Frank & Timme Die Persönlichkeit
und die Lebensordnungen
Untersuchungen zur Kulturwissenschaft Max Webers
Christoph Lorenz
Verlag für wissenschaftliche Literatur
Christoph Lorenz
Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen – Untersuchungen zur Kulturwissenschaft Max Webers
Christoph Lorenz
Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen –
Untersuchungen zur
Kulturwissenschaft Max Webers
Verlag für wissenschaftliche Literatur
Umschlagabbildung: Max Weber im Gespräch während der Lauensteiner Tagungen (1917), wo er einen Vortrag mit dem Titel „Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen“ hielt.
© bpk-Bildagentur
ISBN 978-3-7329-0266-8
© Frank & Timme GmbH Verlag für wissenschaftliche Literatur Berlin 2016. Alle Rechte vorbehalten.
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Herstellung durch Frank & Timme GmbH, Wittelsbacherstraße 27a, 10707 Berlin.
Printed in Germany.
Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier.
www.frank-timme.de
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Inhalt
Vorwort 7
Danksagung und Vorbemerkung des Verfassers 9
Einleitung 11
I: Zum „Zusammenhang“ von Persönlichkeit und Lebensordnung Die Wissenschaftslehre enthält Webers Handlungs- und Ordnungsverständnis 15
Eine Kette von Analogien – Wissenschaft und Handelnder 45
II: „Klarheit“ ist Horizont des kulturwissenschaftlichen Interesses Erkenntnis der Kulturbedeutung ist „Klärung“ 63
Die Methode als Weg zum Interessierenden 65
Der „Wert der Wissenschaft im Gesamtleben der Menschheit“ – Regulativer und konstitutiver Sinn der „Wertfreiheit“ 74
III: Verortung der „verstehenden“ „Soziologie“ Interesse und Beschaffenheit der Weberschen „Soziologie“ 85
Die Soziologie als historische Wissenschaft und Lehre von der Inkonsequenz 90
Die Soziologie als Theologie 100
Kurzcharakterisierung der Arbeit 111
Abgekürzt zitierte Werke Webers 113
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Vorwort
Mit Einfällen ist es für Weber bekanntlich nicht getan: „Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit “ Dass intensive Arbeit den Gedanken gebiert, dieser Maxime ist die Studie von Christoph Lorenz über den Zusammenhang von „Persönlichkeit und Lebensordnung“ gefolgt
Nun könnte ein Aufstöhnen sich einstellen Hier gesellt sich zu den Legio- nen von Studien über Webers Leben und Werk, namentlich zur kulturwissen- schaftlichen Begründung der Verstehenden Soziologie, noch eine weitere im Zuge der Endlosgeschichte der Rezeption Wer freilich auf die Lektüre der vorgelegten Untersuchungen sich einlässt, wird alsbald davon überzeugt sein, dass es sich hier nicht um die übliche Dutzendware im Umkreis der Deutungen des Weberschen Werks handelt, die sich dadurch disqualifizieren, dass Kopis- ten am Werk sind, deren Unart es ist, mit dem Schnellrezipieren von Abstracts und Sekundärliteratur sich zu begnügen Statt dem Usus „Simplify the social sciences“ sich anzubequemen, hat Lorenz sich der Mühe extensiver sowohl wie intensiver Lektüre des Weberschen Werks unterzogen Mit Gewinn für eine geneigte Leserschaft, die mehr erwartet denn Interpretationsschematismus In beinahe filigraner Analysebewegung wird das innere Gewebe, gleichsam die Partitur der kulturwissenschaftlichen Denkweise Webers freigelegt, indem dem kategorialen Vierklang: „Wirklichkeitswissenschaft“, „Kulturbedeutung“, „Wert- beziehung“ und „Wertverwirklichung“ subtil nachgehört wird Im Kontext von Weber musikologische Metaphorik zu wagen, mag deshalb rechtfertigt sein, weil der Mitinaugurator der Soziologie in Deutschland in einer Schlüsselpassage der berühmten Protestantismus-Studie seinerseits sein Darstellungsverfahren mit Hilfe des Partitur-Vergleichs erläutert hat Es ist Adorno gewesen, der in seiner
„Negativen Dialektik“ dies mit Nachdruck gewürdigt hat
Ein spezifischer Vorzug der Studie von Lorenz liegt schließlich darin, dass die Grundierung der Weberschen Soziologie in der zeitgenössischen Werte- Philosophie kenntnisreich ans Licht befördert wird; mit dem nicht nur für die Soziologiehistorie fruchtbaren Ertrag, davon abzulassen, Webers Verstehende
Vorwort
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Soziologie als soziologische Individualpsychologie, sprich: Handlungstheorie zu verkürzen resp zu verfehlen
Ich stehe nicht an zu enden, die Studie von Lorenz ist wie eine kammermusi- kalische Partitur zu lesen Das Pianissimo freilich erschließt sich einzig im Gang der hellhörigen Lektüre
Prof Dr Friedhelm Kröll, M A Nürnberg/Wien, Januar 2016
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Danksagung und Vorbemerkung des Verfassers
Die vorliegende Studie gibt in wesentlich unveränderter, bereinigter und bis- weilen um präzisierende Einschübe ergänzter Form eine akademische Arbeit wieder, welche in den Jahren 2011 und 2012 an der Wiener Universität entstand Der aufrichtige Dank des Verfassers gilt einerseits Dr Patric Kment für die Unterstützung bei der Drucklegung und die Kontaktherstellung mit dem Ver- lag; andererseits und vor allem Prof em Dr Friedhelm Kröll, MA, dem Betreuer der damaligen Arbeit, der sich – trotz der verstrichenen Zeit – zur wiederholten Beschäftigung mit ihr bereit erklärte und dessen Vorwort ihr vorangestellt ist
Die Einheit des kleinen Werkes wäre leicht gefährdet worden, hätte sein Verfasser versucht, den Leerstellen und den einer Weiterverfolgung werten Gesichtspunkten durch Hinzufügung zusätzlicher Kapitel gerecht zu werden Jenen wird sich stattdessen, wie zu hoffen ist, dereinst eine eigenständige, aber auf der vorliegenden aufbauende Studie widmen, die – der Lage und Richtung des für den Verfasser Bedeutsamen gemäß – diese Fäden weiterspinnt
Es mag die schwer erträgliche, fachmenschliche Verengung des kulturwis- senschaftlichen Horizonts und deren ebenso wenig erträglicher Kontrapunkt:
ihre Degradierung zur „Technik“ im Dienste „menschheitspolitischer“ Ideale, oder aber: der ernüchternde Mangel an „Augenmaß“ und damit: an politischer
„Persönlichkeit“ dasjenige sein, was den für „Zumutungen“ noch empfänglichen Charakteren die Beschäftigung mit Weber lebendig hält Sollte die bescheidene Arbeit, die hiermit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird,–
ihrer Beschränktheit zum Trotz – eine rückhaltlose und aufrichtige Befassung mit dessen Werk nur um ein Weniges befördert haben, so waren die Mühen schon deshalb nicht vergeblich
Der Verfasser
Schärding am Inn, Juni 2016
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Einleitung
Wilhelm Hennis hat mit „Max Webers Fragestellung“ (1987) eine Arbeit vor- gelegt, die den Zugang zu Webers Werk in entscheidender Weise ebnet Im Ausgang von Webers „Fragestellung“, der „charakterologischen“ Frage nach der
„Entwicklung des Menschentums“, nach dem „Gang von Menschheitsschick- salen“ unter den Bedingungen der Modernität,1 benennt Hennis das „Thema“
bzw die „Grundmelodie“ des Weberschen Schaffens: seine Anstrengung gilt der „Persönlichkeit“ und den „Lebensordnungen“ bzw dem „Zusammenhang“
von „Eigenart des Menschen“ und „Eigenart der Kultur“ 2 Es lohne sich zu fra- gen, „ob dies, das Spannungsverhältnis zwischen der menschlichen Person, der unendlichen Prägbarkeit der menschlichen Natur (…) und den ‚Lebensordnun- gen‘ – den gesellschaftlichen Ordnungen und Mächten (…) – nicht in Wahrheit das Thema seines Lebens gewesen ist, ein Thema, das wirklich wie eine Grund- melodie das ganze Werk durchzieht “3 Die vorliegende Arbeit knüpft an diese Bestimmungen an Sie setzt sie als schlechthin gegeben,4 um ihrem Interesse dienen zu können Dies Interesse will ich greifbar machen
Entlang dreier „Fäden“ lasse sich Webers Thema nachspüren: a ) am
„Zusammenhang“ von „Persönlichkeit und Lebensordnung“ als „empirischem Tatbestand“, wie er sich am Werk demonstrieren lässt; b ) an der durch Ratio- nalisierung sich ergebenden Versachlichung, verbunden mit der ethischen Nichtausdeutbarkeit apersonaler Beziehungen und: c ) am „Hineingestelltsein“
in einander widerstreitende Lebenssphären 5 Sofern hier nicht der Ort für eine
1 cf Hennis, Wilhelm: Max Webers Fragestellung. Studien zur Biographie des Werks. Tübingen, 1987: 21 bzw 170 – herausgearbeitet wird diese Fragestellung anhand der Religionssoziologie 2 cf a a O : 109 Die Rede vom „Zusammenhang“: 112 Das Thema erwächst aus der Fragestellung 3 a a O : 70
4 Ebenso muss Hennis’ schönes Werk als schlechthin bekannt vorausgesetzt werden Die Arbeit entnimmt ihm allein und stellt dar, was und soweit es für ihre Zwecke unentbehrlich ist 5 Diese „thematische“ Trias ist rekonstruierbar aus a a O : 72f, 97, 102f (ebendort auch die Rede
vom „empirischen Tatbestand“), 105ff und 111f Nachgegangen wurde von Hennis v a a ) –