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Es gilt das gesprochene Wort

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Es gilt das gesprochene Wort

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach

Pressekonferenz: Bundesregierung muss beim Whistleblowerschutz aktiv werden 19. November 2015

Wir brauchen in Deutschland eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Hinweisgebern. Warum? Ich kann Ihnen eine Reihe von politischen Argumenten nennen. Unser Gutachter, Herr Prof. Andreas Fischer-Lescano von der Uni Bremen wird Ihnen erklären, warum Deutschland dazu rechtlich verpflichtet ist.

Hinweisgeber, oder aus dem Englischen Whistleblowers, schauen lieber hin als weg. Sie tragen Informationen aus ihrer Arbeit an Behörden oder Öffentlichkeit heran, weil sie davon überzeugt sind, dass Missstände aufgedeckt werden müs- sen:

Wie z.B. die Mitarbeiterin eines Gesundheitskonzerns, die katastrophale hygienische Zustände in ihrem Krankenhaus an- zeigte – übrigens nachdem sie erfolglos den Arbeitgeber darauf hingewiesen hatte.

Oder ein LKW-Fahrer aus Brandenburg, der Gammelfleisch in eine Wurstfabrik transportierte und nicht bereit war, das angebliche „Geschäftsgeheimnis“ des Wurstfabrikanten zu wahren.

Oder eine Amtsveterinärin aus Norddeutschland, die vor offenbar BSE-kranken Rindern warnte.

Wenn es ihnen gelingt, Missstände ans Tageslicht zu bringen und Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, werden diese Menschen in der Öffentlichkeit gefeiert und gelobt. In ihrem beruflichen Umfeld werden sie fast immer gemobbt und in der Regel gekündigt. In Deutschland genießen solche Hinweisgeber oder Hinweisgeberinnen, die uns ja allen ei- nen wichtigen Dienst erweisen, keinen hinreichenden Schutz. Das kritisiert nicht nur der DGB seit Jahren: Auch internatio- nale Organisationen wie die OECD bemängeln schon lange die Untätigkeit der Bundesrepublik Deutschland in diesem Bereich.

Wir wollen eine eigenständige gesetzliche Regelung, die sowohl den Interessen der Beschäftigten als auch den Interessen des Arbeitgebers an der Verhinderung falscher Anzeigen in angemessener Form Rechnung trägt.

Zentral für uns sind folgende Punkte:

- Arbeitnehmer brauchen ein ausdrückliches Recht zur Hinweisgabe, wenn sie annehmen können, dass es im Unterneh- men Missstände gibt.

- dabei muss es genügen, dass der/die HinweisgeberIn „im guten Glauben“ den Missstand annimmt. Von einem juristi- schen Laien darf nicht verlangt werden, dass er oder sie mit Sicherheit weiß, dass eine Straftat vorliegt. Diese Einschät- zung ist Aufgabe der Gerichte.

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- Ein innerbetrieblicher Klärungsversuch vor einer Hinweisgabe nach außen kann verlangt werden, wenn der Arbeitneh- mer ernsthaft damit rechnen kann, dass die Missstände behoben werden - also nicht, wenn diese von der Führungs- ebene angeordnet worden sind.

- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen ein Recht auf Fortsetzung ihrer Arbeit ohne Benachteiligung haben.

Diesen Schutz brauchen auch Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen, wenn sie Behörden Missstände oder Rechtsverstöße anzeigen. Schutzbedürftig - insbesondere wegen der Gefahr eventueller Schadensersatzforderungen - sind zudem auch Personen, die erst nach Ende eines Arbeitsverhältnisses Hinweise geben.

Werden Arbeitnehmer wegen Whistleblowing gekündigt, haben sie oft Schwierigkeiten, den Zusammenhang zu belegen.

Deshalb sollte es genügen, dass Hinweisgeber Indizien für das Vorliegen einer Benachteiligung glaubhaft machen. Es braucht also eine Beweislasterleichterung.

Zurück zur aktuellen politischen Debatte: Vor wenigen Monaten, als die Oppositionsparteien ihre gesetzlichen Regelungs- vorschläge zur Verbesserung des Hinweisgeberschutzes in den Bundestag eingebracht haben, hielten Arbeitgebervertreter diese für überflüssig. Sie waren der Meinung, mit unternehmenseigenen Whistleblower-Hotlines habe man das Problem im Griff.

Schauen wir auf die Skandale, die unsere Automobilbranche in den letzten Wochen erschüttern, so müssen wir feststel- len, dass unternehmensinterne Meldesysteme nutzlos sind, wenn Missstände von der Führungsebene ausgehen oder zu- mindest von ihr geduldet werden. An diesem aktuellen Beispiel sehen wir auch, wie schädlich eine Kultur des kollektiven Wegschauens sein kann: für die Umwelt, für die Beschäftigten und am Ende auch für die Unternehmen selbst. Trotzdem sprechen gerade Unternehmer im Zusammenhang mit Whistleblowing oft vom Nestbeschmutzen anstatt von Zivilcou- rage.

Die Regierungsparteien haben angekündigt, die Umsetzung internationaler Vorgaben zum Schutz von Hinweisgebern im Arbeitsverhältnis prüfen zu wollen. Bislang haben sie die Ankündigung nicht umgesetzt. Leider. Wie diese Prüfung vo- raussichtlich ausgehen würde, erfahren wir gleich von Herrn Professor Fischer-Lescano.

Zum Abschluss möchte ich Sie auf fragwürdige Rechtsentwicklungen auf EU-Ebene aufmerksam machen, die bislang hier- zulande kaum Beachtung finden. In Vorbereitung ist eine EU-Richtlinie über den Schutz der Geschäftsgeheimnisse, die im Zusammenhang mit den TTIP-Verhandlungen steht. Der Entwurf geht über das eigentliche Ziel hinaus, unfaire Praktiken im Wettbewerb zwischen Unternehmen zu unterbinden. Es droht, dass Unternehmen weitgehend frei darüber entschei- den können, welche Informationen sie als Geschäftsgeheimnisse besonders schützen wollen. Und die dürfen dann nur unter strengen Bedingungen an Behörden oder die Öffentlichkeit herangetragen werden.

Den Schutz derjenigen, die trotzdem hinschauen, sieht der Richtlinienentwurf nicht vor. Das ist übrigens nicht nur eine schlechte Nachricht für Arbeitnehmer, die Hinweise geben. Es ist auch eine schlechte Nachricht für eine kritische und in- vestigative Medien-Berichterstattung und damit für die Meinungs- und Pressefreiheit.

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