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Zur orientalischen Geographie.
Von Th. NSideke.
1. Yologesias.
Die Stadt OvoXyaiaia (Var. Ovokyeaia) lag nach Ptol. 5, 19
nahe bei Babylon nnd Borsippa (wie natürlich für Bagaira zu
lesen). Auf die genaue Bestimmung der Position ist allerdings
schon deshalb nicht Viel zu geben, weil die Entfernung von Ba¬
bylon nach Borsippa viel zu hoch gerechnet wird; nach der einen
Lesart wäre der Breitenunterschied 40', nach der andern gar 1 * 40',
während die grade Linie vou Bäbil nach Birs (Nimrüd) nur
etwa 3 d. Meilen beträft ^). Borsippa und Volgesia lagen nach
dieser Stelle am MaagaaQtig ^). Da Birs an dem grossen Euphrat-
arm liegt, welcher jetzt Nahr Hiudije heisst und welcher bei
den früheren Arabern als Hauptarm des Stromes galt^), so werden
1) leb benutze Kieperts neue Karte „Die Ruinenfelder der Umgegend von Babylon" (Reduction der von den englischen Marineofficieren Selby, Bewsher und Collingwood gemachten Aufnahmen , revidiert von Socin).
2) Ob die Veränderung der Lesart in Naa^oä^ije nothwendig, be¬
zweifle ich etwas, so nahe es allerdings liegt, hierin eine Zusammensetzung mit m: zu suchen. Unzulässig ist die Identificierung mit U)13 resp. tt913 l^tS (U)1j oft im Talmud; die Stellen bei Neubauer, Gdogr. du Talm. 36Ö liessen sich leicht vermehren) , nicht bloss wegen der Verschiedenheit der Laute , son¬
dern auch aus geographischen GrUnden. Denn nach Jäqfit 4, 798 lag Mif far
am {jMji J dieser war also zwischen Euphrat und Tigris und ist wohl
mit dem Ch6r 'Afa^ gleichzusetzen, soweit sich eben ein Canal mit einer daraus durch DurchbrUche und Versumpfung entstandenen Wasserfläche iden¬
tificieren l&sst. Bei Neubauer a. a. O. fehlt es wieder nicht an kleinen Nach¬
lässigkeiten. Dahin gehören die „Biber", welche nach ihm zu 12)13 wohnen;
es handelt sich an den SteUen Sota 10*; Sanh. 107* um einen Ort i1M3 ^a oder 11^3 „Brunnenhausen".
3) Vrgl. z. B. Ja'qflbi 93, 10. — Ich kann übrigens nicht sicher ange¬
ben, ob der Name Nahr Hindije auf den ganien Wasserstrang bis zu den
grossen Sümpfen bezogen wird.
94 Nöldeke, zur orientalischen Geographie.
wir darin den Maeagadgrie sehen und auch Volgesia am Nahr
Hindije suchen.
Nach der Peutinger'schen Karte liegt Volocesia 18 Milien
von Babylon entfernt. Aus dieser und des Ptolemäus Angabe lässt
sich die Lage der Stadt schon ziemlich genau bestimmen.
Finden wir nun in derselben Gegend von arabischen Schrift¬
stellern einen Ort erwähnt, dessen Namen sich mit dem bei Ptole¬
mäus und auf der Tab. Peut. genannten in Uebereinstimmung brin¬
gen lässt, so können wir auch die sachliche Uebereinstimmung als
ziemlich sicher ansehn. Dieser Ort ist ^J»-JI. Um die lautliche
Identität wahrscheinlich zu machen, müssen wir aber etwas weiter
ausholen.
Die genannte Stadt heisst urkundlich, auf Inschriften von Pal¬
myra 'Okayaaidg Waddington ur. 2589= C. J. 4489 (vom Jahre
142 n. Chr.); 'Oloyeatäg eb. 2599 (von 247 n. Chr.) und in ara¬
mäischer Schrift auf derselben Inschrift (de VogüS 4) N'aabs. Hier
ist also das anlautende wo (wa), welches auch Boloyeaiäg oder
BoXoysaatccg bei Steph. Byz. und Volo ges sia bei Ammian 23,6, 23
ausdrücken, zu o zusammengesunken. Das Schwanken rücksichtlich
der Vocale ver und nach dem g deutet darauf hin, dass es sich
hier um trübe Laute handelte, bei deren Darstellung in griechischeu
Bnchstaben man in Verlegenheit war.
Diese Schwankungen finden wir nun wieder bei dem Mannes¬
namen, von welchem jener Stadtname abgeleitet istAuf den
Münzen der betreffenden Partherkönige *) steht (immer im Genitiv)
'OXaydaov, 'OXayaiaov, 'OXoydaov, und zwar hat derselbe König,
Vologesus III. , alle 3 Formen abwechselnd auf seinen Münzen.
Dio Cassius, bei dem der Name oft vorkommt (und danach Zonaras
12, 2; 12, 9) und Luciau, hist. quem, conscrib. 14; 19; 31 haben
Oioloyaiaog, OvoXoytaog *); ebenso, nur mit andrer Orthographie,
1) Das Suffix iä, das wohl nicht griechisch ist, wird ehenso gehraucht in
> O^ J
NiJiain = LJL*^'^ t -.■.I(jetzt HumSnije am rechten Tigrisufer, etwa 10 d. Heilen unterhalb Baghdäd, was zn Jaq.'s Bestimmung passt) von Wa- human, Bahman, welche Ableitung noch die Araber kannten (s. die Stellen bei Blau in dieser Ztschr. XXVII , 325; der arab. Text Hamza's sagt aber nicht, der Ort liege ad ripam Zabi superioris, sondern ,,im Steuerbezirk [^^^.wJs] des obern Zäb" [eines Canals oder Flusses, der von Westen in den Tigris floss] ). Der Ort wird erwähnt de Goeje , Fragm. hist. 1, 341
— 2, 417= Ibn Athir 6, 207.
2) Ich verdanke diese Mittheilung der Freundlichkeit Gutschmid's ; ich selbst habe Longpirier's Werk ( M^m. sur la chronol. et l'iconogr. des rois Parthes) nicht benutzen können.
3) Auf das Schwanken von ai und s ist sehr wenig zu geben, da die Abschreiber beide gleich aussprachen und in so fremdartigen Namen leicht ver¬
tauschten. Ebenso ist es mit e und ae in den lateinischeu Formeu des Namens.
Nöldeke, zur orientalischen Geographie. 95
Phot. Bibl. 75 (241 R.) Bokoyaiffog (nicht der König) nnd Steph.
Byz. (s. V. Boloysaidg) BoXoytaog. Die lateiniecben SchriftsteHet (Sueton, Nero in fine u. s. w. ; Plin. 6, 26 [§ 122]; Aurelius Vlctori,
Caes. 16; Jul. Capitolinus, Anton. Phil. 8) haben Vologesus,
Vologaesus oder Vologessus; nur bei Tacitus ist Vologe¬
ses (mit der sonst nicht vorkommenden Endung es) gewöhnlich,
während Casusformen von Vologesus oder Vologaesus Hist.
1, 40; 4, 5 und Ann. 13, 7 bezeugt sind.
Auf einer Münze aus parthischer Zeit steht ziemlich dentlich
lüabi Ztschr. D. M. G. XXI, 453 ff. Im Syt. kommt im 4. Jahrh.
der Name .*,^o vor und zwar zweisilbig (s. Btckdl ira Glossar
zu Ephraüm's Carm. Nis. s. v.), also etwa Waigel zu sprechen.
So «A,^© nennt auch Dion. Teim. 157, 9 den Partherkönig.
Bei den späteren Persern und bei dB» Arabern ist das g
durchweg ausgefallen und aus dem anlautenden w nach einer, im
Neupers. bekanntlich sehr beliebten, Umwandlung gewöhnlich b ge¬
worden. Die Perser und Araber nennen die betreffenden Arsaciden
und Säsäniden immer iji^b , und so schreibt schon um 500 n. Chr.
der Stylit Josua {Assem. 1, 264) (so dann öfter bei Barhebraeus).
Ebenso heisst es mandäisch wNbsa Sidra Rabba I, 383 unten.
Dazu vrgl. die vielen Ortsnamen *) (je nachdem, mit Beibehaltung
des 8 oder Umwandlung in s , welche die Araber bei der Aufnahme
fremder W^örter lieben) j^^; j^.^^^^; ^-Xitij, jCiJb (Volo-
gesocerta Plin. 6, 26 [§ 122])«); öb'«»^ (wie Jaq. 3, 3, 10
o o ^
zu lesen). Daneben haben wir aber noch mit w o.rsui'^ij (o_s\«,1ij
mit t beruht gewiss auf einem Irrthum). BccXag oder OvctXag bei
Agathias 4, 27 (nach syrischer Quelle) wird man anch für die Aus¬
sprache mit w anführen dürfen '). Aus allen diesen Formen er¬
giebt sich mit Sicherheit, dass der Säsänidenkönig schon von seinen
Zeitgenossen W a 1 ä ^ und Baläs genannt ward *); dem steht auch
Bldaijs bei Procop, Bell. Pers. 1, 5; l, 7 nicht entgegen.
Daneben haben wir aber aus der früheren Säsänidenzeit auch
noch eine Form, welche wie in den urkundlichen Formen des Stadt-
1) S. Jaq. an den betrefi'enden Stellen.
2) S. den folgenden Aufsatz.
3) Ist Bdln« bei ihm richtig, so ist das freilich nicht sicher, da die da¬
maligen Griechen noch keine andere Bezeichnung des reinen 6 hatten als ß, welches sie sonst schon w sprachen (später schrieben sic u.-i für unser b).
4) Dem widerspräche es nicht, weun er etwa officiell, auf MUnzen u. s. w., eine alterthümlichere Namensform gebraucht hätte (kann Ztschr. XIX, 439 NlflNjbl gelesen werden? ich erbitte mir darüber den Bescheid der Kenner).
Es lässt sich ja beweisen, dass Könige, welche sich "in\3nmN , "imEniö schrieben, gemeiniglich Ardäier, Schäpör oder Schab ör genannt wurden u. s. w. — Palasch, wie Neuere zuweilen schreiben, ist falsch.
96 Nöldeke, zur orientaUschen Geographie.
namens 'Okayaauig , 'OXoyeauxe N-ioab« den Anlaut in o ver¬
wandelt, nämlich .^\ f>/^ wie ein persischer Märtyrer heisst Mart.
1, 144 »).
cai
Wie dies .j^o/ ans Wologeä, so kann sehr wohl auch (jmII!
oder vielmehr znnächst dessen einheimische, nicht arabisierte, Grund¬
form — etwa als Olles anzusetzen — aus NiiöübN u. s. w. ent¬
standen sein. Die einzige lautliche Schwierigkeit bietet die Ver¬
doppelung des l, welche durch mehrere Dichterstellen gesichert nnd,
da eine solche Form im Arabischen ungewöhnlich, kaum erst bei
der Arabisierung eingetreten ist. Sollte sich in der Verdoppelung Tielleicht eine Spur des (zunächst etwa zu j gewordnen) g erhalten
haben? .Zn bedenken bliebe, dass in der Form bei Ptol. und in
dem zweisilbigen ««v^o das l ohne Zwischenvocal vor dem g
steht. Auf keinen Fall kommt diese lautliche Schwierigkeit gegen
die sonstige Uebereinstimmung in Anschlag.
Owii
*), welches ziemlich oft bei den ersten Kämpfen der
Muslime gegen die Perser bis znr Schlacht von Qädisija erwähnt
wird, lag nahe bei Hira (resp. Kflfa). Darauf führt schon die
Marschroute des Chälid; s. Belädhori 242 f.; Tabari (Koseg.) 2, 6;
2, 24 ff. Dazn stimmt Tab. 2, 4. Nach der Niederlage „an der
Brücke" zieht sich Mnthannä nach Olles zurück Bei. 261 ff., we¬
niger dentlich Tab. 2, 203 (danach Ibn Athir 2, 339). Der Kampf
war dichte bei Bä Niqjä (=LajbkO „Schaafhausen") nnd un¬
ir u
weit Qira's, dessen Bewobner jenseits des Flusses ihre Felder
hatten (Bei. a. a. 0.). So heisst es auch gradezu , 0113s hätte
gelegen ot^l v_JLo ^^^ic (Tab. 2, 24). Wir sahen schon oben,
dass der Flussarm bei ^ira (der alte MuaQaägrjg) bei den Ara¬
bern als Hanptarm des Euphrat angesehen ward. So liegt also
OllSs nach arabischen Nachrichten an demselben Fluss, an wel¬
chem nach den Alten Vologesias lag. Hiermit stimmt wieder
ttberein, dass nach Jaq. s. v. ^J»-Jt war iUi>Lj ^y, ij>!;«it o'oj lijl j
äjjLJI d. h. im westlichsten Theile Babyloniens zwischen dem
Euphrat und der syrischen Wüste. Nach Tab. 2, 32 (vrgl. Jaq.
B. V. U.«;.jJLat) gehörte OllSs zu den Waffenplätzen (i.lw)) von
1) Die Behandlung des Anlauts ist hier wie in IulO/ „Hengst" aus
varsni [Lagarde, Qes. Ahh. 11), dessen neupers. Form gähn ist. SoUte
aich irgendwo noch eine Form des Namens Vologesus finden, in welchem der Anlaut zu g geworden , so wäre auch das nicht auffaUend.
2) Oft OUschUch ^jMxJJt geschrieben.
Nöldeke, eur orientaUachen Geographie. 97 Ol
lxAa*«! einem grossen Orte, bis zu dem der ^^JäjU oLs reichte.
Nun bildete nach Jaqübi 93 *) der ^^^äSu ol^i (d. h. das Land»)
an dem Euphratarm, welcher bei einem Orte jyüöj fckO „Palmen¬
hausen" vorbeifloss) den District „unteres Bihqobädh"
zusammen mit Küfa, Qii^a, Sailabin ^) und zwei, ihrer Lage
nach nicht näher bekannten Orten Nis tar und Hormuzgird
(wohin Chälid gekommen war, ehe er nach Olles gelangte Bei. 242).
Alles das weist uns wieder auf eine Lage in der Nähe von 9 ira.
Setzen wir OllSs demnach ungefähr in die Gegend des heutigen
Kefil, so kommen wir dadurch ganz in Uebereinstimmung mit
den Angaben über die Lage von Vologesias, 18 Milien von Ba¬
bylon, an dem Wasser, an welchem Borsippa liegt.
Nun ist jedoch eine andre Angabe, Olles wäre ein Dorf in
der Gegend von Anbär ^LJt i^yi (Tab. 2, 228 vgl. 236
und dauach Jaq. u. A. m.). Dieser Ansatz stimmt aber durchaus
nicht mit den Berichten und Anzeichen, welche uns auf die Nähe
von Hira führen. Die Vermuthung, es handle sich hier um zwei
verschiedene Orte desselben Namens, wird bekräftigt durch die Be¬
zeichnungen ^yi*aJ! (jM-J! Tab. 2, 203 und by>'5t ^J^^ Tab. 2, 228;
3, 76 ult. An sich wäre ich allerdings eher geneigt, diese Aus¬
drücke, welche einen Gegensatz zwischen einem Olles und einem
andern bedingen, zu übersetzen: „der kleine Kampf bei 0." und
„der letzte Kampf bei 0.", so dass die Adjectiva zu »(^ oder
gehörten, auch wenn dies Wort fehlt. Aber Tab. 3, 76 kann
B_5^! ij«>-^! J>^! durchaus nichts Anderes heissen als „die Bewohner
des äussersten 0." (nicht etwa „die welche den letzten Kampf von
0. mitgemacht haben"). Hat hier nicht also schon in den alten
Ueberlieferungen eine grosse Verwirrung Statt gefunden — und ich
af
1) Ein Dicbter kürzte diesen unbequemen Namen ab in Joi- s. v.
Vrgl. Tab. 2, 30.
2) Ibn Chordädhbih (Joum. as. 1865 Janv. S. 30) lässt Küfa und Hir»
weg und hat dafür ^Laa^^ (so lies für ^LLmuOi^). Die ungefähre Lage des Districts ergiebt sicb aucb aus der der benaebbarten „oberes Bihqobftdh"
und „mittleres Bihqobädh".
3) Die Bezeichnung der Districte schlechtweg nach den Flüssen und Ca¬
nälen war in diesem Lande nicht selten.
4) Ganz nahe bei Hira s. Jaq. s. v.; Jaqübi 93; Bei. 255 und andre Stellen der Historiker. Es giebt aber noch einen Ort desselhen Namens bei 'Aqr qüf, 3 oder 4 Parasangen westlich von Baghdäd s. Sprenger, Post- und Reiser. 91; Bei. 246; Jaq. s. v. Letzterer Ort steht auf Kiepert's Karte als Sälhijjen. Jäqüt verwirrt die Angaben über die heiden Orte. Einer von ihnen ist das TlblB Scherirä's {Neubauer 362).
Bd. XXVIII. 7
98 Nöldehe., eur orientalischen Geographie.
muss gestehn, ich halte das nicht für nnmöglich — so habeu wir
„das kleiue Olles" d. i. Vologesias der classischen Schriftsteller
von „dem äussersten Olles", einem Dorffe bei Anbär, zn unter¬
scheiden.
In dieser Ztschr. XXVU, 337 hat Blau die Vermuthung ange¬
deutet, Vologesias wäre ein gleichfalls bei den ersten Käm¬
pfen viel genannter Ort. Aber dieser scheint mir zu weit südlich
zu liegen. Nach Tab. 2, 20 ult. — 22, 1 war er nahe bei Kaskar
(der Gegend des späteren Wäsit) „von der Landseite" d. h. nach
der Wüste zu (nicht so genau Jaq. 4, 939, 15). Der von Süden
kommende Chälid berührt Walada eher als die Orte bei Hira
(Tab. 2, 20 ff.). Nach Tab. 2, 262 liegt Walaga den Arabern,
die in Qädi sija (ungefähr SW. von Küfa, wovon es 15 Milien
entfernt) die Perser erwarten, zur Rechten, also etwa südöstlich ').
Diese Bestimmungen passen nicht zu der von Ptol. und der Tab.
Peut. angegebnen Lage. Auch die Wortform giebt zu Bedenken
Anlass. Es wäre die einzige, in welcher Vologesus noch später
das g bewahrt, dagegen den Zischlaut verloren hätte. Endlich
dürfte der Name „das Loch", „der Schlupfwinkel" arabischen
Ursprungs sein; so (ohne Artikel) heisst auch ein Ort mitten in
Arabien Jaq. 1, 151, 4.
Grossen historischen Werth hat allerdings unsre Identificierung
nicht. Die Blüthe von Vologesias scheint kurz gewesen zu sein.
Im Talmud kommt es nicht vor; wenigstens erwähnt es weder
Neubauer, noch bin ich bei meinen talmudiscben Streifzügen darauf
gestossen. ^J«uJl war allem Anschein nach ein unbedeutender Ort,
der nie in der Literatur genannt wäre, wenn er nicht bei den
ersten Eroberungskriegen der Schauplatz denkwürdiger Ereignisse
gewesen wäre. Zu Jaqüt's Zeit existierte er schwerlich mehr.
Die Hoffnung, dass sich noch Spuren vou einer Stadt finden sollten,
seit deren kurzem Glänze wenigstens 1500 Jahre verflossen sind,
ist um so geringer, je zerstörender die Wasserfluthen in dieser
Gegend mit dem vergänglichen Baumaterial zu schalten pflegen.
1) Zu beachten Ut , dass Bel&dhon , dessen knappe Erzählung durch¬
weg zuverlässiger ist als die massenhaften Nachrichten Tabari's, nur ein Olles kennt.
2) Jaq. 4, 939, 22 hat dafür, Walada liege dem, der von Qädisija nach Mekka wolle, zur Linken, was das Gleiche bedeutet und zuletzt auf dieselbe Quelle zurückgehen wird wie das bei Tab. Gesagte (den Brief an 'Omar). Jäqüt merkt nicht, dass der Z. 15 genannte Ort derselhe ist wie
der Z. 22.
Nöldeke, zur orientaUschen Geographie. 99
2. MlssioBsreise in Babylonien nnd Medien.
Unter den noch nicht herausgegebenen Acten persischer Mär¬
tyrer in syrischer Sprache finden sich im British Museum auch die
des ,^bs3 Wright Cat. 1134'', welcher im 9. Jahre des Jezde¬
gerd II. (=448 n.Chr. nach Outschmid's Berechnung)*) hingerichtet
ward. Wright theilt a. a. 0. eine Stelle aus diesen Acten mit,
welche von den Reisen des Märtyrers erzählt. Ich hatte schon bei
der Besprechung des Catalogs (Ztschr. XXVH, 198) darauf hinge¬
wiesen, dass einige der in diesem Stück vorkommendeh Orte aus
arabischen Quellen näher zu bestimmen sind. Das geht nun in
noch weiterem Umfange , als ich glaubte. Ich gebe zur grösseren
Deutlichkeit zunächst eine wörtliche Uebersetzung: „Der h. Phaetion fing aber (das Christenthum) zu lehren an in (eigentlich „von") der
Gegend von ^21jISo, ging dann von dort abwärts nach
^«-v>rs 3) J.pr>^«M ^ un(j begab sich unterweisend und lehrend bis
nach v^»AOo>«2D. Da blieb er den ganzen Winter, führte *)
viele Heiden zum Evangelium Chfisti und baute da 4 grosse
Kirchen. Von dort wandte er sich weg, indem er das ganze
Land ^^soo» durchzog, und unterwies viele Dörfel-. Und von dort
kehrte er rurück nach der Oelle , welche er im Gau (Ißfcjaoo») von
hatte, welchen man »oo^-j nennt, d. i. die Ebene (jfciakÄÄ)
von ^j, wo er zu wohnen pflegte. Und darauf ging er in's Land
und führte dort Viele zur h. Taufe. Und Jahr für Jahr zog
er umher und besuchte alle Gegenden, in denen er die Lehre der
Gottesfurcht gesäet hatte" u. s. w.
Die geographischen Namen sind theilweis etwas entstellt (die
Handschrift ist erst 1196 n. Chr. geschrieben), aber die ursprüng¬
liche Gestalt ist durchweg leicht wieder aufzufinden.
1) Der Name wird ^bk^Sfr 186'' oder (mit Rukltftch) punctiert.
0aed'iü)vf oder üvS'itoi'f Da es der Name sein wird, deu der Heilige bei der Aufnahme in den Mönchstand angenommen liat, so darf man sich an der
griechischen Porm bei einem Perser nicht stossen. ^.j^^jjLisJt oder ^
Name eines fabelhaften Judenkönigs, Jftqüt 2, 242; 4, 463 u.s.w. hat schwer¬
lich etwas damit zu thun. — Der Märtyrer stand bei den Nestorianern in hohem Ansehn.
2) Als sein Todestag gilt der 25. Oct.; s. Wright, Catal. 1861'; 193».
3) Die Mehrheitspunete von - ^ sind zu tilgen.
4) Ich lese .^VO (P^^^ Sg.) statt QS^JO (I'a«' Plur.); möglich ist auch
<;^-»;r> (hloss mit dem unteren Punct) ,,sie näherten sich dem Ev.", „nahmen das Ev. au''.
7*
. 0
100 Nöldeke, zvr orientalüchen Geographie.
Unsicher ist nur der Ausgangspunct -»«V-s Ich vermuthete
" "
anfangs , es wäre zu schreiben = jXiitij oder (noch mehr
^ o
arabisiert uud für arabische Dichter bequemer gemacht) jXäJLj,
etwas oberhalb Baghdäd, dicht am oder doch nahe beim Tigris
(s. Jaq. s. V. jXä^, jJi-iiJij und vrgl. zur Orientierung Jaq. 1, 552,
18 s. V. ^ytaJJ über Letzteres s. noch Istachri 87; Ibn Hauqal
168). Es ist dem Namen und wahrscheinlich auch der Sache nach
= Vologesocerta bei Plin. 6, 26 (§ 122), obgleich dessen
Angabe, es liege 3 Milien von Ctesiphon in Chalonitis (dem
Gebiet von Holwan) weder mit sich selbst übereinstimmt, noch
zu Jaqüt's Bestimmung passt*). Die Lage von Balä^kar würdt-
sich vortrefflich in unseren Missionsbericht fügen , da die folgenden Orte, nach denen er von dort „hinabgeht", wirklich weiter strom¬
abwärts liegen. Allein wir haben gar nicht nöthig, die Lesart zu
verändern, da ein Ort ^otA-s (mit ^) in passender Lage auch
sonst noch vorkommt. Thomas von Marga bei Assem. III, i, 471
erwähnt diesen Ort in Verbindnng mit einem Kloster der Schirin,
der berühmten Gemahlin des Chosrau U. Da liegt es nahe, Ba-
lä^farr in der Nähe des Qasr Schirin zu suchen. Und wenu
nun Hamza 36 f. sagt, König Balä^ habe neben der Stadt Hol¬
wän jjtil^ gebaut, so werden wir diese schon an sich schwerlich
statthafte Form ohne Bedenken in ^üblj verwandeln; allerdings
müssen wir dann entweder annehmen , dass Hamza den Säsäniden
Balä^, welcher erst nach dem Tode des Märtyrers regiert hat,
mit einem der gleichnamigen Arsaciden verwechselt, oder dass der
syrische Erzähler ungenau eine für die Zeit seines Helden noch
nicht zulässige Benennung verwendet Da unser Heiliger aus H o 1-
wän gebürtig war ('Amr bei Assem. HI, i, 397), so passte ein
Ort in dessen Nähe vortrefflich als Ausgangspunct seiner Reise ^).
1) Eine andre Localität des Namens q'^-J ''«gt »»n KÜfa". Eine von diesen beiden ist wohl =i5n"n Sota 10» oder NiiTll Erub. 49«. Verschieden ist Berdanna der Tab. Peut., grade in der Mitte zwischen Seleucia und Ecbatana.
Jaq. hat noch ein X^Il>j^ uhne Angabe der Lage. Alle diese Namen führe ich auf den König Wardftn, Vardanes zurück.
2) Andr« Orte des Namens Vologesocerta (dessen Form in Säsänidi-
o o ,
scher Zeit etwa Waläskard oder BaUskard war) sind als O.^Um^» .
' ^ • ^ j
O ü , 0 0,
, iXX*»!^ arabisiert. Vrgl. über diese Formen den Aufsatz über Vo¬
logesias S. 95.
3) Nicht aber als Ausgangspunct seiner christlichen Thätigkeit überhaupt, 1 0
Nöldeke , zur orientalischen Geographie. 101
Wie (arabisiert »a«»«« oder Liwi) *) aus dem Namen des
Königs Hormizd und »j „Glanz", so ist Balasfarr aus Baläs
und ^ (im Neupersiscben viel häufiger als »^) zusammengesetzt;
vrgl. noch ^'uÄi. Eine solche Bildung (vrgl. «Jj^^-io,!) dürfte
übrigens mehr Sasanidischer als Arsacidischer Art sein, so dass
also Hamza doch wohl Recht haben wird.
ist bt^ob, ein wenig unterhalb Baghdäd. Viel¬
leicht ist gradezu J^Vj Ij^o (ohne Jod) zu verbessern; den syri¬
schen Abschreibern lag die Versuchung zu nahe, hier „Mön¬
che" zu finden. Möglich, wenn auch viel weniger wahrscheinlich,
ist es übrigens, dass b^^ob (ganz nahe westlich von Baghdäd)
gemeint wäre
Vor j rr ö *^ ist wahrscheinlich fcuS zu wiederholen. Es ist
,
unzweifelhaft das wieder weiter stromabwärts liegende bL^J'Lj ;
vrgl. z. B. die Route bei Jaqübi 108, wo U^ob und bb-^b
vorkommen. Beide Orte werden auch in enger Verbindung geuannt
im Diöcesenverzeichniss Assem. II, 458 *).
^u2D ^bw-kx Msaijvt] (so accentuieren die Codd. bei Steph.
Byz. s. V.) ist bekanntlich die in neuerer Zeit oft besprochne Ge¬
gend ganz unten am Tigris, wozu Basra gehört.
Nachdem der Missionar also aus der Gegend von Baghdäd
bis nahe an die Mündung des Tigris gelangt ist, geht er wieder
in seiu Heimatbland hinauf. y^+JJOOvJD, in r>, <M^ fi).v% oder ... , o o
v^«jaA^O)-«2D zu verbessern , ist arabisch öi3uübs-j.p = pers.
« i o ,
denn er war weiter nördlicb in ,,Gedana*' (d. i. an der Gränze
zwiscben dem 'Iräq und Schahrzür s. Jaq. s. v.) getauft (Assem, III, i, 397) und hatte ja inzwischen bei Dinawar gewohnt.
1) Die arabische Etymologie bei Jaq. s. v. ist natürlich so schlecht wie manche landläufige Deutungen von Städtenamen bei uns. Uebrigens finden wir selbst bei dem sachkundigen Hamza mehrfach falsche Etymologien von Namen Säsänidischer Städte.
2) Einer der Orte ist wohl "iNn Berach. 31»; Sota 46», wozu aber viele Varr., s. Rabbinovicz zu der ersteren Stelle. — Ueber alle diese Orte vrgl. Jaq.
3) Ich batte diese Identificierungen, die sich ja von selbst ergeben, längst gemacht, als ich in dem Abriss des Lebens unseres Heiligen bei Assem. III,
I, 397 (nach 'Amr) wirklich Badraja und Baksaja (d. i. btjOb und
UbivJ^b) geuannt sah.
102 Nöldeke , xur orientalischen Geographie.
' ' ...o o
Mihrgän-kadhak, was in jetziger Sprachform «j^ i^)-^^^
wäre 1). Dieser Ort lag im südwestlichen Medien, nahe bei ^ai-
mara, zur Rechten des Weges von Holwän nach Hamadhan
(Jaq.).
^^aOQ» (auch Mart. I, 136, 3 vorkommeud) ist ^^.jljj.*-^ ')
(vrgl. Maaaaßarixri Strabo 524. 744; Madaaßdrut, Dionys. Per.
1015; Meß{ß)aßdTai. Ptol. 6, 4 Massabene Plin. 6, 27 [§ 134];
Mes soba tene eb. [§ 135]. Das t in diesen Formen ist
natürlich alterthümlicher als das dh). Mäsabadhän wird mit
Mihr^änqadhaq ■ eng verbunden Jaq. 4, 393, 14; Ibn Chor-
dädhbih 42 q. s. w.; vrgl. Sprenger, Post- und Reiser. 54.
Etwas weiter nördlich liegt das gleichfalls öfter ( z. B.
Ibn Chordädhbih a. a. 0.) mit jenen beiden zusammen ge¬
nannte inn f 1 . « *) — ■ - -^^ einige 20 Parasangen von Hama¬
dhan (s. de Ooeje zu Ibn Pauqal 257 ; Istachri 197), 3 Tage¬
reisen von Kirmänsähän (arab. oder ^^j^'ud^ Ja'qübi
46), 4 Tagereisen von Schahrzür (Jaq. s. y. ^^Xj^S). Es war
im Mittelalter eine grosse Stadt (Ibn Hauqal 255. 260; Istachri
198). Q^O, welches in unsrer Erzählung der Hauptort des Gau's
■ ist, war später zu einem Dorf herabgesunken (Jaq. s. v.).
Auffallend ist, dass von diesem Lande noch ^»20, das eigent¬
liche Medien, unterschieden wird. Darunter ist wohl die ^regend
von Hamadhan zu verstehn.
Es ist wohl nicht zufällig, dass fast alle in unserem Stück
vorkommenden Orte auch als Bischof- oder gar Metropolitensitze genannt werden.
1) S. ztschr. XXVII, 198. Es wird als Diöcese genannt Asscm. II, 458.
2) „Basendana" bei Assem. III, i, 397 ist ein verlesenes ^^Xmu^
statt jj!i\a*«L«.
3) Es scheint mir nicht nöthig, die Verschiedenheit dieser beiden Formen, deren jede durch die Handschriften ziemlieh sicher gestellt wird , aufzuheben.
Plinius braucht die Identität beider niclit bemerkt zu haben.
4) Ob das Ol richtig ist, kann ich nicht sagen. Eine ältere persische Form ist nicht bekannt.
103
Zur Handschriftenkunde
(Kommentare zum Amarakosba).
Von
Th. Anfrecht.
I.
Der älteste und gelehrteste Kommentar zn dem Wörterbuche
von Amarasifiha, den wir bisher kennen, ist das Amarakoshodghä-
tana (der Schlüssel zu der Schatzkammer von Amara) von Bhatta-
Kshirasvämin. Von diesem Werke findet sich eine im Jahre 1810
nicht sonderlich gut copirte Handschrift in der Bibliothek des India
Office, auf 268 Blättern. Diese Handschrift enthält sowohl den
Text als den Kommentar.
Kshirasvämin's Vorrede beginnt:
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sigt^^ri 'I^JN JfTHlT^TTf^ II ^ II
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