Harald Scheufler: Kaiserreich/Erster Weltkrieg © Klippert Medien
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Erster Weltkrieg
LS 01.M2
Wilhelm II. – der letzte deutsche Kaiser
Stolze Haltung, schmucke Uniform, glänzende Orden und ein entschlossener Blick – Wilhelm II. sah sich selbst als kraftvollen Monar chen mit unbeschränkter Macht- fülle. Der Kaiser, der seinen Untertanen „herrliche Zeiten“ versprach, war in großen Teilen der Bevölkerung überaus populär und medial allgegenwärtig.
Wilhelm (geboren am 27. Januar 1859 in Berlin) war der Sohn von Kaiser Friedrich Wilhelm III. und der englischen Prinzessin Victoria, einer Tochter der Königin Victoria von England. Behindert durch die Verkrüppelung eines Arms, wurde Wilhelm von Anfang an mit soldatischer Härte erzogen, denn Preußen, das die Hohenzollern seit Jahrhunderten beherrschten, war ein Militärstaat. Er litt schwer unter der Behinde- rung. Schon als Kronprinz versuchte er, sein Manko durch übertrieben soldatisches Auftreten zu kompensieren.
1888 ging schließlich als das Dreikaiserjahr in die Geschichte ein: Wilhelm I., der Großvater, starb am 9. März 1888 und sein Vater Friedrich III. starb als 99-Tage-Kaiser am 15. Juni 1888, sodass Wilhelm II. schließlich als dritter Kaiser in einem Jahr die Regentschaft übernahm.
Kritiker meinten, er sei mit nur 29 Jahren zu früh auf den Thron gelangt. Er musste nicht viele Jahre geduldig auf den Thron warten – Jahre, in denen er reifer, ruhiger, gelassener, vielleicht sogar weiser hätte werden können.
Der imperiale Machtanspruch kennzeichnete die gesamte wilhelminische Epoche. Im Deutschen Reich, das 1871 aus mehreren Kriegen als Nationalstaat hervorgegangen war, besaß das Militär großen politischen Einfluss und hohes gesellschaftliches Ansehen. Der junge Kaiser begeisterte sich für alles Militärische und umgab sich bevorzugt mit Offi zieren.
Plötzlich stand der junge Wilhelm an der Spitze des Reiches. In diesem Reich war er aufgewachsen, hatte als kleiner Junge die Reichsgründung, dann den wirtschaftlichen Aufschwung und den Weg zur europäi- schen Großmacht miterlebt. Immer größer, immer schneller, immer besser, immer mehr, lautete die Devise – immer nur Erfolge und Siege, keine Niederlagen. So würde es immer weitergehen, so musste es immer weitergehen, das war für Wilhelm völlig klar. Jetzt war es sein Reich und er sollte darin bestimmen, nicht der Kanzler und nicht der Reichstag. Und nicht nur die Politik, auch Wissenschaft und Kunst sollten nach der Pfeife des jungen Kaisers tanzen.
Vielen Deutschen imponierten seine schneidigen Auftritte und markigen Reden. Mit Letzteren verschärfte der Monarch jedoch regelmäßig gesellschaftliche und politische Konfl ikte. So beschimpfte Wilhelm II. die Sozialdemokraten als „vaterlandslose Gesellen“, den Reichstag verhöhnte er als „Schwatzbude“ und dessen Abgeordnete als„Affen“.
Doch der deutsche Kaiser besaß längst nicht die absolutistische Machtfülle, die er für sich beanspruchte. Er konnte zwar Reichskanzler und Generäle ernennen, aber auf andere Machtzentren hatte er kaum Einfl uss.
Eine immer größere politische Bedeutung kam dem Reichstag zu, der über den Haushalt und die Gesetzes- vorlagen entschied. Starke Lobbyverbände von Industrie und Landwirtschaft sowie Massenorganisationen wie Gewerkschaften und nationalistische Vereine beeinfl ussten die öffentliche Meinung und politische Ent- scheidungen. Das von Wilhelm II. nach der Thronbesteigung beanspruchte „persönliche Regiment“ stieß daher in der Innenpolitik rasch an seine Grenzen.
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