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Ohrspülung in der Hausarztpraxis

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Academic year: 2022

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«So was lässt man halt besser beim Spezialisten machen», lautete der Kommentar eines HNO-Kollegen, der bei einem Patienten eine Trommelfellperforation nach einer Ohrspülung beim Allgemeinarzt feststellte.

Hat der Kollege recht? Birgt die Ohrspülung schwer kalkulierbare Gefahren, die nur ein HNO-Arzt richtig einschätzen kann? Oder hätte das jedem Arzt passieren können?

F R I T Z M E Y E R

Ein Kollege berichtet über eine 70-jährige pensionierte Lehre- rin, die wegen einer subjektiv auffälligen linksseitigen Hör- minderung in die Praxis kommt. Er stellt als Ursache des Pro- blems einen Ohrschmalzpfropf fest, veranlasst die Gabe eines Zerumenolytikums und führt dann «wie schon immer» eine Ohrspülung mit der Ohrspritze durch. Da die Patientin schon beim ersten Spülgang über stärkste Schmerzen und Schwindel klagt, wird unter der Vorstellung einer Reizung des Gleich - gewichtsorganes jede weitere Aktion eingestellt.

Nach einiger Zeit hat sich die Patientin so weit erholt, dass sie wieder nach Hause gehen kann. Anderntags ruft sie an: Wegen schlimmer Ohrenschmerzen sei sie in der örtlichen HNO-Am- bulanz der Universitätsklinik vorstellig geworden. Dort wurde dann eine frische Trommelfellperforation festgestellt, deren Ursache offensichtlich die Spülung gewesen sei. Dies habe der diensthabende HNO-Kollege dann folgendermassen kommen- tiert: «So was lässt man halt besser beim Spezialisten machen!»

Bei der Patientin kam es zu keinem Schaden: Der Trommelfell- defekt ist glücklicherweise wieder zugeheilt und das fatale Ereignis damit ohne Folgen geblieben.

Methoden der Ohrschmalzentfernung

Hörminderung und Ohrenschmerzen sind neben Pflegemass- nahmen (Hörgeräteträger, Wassersportler) die häufigsten Gründe, warum Ohrenschmalz entfernt werden muss. Ent-

sprechend nimmt das Beratungsergebnis «Zerumen» in den all- gemeinmedizinischen Fälleverteilungsstatistiken (1–2) der letzten zwei Jahrzehnte durchweg vordere Rangplätze ein:

Rang 21 bei Fink (1989–1999), Rang 19 bei Danninger (1991–1996) und Rang 12 bei Landolt Theus (1983–1988).

Der Hals-Nasen-Ohrenarzt entfernt Ohrenschmalz vorzugs- weise instrumentell, mit dem Häkchen oder dem Sauger. Dies geht schneller als die Spülung, ist weniger aufwendig, erfordert aber Übung, die Benutzung einer Stirnlampe und, will man lehrbuchgerecht (6) vorgehen, eines Ohrmikroskops.

Der Hausarzt zieht ohne dieses technische Equipment die Spülung vor, weil sie scheinbar ungefährlicher ist. Nicht selten wird diese Arbeit auch an eine Helferin delegiert.

Gefahr der Trommelfellverletzung

Direkte Verletzungen des Trommelfells können bei instrumen- teller Säuberung auftreten, wenn der Patient wegen der kaum vermeidbaren Gehörgangsreizung unvermutet mit reflexarti- gen Ausweichbewegungen oder über die Irritation von Vagus- fasern in der Gehörgangswand mit einem reflektorischen Hustenreiz reagiert. Bei dem durchschnittlich etwa vier Zenti- meter langen Gehörgang des Erwachsenen ist eine direkte Ver- letzung des Trommelfells bei der Ohrenspülung auch mit der drei bis vier Zentimeter langen Spitze der Ohrspritze denkbar, setzt aber eine sehr unsachgemässe Handhabung voraus. Die Gefahr direkter Verletzungen ist erfahrungsgemäss bei Kindern, behinderten und nicht kooperativen Patienten deutlich höher.

F O R T B I L D U N G

ARS MEDICI 22 2008

1007

Ohrspülung in der Hausarztpraxis

Trommelfell in Gefahr?

Merksätze

Der HNO-Arzt entfernt Ohrenschmalz vorzugsweise instrumentell (Häkchen, Sauger), der Allgemeinarzt üblicherweise durch eine Ohrspülung.

Der mit einer Ohrspritze beim Spülen in einem Gehörgang durch- schnittlicher Grösse erzeugte Wasserdruck reicht normalerweise nicht aus, um ein gesundes Trommelfell zu verletzen.

Bei der Spülung mit körperwarm temperiertem Wasser sollte der

Strahl niemals direkt in die Richtung des Trommelfells, sondern

gegen die hintere obere Gehörgangswand gerichtet werden.

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Trommelfellverletzungen bei der Ohrspülung entstehen in erster Linie durch den Wasserdruck. Durch experimentelle Untersuchungen (3) konnte belegt werden, dass der mediane Rupturdruck eines normalen Trommelfells bei 912 mmHg (Spannweite 383–1520 mmHg) liegt und mit zunehmendem Alter abnimmt. Deutlich niedriger sind auch die Rupturgrenz- werte (Median: 456 mmHg, Spannweite: 228–608 mmHg) bei

geschädigten Trommelfellen (Abbildung 1) mit entsprechen den Strukturveränderun- gen (atrophische Narben, Kalkplattenein- lagerungen). Durch weitere Messungen (4) konnten da rüber hinaus die von verschie- denartigen Ohrspritzen (Metall, Plastik, Glas) erzeugten Drucke bestimmt werden, die in menschlichen, unterschiedlich gross dimen sio nierten Gehörgängen auf- treten. Dabei zeigte sich, dass mit Ohr- spritzen aus Metall Drucke zwischen 200 und 300 mmHg (Median: 240 mmHg), aus Plastik zwischen 180 und 270 mmHg (Me dian 225 mmHg) und aus Glas zwi schen 170 und 260 mmHg (Median: 205 mmHg) produziert werden kön nen. Der Druck ist ausserdem umso höher, je grösser der Gehörgang des Patienten ist: Während in normalen Gehörgängen der mit einer Metallspritze erzeugte mediane Druck bei 240 mmHg liegt, kann er in einem grossen Gehörgang bis auf maximal 300 mmHg ansteigen.

Aus diesen Daten lässt sich schliessen, dass der mit einer Ohrspritze beim Spü- len in einem Gehörgang durchschnittli- cher Grösse erzeugte Wasserdruck nor- malerweise nicht ausreicht, um ein ge- sundes Trommelfell zu verletzen. Ist der Patient aber älter, der Gehörgang sehr gross und/oder das Trommelfell durch Narbenbildungen geschädigt, sind mit einer Ohrspritze aus Metall (Abbildung 2) Spitzendrucke erzeugbar, die unter Ver- kettung unglücklicher Umstände zu einer Trommelfell ruptur führen können.

Fazit für die Praxis

Für das Vorgehen in der hausärztlichen Praxis hat sich ein gewisser Algorithmus bewährt (Abbildung 3). In jedem Fall ist es wichtig, den Patienten vorab über ak- tuelle oder frühere Ohr erkrankungen zu befragen. Bei suspekter Ausgangssitua- tion (bekannter Trommelfelldefekt, chro- nische Mittelohreiterungen oder «laufen- des Ohr» in der Vorgeschichte, frühere trauma ti sche Trommelfellverletzungen, durchgemachte Mittelohroperationen, «einzig hörendes Ohr») ist es sinnvoll, das Ohren schmalz instrumentell vom Facharzt entfernen zu lassen. Bei unkomplizierter Ausgangslage ohne otologische Besonderheiten kann das Ohr gespült werden. Das Aufbrechen des Ohrschmalzpfropfs durch mindestens zehnmi- nütiges Vorweichen mit einem Zerumenolytikum ist sinnvoll, weil der notwendige Spüldruck dann auch geringer sein kann.

F O R T B I L D U N G

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ARS MEDICI 22 2008 Abbildung 2: Der Klassiker: Ohrspritze aus Metall

Abbildung 1: Dieses Trommelfell ist ein «Risikokandidat» für eine Ruptur. Man erkennt zahlreiche Strukturveränderungen als Folge abgelaufener Entzündungen: Kalkplatten (blau eingekreist) und eine atrophische Narbe (weiss eingekreist).

(3)

Führt dies nicht zum gewünschten Erfolg, sollte der Patient zu Hause selbst einige Tage mit einem Zerumenolytikum weiterbe- handeln, ehe man zu einer nochma ligen Spülung ansetzt. Ist auch dadurch keine Reinigung möglich, macht es Sinn, den Patienten an den HNO-Arzt weiterzuleiten.

Bei der Spülung mit körperwarm temperiertem Wasser soll der Strahl niemals direkt in die Rich- tung des Trommelfells, sondern gegen die hin- tere obere Gehörgangswand gerichtet werden, weil sich durch die Umleitung des Wasserstrahls der Wasserdruck und eine Verletzungsgefahr für das Trommelfell reduzieren lassen.

Bei jeder Zerumenentfernung des Ohrs, insbe- sondere bei instrumentellen Reinigungsmass- nahmen, muss der Patient nach einem aktuellen Gerichtsurteil darüber aufgeklärt werden, dass er während des Eingriffs den Kopf nicht bewe- gen darf, da sonst die Gefahr einer Trommelfell- schädigung besteht (5).

Wichtig: Nach jeder erfolgreichen Ohrschmalz- entfernung sollten schon aus medicolegalen Gründen Gehörgang und Trommelfell obligat kontrolliert werden. Beim Vorliegen leichterer, manipulationsbedingter Gehörgangsläsionen ist eine Nachsorge mit entzündungshemmenden oder pflegenden Ohrentropfen sinnvoll, um eine sekundäre Otitis externa zu verhindern. Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de

Dr. med. Fritz Meyer Facharzt für Allgemeinmedizin – Sportmedizin Facharzt für Hals-Nasen- Ohrenheilkunde D-86732 Oettingen/Bayern

Interessenkonflikte: keine

Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 4/2008.

Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.

O H R S P Ü L U N G I N D E R H A U S A R Z T P R A X I S

ARS MEDICI 22 2008

1009

Zeruminalpfropf➝ Unkomplizierte Ausgangslage➝

Ohrspülung➝ Ohne Erfolg➝ Zerumenolyse➝ Erneute Spülung➝

Ohne Erfolg➝ Häusliche Zerumenolyse➝

Erneute Spülung➝ Ohne Erfolg Suspekte

Ausgangslage

HNO-Arzt

Mit Erfolg

Nachsorge

Abbildung 3: Algorithmus zur Ohrschmalzentfernung durch den Hausarzt

Magistrale Rezepturen:

Rp.: Essigsäure-Ohrentropfen 0,7 Prozent NRF 10,0 g oder

Rp.: Ethanolhaltige Glycerol-Ohrentropfen 42,5 Prozent

NRF 10,0 g

Handelspräparat: z.B: Cerumenex®, Cerumenol®

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