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19. Oktober 2012M E D I Z I N
siven mesenterialen Ischämie auch eine Überdosierung einer Digitalismedikation in die differenzialdiagnosti- schen Überlegungen mit einbezogen werden sollte (1).
DOI: 10.3238/arztebl.2012.0709c
LITERATUR
1. Weil J, Sen Gupta R, Herfarth H: Nonocclusive mesenteric ischemia induced by digitalis. Int J Colorectal Dis 2004, 19: 277–80.
2. Klar E, Rahmanian PB, Bücker A, Hauenstein K, Jauch KW, Luther B:
Acute mesenteric ischemia: a vascular emergency. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(14): 249–56.
Dr. med. Robin Sen Gupta St. Agnes-Hospital Bocholt r.sengupta@st-agnes-bocholt.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Neuer Ansatz zur frühen Diagnostik?
Die umfassende Übersicht über die akute mesenteria- le Ischämie war überfällig, denn eine weitere Sensi- bilisierung für dieses komplexe und vor allem im in- tensivmedizinischen Bereich häufig zu spät auf den
„Radar“ genommene Erkrankungsbild ist dringend notwendig (1). Die Autoren weisen auf die erschwer- te Erfassung der „klassischen“ Symptome bei kri- tisch kranken Intensivpatienten hin: Analgosedie- rung, mechanische Beatmung, Volumen- und Vaso- pressorentherapie lassen eine gezielte Diagnostik nur selten zu. Andererseits wird ein zunehmend älteres und komorbides Patientenkollektiv eine höhere
„Dunkelziffer“ der mesenterialen Minderperfusion erwarten lassen – exakte Zahlen gibt es bisher hier - über nicht.
Die Autoren stellen heraus, dass die möglichst ra- sche Bildgebung (Computertomographie mit Kon- trastmittel/Angiographie) das Diagnostikum der Wahl ist. Dies stellt für beatmete, kritisch kranke In- tensivpatienten einen hohen Aufwand mit inhärentem (Transport-)Risiko dar. Darüber hinaus liegt die Inzi- denz des kontrastmittelinduzierten Nierenversagens mit der Notwendigkeit der Nierenersatztherapie bei etwa 16 %, verknüpft mit längerer Intensiv- und Krankenhausbehandlungszeit sowie höherer Mortali- tät (2).
Einen innovativen diagnostischen Ansatz könnte die kontrastmittelverstärkte Sonographie („contrast enhanced ultrasound“ [CEUS]) darstellen: die Injek- tion eines nebenwirkungsfreien Kontrastmittels (Mi- krobläschen aus Schwefelhexafluorid in kleinsten Phospholipidvesikeln als Reflektoren für Ultraschall- wellen) verstärkt die Bildgebung von Gefäßen um ein Vielfaches. Zur zuverlässigen Diagnostik von komplexen Gefäßstrukturen, zum Beispiel nach Ver- sorgung von abdominalen Aortenaneurysmen, liegen schon ermutigende Erfahrungen vor (3), und auch zur frühzeitigen Erfassung der intestinalen Ischämie wurde eine überzeugende prospektive Evaluation durchgeführt (4). Durch eigene positive Erfahrungen
sind wir überzeugt, dass CEUS die (zeit-)aufwändi- ge, „traditionelle“ Bildgebung mit erhöhtem Neben- wirkungspotenzial zum Teil ersetzen könnte.
DOI: 10.3238/arztebl.2012.0710a
LITERATUR
1. Klar E, Rahmanian PB, Bücker A, Hauenstein K, Jauch KW, Luther B:
Acute mesenteric ischemia: a vascular emergency. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(14): 249–56.
2. Hoste EA, Doom S, De Waele J, et al.: Epidemiology of contrast-asso- ciated acute kidney injury in ICU patients: a retrospective cohort ana- lysis. Intensive Care Med 2011; 37: 1921–31.
3. Pfister K, Krammer S, Janotta M, Jung EM, Kasprzak P: Ultrasound for surveillance after endovascular repair of abdominal aortic aneu- rysm – simple and safe? Zentralbl Chir 2010; 135: 409–15.
4. Hamada T, Yamauchi M, Tanaka M, et al.: Prospective evaluation of contrast-enhanced ultrasonography with advanced dynamic flow for the diagnosis of intestinal ischemia. Br J Radiol 2007; 80: 603–8.
Prof. Dr. med. Thomas Bein Klinik für Anästhesiologie Klinik für Chirurgie PD Dr. med. Karin Pfister PD Dr. med. Piotr Kasprzak Abteilung für Gefäßchirurgie Prof. Dr. med. Hans Jürgen Schlitt Klinik für Chirurgie
Prof. Dr. med. Bernhard M. Graf Klinik für Anästhesiologie Prof. Dr. med. Ernst-Michael Jung Institut für Röntgendiagnostik Universitätsklinikum Regensburg thomas.bein@klinik.uni-regensburg.de
Interessenkonflikt
PD Pfister erhielt Erstattung von Teilnahmegebühren für einen Kongress, Rei- se- und Übernachtungskosten sowie Honorare für einen Vortrag von Bracco Altana.
PD Kasprzak erhielt Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen von der Firma Bracco Altana.
Prof. Bein, Prof. Schlitt, Prof. Graf und Prof. Jung erklären, dass kein Interes- senkonflikt besteht.
Schlusswort
K.H. Haegler wirft die wichtige Frage einer zusätzli- chen kontrastmittelbedingten Nierenschädigung auf.
Bei bestehendem Risikoprofil eines Patienten für eine mesenteriale Ischämie besitzt das zeitnahe Kontrast- mittel-CT höchste Priorität. Eine bestehende Nieren- schädigung ist häufig Ausdruck einer Dehydrierung und sollte parallel durch Infusionstherapie behandelt werden. Besteht bei einem Patienten eine bekannte kompensierte Niereninsuffizienz, so muss eine mögli- che additive Kontrastmittelschädigung mit Verschlech- terung der Nierenfunktion in Kauf genommen werden.
K.H. Haegler gewichtet das Problem völlig korrekt: Im Zweifel für die Computertomographie mit Kontrastmit- tel, auch bei Gefahr einer Verschlechterung der Nieren- insuffizienz.
K. Lehmann danke ich sehr für die Ausführungen zum intestinalen Angioödem als Differenzialdiagnose zur akuten mesenterialen Ischämie. Unser Artikel rich- tet sich auf eine möglichst klare Beschreibung der me-
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senterialen Ischämie mit dem Ziel einer Reduktion der persistierend hohen Mortalität durch schnellen Aus- schluss beziehungsweise Detektion einer mesenterialen Gefäßokklusion. Besitzt der Patient das Profil und die klinische Präsentation einer möglichen mesenterialen Ischämie, so muss unverzüglich ein Drei-Phasen-Kon- trastmittel-CT durchgeführt werden. Zeigt dieses freie Gefäßverhältnisse, so können die übrigen Differenzial- diagnosen eingegrenzt werden, ohne den Patienten zu gefährden. Das intestinale Angioödem zählt dazu.
R. Sen Gupta betont, dass eine Überdosierung einer Digitalismedikation als Ursache einer nicht okklusiven mesenterialen Ischämie (NOMI) ätiologisch besondere Bedeutung besitzt. Dem ist nur zuzustimmen. Wir ha- ben daher in der Übersichtstabelle „Klinische Manifes- tation, Risikofaktoren und Klassifizierung“ die „Digita- lismedikation“ als Risiko mit aufgeführt. Eine Überdo- sierung ist im Notfall nicht schnell zu sichern. Daher war es uns wichtig, zu betonen, dass jeder Patient mit Digitalismedikation hinsichtlich einer NOMI genau eingeschätzt werden muss.
T. Bein unterstreicht in seinem Leserbrief die kon- trastmittelverstärkte Sonographie als innovativen dia- gnostischen Ansatz zur Detektion der mesenterialen Ischämie. Die von ihm zitierte Publikation von Hamada et al. (Br. J. Radiol. 2007) hat diese Methode prospektiv evaluiert. Das untersuchte Kollektiv umfasste 50 Pa- tienten, die unter der Diagnose Ileus zur stationären Aufnahme kamen. Die kontrastmittelverstärkte Sono- graphie zielte auf die Detektion von Flusssignalen in der distendierten Darmwand ab. Bei fehlendem Nach- weis der Darmwandperfusion wurde auf eine Ischämie geschlossen. Die Sensitivität der Methode betrug 94,1 %. Die Darstellung der großen Mesenterialgefäße sowohl arteriell als auch venös war nicht Ziel der Un- tersuchung. Demgegenüber war es ein Hauptziel unse- res Artikels, die Zeit zur endgültigen Diagnose der me- senterialen Ischämie zu verkürzen. Die von uns emp- fohlene Drei-Phasen-Kontrastmittel-CT beziehungs-
weise die Angiographie besitzen den Vorteil einer sehr genauen Darstellung der großen Mesenterialgefäße zu- sammen mit einer anatomischen Zuordnung des Perfu- sionsproblems hinsichtlich der Erstellung eines optima- len Behandlungskonzeptes bestehend aus radiologi- scher Intervention, Lyse oder Operation. Im Vergleich liefert die konrastmittelverstärkte Sonographie ungenü- gende Information hinsichtlich des von uns dargestell- ten therapeutischen Algorithmus. Die einzige Möglich- keit, die persistierend hohe Mortalität der mesenteria- len Ischämie zu senken, ist die Verkürzung der Zeit von der Erstmanifestation bis zur Therapie. Die kontrast- mittelverstärkte Sonographie bedeutet eine Verlänge- rung der Zeit bis zur schlussendlichen Diagnose. Wir werden in Zukunft nur Erfolg in der Behandlung der mesenterialen Ischämie haben, wenn wir durch ein ein- zelnes, schnell verfügbares und von der Aussage her umfassendes Diagnostikum die Diagnose in kürzester Zeit stellen. Jede weitere Untersuchung, die der Kon- trastmittel-CT beziehungsweise Angiographie vorange- stellt wird, ist ein Weg in die falsche Richtung. Auf das Argument der Kontrastmittelbelastung wurde bereits in der Antwort auf den ersten Leserbrief eingegangen.
Zusammenfassend danke ich den Autoren der Leser- briefe sehr, dass sie sich so im Detail mit unserer Publi- kation auseinandergesetzt haben. Hierdurch sind weite- re wichtige Aspekte des Krankheitsbildes beleuchtet worden. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0710b
LITERATUR
1. Klar E, Rahmanian PB, Bücker A, Hauenstein K, Jauch KW, Luther B:
Acute mesenteric ischemia: a vascular emergency. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(14): 249–56.
Prof. Dr. med. Ernst Klar
Abteilung für Allgemeine, Thorax-, Gefäß- und Transplantationschirurgie Klinik und Poliklinik für Chirurgie
Universität Rostock ernst.klar@med.uni-rostock.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Berichtigung
In dem Beitrag „Therapiekonzepte und Kon- sequenzen der Harnableitung“ von Raimund Stein et al. im Deutschen Ärzteblatt vom 21. September 2012 sind die Bildunterschrif- ten von Grafik 3 und Grafik 4 vertauscht. Die korrekte Zuordnung lautet: MWR
GRAFIK 3
Ileum-Conduit als Standardharnablei- tung für Patienten, die für eine kontinente Ableitung nicht geeignet sind.
GRAFIK 4
Harnleiterhautfistel, die als einfache und komplikationsarme Harnableitung vor allem in der palliativen Situation oder bei Patienten mit hoher Komorbidität Anwendung findet.