche)
Unsere Kenntnisse über die ADME- Vorgänge in den ersten zwölf Wo- chen der Schwangerschaft sind noch lückenhaft, die meisten Vor- stellungen stammen aus Tierversu- chen.
Embryo
Pharmaka können die befruchtete Eizelle auch schon in den ersten 15 Tagen post conceptionem (Dittu-
DEurSCHES ARZTEBLATI' Heft 2 vom 9. Januar 1975 73
Pharmakokinetik-Typen Zeiträume Kompartimente
Schwangere
Schwangerschaft 13.-42. Woche Fetus
Fruchtwasser Kreißende
Geburt Wehenbeginn bis Geburt Fetus
Fruchtwasser
Frühschwangerschaft 1.-12. Woche Embryo
„Früh"-Schwangere Aktuelle Medizin
Pharmakokinetik in der Schwangerschaft
sion) erreichen und rufen, wenn sie schädigende Eigenschaften besit- zen, einen Frühabort hervor, der oft nur wie eine verspätet einset- zende, starke Menstruation verläuft (Darstellung 1). In diesen ersten 15 Tagen gilt also das Alles-oder- Nichts-Gesetz: gesunder Fet trotz Noxe oder intrauteriner Fruchttod.
Vom 16. bis 42. (45.) Tag gelangen wohl bis zu einem bestimmten Mo- lekulargewicht (1000?) alle Sub- stanzen zum Embryo, der sich in der Phase der Organogenese be- findet und nun alle Austauschsy- steme (Diffusion, erleichterte Diffu- sion, aktiver Transport) entwickelt.
In dieser Zeit können durch eine nicht sachgerechte Pharmakothe- rapie die schwersten Mißbildungen ausgelöst werden. Schwere Mißbil- dungen entstehen auch noch in der sechsten bis zwölften Schwanger- schaftswoche. Über die zwölfte Woche hinaus ist noch die Ent- wicklung des Gehirns, der Augen und der weiblichen Geschlechtsor- gane durch Pharmaka (negativ) be- einflußbar.
„Früh"-Schwangere
In den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft erreicht die Ver-
größerung des Extrazellulärraums noch keine ausgeprägten Werte, ebenfalls ist die Nierenfunktion nur mäßig gesteigert.
Störungen der Pharmakokinetik können durch eine möglicherweise bestehende Hyperemesis mit ihren Veränderungen im Stoffwechsel der Grundnahrungsstoffe und Mi- neralien zustande kommen und müssen vermieden werden; also keine .orale, dafür aber parenterale Therapie!
Pharmakokinetik in der Schwangerschaft (13. bis 42. Woche)
Diaplazentare
und paraplazentare Passage Neben den Kompartimenten Mutter und Fetus kommt jetzt als drittes Kompartiment das Fruchtwasser hinzu, das bis zum Geburtstermin immer mehr an Bedeutung ge- winnt.
Der Austausch zwischen der Schwangeren und der Frucht kann diaplazentar und paraplazentar (über die Eihäute) verlaufen, und
zwar in beiden Richtungen (mater- nofetal und fetomaternal) (Darstel- lung 2).
Während beim diaplazentaren Weg die Plazenta die Barriere und das Blut der Vektor ist, gibt es beim paraplazentaren Transfer mehrere Barrieren: Eihäute, Haut, Lungen, Darm, Nieren. Das Fruchtwasser ist Transportmedium. Des weiteren hat das Fruchtwasser Reservoir- funktion für Pharmaka. Ein Kurz- schluß in beiden Richtungen (aus dem Fruchtwasser zur Schwange- ren und zum Feten!) ist noch über die im Fruchtwasser schwimmende Nabelschnur möglich.
Der diaplazentare Transport, das heißt die pro Zeiteinheit und Flä- cheneinheit (über die Plazenta) ausgetauschte Substanzmenge in Gramm nimmt mit Konzentrations- unterschied (Gradient) und Lipoid- löslichkeit zu, mit Molekularge- wicht, Dissoziationsgrad und Ei- weißbindung dagegen ab (Darstel- lung 3).
Für den paraplazentaren Aus- tausch (über die Eihäute) wird ähn- liches gelten. Gesichert ist bis jetzt (Darstellung 4), daß die ausge- tauschte Substanzmenge eine po- sitive Funktion des Gradienten und
Tabelle 1: Pharmakokinetik
Wochenbett Geburt bis
a) Abstillen a) Wöchnerin
b) 6 Wochen post partum b) Neugeborenes
24 Extremitäten 36
42. 60. 90. Tag 120. 150. Tag 1.-6. Lebens- 6.-12. Woche 4.-9. Monat woche 0. 7 15. Tag
Zeitachse
weibliche
50 Geschlechtswege männliche
45 Geschlechtswege 90 37 Gonaden 46
150
Befruchtung Nidation
Gastrulation
Zeitplan der Organentwicklung
24 Auge 40 18 Herz 40
18 Hirn 38 ..."..».-
Fetogenese Blasto-
genese Spermio-
00- genese
Feto- pathie Gono-
pathie Blasto- Embryopat h i e pathie
funktionelle Anomalien Miß-
bildungen Sterilität Tod-
Abort
Neonatale Adaptations-
phase Neonato-
pathie Adaptations- störungen Entwicklungs-
phasen
Pharmakogene Nebenwirkung
Organo- genese
Schwere Mißbildungen
Darstellung 1: Pharmakogene Nebenwirkungen und Zeitplan der Organentwicklung
WL_
eine negative des Molekularge- wichts ist. Als Austauschmechanis- mus konnte eine Porendiffusion, die wohl die Hauptrolle spielt, nachgewiesen und ein aktiver Transport wahrscheinlich gemacht werden (eigene Untersuchungen).
Daten des
diaplazentaren Transports
Für den Pharmakatransport von der Mutter zum Feten, der parallel zur Durchblutung stattfindet, gelten auf beiden Seiten der Austausch- fläche unterschiedliche Bedingun- gen (wie Viskosität, Eiweißbin- dungskapazität, Hämoglobin).
Das mütterliche Plazenta-Minuten- Volumen wird mit etwa 500 (bis 750) Milliliter pro Minute am Ter- min angegeben, das fetale Plazen-
ta-Minuten-Volumen mit etwa 200 Milliliter pro Minute am Termin.
Der Perfusionsdruck in den Plazen- taarterien beträgt um 70 mm Hg.
Die Gesamtaustauschfläche ist ein Vielfaches der Oberfläche des Chorioamnion.
Daten
des paraplazentaren Transports Die Eihautoberfläche (Chorioam- nion) beträgt am Termin 0,14 ± 0,02 Quadratmeter, der Radius der Interzellulärkanälchen für das Chorion 76 Angström, für das Am- nion 85 Angström, die Choriondik- ke 0,0370 ± 0,08 Zentimeter, die Amniondicke 0,0138 ± 0,04 Zenti- meter.
Das Fruchtwässervolumen am Ter- min unterliegt großen Schwankun-
gen, als Mittelwert werden 1000 Milliliter angegeben. Die totale Fruchtwasserneubildung (Miktion, Amnion, Lungen) beträgt am Ter-
min in 24 Stunden 400 Milliter, während das gesamte Fruchtwas- ser-H20 alle zwei Stunden und die Fruchtwasser-Ionen alle acht Stunden ausgetauscht werden.
Der Fet schluckt am Termin 500 Milliliter in 24 Stunden, während seine Miktion in das Fruchtwasser 200 (250) Milliliter in 24 Stunden be- trägt.
Vergleicht man den paraplazenta- ren und den diaplazentaren 24- Stunden-Transfer unter quantita- tiven Gesichtspunkten, so stellt man fest, daß der paraplazentare Aus- tausch nur einen Bruchteil des Ge- samtaustausches darstellt. Der
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 9.Januar 1975 75
Kompartiment II Fetus
Haut (dermale Resorption) Lungen ( pulmonale Resorption)
Darm (gastrointestinale Resorption intestinale Elimination )
Nieren ( renale Elimination Plazenta Nabelschnur •
• Kompartiment I
Mutter
Kompartiment III Fruchtwasser
Aktuelle Medizin
Pharmakokinetik in der Schwangerschaft
Hauptaustausch läuft über die Pla- zenta. Für spezielle Fragen kann aber auch der 24-Stunden-Transfer über die Eihäute am Termin von Wichtigkeit sein (qualitative Unter- schiede?!). Er beträgt zum Beispiel bei einem gegebenen Konzentra- tionsgradienten für Glukose 360, Kreatinin 185, Aminosäuren 800 (Mittelwert), Kalzium 0,09, Ampicil- lin 14 und Gammaglobuline null Milligramm (eigene Meßwerte).
Schwangere
Die gesunde Schwangere erweitert ihren Extrazellulärraum und reti- niert bis zu vier Liter Flüssigkeit, woraus auf Grund des vergrößer- ten Verteilungsvolumens eine Phar-
makaverdünnung resultiert. Bei Gestose mit Ödemneigung können noch wesentlich größere Flüssig- keitsmengen zurückgehalten wer- den.
Des weiteren kommt es zu einer glomerulären und tubulären Funk- tionssteigerung. Auf dieser erhöh- ten Clearance beruht die vermehr- te renale Pharmaka-Elimination.
Daraus (vergrößertes Verteilungs- volumen, erhöhte Elimination) er- gibt sich bei der Pharmakotherapie theoretisch die Wahl des oberen Dosisbereichs.
Fetus
Die Frucht ist nur in begrenztem Umfang in der Lage, selbst Phar-
maka abzubauen. Die fetale Blut- Liquor-Schranke ist niedrig, das heißt leicht durchdringbar. Durch Fruchtwasser-Schlucken werden ständig fruchtwassergelöste Sub- stanzen vom Feten aufgenommen, auch dann noch, wenn die mater- nen und fetalen Blutspiegel schon längst wieder abfallende Tendenz zeigen. Ebenso wie die Zufuhr von der Mutter zum Feten erfolgt auch die Abgabe vom Feten an die Mut- ter dia- und paraplazentar. Die pa- raplazentare Abgabe von Pharma- ka ist einmal durch die renale Kon- zentrationsfähigkeit des Feten und das fetale 24-Stunden-Miktionsvo- lumen und zum anderen durch die Gesetze der Pharmakokinetik im Bereich des Chorioamnion be- grenzt. i>
Diaplazentare Passage
Paraplazentare Passage
Darstellung 2: Austauschwege in der Schwangerschaft
Darstellung 3: Diaplazentare Passage O Lipoidlöslichkeit
O Konzentrationsgradient O Molekulargewicht O Dissoziationsgrad O Eiweißbindung
Darstellung 4: Paraplazentare Passage
O Konzentrationsgradient
(T)
O Molekulargewicht
(1)
Darstellung 5: Translaktale Passage O Fettlöslichkeit
O Wasserlöslichkeit O Konzentrationsgradient
• pK der Substanz (basisch)
• pH der Milch (sauer) O Jonisationsgrad O Molekulargewicht Fruchtwasser und Nabelschnur
Soweit man heute weiß, hat das Fruchtwasser im wesentlichen drei pharmakokinetische Aufgaben, nämlich Reservoirfunktion (Spei- cher für Pharmaka), Vektorfunktion (Transport von Pharmaka an die Austauschflächen) und drittens Stoffwechselfunktion durch die i ihm gelösten Fermentsysteme.
Die Aufgaben der Nabelschnur sind ebenfalls noch unklar. Sie be- stehen ohne Zweifel nicht nur in der Sicherstellung einer humoralen Verbindung zwischen der Schwan- geren und dem Feten durch die doppelte arterielle und die einfa- che venöse Strombahn. Es ist be- kannt, daß im Fruchtwasser gelö- ste Substanzen in die Nabelschnur eintreten und von ihr zur Basalplat- te der Plazenta und in die Vene (und damit zurück zum Feten) und in die beiden Arterien (und damit
„sekundär diaplazentar" zur Mut- ter) gelangen können.
Pharmakokinetik
unter der GeburtUnter der Geburt sind zusätzlich zu den für die Terminschwangerschaft gültigen pharmakokinetischen Grundtatsachen noch einige Be- sonderheiten zu beachten:
Kreißende
Mit Einsetzen einer regelmäßigen Eröffnungswehentätigkeit kommt es bei der Kreißenden zu einer Clearanceerniedrigung mit konse- kutiver renaler Eliminationssen- kung für Pharmaka (neben Oxyto- cin wird im Hypophysen-Hypothala- mus-Bereich auch Vasopressin freigesetzt!).
Wenn die Eihäute gesprungen oder zur Intensivüberwachung ge- sprengt worden sind, ist zwar der paraplazentare Transfer (aus dem Fruchtwasser über die Eihäute zur Mutter) nicht mehr sichergestellt.
Pharmaka aber, die der Fet mit der Miktion in das Fruchtwasser abge-
geben hat, können direkt mit dem ablaufenden Fruchtwasser nach außen gelangen. Außerdem ist bei jeder Medikation an die Kreißende daran zu denken, daß die Substan- zen zum Feten übertreten und — wenn zwischenzeitlich die Geburt eintritt — bei ihm verbleiben. Das Neugeborene hat bei vielen Phar- maka aber große Schwierigkeiten, mit ihnen fertig zu werden.
Fetus
Auch eine „normale" Eröffnungs- wehentätigkeit stellt für den Feten eine Belastung dar, was sich unter anderem zum Beispiel in seiner
„physiologischen Acidose" äußert.
Bei respiratorischer und/oder nu- tritiver Plazentainsuffizienz ist der Geburtsstreß für den Feten entspre- chend größer. Dies bedeutet, daß bei gegebener pH-Abhängigkeit der Enzymprozesse der pharmaka- abbauende Stoffwechsel gestört sein kann.
Wenn die Kreißende sub partu Schwierigkeiten hat, Pharmaka zu eliminieren, so wird es nach den pharmakokinetischen Gesetzen
des diaplazentaren Transfers zu ei- nem erhöhten und verlängerten An- gebot an den Feten kommen, der als Neugeborenes die schon ange- deuteten und nachfolgend be- schriebenen Schwierigkeiten hat.
Über das Fruchtwasserschlucken und die Miktion sub partu ist nichts bekannt, jedoch kann unterstellt werden, daß bei Eintritt des Kopfes ins Becken das Schlucken keine Bedeutung mehr hat.
Fruchtwasser
Solange die Eihäute noch intakt sind, hat das Fruchtwasser auch sub partu Speicher-, Vektor- und Stoffwechselfunktion. Beim Blasen- sprung löst sich das dritte Kompar- timent auf und der paraplazentare Transfer kommt zum Stillstand.
Applikationsstellen
Werden in der Schwangerschaft Pharmaka benötigt, bedarf entwe- der die Schwangere oder der Fet oder auch ihr gemeinsames Organ, die Plazenta mit Eihäuten, einer
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 9.Januar 1975 77
Applikationsort Applikationsweg Ziel-Kompartiment Indikation (z. B.)
Substanz (z. B.) Schwangere
Kreißende
Übliche Wege
(oral, intravenös, intra- muskulär, subkutan, usw.)
Schwangere Fet
(Plazenta) Fruchtwasser
Infektion
a) Bauchhöhle: Hohl- nadel, Katheter (In- stillation)
b) Muskulatur: Hohlna- del (intramuskulär) c) Kopfschwarte: Hohl-
nadel (subkutan)
a) schwerer Morbus haemolyticus neonatorum b) ?
c) Acidose
Blut, Antibiotika
Puffer Fetus
Fruchtwasser Hohlnadel, Katheter (transabdominale, in- traamniale Instillation)
a) intrauterine Malnutrition b) Infektion
a) Aminosäuren b) Antibiotika Hohlnadel (inter-
villöse Instillation)
(Plazenta) diagnostische flow- Radionuklide Messung
Plazenta
Antibiotika
Fetus
(nur sub partu) a) Fetus
b) Fruchtwasser Aktuelle Medizin
Pharmakokinetik in der Schwangerschaft
Therapie. Obwohl die drei Kompar- timente Schwangere, Frucht und Fruchtwasser, im ständigen Aus- tausch miteinander stehen, bietet die Wahl des richtigen Applika- tionsortes doch pharmakokineti- sche Vorteile. In der nachfolgen- den Übersicht (Tabelle 2) sind die experimentellen Applikationsorte und -verfahren weggelassen und nur die klinisch erprobten Verfahren mit Einzelbeispielen aufgeführt worden.
Pharmakokinetik im Wochenbett
Durch die Geburt sind die direkten und kontinuierlichen Verbindungs- wege, nämlich der diaplazentare, paraplazentare und sekundär dia- plazentare zwischen der Schwan- geren und dem Feten unterbrochen worden. Die Mutter ist nicht länger für die nutritive, respiratorische, exkretorische und endokrine Ver- sorgung des Feten verantwortlich.Das Neugeborene mußte abrupt diese Funktion selbst übernehmen.
Auch das gesunde Neugeborene kann das in den ersten sechs Le- benswochen nur unzureichend.
Das geschädigte oder frühreife Neugeborene hat in dieser „Phase der neonatalen Adaptation" noch größere Schwierigkeiten.
Durch das Stillen kommt es über die Muttermilch zu einer fakulta- tiven, einseitig gerichteten (mater- no-neonatal) und diskontinuierli- chen Verbindung zwischen der Wöchnerin und dem Neugebore- nen.
Wöchnerin
Bei vielen Substanzen, die der stil- lenden Wöchnerin verabreicht wer- den, muß man damit rechnen, daß sie in die Muttermilch eintreten und so beim Neugeborenen Neben- wirkungen hervorrufen.
Die Wöchnerin selbst baut den in der Schwangerschaft vergrößerten
Extrazellulärraum nach und nach ab und kehrt wieder zu einer nor- malen Nierenfunktion zurück, wäh- rend die Milchproduktion stetig bis zum Erreichen eines bestimmten Plateaus zunimmt und dann über längere Zeit eine 24-Stunden-Men- ge von 800 bis 1000 Gramm betra- gen kann.
Translaktale Passage
Die verschiedenen Stoffe, die das gestillte Neugeborene mit der Mut- termilch aufnimmt, treten nicht nur durch einfache Diffusion in die Milch über, sondern können auch aus dem Plasma selektiv aufge- nommen und durch aktive Sekre- tionsleistung des Milchdrüsenepi- thels mit höherer Konzentration als im mütterlichen Plasma in die Mut- termilch sezerniert werden (hohe Milch-Plasma-Relation!).
Ob Pharmaka in die Muttermilch eintreten, hängt außer von ihrer
Tabelle 2: Apptikationsstellen der Pharmakotherapie in der Schwangerschaft
9. Kraft
Eine Verminderung der rohen Kraft wird als Parese, eine vollständige Aufhebung der aktiven Motilität als Paralyse bezeichnet. Wenn ganze Gliedmaßen befallen sind, wird man bei homolateraler Lähmung von Arm und Bein von einer Hemi- parese, bei beidseitiger Lähmung der Extremitäten von Paraparese, bei Lähmung aller vier Extremitä- ten von Tetraparese sprechen.
Die Verteilung der motorischen Ausfälle wird, je nach Lokalisation der Läsion im Nervensystem, ganz unterschiedlich sein.
Eine stumpfsinnige Durchtestung jedes einzelnen Muskels ist prak- tisch kaum durchführbar und sel- ten nötig. Man wird vielmehr ge- zielt auf Grund der aus Anamnese und bereits beobachteten Sympto- men abgeleiteten Vorstellungen vorgehen. Wenn aus der Vorge- schichte eine Halbseitenlähmung vermutet wird, vergleiche man in entsprechenden Abschnitten die Kraft zwischen rechts und links.
Bei zunehmender Gehbehinderung oder beim Vorliegen beidseitiger Pyramidenzeichen der Beine wird man gezielt die Kraft der beiden unteren Extremitäten prüfen, zum Beispiel, indem der Patient auf ei- nen Stuhl hinaufsteigen muß, sich aus der Hocke erheben muß, den Fußspitzen- oder Hackengang aus- führen wird usw.
Liegt hingegen anamnestisch eine Armplexuszerrung mit motorischer Schwäche des Armes vor, dann wird man gezielt jeden Muskel des betreffenden Armes testen müssen, und ähnlich wird man auch bei ei- ner peripheren Nervenläsion die einzelnen Muskeln distal von der Läsionsstelle exakt untersuchen und ihre Leistung quantitativ testen müssen. Überhaupt ist es notwen- dig, die erhaltenen Ergebnisse quantitativ festzuhalten. Gut brauchbar ist hier die Skala des British Research Council:
0 = keinerlei sichtbare Innervation 1 = Muskelkontraktion sichtbar, aber ohne jeglichen Bewegungsef- fekt
2 = Bewegung unter Ausschaltung der Schwerkraft möglich
3 = Bewegung auch unter Über- windung der Schwerkraft möglich 4 = Bewegung gegen Widerstand möglich
5 = normale Kraft
Zur Registrierung der so quantita- tiv definierten Befunde und um bei späteren Kontrollen exakt verglei- chen und eine Besserung oder eine Verschlechterung definieren
*) Teil I wurde in Heft 47/1974, Seite 3392 ff., Teil II in Heft 48 11974, Seite 3463 ff., Teil III in Heft 49/1974, Seite 3551 ff. veröffentlicht
Fett- und Wasserlöslichkeit, ihrem lonisationsgrad, ihrer Molekülgrö- ße und Konzentration noch vom pH der Milch (im allgemeinen leicht sauer) und dem pK-Wert der Ein- zelsubstanz ab.
Neugeborenes
Die bis zu sechswöchige Phase der neonatalen Adaptation ist gekenn- zeichnet durch eine nur geringe Pharmaka-Abbau-Kapazität auf Grund einer „Unreife der Ferment- systeme", eine limitierte Eiweißbin- dungskapazität (zum Beispiel Bili- rubinfreisetzung durch konkurrie- rende Steroide oder Sulfonamide), einen erhöhten H2O-Umsatz mit vergrößerter Gewebsdurchlässig- keit, eine niedrige Blut-Liquor- Schranke, aus der beispielsweise eine hohe Empfindlichkeit für Opia- te und Sedativa resultiert, und eine translaktale Beeinflußbarkeit durch
„mütterliche" Pharmaka.
Bei einer erforderlichen Pharma- kotherapie der stillenden Wöchne- rin mit Substanzen, die das Neuge- borene schädigen würden, kann man während der Therapie vor- übergehend abpumpen und die Milch verwerfen oder definitiv ab- stillen. Des weiteren besteht beim Neugeborenen im Vergleich zum Kleinkind eine nur geringe Acidität im Magen, eine schnellere enterale Resorption und eine höhere Fähig- keit zur perkutanen Aufnahme von Pharmaka.
Pränatal ist durch Substanzen, die eine Enzyminduktion in der Leber bewirken, eine vorzeitige Reifung der Fermentsysteme zu erreichen.
Dies kommt dem Neugeborenen zugute, das auf Grund seiner ge- steigerten Biotransformation leich- ter mit antenatal, subpartual und postnatal zugeführten Pharmaka fertig wird.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. J. Hüters 69 Heidelberg
Voßstraße 9
Neurologischer
Untersuchungskurs
IV. Teil")
Marco Mumenthaler
Aus der Neurologischen Universitätsklinik Bern (Chefärzte: Professoren Marco Mumenthaler, Albert Bischoff und Kasimir Karbowski)
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 9. Januar 1975 79