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2 B 476/20, Umverteilung § 15 a; Vaterschaftsanerkennung, Beschluss vom 12.03.2021

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Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen

OVG: 2 B 476/20 VG: 4 V 2371/20

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache 1. der Frau

2. der Minderjährigen

– Antragstellerin und Beschwerdeführerin – Prozessbevollmächtigte:

g e g e n

die Stadtgemeinde Bremen, vertreten durch den Senator für Inneres, Contrescarpe 22 - 24, 28203 Bremen

– Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin – Prozessbevollmächtigter:

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Maierhöfer, den Richter am Oberverwaltungsgericht Traub und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Stybel am 12.

März 2021 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen – 4. Kammer – vom 22.12.2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

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Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerinnen begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine Vorspracheverpflichtung nach § 15a Abs. 2 AufenthG.

Die Antragstellerinnen sind nigerianische Staatsangehörige. Die Antragstellerin zu 2. ist die minderjährige Tochter der Antragstellerin zu 1. Sie reisten am 13.07.2020 unerlaubt nach Deutschland ein. Am 28.7.2020 beantragten sie bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Duldung, da die Antragstellerin zu 1. auf der Suche nach dem Vater ihres ungeborenen Kindes sei. Der Geburtstermin sei voraussichtlich im Februar 2021. Unter dem 13.10.2020 erließ das Migrationsamt einen Vorsprachebescheid nach § 15a Abs. 2 AufenthG. Die Antragstellerin zu 1. begab sich am 19.10.2020 gemeinsam mit einem nigerianischen Staatsangehörigen, der eine Niederlassungserlaubnis besitzt, zu einer Notarin, um eine vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung für das ungeborene Kind beurkunden zu lassen. Die Notarin setzte die Beurkundung gemäß § 1597a BGB aus und legte den Vorgang nach § 85a AufenthG dem Migrationsamt der Antragsgegnerin vor.

Unter dem 26.10.2020 erließ die zuständige Landesbehörde einen Bescheid, mit dem die Antragstellerinnen an die Aufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsen in Bramsche verteilt wurden. Gegen diesen Bescheid haben die Antragstellerinnen ebenfalls Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Klageverfahren ist noch anhängig (VG Bremen – 4 K 2705/20). Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12.01.2021 (4 V 2706/20) abgelehnt; Rechtskraft ist am 27.01.2021 eingetreten.

Die Antragstellerinnen haben am 22.10.2020 Klage gegen die Vorspracheverpflichtung erhoben und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass das ungeborene Kind der Antragstellerin zu 1. vom Vater getrennt würde, wenn sie vor Abschluss des Beurkundungsverfahren verteilt würden.

Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 22.12.2020 abgelehnt. Die Vorspracheverpflichtung sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Es stünden keine zwingenden Gründe der Verteilung entgegen. Eine Haushaltsgemeinschaft zwischen dem ungeborenen Kind der Antragstellerin zu 1. und dem Mann, der die Vaterschaft anerkennen wolle, bestehe nicht. Die Antragstellerin zu 1.

und der Mann hätten der Notarin gegenüber selbst geäußert, keinen gemeinsamen Haushalt begründen zu wollen. Auch aus § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ergebe sich kein

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Verteilungshindernis. Ob aufgrund dieser Vorschrift eine Duldung zu erteilen ist, könne erst entschieden werden, wenn nach Abschluss des Verteilungsverfahrens die örtlich für die Antragstellerinnen zuständige Ausländerbehörde feststehe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerinnen.

II. Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Senat auf die dargelegten Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg.

1. Der rechtskräftige negative Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gegen die Verteilungsentscheidung lässt das Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende, gegen die Vorspracheverpflichtung gerichtete Verfahren nicht entfallen. Die gegen den Verteilungsbescheid gerichtete Klage ist noch beim Verwaltungsgericht anhängig. Die Vollziehung des Verteilungsbescheides setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen das Vorliegen einer vollziehbaren Vorspracheverpflichtung voraus (OVG Bremen, Beschl. v. 17.03.2017 - 1 B 33/17, juris Rn.

8). Die Antragstellerinnen könnten daher mit einem Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO geltend machen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Verteilungsbescheid anzuordnen ist, falls im vorliegenden Verfahren die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Vorspracheverpflichtung angeordnet würde (OVG Bremen, Beschl. v. 10.09.2020 – 2 B 152/20, juris Rn. 3).

2. Der Verteilung steht nicht entgegen, dass das ungeborene Kind der Antragstellerin zu 1. dadurch von seinem potentiellen Vater getrennt wird. Die Wirkungen eines nach § 1597a BGB ausgesetzten Vaterschaftsanerkennungsverfahrens können im Rahmen der Verteilung nach § 15a AufenthG nicht weitergehen, als die Wirkungen einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung gingen. Unter den Umständen des vorliegenden Falles läge selbst dann kein der Verteilung entgegenstehender „zwingender Grund“ im Sinne des

§ 15a Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 Satz 2 AufenthG vor, wenn das Kind der Antragstellerin zu 1.

schon geboren und der Anerkennende sein Vater wäre.

Die Ermöglichung des gegenseitigen Umgangs von Vater und Sohn stellt keinen dem Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft gleichwertigen zwingenden Grund dar. Als zwingend können nur solche Gründe angesehen werden, die ein ähnliches Gewicht wie die ausdrücklich benannten Gründe haben (OVG Bremen, Beschl. v. 05.12.2017 – 1 B 196/17, juris Rn. 4). Dem Umgang von nicht sorgeberechtigten Eltern mit ihren minderjährigen Kindern kommt – jedenfalls im Grundsatz – kein vergleichbares rechtliches Gewicht zu. Zwar fällt die Ausübung des Umgangsrechts auch in den Schutzbereich des

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Art. 6 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04, FamRZ 2006, 187).

Insbesondere im Hinblick auf die aufenthaltsrechtlichen Folgen wird dem alleinigen Umgang zwischen nicht sorgeberechtigtem Vater und dem Kind im Aufenthaltsrecht jedoch ein geringeres Gewicht beigemessen als der Ausübung des Sorgerechts oder gar der bestehenden Haushaltsgemeinschaft zwischen Kindern und ihren sorgeberechtigten Eltern. Während § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AufenthG dem sorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge einen zwingenden Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch dann zuspricht, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, steht die Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an den nicht sorgeberechtigten Elternteil nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG im Ermessen der Behörde (OVG Bremen, Beschl. v. 06.04.2018 – 1 B 33/18, BeckRS 2018, 5428 Rn. 7, 8). Für das im Bundesgebiet geborene Kind von zwei ausländischen Eltern stellt § 33 Satz 1 AufenthG die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in das Ermessen der Ausländerbehörde, wenn nur ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt.

Hinsichtlich des Vaters eines nichtehelichen Kindes ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob ihm ein Sorgerecht zusteht oder er in familiärer Lebensgemeinschaft mit seinem Kind lebt (vgl. Ziff. 33.1 AVV-AufenthG). Eine gesetzliche Regelung, die – im Hinblick auf die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an ein im Bundesgebiet geborenes Kind – an das Aufenthaltsrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes nur dann anknüpft, wenn ihm ein Sorgerecht zusteht oder er in familiärer Lebensgemeinschaft mit seinem Kind lebt, wäre verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen (BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005 - 2 BvR 524/01, NVwZ 2006, 324 (326).

Die Antragstellerin zu 1. und der anerkennungswillige nigerianische Staatsangehörige beabsichtigten nach den Angaben der Notarin nicht, eine häusliche Gemeinschaft aufzunehmen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Anerkennungswillige ein Sorgerecht erhalten soll. Mithin würde eine Beziehung zwischen dem Kind der Antragstellerin zu 1. und dem anerkennungswilligen Mann selbst im Falle einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung höchstens in der Form eines Umgangs mit dem nichtsorgeberechtigten Vater bestehen, der – wie oben ausgeführt – keinen zwingenden Grund im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG darstellt.

2. Der Anspruch auf Duldung während der Durchführung des Verfahrens nach § 85a AufenthG (§ 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG) steht einer Verteilung nicht entgegen. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich aus dem materiellen Duldungsanspruch nicht ableiten lässt, welche Ausländerbehörde für die Duldungserteilung zuständig ist (OVG Bremen, Beschl. v. 03.02.2021 – 2 B 404/20, juris

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Rn. 22). Aus Sinn und Zweck des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ergibt sich nichts Anderes.

Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages hatte seinen Vorschlag, eine entsprechende Norm (damals noch als § 60a Abs. 2 Satz 13) in das Aufenthaltsgesetz aufzunehmen, damit begründet, dass gewährleistet werden solle, dass keine Abschiebung erfolgt, während ein Verfahren zur Prüfung des Vorliegens einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung läuft (BT-Drs. 18/12415, S. 14). Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist eine Verteilung an einen anderen Ort innerhalb Deutschlands auch aus der Perspektive der Beteiligten – insbesondere des Kindes – nicht mit einer Abschiebung gleichzusetzen. Eine Abschiebung bringt in aller Regel einen intensiveren, länger andauernden und schwieriger zu revidierenden Abbruch des Kontakts mit sich als eine Verteilung innerhalb Deutschlands. Angesichts der Entfernungen innerhalb Deutschlands schließt eine Verteilung in ein anderes Bundesland in aller Regel zumindest gelegentliche Besuche nicht aus, wenn alle beteiligten Personen bereit sind, dafür Anstrengungen zu unternehmen. Im vorliegenden Fall liegt die Aufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsen, in die die Antragstellerinnen verteilt wurden, nur circa 130 km von der Wohnung des anerkennungswilligen Mannes entfernt. Die einfache Fahrtzeit beträgt nach Recherche in Google-Maps mit dem PKW ca. 1 Stunde 45 Minuten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen ca. 2 Stunden 30 Minuten und 2 Stunden 45 Minuten. Da die betroffenen Ausländer in Deutschland verbleiben und die Möglichkeit haben, einen Antrag auf erneute Umverteilung nach § 15a Abs. 5 AufenthG zu stellen, ist eine Verteilung überdies deutlich einfacher zu revidieren als eine Abschiebung. Dass die Bearbeitung eines solchen Antrags (nach Angaben der Antragstellerinnen) mehrere Monate dauern kann, ist vorbehaltlich besonderer Einzelfallumstände, die hier nicht dargelegt sind, hinzunehmen.

3. Die völkerrechtliche Verpflichtung Deutschlands aus Art. 3 Abs. 1 UN- Kinderrechtskonvention, bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Kindeswohl als einen Gesichtspunkt zu behandeln, der vorrangig zu berücksichtigen ist, steht einer Verteilung der Antragstellerinnen nicht entgegen. Das Wohl des Kindes wurde in Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention bewusst als „ein“ und nicht als „der“ (einzige) Gesichtspunkt bezeichnet, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Dem Kindeswohl kommt kein absoluter Vorrang gegenüber anderen Belangen (hier: dem öffentlichen Interesse an einer gleichmäßigen Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer auf die Bundesländer) zu (vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention, 2. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 7; Committee on the Rights of Children, General Comment No. 14 [2013], Ziff. 39). Die Beschwerde legt nicht konkret dar, weshalb und in welchem Ausmaß das Wohl des ungeborenen Kindes der Antragstellerin zu 1. gefährdet oder geschädigt wäre, wenn es nach der Geburt – möglicherweise sogar nur vorübergehend – ca. 130 km von seinem potentiellen Vater

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entfernt wohnen würde, den es naturgemäß noch nicht kennt und mit dem die Mutter ohnehin nicht gemeinsam zu leben beabsichtigt. Der bloße Hinweis auf die Erschwerung des Umgangs genügt diesbezüglich nicht, denn der Wegfall von Faktoren, die dem Kindeswohl dienen bzw. am besten entsprechen, ist nicht schon gleichbedeutend mit einer Kindeswohlgefährdung oder -schädigung (BVerwG, Beschl. v. 21.01.2020 – 1 B 65/19, juris Rn. 29).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 52 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

gez. Dr. Maierhöfer gez. Traub gez. Stybel

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