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Jede Alternative entspricht nicht unserer Sozialkultur

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574 Bayerisches Ärzteblatt 10/2004

BLÄK informiert

Horst Seehofer: Wer kennt ihn nicht, den Bun- desgesundheitsminister a. D. im letzten Kabinett Helmut Kohls, den Stellvertretenden Vorsitzen- den der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag in Berlin, den eloquenten Gesund- heitspolitiker der CSU, den oftmals provokanten Querdenker aus Ingolstadt? Er macht es sowohl seinen Parteifreunden in der Union als auch sei- nen rot-grünen Konterparts nicht immer leicht, bringt er doch gerne strittige und knifflige The- men medienwirksam in die öffentliche Diskus- sion ein. Das Präsidium der Bayerischen Landes- ärztekammer (BLÄK) lud Horst Seehofer Mitte September ins Ärztehaus Bayern zu einem locke- ren Hintergrundgespräch ein.

Diabetes

Die Idee war, an einem konkreten Beispiel, Diabetes mellitus Typ 2, die Leistungsexplo- sion im Gesundheitswesen exemplarisch auf- zuzeigen. Daher referierte Professor Dr. Hell- mut Mehnert eingangs über die „Volkskrank- heit Diabetes“, an der in Deutschland bereits sieben Millionen Menschen erkrankt seien.

Die extreme Zunahme sei vor allem dem

„Diabetes mellitus Typ 2“ zuzuschreiben, für den er fünf Gründe aufführte: Überernährung und Bewegungsmangel, erbliche Stoffwech- selkrankheit, längere Lebenserwartung, bes- sere Therapie und Verschärfung diagnosti- scher Kriterien. Mehnert bejahte grundsätz- lich das Disease Management Programm (DMP) für Diabetes: „Wer könnte schon die Behandlungs- und Betreuungsvorschläge ab- lehnen, die nach dem neuesten Stand der Forschung und des Wissens für eine be- stimmte Patientengruppe gelten sollen?“ Kri- tik übte der „Altmeister des Diabetes“ vor al- lem am großen bürokratischen Aufwand für die Behandlungsprogramme und am Unter- laufen der Leitlinien der Fachgesellschaften durch das DMP. Problematisch sei vor allem die weitgehende Ausklammerung von Inno- vationen auf dem Therapiesektor. Es könne kein Zufall sein, dass neuere und teuere Prä- parate im DMP keine Berücksichtigung fän- den.

Orientierung

Horst Seehofer wertete das Beispiel Diabetes als „exemplarisch“. Es zeige sich immer mehr, dass „wir seit 25 Jahren eine einseitige ökono- mische Ausrichtung der Gesundheitspolitik haben“. Patientenorientierung müsse in unse- rem System wieder die Oberhand erhalten.

Einen Ausweg aus diesem Spannungsfeld sah

Seehofer in der Entkoppelung der Finanzie- rung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von den Lohnnebenkosten und der stärkeren Gewichtung von Eigenverantwor- tung und Selbstbeteiligung. „Die Menschen, das erlebe ich auch bei Auftritten in Bierzel- ten, sind bereit, für ihre Gesundheit mehr auszugeben“, so der Bundestagsabgeordnete.

Man müsste der Bevölkerung aber auch ehr- lich sagen, dass man mehr Finanzmittel bräuchte. Präsident Dr. H. Hellmut Koch wandte sich entschieden gegen eine „kom- plette Durchökonomisierung“ des Gesund- heitswesens und forderte neben der Patien- tenorientierung auch eine medizinische Orientierung des Gesundheitswesens. Einig waren sich Seehofer und Koch, dass eine

„Pflicht zur Versicherung“ in Deutschland bestehen bleibe, die GKV von den Lohnkos- ten entkoppelt und gleichzeitig eine Abhän- gigkeit von den Steuereinnahmen vermieden werden müsse. Der Präsident sagte: „Wir Ärzte können zwar gewisse Eckpunkte für ei- ne solche Versicherung definieren, notwendig ist es jedoch in erster Linie, dass diese Versi- cherung eine angemessene – möglichst opti- male – Patientenversorgung ermöglicht.“

Gestaltung

Vizepräsident Dr. Max Kaplan stellte klar, dass die Verknüpfung der DMP mit dem Ri- sikostrukturausgleich (RSA) der gesetzlichen Krankenkassen die „Gesellschaft krank ma- che“. Der fatale Mechanismus „je mehr Do- kumentation und Diagnosen desto mehr Geld“ müsse beendet werden. Das System müsse sich wieder an sachgerechten Ent- scheidungen orientieren und nicht an büro- kratischen Vorgaben, so auch die Forderung von Vizepräsident Dr. Klaus Ottmann. See-

hofer schlug liberale Töne an, indem er dafür eintrat, den Menschen viele Gestaltungsmög- lichkeiten zu gewähren. Nur so könnten Mo- tivation und Innovation sich in einer freiheit- lichen Gesellschaft entfalten. Er sprach sich für eine „Ärztelandschaft ohne jegliche Be- darfsplanung“ aus. Ihm schwebe eine „saubere Gebührenordnung“ vor, mit der sich die Pa- tienten dann entscheiden könnten, ob sie Kostenerstattung oder das Sachleistungsprin- zip wählen. „Wir definieren unsere Gesetzge- bung immer noch nach der Minderheit der Fehlentwicklungen“, kritisierte der CSU-Po- litiker und meinte, man müsse einfach auch mit einem Restrisiko des Missbrauchs leben können.

Die weiteren Themen des sehr offenen Hin- tergrundgesprächs waren die derzeit heiß dis- kutierten Finanzierungsmodelle der GKV, das bevorstehende Präventionsgesetz, die Auswirkungen der DRG in den Krankenhäu- sern sowie die Rolle von Leitlinien und Evi- dence-Based-Medicine.

Dagmar Nedbal (BLÄK)

Jede Alternative entspricht nicht unserer Sozialkultur

Trafen sich zu einem locke- ren Gedankenaustausch im Ärztehaus Bayern: Vizeprä- sident Dr. Klaus Ottmann, Präsident Dr. H. Hellmut Koch, Horst Seehofer MdB (CSU) und Vizepräsident Dr. Max Kaplan (v.li.).

Horst Seehofer MdB (CSU): „Wir dürfen unsere ganze Staatsverfassung nicht nach der Verhinde- rung des Missbrauchs ausrichten.“

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