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Z ur E tik et te de s Labelns

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Academic year: 2022

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Heutzutage, wo «House of Brands» nicht die Feuer- wehrwache oder die Villa der Familie Brand bezeich- net, wo Teenager von Welt «immer die richtigen Label» tragen, da muss man seine Krankengeschich- ten «branden». Daher habe ich nicht nur Label- Hemden, sondern auch Label-KG, obwohl ich keines- wegs Promi-Arzt bin. «Label-Writer» heisst das kleine Maschinchen, welches Labels, nämlich Etiketten, schreiben sollte. Unser neuseeländischer PC-Service- mann spricht es immer wie «Libel-Writer» aus, was sich wie «Läubelroiter» anhört und einen anderen Sinn ergibt. «Libel» heisst auf englisch Verunglimp- fung und Verleumdung, meist in schriftlicher Form (Frage des Layouters: Ist unser Arsenicum-Autor dann ein «Libelo»?). Und das trifft den Kern, denn was wir so an Etiketten ausdrucken, könnte zivil- und strafrechtliche Konsequenzen haben. Warum nur beschränkt man sich beim Tippen der kleinen, kleb- rigen und teuren Dinger nicht auf die Tippfehler, die man auch sonst immer macht, zum Beispiel den

«Pateint» und die «Karottenstenose»? Warum nur ver- ballhornt man ausgerechnet Namen aufs Schlimmste?

Da wird der freundliche Emmentaler mit dem Namen

«Bichsel» zum «Bichesel», obwohl er nun wirklich klug und keinesfalls halsstarrig ist. Herr Hugenbeck wird zum Hurenbock und Frau Supersaxo zu Supersexi. Die Kleber von der in der Tat gastroente- ral etwas anfälligen Frau Klotz spuckt das Maschinchen als «Kotz, Margarete» aus – ein wirk- lich unschöner Imperativ. Warum Herr Garcia, der stets ein Aroma von Zigarren, Knoblauch, Schnaps und noch viel Schlimmerem verströmt, zur «Gracia»

gemacht wird, obwohl er keineswegs Monegasse, sondern Madrilene ist, bleibt ein Rätsel. Gewisse Namen ändert das Maschinchen so hartnäckig, dass ich mich frage, ob es wirklich unsere Finger sind, die sich da irren, oder ob es nicht doch eine eigene Seele hat. Ich vermute es, denn ich habe diagnostiziert, dass es ein Morgenmuffel ist. Vor acht Uhr dreissig arbeitet es nicht gut, lässt doppelte Etiketten raus, verschiebt das Layout, aber um vier Uhr nachmittags läuft es zu grosser Form auf. Gänzlich streikt es bei dem in der Tat üppigen Doppelnamen «Rudolf von Rohr = Müller-von der Pontresinermatte» und ist augenscheinlich der Meinung, dass «Rudolf von» als Namen ausreicht. Recht hat es. Die überlangen Namen verschieben das Layout, und dann bekommen wir nicht mehr die Patientennummer und das

Geburtsdatum drauf. Aber Frau Gonzalez y Riveira y Valladaler y Hernandez ist da anderer Meinung.

Ganz lästig sind Vornamen als Nachnamen! Wie heisst der Herr denn nun, Felix Kurt oder Kurt Felix?

Und Otto Werner? Walter Fritz? Vielleicht will das Maschinchen ja gar nicht Patientenetiketten drucken und ist deshalb so pannenanfällig. Ausser beim Servicetechniker, da arbeitet es perfekt, wenn der endlich zur Wartung kommt. Und der schaut mich und meine Damen dann leicht verächtlich von oben bis unten an und denkt sich seinen Teil über den alten Duubel und seine Düpfis, die mit Technik nicht drauskommen. Als Arbeitgeber, dem es darum geht, auch seine Büromaschinen intrinsisch zu motivieren, gönnte ich dem Label-Writer eine Job-Rotation, und es durfte jetzt «Himbeer-Johannisbeer-Gelee 07»,

«Erdbeer-Konfi 07» und «Rhab-Erd 07» drucken.

Leider sah das mein Sohn und krallte sich das Schreiberchen, um seine Discs anzuschreiben. Das war wohl zu viel. Oder es hat lieber klassische Musik statt Rap. Auf jeden Fall gab es den Geist auf bezie- hungsweise hauchte seine letzte Tinte aus. Nun haben wir eine neuere, jüngere Version. Auch die Kleber sind anders gestylt (und passen deshalb jetzt kaum mehr auf die KG ...). Doch das Hauptproblem bleibt: Im hektischen Praxisalltag haben wir nie Zeit, die Etiketten neu zu drucken, wenn unsere Patientinnen heiraten, sich scheiden lassen, die Krankenkasse oder den Handyanbieter wechseln, umziehen oder die Obrigkeit mal wieder die Strassennamen oder -nummerierung umstellt. Und dann schreiben wir die neue Natelnummer halt schnell mit Kuli per Hand drüber. «Wie sieht denn das aus?», murrt dann meine Frau und legt eine Sonntagsschicht ein. Sie ist super im Tippen, aber nicht so gut im Kleben. Und deshalb merkte ich erst, als in Herrn Vogts KG die Thorakotomienarbe fehlte, die er hätte haben sollen, dass ich viel Unsinn in die falsch etikettierte KG des Herrn Arnold geschrieben hatte. Glücklicherweise konnte ich noch rechtzeitig den Irrtum diskret korrigieren ... Wie weise doch der amerikanische Psychiatrieprofessor sprach, als er uns auf der Fortbildung empfahl: «Never label a patient!» Nein, man sollte Patienten nicht etikettieren und schubladisieren. Aber bei den KG empfiehlt es sich doch.

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ARS MEDICI 14 2007

arsenicum

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