• Keine Ergebnisse gefunden

Ein Fall yon hoher Plexuszerreifiung.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Ein Fall yon hoher Plexuszerreifiung."

Copied!
23
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

XXlII.

Aus der ehirurgisehen Universitittsklinik zu Erlangen.

(Direktor: Prof. Dr. E. Graser.)

Ein Fall yon hoher Plexuszerreifiung.

Von

Dr. Otto Kalb,

A s s i s t e n t e n tier K l i n i k .

(Mi~ 4 Abbildungen.)

Durchtrennungen des Plexus braehialis durch direkte Ver- letzungen (FIiob- oder Stich-Wunden) sind ziemlieh oft beobachtet w o r d e n . - In zweiter Linie sind es am h~tufigsten Verletzungen des Knoehengeriistes jener Gegend, welche eine Sch~digung des Plexus durch Zerreiliung oder Uberdehnung herbeiftihren. B o 1 t o n (3), Bristow(4) L), K e n n e d y (ll) u. a. berichten diese Komplikationen bei Fraktur des Humerus; T u f f i e r (22), S t e w a r d (23) usw. die- selbe bei Luxation des Oberarmes; B e g o u i n (2), K r a m e r (15) u. a.

bei Fraktur der C l a v i e u l a . - Sogar dureh eine chronische Ver-

~tnderung am Knochenskelett infolge tiberschiissiger Halsrippen ist zuweilen eine Liihmung des Plexus beobachtet worden (D~j~rine und Armand(6), meist mit vorwiegend sensiblen StSrungen.

Ohne irgendwelche begleitende Ver~tnderungeu am Knochengeriist der Schulter sind Zerrei~ungen des Plexus einigermalien h~tufig nur bei Kindern als sogenannte Geburtsl~thmungen besonders naeh An- wendung des Braunschen Hackens (Schiillor(19), K e n n e d y (12 und 13) usw.).

Bei Erwachsenen dagegen sind traumatischo Plexusl~hmungen ohne Ver~tnderung am Knochengertist bis jetzt kaum beobachtet worden:

Abgesehen yon einem Fall yon traumatischer isolierter L~thmung

1) Diese Zahlen beziehen sich auf das am Schlusse dieser Arbeit befind- liche Literaturverzeichnis.

(2)

Ein Fall yon hoher Plexuszerrei~ung. 573 des N e r v u s axillaris dureh blo~o U b e r h e b u n g d~s Armes, den W a l l e r- s t e i n (26) e r w a h n t , finden w i r a u s g e d e h n t e r e Schadigungen des P l e x u s brachialis ohne V e r ~ n d e r u n g am Knochengeriist n u r 4 be- schrieben.

I. B a n k s ( l ) beriehtet aber einen Pat., der durch die Luke eines Schiffes in den Laderuum herunterfiel und dort mit der rechten Schulter aufschlug, sieh aber keine ernste huBere Verletzung zuzog; doch war tier rechte Arm sofort naeh dem Unfall v611ig gelhhmt, ebenso der grSBte Teil der Schultermuskulatur; naeh 2 Monaten ergab die Untersuehung starke Atrophie der Sehulter und des Armes. Totale Lhhmung der dortigen Muskulatur. Bei der faradischen Untersuehung reagierte nur der Pectoralis major und Deltoideus und zwar sehwach. Komplette AnSsthesie des rechten Armes. Fehlen des Pulses an shmtliehen Armarterien. Arterie axillaris in einen dieken Strang verwandelt, tJber der ersten Rippe ein walnuB- groBer, knoehenharter Knoten, nahe dem Sealenusansatz. Die reehte Lid- spalte erschien enger als die linke, tier rechte Bulbus kleiner, die rechte Pupille erweiterte sich weniger ausgiebig als die linke ( H o r n e r s c h e Trias).

Nach vergeblieher Anwendung elektriseher Heilmittel schien ein operativer Eingriff gerechtfertigt: Sehnitt purallel am oberen Rande des Sehl~issel- beines, PrSparation des ganzen Halsdreieeks. Der oben erwfihnte Knoten stellte sich als vSllig obturierte Subelavia heraus; die Obturation hatte sieh offenbar im AnschluB an ein Aneurysma gebildet. Der Plexus braehia- lis war dieht neben dem Prozessus transversus vertebrarum abgerissen und sein peripheres Ende so weit unter die Clavieula gewichen, dab an eine Nervennaht nieht zu denken war. Es war nur noeh ein feiner Nervenfaden vorhanden, bei dessen Reizung der Deltoideus und Pectoralis sehwach z u c k t e n . - Einen ~hnlichen Fall will Verfasser einige Zeit vorher bei einem 3jhhrigcn Kinde dutch Uberfahren beobaehtet haben.

Verfasser betont als besonders merkwfirdig an dem Fall das Fehlen

~mBerer Verletzungen, die Intaktheit des Knochengertistes und das Vor- handensein des oculo-pupillfiren Symptoms (Hornsche Trias).

II. B o l t o n ( 3 ) berichtet in den Annals of surgery, Mai 1902, fiber ein Subcutaneous injury of the braehial plexus.

Patient, Bin 27jhhriger Mann, fiel eine steile Treppe herunt~r und erlitt dabei einen Kniescheibenbruch. Gleieh naeh dem Unfall war auch eine fast vSllige L~thmung des linken Armes zu konstatieren. Auch war der ganze Arm empfindungslos mit Ausnahme einer sehmalen Zone an der Hinter- und Innenseite des Oberarmes.

O p e r a t i o n : Sehnitt 2 Zoll unterm Proeessus mastoideus beginnend, am vorderen Rand des Kopfnickers entlang zum Sternoelavicular-Gelenk, yon dort zur Mitte des Sehlfisselbeines umbiegend. Das Schlt~sselbein wird in der Mitre durchsftgt, das Halsdreieck pr~ipariert. Statt des Plexus findet sich nur eine Granulationsmasse. - - Auch hier hatte sieh nach Ansicht des Autors infolge ZerreiBung der Gef~ige ein HAmatom gebildet und dieses den Plexus zerstSrt.

III. N. W. S i n j i i s c h i n ( 2 1 ) berichtet fiber einen Patienten, dem ein sehwerer Baumstamm auf die Sehulter rid. Es entstand daraus eine

(3)

574 xxIII. KALB

Lahmung des Plexus brachialis, wobei nur Zweige zum Pector., Supraspin.

und den fibrigen Schultermuskeln erhalten blieben. - - 7 Monate nachher versuchte Professor B o s t r u einen operativen Eingriff. Schnitt am Rande des Sternocleido, Resektion der Clavicula, stumpfe Freilegung des Plexus;

fibr0se Degeneration der St~mme. Resektion derselben. - - 1 Jahr nachher Zustand kaum gebessert.

Leider geht aus dem Referat nicht mit Sicherheit hervor, ob ursprting- lich keine Knochenverletzung vorlag; doch ist dies mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzunehmen. - - Auch fiber Gef~ti~zerrei~ung als even- tuelle Ursache der Plexusschiidigung ist nichts erwhhnt.

IV. Mason James(16) verSffentlichte im Brit. reed. Journal einen 4. Fall.

Ein 45ji~hriger Mann sttlrzte in der Trunkenheit in einen engen Graben. Nach dem Unfall Unfiihigkeit zu gehen und zu stehen vorhanden.

Doeh nur an den Armen Verlust tier Bewegung und Empfindung. Keine Atemst(irung. Schwacher I-Ierzschlag. Halswirbelsi~ule nicht verletzt; Druck- empfindung in der Gegend des 3. und 4. Halswirbels.

Leider war mir diese letzte Arbeit ebenso wie die vorige im Ori- ginal nicht zugangig. Das Referat der H i l d e b r a n d schen Jahrbficher l~tl~t bei diesem Fall den Verdacht bestehen, dait es sich um eine medull~tre Erkrankung, etwa um eine Hi~matomyelie, gehandelt hat. Die Druckempfindlichkeit der Halswirbels~tule, die Doppel- seitigkeit der Arml~thmung, die Unfithigkeit zu stehen, sprechen jedenfalls daffir.

So schaltet dieser Fall aus unserer naheren Betrachtung aus;

leider ist auch das Referat fiber Fall 3 fiir unseren Zweek nieht ausreichend. Es geht zwar mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, abet nicht mit Sicherheit aus ihm hervor, ob wirklich jede Knochen- verletzung gefehlt hat. Auch fiber etwaige Gefiil~zerreil~ungen finden wir nichts erw~thnt. Auch die yon V o l h a r d ( 2 5 ) beschriebenen Wurzelabreiliungen des Plexus brachialis durch Treibriemenver- letzung (2 F~tlle) betonen nicht die Abwesenheit jeder Knochen- verletzung.

So halten einer strengen Kritik nut die 2 ersten Fi~lle stand.

Zweifellos fehlte bei beiden jede Veranderung des knSchernen Ge- rfistes. Bei beiden war der Plexus ziemlich hoch oben abgerissen.

Im ersten Falle war die sensible und motorische Lahmung am ganzen Arme vorhanden. Dazu oculo-pupillare Symptome, die sogenannte Hornersche Trias: Myosis, Ptosis, Retractio bulbi, be- dingt dureh die Verletzung der mit dem 1. Dorsalnerven verlaufenden Fasern ffir den Sympathicus.

Beim 2. Fall fehlte das oculo-pupill~tre Symptom, wenigstens wird nichis davon erw~thnt. Die Sensibiliti~t war bier an einem

(4)

Ein Fall yon hoher Plexuszerrei~ung. 575 schmalen Streifen an der Rt~ckseite des Armes erhalten, die Mo- tilit~t am U n t e r a r m offenbar auch nicht vollkommen erloschen.

Die A r t d e r V e r l e t z u n g w a r in beiden F~llen dieselbe. Sie bestand in einem F a l l e auf die 8ehulter. E i n e o p e r a t i v e H i l f e w a r in b d d e n F~llen nicht mSglich. Dureh die Autopsie in vivo w u r d e lediglieh ein walter D e f e k t des Plexus festgestellt, dazu die UnmSglichkeit denselben zu deeken. Die O p e r a t i o n s m e t h o d e be- stand in einem parallel dem Sternocleide und dem Sehlfisselbein ver- laufenden H a u t schnitt, und einer davon ausgehenden P r e p a r a t i o n des Halsdreiecks. B o l t o n reseziert hierzu in F a l l 2 sogar das 8ehltissel- bein. - - T u f f i e r (27) der eine dureh Z e r r u n g b e w i r k t e L g h m u n g des P l e x u s als F o l g e einer A r m l u x a t i o n beschrieben hat, r e s e z i e r t e sogar das T u b e r c u l u m anterius tier Querfortsgtze m e h r e r e r W i r b d , um sich die gesch~tdigten W u r z e l n besser zug~ngig zu machen. - - E i n e Naht der zerrissenen ~ e r v e n s t ~ m m e konnte in k d n e m der beiden F~tlle ausgeftthrt werden.

Diesen zwei einzigen F~llen, in denen eine Zerreil~ung des Plexus zweifellos ohne Ver~nderung am Knochengert~st stattgefunden hat, kSnnen w i r aus eigener Beobachtung einen dritten F a l l hinzu- fiigen.

Ein 43j~hriger Flaschnermeister war am 27. IX. 1905 auf dem Dach eines 10--12 m hohen Neubaues besch~ftigt; dort glitt er infolge des nassen Wetters aus und stilrzte kopf~ber die volle H6he des Neubaues herab. Uber die Art des Falles weig er selbst niehts anzugeben, da er naeh dem Unfall eine Viertelstunde bewuBtlos war. Sein Geselle, der dem sttlrzenden Meister nachbliekte, hat ihm sp~ter erz~hlt, er sei zunhchst in halber H6he mit der reehten Schulter heftig auf eine Ger~ststange aufge- sehlagen, wodurch die Sehnelligkeit des Falles bedeutend gemindert wurde. Am Boden sei er dann mit dem Kopf und Rt~cken auf Bruchholz aufgestt~rzt. Als tier Verletzte nach einer Viertelstunde wieder zu sich kam, klagte er so- fort t~ber rasend starke Sehmerzen im reehten Arme, auch fiber solche in tier rechten 8chulter; der rechte Arm war v6llig unbeweglich und absolut gefllhllos. Der linke Arm war vollkommen frei, die Beinbewegungen nieht gest6rt. Der sofort gerufene Arzt konnte keine Verfinderung des Knochen- ger~sts der rechten Schulter feststellen, hielt aber trotzdem einen Sehlt~ssel- beinbruch flit nicht vSllig ausgesehlossen. Uber dem rechten Cucullaris fund er die Haut in Handbreite gerStet und blutig unterlaufen, den rechten Arm tatsSehlieh vollkommen gel~hrat und gefahllos. Am Kopfe waren nur einige unbedeutende Hautwunden vorhanden, welche sofort versorgt wurden.

Ein SeMdelbruch konnte nicht konstatiert werden. - - Schon in den n~eh- sten Tagen naeh der Verletzung trat eine ziemlich starke Schwellung der reehten Sehulter und des ganzen reehten Armes ein, welche eine exakte Untersuchung der Sehultergegend unmSglich machte. Zudem bestand naeh wie vor eine hervorragende 8chmerzhaftigkeit des ganzen rechten Armes.

Die anfanglich vollkommene Lhhmung der ganzen rechten oberen Extremitht

(5)

576 XXIII. KA~B

schriinkte sich nach und nach etwas ein; gegen Ende der zweiten Woche konnte Patient einige Bewegungen des Unterarmes und der Hand aus- ftihren, behauptete auch, an der Innenseite des Armes etwas zu ftihlen.

Um diese Zeit, am 14. X. 1905, kam Patient zu uns.

Der groL~e, kr~iftig gebaute Mann ist yon gutem Erniihrungszustand, kriiftiger 1Kuskulatur und reichliehem Fettpolster. Die Untersuehung der inneren 0rgane last nichts Krankhaftes nachweisen. Blasen- und IV[ast- darmfunktion intakt.

An der rechten Kopfseite, vor und hinter dem rechten Scheitelbein- hScker und fiber dem rechten Augenbogen, ist je eine kleine, line,ire, frische, etwa 5 cm lange Narbe zu konstatieren. Im tibrigen ist die Schiideldeeke, ebenso auch die SchSdelknochen vollstlindig intakt.

Die Konjunktiva des rechten Auges zeigt einen mehrere Wochen alten BluterguB; die Bewegungen beider Augen sind vollkommen frei, die Reaktion beider Pupillen auf Lichteinfall und Konvergenz prompt.

E i n e a u f f i i l l i g e V e r s c h i e d e n h e i t in tier W e i t e tier L i d s p a l t e n , d e r GrSBe d e r B u l b i und d e r W e i t e der P u p i l l e n k a n n n i c b t k o n s t a t i e r t w e r d e n .

Die Betastung der H a l s w i r b e l s a u l e ergibt keine Abnormitht, keine Schmerzhaftigkeit; die Bewegungen derselben sind allseitig frei. Auch das RSntgenbild der I-Ialswirbelsitule zeigt vollkommen normale VerhSltnisse.

Die Sehnenreflexe der unteren Extremit~iten sind beiderseits gleich und jedenfalls nieht gesteigert.

Uber dem reehten Cucullaris findet sich eine kleinhandtellergrof~e Hautabschflrfung; etwa in der Mitte zwischen Sehulter und Wirbelsi~ule~

his zum freien Rande des Muskels reichend.

Die r e c h t e o b e r e E x t r e m i t l i t erseheint vollkommen gel~ihmt. Der Oberarm hiingt schlaff am Thorax herab, der Unterarm, im Ellenbogen rechtwinklig gebeugt, wird an seinem Ende yon tier linken Hand gestatzt.

Schulter und Arm ist deutlich etwas atrophisch.

Der Unterarm fiihlt sich kt~hler an als der rechte, ist blaurot ver- fltrbt, der rechte Handriicken deutlich 5dematSs. Doch kann ein deutlicher Unterschied am beiderseitigen Radialpuls nicht konstatiert werden.

Von den S c h u l t e r b l a t t m u s k e l n ist tier Cucullaris nur etwas schw~icher wie links, der Levat. angul, scapul, und die beiden Rhomboidei gut; diese Muskeln zeigen direkt und indirekt anniihernd normale elek- trische Erregbarkeit, ebenso die tibrigen Halsmuskeln (Sternocleidomostoideus, Scaleus usw.). Dagegen l~tl~t sich vom M. serrat, antic, keine Wirkung bemerken; derselbe ist nur galvaniseh bei direkter Reizung etwas erregbar.

D i e M u s k e l n des S e h u l t e r g e l e n k s erweisen sich bei genauer Untersuchung s i i m t l i c h gel~hmt.

Deltoideus, Pector. maj. und min., Latissimus dorsi; Supraspinatus, Infraspinatus, Teres minor; Subseapularis und Teres major sind siimtlich aktiv nicht innervierbar, zeigen deutlich leichte Atrophie, und sind elektriseh nur bei direkter Reizung mit dem galvanisehen Strom zu einer triigen Zuckung zu veranlassen.

Im E l l e n b o g e n ist die Streckung (Triceps), die Beugung (Biceps, Brachialis int.; Supinator longus) und die Supination (Biceps, Supinator brevis) vollkommen unm0glieh. Diese si~mtlichen Muskeln zeigen leichte

(6)

Ein Fall von hoher Plexuszerrei~ung. 577 Atrophie und komplette Entartungsreaktion: nur direkte galvanische Reizung erwirkt deutlich trage Zuekung. Als einzige Bewegung im Ellenbogen ist ein leiehter Grad yon Pronation mSglieh, ohne jede erhebliehe Kraft, wobei deutlieh als l~Iitbewegung eine leichte Beugung der Finger, besonders der zwei kleinsten, eintritt. Bei ganz starken, faradisehen StrSmen seheint

der Pronator teres sowohl direkt als indirekt erregbar.

Im H a n d g e l e n k fehlt die Dorsalflexion, sowie die Radialwartsbiegung vSllig. Die entspreehenden Muskeln (Extensor carpi radialis longus und brevis, Extensor carpi ulnaris, Flexor carpi radialis) zeigen Atrophie und komplette Entartungsreaktion. Dagegen ist eine kombinierte Ulnar- und Volarflexion mSglich, dutch alleinige Wirkung des Flexor carpi ulnaris.

Dieser Muskel zeigt bei starken faradisehen Str0men auch vom Nerven aus eine blitzartige Zuckung.

In den F i n g e r n ist die Priifung der Bewegliehkeit dutch das an der Hand vorhandene ()dem etwas erschwert. Die Streekung der Grundphalangen ist unmSglieh (Extensor digitorum communis, Extensor digiti minimi, Ex- tensor indieis proprius). Diese Muskeln zeigen auch vollkommene Ent- artungsreaktion. Die Streckung der Endphalangen und die Beugung der Grundphalangen (M. lumbricales) ist allerdings mit herabgesetzter Ausdehnung und Kraft m5glich, ebenso Adduktion und Abduktion der Finger (MM.

interossei). Auch die Muskeln des Hypothenar funktionieren in besehrank- tern Ma•e (Flexor brevis, Abductor digiti rain.). Diese s~mtlichen Muskeln lassen sieh mit starken faradisehen Str0men zu blitzartigen Zuckungen erregen.

Von den D a u m e n b e w e g u n g e n ist nur die Adduktion wirklieh gut.

Streckung und Abduktion~ ebenso Flexion tier Grundphalanx ist~ offenbar mit infolge tier starken Schwellung, nieht ausffihrbar. Dagegen lii~t sieh mit starken faradisehen Str0men deutlich eine ganz kurze Zuekung bei diesen Muskeln erreiehen (Extensor pollicis brevis und longus, Abductor pollicis longus und Flexor pollicis brevis). - - Die Flexion tier 2. Phalange (Flexor pollicis longus) ist aktiv nieht mSglieb. Die elektrische Unter- suchung dieses 5Iuskels ergibt kein einwandfreies Resultat.

Der Triceps- und Radialreflex ist vollkommeu erlosehen; tier Ulnar- reflex eben angedeutet.

Die Perkussion im Stehen erweist bei tiefer Inspiration eine leichte Verschieblichkeit der rechten vorderen Lungengrenzen. Hieraus wurde fiilsehlieh tier Schlu~ gezogen, dab tier rechte Phrenicus intakt sei. Diese Annahme erwies sieh auf Grund tier sp~tteren RSntgendurchleuchtung als irrig. Auch der rechte Phrenicus war gelhhmt.

Die SensibilitSt ist in bedeutender Weise beeintriichtigt, die genauere Untersuchung erweist~ da~ dies etwa in 3 Abstufungen tier Fall ist (siehe Figur 1 u. 2). Am st~irksten ist die St(irung etwa im Gebiet der Supraclavi- cularnerven i~ber der Schulter (1). Hier ist die Empfindung fiir warm und kalt, sowie far Beriihrung vOllig erloschen. Die Schmerzempfindung stark h e r a b g e s e t z t . - An der Radialseite des Ober- und Unterarms, sowie an der Hand werden aueh leisere Berfihrungen gefiihlt, abet Spitz und Knopf nieht untersehieden. Kalt und warm nur naeh l~tngerer IJberlegung und nur bei hohen Differenzgraden unterschieden. Schmerzempfindung ist etwas herabgesetzt (II).

Doutscho ZBitschrift f. C h i r u r g i o . 88. Bd. 37

(7)

578 XXIII. KxLn

- - Am besten ist das Geffihl erhalten in einem schmalen Streifen an der Innen- und Ulnarseite des Ober- und Unterarms, sowie im Ulnarisgebiet der Hand (III).

Dort ist das Geftihl ffir s~imtliche Qualit~iten nur etwas herabgesetzt, mit dem l~ebengefiihl des Pelzigen. Eine auffallende Beeintrhchtigung der Empfindung ffir Schmerz und Temperatur gegen~iber den anderen Gef~hls- qualit~tten kann nicht konstatiert werden. Das Muskelgefiihl ist in s~imt- lichen Gelenken des Armes bedeutend herabgesetzt, doch werden bei groben

1[

\

I I I

Geringero iiiiiiiiiiiiiii]~__-= St~rksto

S ensibilit~its stSrung i: :::!?::iii!~ S 6nsibilit~,tsstSrun g

Fig. 1. Fig. 2.

Bewegungen stets richtige Angaben gemacht. Am 7Nacken ist die Sensi- bilit~it intakt.

Die passiven Bewegungen in samtlichen Gelenken des Armes sind frei, nirgends lhBt sich eine Krepitation oder abnorme Beweglichkeit nach- weisen. Die Durchleuchtung mit R~ntgenstrahlen ergibt am Schulterg|irtel vollkommen normale VerhMtnisse. Es ist sicher keine Luxation des Humerus, auch keine Fraktur der Clavicula vorhanden.

Der linke Arm ist vSllig normal, ebenso sind die Bewegungen beider Beine vollkommen intakt.

(8)

Ein Fall von hoher Plexuszerreif~ung. 579 Die Untersuchung konstatiert also eine komplette schlaffe Lghmung der rechten Schulter- und Armmuskulatur. An der Schulter sind nur die MM. trapezius, rhomboidei und levator scapulae in- takt. Auch am Unterarme und an der Hand sind einzelne Muskel- gruppen verschont. Es sind dies zun~chst s~tmtliche vom Ulnaris versorgten ~uskeln, dazu aus dem Radialisgebiet die langen Daumen- strecker, aus dem Medianusgebiet die Muskeln des Daumenballens und endlich der Pronator teres. Diese Ausbreitung der L~thmung entspricht keineswegs den peripheren groI~en Nervenstgmmen, eben- sowenig einem der sonst bekannten Typen bei Plexussch~digung, dem Erbschen oder K l u m p k e s c h e n Typus. Die Lghmung hat vielmehr einen segmenti~ren Charakter; sgmtliche nicht gelghmte Muskeln, mit alleiniger Ausnahme des Pronator teres, werden yore 1. Dorsalsegment inerviert, und auch die SensibilitgtsstSrung ist am geringsten im Verbreiterungsgebiet dieses Segments. Auch der Mangel oculo-pupill~trer Symptome, durch Verschonung der aus dem 1. Dorsalsegment stammenden Sympathicusfasern bedingt, paitt voll- kommen zu dieser Auffassung.

So konnte sogar die MSglichkeit einer medulli~ren Schiidigung etwa einer H~tmatomyelie, in den Bereich der diagnostischen Er- wiigungen gezogen warden, zumal die Art der Verletzung eine derartige Ver~nderung bei der Abwesenheit jeder Vergnderung am Knoehengertist mindestens so wahrscheinlich gemacht hgtte, wie eine Plexuszerreiliung. Denn natiirlich auch durch eine Schgdigung des Plexus konnte ein segmentaler Typus der Lghmung hervor- gerufen sein; nur muf~te dann die Schi~digung ganz hoch oben an den Wurzeln stattgefunden haben, unter Verschonung der Wurzeln des ersten Dorsalnerven. Fiir eine derartige Vergnderung sprach auch bei genauerer Prt~fung des Falles eine Reihe yon Punkten:

Die geringe Einschrgnkung der Lghmung seit tier Verletzung, die absolute Einseitigkeit, die komplette Lghmung tier betroffenen Muskulatur, das normale Verhalten der tiefen Reflexe, die starken Scbmerzen. - - Wo, d. h. in welcher Entfernung yore Wurzelaustritt die Plexusverletzung wohl ihren Sitz hatte, dartiber konnten wir selbst mit Ausnutzung aller Details zu keiner ganz sicheren Annahme gelangen, obwohl dies gerade ftir einen operativen Eingriff und dessen Prognose yon gro~er Wichtigkeit gewesen wiire. Denn es ist klar, wenn die Abreiitung der Wurzeln hart am Zwischenwirbel- loch, oder in demselben stattgefunden hatte, so konnte yon einem operativen Eingriff nicht viel erwartet werden. Mit einiger Sicher- heit ist eine derartig genauere Lokalisation der Wurzelschi~digung

37*

(9)

580 XXIII. If~LB

N. hypogloss~

f. d. m. r e e t u

c-e

f. d. m. oeeip R a m u s deseen N. a u r i e u l a r i ~ N. c u t a n e u s c f. m. t r a p e z i u A n s a hypog]o:

Nerv. ~ f. d.

d o r s a l . ~ f. d.

soap.

N e r v i s u p r a c N e r v u s p h r e n

Nerv. s u p r a s c N. subseapula 9 s u b c l a v i u s N. a x i l l a r i s N. s u b s e a p u l . N. thoraeicus

N. r a d i a l i s N. c o r a c o b r . N. musculoeut N. t h o r a e , a n t N. m e d i a n u s

~ N. ulnaris .

~ [ N. cut. antebJ

/

~ t N intereosto]

Ri~stelle.

s c a p i t i s ngus e a p i t i s ngus e a p i t i s t e r t r a n s v e r s a r i u s

ngi c a p i t i s et colli v a t o r s c a p u l a e n g u s eolli t B r t r a n s v e r s a r i u s a l e n u s medius n g u s colli

~lenns a u t e r , u. i n t o r t r ,

~alenus m e d i u s

n g u s colli

~alenus a n t , u. i n t e r t r .

~alenus m e d i u s

~alenus a n t e r i o r L t e r t r a n s v e r s a r i u s

~alenus medius t h o r a e i c u s l o n g u s ge- ihmt

L t e r t r a n s v e r s a r i u s '~alenus medius

rcostalis I

r c o s t a l i s II

R e c h t e r P l e x u s c e r v i c a l i s u n d b r a c h i a l i s s c h e m a t i s c h , y o n v o r n e ( u a c h P. E i s l e r ) . Fig. 3. Nach S p a l t e h o l z .

mSglicb, wenn bei einer Mitbetefligung der 1. Dorsalwurzel mehr oder wenigor starke StSrungen yon seiten des Sympathicus vorliegen (Volh ard). Jener Faserteil des Halssympathicus niimlich, dessen L~h- mung Myosis, Ptosis und Retractio bulbi (Hornersche Trias) zur Folge hat, stammt aus dem Rtickenmark, hat sein medulli~res Zen-

c~

(10)

Ein Fall yon hoher Plexuszerreii~ung. 581 t r u m (Centrum ciliospinale yon B u d g e ) in der HShe des l. Dorsal- segments, verliiuft mit dem I. D o r s a l n e r v e n durch clas F o r a m e n i n t e r v e r t e b r a l e und verlgitt denselben bald nachher, um sich mit dem Halssympathicus zu vereinigen. E i n e Schi~digung j e n e r F a s e r n kann also n u r bei einer h a r t am W i r b e l k a n a l s t a t t g e h a b t e n Schi~digung der 1. D o r s a l w u r z e l erfolgen. In unserem F a l l e w a r die 1. Dorsalwurzel tiberhaupt nieht besehiidigt, und somit eine genauere Lokalisation tier Wurzelschi~digung nicht mSglieh.

I m m e r h i n sehien es wahrscheinlieh, dab die V e r l e t z u n g nicht h a r t an der W i r b e l s g u l e st~ttgefunden hatte, denn die Mm. scaleni, Rhomboidei und tier L e v a t o r scapulae, dm'en Aste h a r t nach dem W u r z e l a u s t r i t t abgehen, w a r e n intakt. Dagegen w a r tier ebenfalls so hoch abgehende Ast zum S e r r a t u s anticus zweifellos vertetzt.

JedenfaIls erschien auch ohne genauere Lokalisation ein o p e r a t i v e r E i n g r i f f gerechtfertigt. Derselbe w u r d e am 18. X. 1905 yon Prof.

G-ras e r vorgenommen.

In Morphium-~thernarkose Schnitt 3 Querfinger breit unterhalb des Processus mastoideus beginnend, dem hinteren Rand des Sternoeleido fol- gem bis zur Clavieula absteigend; dort biegt derselbe nach aul~en um und wird auf der Clavicula bis zum Akromion gefiihrt. Nun wird die Haut saint Platysma und oberflachlieher Fascie abgelSst und der ganze Lappen nach oben und aui~en zurtiekgeklappt. Freilegung des 0mohyoideus; Dureh- trennung des unteren Bauehes desselben. Exakte Blutstillung, Vorziehen der groi~en Gefi~e, Eingehen auf den Scalenus. Dabei wird tier Phre- nieus in gro~er Ausdehnung freigelegt und nach oben verfolgt, er scheint vollkommen intakt. Unterhalb seines Abganges wird der Plexus zwischen Sealenus anticus und medius in breiter Ausdehnung freigelegt. Es zeigt sich, da~ derselbe yore Phrenicuseintritt (C4) bis zur Wurzel des ersten Dorsal- nerven fingerbreit neben der Wirbelshule abgerissen ist (s. Fig. 3). INur die sofort naeh dem Wurzelaustritt abgehenden ~_ste far die tiefen Halsmuskeln, den Levator scapulae (C4) , die Rhomboidei (C~) und die Sealeni (C4--Cs) waren unversehrt; dagegen war der ebenfalls hoch oben abgehende Nerven- strang des Thoracicus longus zerrissen. Das umliegende Gewebe ist blutig infiltriert, ein einigermaBen gr0t~erer Blutergui~ lhBt sich aber nicht auf- finden. Die Nervenenden liegen wenige mm voneinander entfernt, die huBeren Nervenscheiden sind stark infiltriert, getrtibt, die Nervenfasern innerhalb derse]ben aufgerollt, aufgefasert, verwirrt. Die derartig ver- -~inderten Teile werden yon den zentralen peripheren Stiimp%n abgetrennt;

die peripheren Nervenstiimme weithin mobilisiert; die zentralen Enden sind eben noeh lang genug, dab eine Resektion der Tubereula umgangen werden kann. Die Sttimpfe werden unter m0glichster Wiederherstellung der anatomisehen VerMltnisse mit Katgut Ende gegen Ende vereinigt.

Dabei wird die rechte Sehulter eleviert und der Kopf naeh rechts gebeugt.

Naht tier Muskeln und der Fascien; vollstfindige Hautnaht; Glasdrain hinter tier Wundnaht. Steriler Verband; dartiber Gips, den Kopf, Hals,

(11)

582 XXIII. K&LB

die Brust und den rechten Arm in oben erw~ihnter Stellung umfassend und fixierend.

Naeh 2 Tagen wird der Glasdrain entfernt, nach 14 Tagen der Gips- verband abgenommen; der Arm nunmehr dureh eine Mitella gestiltzt. Die Wunde ist v611ig prim5r vernarbt. Die Temperatur seit der Operation ist stets afebril. - - Am 25. X. wurde Patient entlassen mit der Weisung, sich alle Monate hier vorzustellen.

Es wurde dann bald mit passiven Ubungen der reehten Armgelenke begonnen, um die drohenden Versteifungen zu verhindern. Auch Galvani- sieren und Massage wurde dem Patienten empfohlen.

Ende Marz 1906 trat Patient wieder zur genaueren Beobachtung in die Klinik ein. E r ist k6rperlich etwas heruntergekommen, da er sich infolge der lebhaften Schmerzen, die am rechten Arme noeh jetzt bestehen, sehr an den GenuB des Morphiums gew6hnt hat. Doch gelingt es, ihm bei uns in nicht allzu langer Zeit dasselbe v611ig zu entziehen.

Die ausfiihrliche Untersuchung damals zeigte keinen wesentlichen Er- folg tier Operation. Das Bild der Li~hmung war z. Zt. nicht veriindert, nur noch klarer, da die letzten akuten Folgen der Verletzung llingst ver- sehwunden waren und statt dessen die Atrophie der geliihmten Muskeln weitere Fortsehritte gemacht hatte. Die elektrische Untersuchung ergab inl wesentlichen dasselbe Resultat wie vor der Operation. Komplette Ent- artungsreaktion: triage Zuckung nur bei direkter galvanischer Reizung mit iiberwiegender Anodenzuekung zeigen: am S e h u l t e r b l a t t Serratus anticus major, am S c h u l t e r g e l e n k : Deltoideus; Pectoralis major und minor und Latiss. dorsi; Supraspinatus, Infraspinatus und Teres minor; Subseapularis and Teres major.

Am E l l e n b o g e n : Biceps~ Brachialis internus, Supinator longus, Tri- ceps und Supinator brevis.

l~ur der Pronator teres ist mit starken faradischen Str6men erregbar;

allerdings ist sein Bewegungseffekt infolge tier Kontrakturen nur ein sehr geringer.

Am H a n d g e l e n k zeigen Entartungsreaktion: Extensor carpi radialis longus und brevis, Extensor carpi ulnaris, Flexor carpi r a d i a l i s . - Flexor carpi ulnaris faradisch erregbar.

Von den F i n g e r m u s k e l n lassen Entartungsreaktion nachweisen:

Extensor digitorum communis, Extensor indicis proprius, Extensor digiti minimi.

Dagegen sind mit faradisehen StrOmen erregbar: MM. interossei und lumbrieales. Der Flexor digitorum profundus besonders in seinem ulnaren Teile; sSmtliehe Muskeln des Thenar und Hypothenar.

Von den langen D a u m e n m u s k e l n sind die Strecker und auch der Flexor pollicis longus mit faradisehen Str6men erregbar. Bei der Ver- steifung der Danmengelenke thuseht die Wirkung der langen Daumenstreeker sogar einen Zug des Extensor carpi radialis vor.

Die S e n s i b i l i t h t s s t 6 r u n g e n sind noch in genau derselben Weise vorhanden, haben aber an Intensitht wesentlieh abgenommen, in dem schmalen Streifen an der Innenseite des 0ber- und Unterarms sowie im Ulnargebiet der Hand ist die Sensibilitat normal geworden.

Schulter, 0ber- und Unterarm sind stark atrophiseh. Die vor der

(12)

Ein Fall yon hoher Plexuszerreil3ung. 583 Operation geli~hmten Muskeln kSnnen auch jetzt nieht innerviert werden.

Dazu finden sich an s~tmtliehen Gelenken des Armes starke K o n t r a k t u r e n . In der S c h u l t e r ist der 0berarm adduziert und einwarts rotiert, passive Rotationsbewegungen sind kaum m0glich, bei passiven Abduktions- bewegungen geht das Schulterblatt sofort mit. Der Oberarmkopf ist in- folge der L~thmung si~mtlieher periartikularer Muskeln nach abwarts ge- sunken.

Im E l l e n b o g e n wird der Arm rechtwinklig dureh die Unterstiitzung der linken Hand gebeugt und etwas fiber die Mittelstellung proniert ge- halten. Die weitere Beugung ist nicht mSglich, die Streekung nur bis etwa 120 ~ Supination ist ~lber die Mittelstellung hinaus unm6glich.

Im H a n d g e l e n k ist die Dorsalflexion etwa bis zu einem Winkel yon 120 0 mit dem Vorderarm mOglich. 0ffenbar wurde diese Bewegung passiv hfiufig dureh die Unterstfitzung der linken Hand ausgefahrt.

Volarflexion ist nur bis zur Geraden mSglieh.

Die F i n g e r g e l e n k e sind bei dell drei ersten Fingern fast voll- kommen gestreekt, bei den zwei letzten Fingern ganz leicht gebeugt; an diesen letzteren ist eine leichte Vermehrung der Beugung mSglich. In den librigen Fingern sind nennenswerte Bewegungen nieht ausffihrbar.

Die T h o r a x d u r e h l e u c h t u n g mit RSntgenstrahlen (Prof. J a m i n ) im Stehen zeigt, dab die reehte Zwerchfellkuppe bei oberflitchlieher Atmung keine Exkursionen maeht. Bei tiefster Atmung bewegt sieh die reehte Zwerchfellhiilfte im Stehen wiihrend der Einatmung entschieden etwas nach abwarts, aber nur ganz wenig, withrend die linke Seite weite Exkursionen macht. In Raeken- und Seitenlage ver~indert sich dagegen die Zwerehfell- grenze rechts bei gewShnlicher Inspiration t~berhaupt nieht. Bei tiefster Atmung rfickt sie in Raekenlage wiihrend der Inspiration sogar um 11/2 em hinauf. Es war also eine ausgesproehene einseitige ZwerchfelllShmung zu konstatieren. Offenbar war diese StSrung yon Anfang an vorhanden. Bei der Untersuchung vor der Operation wurde aber lediglich die vordere Lungengrenze im Steheu untersucht und bei tiefer Atmung etwas ver- schieblich gefunden. Ein derartiger Befund reiehte aber offenbar nicht aus, um eine einseitige Phrenicusl~thmung auszuschliei~on. Daza ist min- destens die Untersuchung in Rackenlage und die Prfifung der hinteren Lungengrenzen vorzunehmen. Den klarsten Aufschlui~ wird natarlich immer die Durehleuehtung geben. Datt der Nervus phrenieus b e i d e r Ope- ration hu~erlieh intakt gefundeu wurde, widersprieht diesem funktionellen Befunde keineswegs. Er hatte eben durch hochgradige Zerrung eine starke Schadigung seiner Leitungsf~ihigkeit erfahren, ohne dab fiui~erlich seine Kontinuit~t verletzt worden war.

L e i d e r konnten w i r den F a l l seither nicht mehr beob- achten. Die N a c h u n t e r s u c h u n g ergibt also, wie mehrmals betont, im wesentlichen denselben Befund wie vor der Operation; n u r ist die leichte P a r e s e ira V e r b r e i t u n g s g e b i e t des 1. Dorsalsegments vSllig geschwunden. Eine W i e d e r h e r s t e l l u n g tier L/~hmung durch die N c r v e n n a h t konnte auch im Beginn nicht festgestellt werdeu.

Dieselbe erscheint auch fiir die Zukunft nicht wahrscheinlich, wenn

(13)

584 xxIII. KALB

auch nach dem jetzigen Untersuehungsbefund nieht ausgeschlossen.

Auch bei den bisher verSffentliehten F~illen yon hoher Plexusnaht naeh Zerreii~ung ist eine Wiederherstellung bis jetzt nicht beobachtet.

Giinstige Resultate weiii nur K e n n e d y (12 u. 13) zu berichten, der die Operation bei kleiuen Kindern nach Geburtslahmungen vornahm;

hier ist aber natiirlich die Regenerationsfi~higkeit des Organismus eine vSlliff andere, aueh die Riitstelle fast stets peripherer.

Das Interessante dieses Falles liegt nun vor allem in dem Mechanismus der Verletzung.

Es sind an und f~ir sich, wie in der Einleitung erw~ihnt, nur 2 F~ille beschrieben, bei denen beim Erwachsenen eine Plexuszer- reil]ung ohne Ver~inderung am Knoehengerfist zweifellos beobachtet i ~ und auch bei diesen beiden F~lleu ist nicht die Zerreil~ung des Plexus nach Ansicht der Autoren das Primate, sondern nur eine Folge ausgedehnter Bluterg~isse, bedingt durch Gefiil~zer- reil~ungen.

In unserem Fall war die einzige Seh~digung yon Bedeutung, welehe Patient beim Fallen erlitten, jene Totalabreit]ung des Plexus.

Diese isolierte Zerrei~ung ist aueh nur bei der Art der Verletzung mSglich, wie sic unser Patient erlitt.

Wir kSnnen uns diosen mechanischen Vorgang bis zu einem gewissen Grade am eigenen KSrper klar machen. Bringen wir den rechten Arm in abduzierte Stellung und zugleich hinter den KSrper, so verursacht uns dies nicht die geringsten Beschwerden, auch kSnnen wir in dieser Stellung keino Beeintr~ehtigung der Hals- bewegung konstatieren. Sowio wir aber mit diesem Arm in dieser Stellung eine Last yon unten und hinten nach vorw~rts ziehen sollen, ffihlen wir deutlieh ein spannendes Geftihl in der Ellenbeuge und fiber dem Deltoideus. Dieses Gefiihl kann nicht blol~ durch die Anspannung der Muskulatur allein bedingt sein; denn wenn wir uns umdrehen und mit vorgestrecktem Arm die Last gegen unseren Racken bewegen, so fehlt dieses nnangenehme Gefiihl vollkommen. Versucht man nun, in der erst erw~hnten Stellung den Kopf nach vorwarts und links, yon tier Last weg zu drehen, so wird jenes Geffihl der Spannung im Arme noch starker, aueh tritt Bin reeht unangenehmes, zerrendes Gefiihl an der rechten Halsseite auf. Dasselbe ist nieht der Fall, wenn der Arm ohne den Zug der Last in der oben er- wahnten Stellung steht. Aueh die Erfahrung lehrt uns, da~ wir kaum je einen Arbeiter eine Last mit einer Hand naeh vorne ziehen sehen, ohne dal~ er dabei den Kopf naeh der Last zu wendet; oh-

(14)

Ein Fall yon hoher Plexuszerrei~ung. 585 wohl dies eigentlieh a priori nieht zu erwarten w~ire. Das unan- genehme Geft~hl ist offenbar dutch die Stellung des Armes und Kopfes und dann vor allem dureh die infolge der Last tiefer tretende Sehulter hervorgerufen und kann nieht wohl anders gedeutet werden als eine Zerrung des Plexus Braehialis, tier in dieser Stellung auf sein /iugerstes Mal~ gedehnt wird.

Alle diese meehanisehen Momente sind nun in unserem Falle gegeben. Unser Patient rutseht auf dem glatten Daehe aus und stt~rzt kopNber naeh abwgrts, unwillkih-lieh streekt er die reehte Hand naeh hinten und aul;en, um irgend etwas noeh zu erhasehen, was dem stt~rzenden KSrper Halt geben kSnnte. In dieser Stellung sttlrzte er mit der reehteu Kopfseite auf eine Gert~ststange zu und

~'eflektoriseh biegt er denselben naeh links, vielleieht wurde aueh tier Kopf passiv yon der streifenden Stange naeh links gesehleudert.

Nun befindet Patient sieh in tier Stellung, in der der reehte Plexus extrem gedehnt ist, und in dieser Stellung sehl~igt er mit tier reehten Sehulter auf jene Gert~ststange auf, und zwar an einer Stelle, wo dureh die reiehliehe Polsterung des Cueullaris eine Knoehenver- letzung ziemlieh ausgesehlossen ist. Die dureh die FallhShe er- reiehte Wueht des ganzen KSrpers reigt also den reehten Sehulter- gt~rtel eaudalw~trts; dieser Ruek pflanzt sieh auf den ohnehin auf sein physiologisehes Nag gedehnten Plexus fort, er reil;t. Unter gleiehen Bedingungen wird wohl immer diese gleiehe Verletzung zustande kommen, und dal; diese in Wirkliehkeit so t~beraus selten ist, liegt eben blog daran, dal; diese Bedingungen in ihrer Gesamt- heir so augerordentlieh selten gegeben sind.

Wo reigt nun tier Plexus? E r reil;t da, wo ei~ t'tberspannter Faden, ein ~iberdehntes Gummiband, besonders bei plStzliehem Ruek, meistens reigt, in der N~ihe des einen Fixationspunktes. Von einem peripheren Fixationspunkt kann man nun beim Plexus nieht reden.

Nur ein zentraler ist vorhanden an tier Stelle des Wurzelaustritts aus dem Wirbelkanal, und neben diesem einen Fixationspunkt reil~t der Plexus aueh ab. Ein weiterer Grund N r einen Rig der Nerven an diesem Ort ist in tier Tatsache zu sehen, dag die Nervenst~mme bier noeh nieht zu dieken Biindeln vereinigt sind, welehe einer Uberdehnung einen grSgeren Widerstand entgegensetzen k6nnten.

So wgre der Neehanismus der Verletzung in nnserem Falle wohl ohne Zwang his ins Detail zu erkl/~ren. Die iibrigen /itio- logisehen Ansehauungen iiber Plexusl~hmungen seheinen uns in unserem Falle nieht zutreffend, sehon deshalb nieht, well ein grol~er Teil derselben eine Veranderung am Knoehengert~st (Clavicular-

(15)

586 xxIII. KALI3

fraktur, Oberarmfraktur, Oberarmluxation) zur Voraussetzung hat.

Bei der Abwesenheit derartiger Knochenverletzungen sieht die gang- barste Ansehauung gegenwi~rtig die Ursache einer Plexusliihmung in einer Quetschung derselben, die nach einigen zwischen Quer- fortsatz des 7. Halswirbels und Clavieula, nach anderen zwischen Clavicula und 1. Rippe stattfinden sol1, besonders bei starker Hyper- extension. Angenommen, auch eine derartige Hyperextension h~tte in unserem Falle stattgefnnden, so widersprieht einer derartigen Auffassung doeh vor allem die Lokalisation der Verletzung an den Wurzeln, und besonders die Tatsache, da~ gerade die untersten Aste des Plexus frei sind und die sensible StSrung am vollkommen- sten im Verbreitungsgebiet der Nervi suprascapulares, an den ober- sten Plexusast~n ist.

Auch die Art der L/ihmung selbst in bezug auf ihre Lokalisation ist yon grol]em Interesse (s. Fig. 3). Wir haben schon oben erwahnt, dag die Schadigung einen ziemlich ausgesproehenen segment/~ren Typus hat nnd die Operation hat unsere Vermutung best/~tigt, dal~ nur die aus der 1. ])orsalwurzel stammenden Nervenfasern ungesehadigt sind.

Mit dieser Wurzel laufen die in unserem Falle intakten oculo- pupillaren Fasern des Sympathikus. Van dieser Wurzel wird das Ulnarisgebiet versorgt, und aul~erdem die langen und kurzen Daumen- muskeln aus dem Medianus- und Radialisgebiet. Diese Muskeln sind s~mtlich in unserem Fall verschont, waren nur anfangs etwas paretisch, was dureh die Zerrung auch dieser Wurzel wohl verst~ndlieh ist. Dal~

aul~erdem tier Pronator teres, welcher yore 7. Cervicalsegment versorgt wird, bei unserem Kranken intakt ist, nStigt uns zu der Annahme, dal~ dieser Muskel ausnahmsweise entweder vom Ulnaris innerviert wird, oder seine Nervenkerne ungewShnlicherweise tiefer im Riiekenmark lokalisiert hat. Der Hautbezirk des 1. Dorsal- segments entsprieht dem Ulnarisgebiet und auSerdem einem schmalen Streifen an der Innen- und Ulnarseite des 0ber- und Unterarms.

Es ist dies der in unserem Falle sensibel am wenigsten geseh/tdigte Bezirk (s. Fig. 1 u. 2).

Die Art dieser Plexusl~hmung hat mit einer peripheren Sehadi- gung desselben, welehe das Verbreitungsgebiet der grol~en Nerven- st~mme einh~lt, keinerlei Ahnliehkeit. Ebensowenig ist, wie schon erw~hnt, eine Verweehslung desselben mit einer der L~hmungstypen mSglieh, welche durch eine Sch/~digung des Plexus in seiner Mitre entstehen. Beim Erbschen Typus sind fast nur oder doch vor allem die vier grol]en Muskeln: Deltoideus, Biceps, Brachialis inter- nus und Supinator longus gel~hmt, beim K l u m p k e s c h e n Typus vor

(16)

Ein Fall yon hoher Plexuszerreil~ung. 587 allem die kleinen Handmuskeln. l~Iit ihnen zeigt unser Fall keinerlei Verwandtschaft; infolge seines segment~tren Typus dagegen wohl mit einer medulli~ren Schi~digung in dieser Gegend, etwa mit einer H~matomyelie. W i r haben sehon oben erwahnt, dal~ eine derartige Auffassung des Falles bei fltichtiger Betrachtung schon aufstoiten kann, dann aber auch kurz die Grtinde gestreift, welche uns bei genauerer Betrachtung zur richtigen Annahme einer Wurzelabreil~ung gefiihrt haben. Die Unterseheidung beider Erkrankungen, die in unserem Falle sehr einfach erscheint, kann aber bei anders ge- lagerten Details wohl einmal Differentialdiagnostisehe Sehwierig- keiten maehen (efr. Fall IV, S. 574). Es ist deshalb eine eingehendere Auftihrung der Unterseheidungspunkte wohl erlaubt. Vielleieht ist es unter diesen Umsti~nden gest~tnden gestattet, vor einer ausftihrlichen Auseinandersetzung dieser Punkte einen typischen Fall yon H~tmato- m y e l i e anzufiihren, um durch die Gegentiberstellung beider F~lle einmal ihre Verwandtschaft zu beweisen, dann aber auch ihre Untersclaeidungsmerkmale pr~tgnanter darstellen zu kSnnen.

Leider kam dieser Fall nieht im akuten Stadium in unsere Beobachtung, sonderll erst ei~l halbes J a h r naeh der Verletzung.

Aueh ist die Ansdehnung der Li~hmung nieht genau dieselbe, wie in unserem Falle. Sonst aber ist eine gewisse _&hnliehkeit nicht zu verkennen.

Patient, 56 Jahre alt, 0konom, war friiher angeblich nie krank. Am 13. VII. 1905 wollte Patient ein paar junge Ochsen einspannen, dabei wurde alas Gespann scheu und warf den Patienten zu Boden. Er kann sieh nur noeh erinnern, dai3 er, naeh vorne zu gekriimmt, am Boden kniete, w~hrend die Ochsen saint dem Wagen t'lber ihn hinweggingen. Damit ~'er- lor er das BewuStsein und erwachte erst wieder nach einer Stun@ in seinem Hause. Er zeigte eine Weichteilwunde i~ber dem rechten Scheitel- bein, aber keinerlei Anzeiehen liar eine ernstere Schadelverletzung. Am nntersten Teil des Naekens und des Halses bestanden heftige Schmerzen, der Hals war eigentiimlich naeh vorne gestreckt nnd konnte nicht bewegt werden; tier linke Arm war v011ig, der rechte nur teilweise etwas geliihmt, doch bestanden in keinem der Arme Schmerzen. Infolge der Unbrauehbar- keit beider Arme mul~te Patient 3 Woehen yon seiner Frau gefiittert werden.

Schluekl~hmung bestand aber nicht, ebensowenig ausgesproehene Bewegungs- stOrungen der Beine. Aueh Blasen- und Mastdarmst6rungen sollen stets ge- fehlt haben. Nur ganz allmhhlieh besserten sieh die StSrungen; der rechte Arm wurde wie friiher, am linken sehrankte sieh die L~thmung entschieden etwas ein, doeh konnte ihn Patient bis jetzt zu niehts Reehtem gebrauehen, da er ohne Kraft war und die Bewegung der Finger so beschrankt blieben, dab er nur zur Not zwischen Daumen und Zeigefinger etwas einklemmen konnte, iNoeh jetzt, nach 6 Monaten, besteht die naeh vorne gestreekte Stellung des Halses und eine deutliche Bewegungsbeschrhnkung desselben.

(17)

588 XXIII. KAI;B

Patient ist untermittelgrot3, nur maNg kraftig gebaut und yon diirf- tigem Ernahrungszustand. Es besteht leichtes Emphysem, Hypertrophic des linken Ventrikels und chronische Nephritis.

Die Pupillen reagieren. Eine Differenz der Pupillenweite und der Lid- spalten besteht nieht. Patellarreflexe beiderseits etwas lebhaft. Ful3sohlen- reflexe und Bauehdeckenreflexe normal. Kremasterreflexe nicht auszu-

liisen.

Der rechte Arm bietet bei der Untersuchung nichts Abnormes, anch die Muskeln des Halses und Nackens sind beiderseits viillig intakt.

Der Hals ist eigentiimlich nach vorne gestreckt, der Kopf nach rtick- warts gebeugt. In der Gegend des 6. Halswirbels findet sich eine deutlieh sicht- und fiihlbare Knickung der Wirbelsaule nach vorne. Dort zeigt sich im RSntgenbild der KSrper des 6. Halswirbels verbreitert, zusammen- gepregt mit unscharfen Knochenkonturen als Ganzes etwas naeh vorn ver- sehoben. Dagegen zeigt das ROntgenbild der linkmi Sehulter und des linken Armes vollkornmen normale Verh~tltnisse, samtliehe Gelenke des Armes sind passiv frei beweglieh. In den grogen Gelenken des Armes finden sich keine Kontrakturen.

Der l i n k e A r m ist stark atrophiseh, besonders an der Streekseite.

Die Umfangsdifferenz betr~Lgt am Oberarm 2, am Unterarm 1 era. Ebenso ist in der Gegend des Latissimus dorsi, des Pectoralis major sowie des Serratus anticus eine starke Atrophic unverkennbar. Diese Muskeln zeigen komplette Entartungsreaktion und lebhafte fibrillate Zuekungen. Ebenso die meisten Streeker am 0her- und Unterarm: Triceps, Extensor carpi radialis longus und brevis~ Extensor carpi ulnaris, Extensor digitorum eommunis. Merkwtirdigerweise ist nur die Dorsalflexion der Hand und die Serratuswirkung v o l l k o m m e n unm6glich. Bei allen ftbrigen gelahmten lVluskeln ist ein kleiner Teil der Fasern erhalten, so dag ihre Wirkung, allerdings ohne jede bedeutende Kraft, noeh m6glieh ist. Nut auf diese Weise ist es erklarlieh, dag sich keine Kontrakturen in den grogen Arm- gelenken finden.

Ebenso auffMlig ist, dag aueh in den iibrigen Muskeln mit normalem elektrischen Verhalten und guter Funktion lebhafte fibrillate Zuekungen zu sehen sind, aueh eine GrSt~e der Atrophic, welehe sehwer blog als sekun- d~re zu erklaren w~re.

Der linke Arm hangt meist schlaff am K6rper herab, der Unterarm ist leieht gebeugt, yon den Fingern sind die beiden letzten ganz leicht gebeugt, die iibrigen gestreckt, der erste sogar tiberstreckt. - - Radial- und Ulnarreflex vorhanden. Tricepsreflex erloschen.

Die Sensibilit~tt ist in einem schmalen langlichen Streifen, welcher yon der hinteren Achselfalte rtber die Mitte des Ellenbogens und Hand- rflckens zur Streekseite des Mittelfingers fahrt, far s~tmtliehe Quaiitaten etwas herabgesetzt, am auffallendsten ft~r Sehmerz und Temperatur (Fig. 4).

Subjektive St6rungen bestehen nieht am Arme~ insbesondere keine Schmerzen.

Es handelt sich also bier um eine teilweise Lahmung des linken Armes, welche zuerst vollstandig war, aueh den reehten Arm ergriffen hatte und sieh erst allmahlieh einschrankte. Sic ergreift auger einigen Muskeln am SchultergQrtel (Latissimus dorsi, Serratus antieus, Pectoralis major) vor- ztlglich die Strecker am Arme, verschont dabei aber die lange Daumen-

(18)

Ein Fall yon hoher Plexuszerreigung. 589 muskulatur, den Brachio radialis und ebenso die kleinen Handmuskeln.

Die gesehgdigten Muskeln zeigen Entartungsreaktion, dabei aber die Eigen- tilmlichkeit, dag ein kleiner Teil ihrer kontraktilen Substanz noeh leistungs- fLthig ist. Umgekehrt zeigen auch

alle abrigen Muskeln des Armes /

starke Atrophie und fibrillhre Zuk- /

kungen. Kontrakturen fehlen. Die SensibilitatsstSrung zeigt einen seg-

mentSren Charakter und entsprieht / ~ / l dem Verbreitungsgebiet des 7. Hals-

segments. Subjektive Beschwerden fehlen. Die Halswirbelsaule zeigt in der Gegend des 6. Halswirbels eine Ver~mderung, welehe eine alte Fraktur sehr wahrseheinlieh maeht, dazu be- steht eine leiehte Erh6hung der Patel- larreflexe.

Dieser Fall 1/~I~t wohl keine 1,,~////~ f ( l~!~ t andere Auffassung zu, als die einer ~///~')' I traumatischen Hgmatomyelie in

Y

der Gegend des 6. uM 7. Cer-

vicalsegments. Die in diesem Ab- ~/,~t~,~ ~ J sehnitt lokalisierten Muskelkerne

sind zum grol~en Tell zerstSrt;

natttrlich ist die Grenze der Blu- ~, ~,i tung nach oben und unten hin J/,,~l~-/~

unscharf und damit auch die Ab- '

grenzung der Lghmung keine

Fig. 4.

ganz bestimmte. Dal~ die zen-

trale Schgdigung aber in diesem Segment gelegen sein mu6, erhellt aus einem Blick auf das beifolgende Schema 1) _ Aueh die Gefahls- stSrung entspricht ziemlich genau dem vom 7. Cervikalsegment versorgten Hautgebiet, spricht zudem durch die hervorragende Beeintr/~chtigung der Schmerz- und Temperaturempfindung fiir eine SchMigung im zentraleu ttShlengrau.

Segmente: Motorische Wurzeln fiir:

IV. Cerv. Naekenmuskulatur, Levator scapulae, Diaphragma Supra- und Intraspinatus, Deltoideus

Biceps und Coracobrachialis Supinator longus, Rhomboidei

1) Aus Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden.

(19)

590 XXllI. K A L B

V. Cerv. Diaphragma Deltoideus

Biceps, Brachialis internus, Coracobrachialis Supinator longus und brevis

Pectoralis major pars clavicularis Serratus major

Rhomboidei Teres minor Latissimus Dorsi vI. Cerv. Biceps

Brachialis internus

*Pectoralis major pars clavicularis 1)

* Serratus anticus major

* Triceps

* Extensoren der Hand und der Finger Pronatoren

VII. Cerv. * Caput longum tricipitis

* Extensoren der Hand und tier Finger Flexoren und Pronatoren der Hand

* Pectoralis major pars costalis Subscapularis

* Latissimus dorsi Teres major

Flexoren der Hand und Finger Kleine Handmuskeln

Strecker des Daumens

Kleine Handmuskeln, Daumen- und Kleinfingerballen.

Wenn auch die Ausbreitung der L~hmung in diesem Fall nicht ganz der der beschriebenen hohen Plexusliihmung entspricht, auch durch das Stadium, in dem beide Fi~lle bei uns zur Beobachtung kamen, natul'gem/~ii grol~e Verschiedenheiten bedingt sind, so ist doch die )~hnlichkeit der beiden Fi~lle ganz unverkennbar. Diese gemeinsamen Punkte sollen ebenso wie die Unterseheidungsmerk- male beider F~tlle kurz einander gegentiber gestellt werden. - -

Hohe Plexuszerrei~ungen und Hiimatomyelie haben beide einen durchaus segment~ren Typus, sowohl in der dutch sie bedingten sensiblen wie motorischen St~rung.

Die sensiblen wie die motorischen StSrungen sind aber bei der 1) Die mit * bezeichneten Muskeln sind fast vSllig geli~hmt.

VIII. Cerv.

I. Dorsal.

(20)

E i n Fall yon hoher Plexuszerreillung.

591 Wurzelzerreil~ung stets nach oben und unten sch/~rfer abgegrenzt als bei der H/~matomyelie. 0culo-pupill~tre Symptome kSnnen bei beiden vorhanden skin oder fehlen. Sit beweisen nur, dal] das Zentrum ciliospinale im 1. Dorsalsegment, oder das aus demselben stammende Faserbiindel, welches kurze Zeit mit der 1. Dorsalwurzel verl/~uft und dann zum Sympathicus geht, verletzt ist ocler nicht.

Dadurch ist ks bei der hohen Plexuszerreil~ung von einer gewissen Bedeutung fiir die genaue Lokalisation der Sch/~digung. Freilich kSnnen bei der H/imatomyelie auch bei hSherer Lokalisation derartige Symptome auftreten, bedingt durch eine Leitungsunterbrechung im zentralen Neurom (Grol]hirn-Zentrum ciliospinale yon Budge}.

Eine derartige StSrung wird aber meist nur voriibergehend skin.

Ebenso kSnnen Zwerchfelll/ihmungen bei beiden Verletzungen vorkommeu (4. Halssegment oder 4. Wurzel) oder fehlen; auch diese L/~hmung ist bei der Wurzelzerreil~ung yon einer gewissen Be- deutung fiir die genaue anatomische Lokalisation der Entfernung der Sch/~digung yore Wirbelkanal, da der Abgang des Phrenicus hart nach dem Austritt aus dem Wirbelkanal erfolgt. u der- selben Bedeutung sind aus dem gleichen Grunde: dig tiefen Hals- muskeln, dig Scaleni, die Rhomboidei, der Levator scapulae und der Serratus major (Thoracicus longus) (siehe Fig. 4).

Bei der H/~matomyelie ist die L~hmung meist zuerst ausge- dehnter und schr/~nkt sich allm/ihlich ein. Bei tier Wurzelzerreil]ung ist die sp/~tere Einsehr/inkung nur sehr unbedeutend; ist die Wurzel- zerstSrung durch ein traumatisches Aneurysma bedingt, so kSnnen die L/~hmungserseheinungen mit der Zeit sogar an Ausdehnung zunehmen.

DiG L~hmung bei tier H/~matomyelie ist bei einigermal~en grol~er Ausdehnung, am Anfang wenigstens, meist doppelseitig, wenn auch die eine Seite meist schwerer betroffeu ist.

Die Wurzelabreil]ung ist eine exquisit einseitige Sch~digung.

Bei der H/~matomyelie fehlen meist die Schmerzeu am gel/~hmten Gliecle. Bei der Wurzelabreil~ung sind dieselben aus begreiflichen (3-riinden meist in starkem Mal~e vorhandeu.

Mit der H~matomyelie ist oft eine Sch/~diguug der Halswirbel- s/~ule verbunden (Fraktur ocler Luxation), aber keineswegs immer.

Ebenso ist bei der Wurzelabreil~ung oft, aber nicht immer, eine Ver~tnderung am Knochengertist der Sehulter.

Die Art der Muskell~hmung, die bei beiden Erkrankungen

einen segmentgren Typus hat und mit der natiirlich Entartungs-

reaktion verbunden ist, weist deutliche Unterschiede auf. Bei der

(21)

592 XXlII. KAI~

H/tmatomyelie sind die Muskeln nur zum allergeringsten Teil voll- stiindig gel~thmt, nur dann, wenn die Blutung im Riickenmark den ganzen Bereieh ihrer Nervenkerne zerstSrt hat, den wir uns in der Form einer Liingsspindel dort angeordnet vorstellen miissen. Da dies begreiflicherweise nur irt den seltensten F/tlleu stattfindet, wird ein kleiaer oder grolter Tell der Nervenkerne stets erhalten bleiben und damit stets ein kleiner oder grol3er Tell der Muskelfasern vor der Degeneration bewahrt werden. Bei der hohen Plexuszerreil~ung werden die Muskelu in ihrer ganzen Ausdehnung vernichtet, da in tier austretenden Wurzel sich stimtliehe Fasern aus den zerstreuten NervenkerneI1 schon vereinigt haben und durchtrennt worden sind.

-- So ist es mSglich, dall bei der Httmatomyetie ein kleiner Tell eines grSl~eren gel~thmten Muskels sogar noeh normale elektrisehe Erregbarkeit aufweist, w~thrend dies bei der hohen Plexuszerreil~ung kaum denkbar ist.

In diesem Zusammenhang ist es auch versti~ndlich, warum bei- tier H/tmatomyelie Kontrakturen an den grSl~eren Gelenken meist fehlen. Bei ausgedehnter Wurzelzerreil~ung werden dieselben meist eintreten.

Bei der H~tmatomyelie sind die Sehnenreflexe an den Beinen zuweilen etwas gesteigert, infolge der Stauung, welche im unteren Reflexbogen durch die Blutung bedingt ist. Auch Blasen- und Mast- darmstSrungen ktinnen vorkommen. Bei der hohen Plexuszerreillung ist eine Beeinflussung dieser Reflexe nicht denkbar.

Das Verhaltea der Sehnenreflexe am Arm ist nur fiir die Aus- breitung tier Liihmung, aber nieht fiir die Unterscheidung der beiden Erkrankungen zu verwerten.

Bei tier Hiimatomyelie ist die GeftihlsstSrung dureh die Schiidi- gung der grauen Substanz besonders fiir Sehmerz und Temperatur ausgesproehen (Mott und S h e r i n g t o n ) bei der hohen Plexuszer- reil~ung ist eine derartige dissoziierte Empfindungslithmung nieht denkbar.

Es mag spitzfindig erscheinen, diese Summe yon Details zu er- withnen, um eine an und fiir sieh seltene Differentialdiagnose zu ermSgliehen, welche dazu noch meist selbstverst/indlich und leieht erseheint. Zweifellos aber kann dieselbe unter Umst~tnden reeht schwierig werden, und jedenfalls ist sie stets fiir den Pat. yon grolier Bedeutung. Denn, wi~hread bei der Hiimatomyelie jeder chirurgische Eingriff sinnlos ist, wird man bei der hohen Plexus- verletzung stets wenigstens eine Besserung dureh Nervennaht ver-

(22)

Ein Fall von hoher Plexuszerreii~ung. 593 suehen. Es kann somit an den Chirurgen jederzeit die Pflieht herantreten, auf Grund einer exakten Differentialdiagnose einen zwecklosen Eingriff zu vermeiden oder einen notwendigen Eingriff zu wagen. Da nun trotz des Fortschrittes der modernen ehirur- gischen Teehnik bei der Ausbildung der diagnostischen Hilfsmittel das Ziel der modernen Chirurgie gerade darin besteht, unnStige Eingriffe zu vermeiden, ist wohl auch dieser kleine Beitrag zu diesem Ziel in seiner Art bereehtigt.

Zum SehluI~ ist es mir noch eine angenehme Pflicht, meinem hoehverehrten Lehrer und Chef, Herrn Professor G r a s e r , ftir die Anregung zu dieser Arbeit meinen wiirmsten Dank auszusprechen.

Fiir manchen gtitigen Rat bei der Untersuchung der Patientin sage ich Herrn Professor J a m i n meinen ergebensten Dank.

Literaturverzeichnis.

1. B a n k s M i t c h e l l , Clinical Notes upon two years surgical work in the Liver- pool Royal Infirmery. Rei: Zentralbl. f. Chir. 1881, S. 605.

2. B d g o u i n , Lgsion du plexus brachial consecutif ~ une fracture de la cla- vicle. Journ. de Bordeaux 1897. Ref. Hildebrands Jahrb. 3. Bd., S. 908.

3. B o l t o n . Subcutaneous injury of the brachial plexus. Annals of surgery 1902. Ref. Hildebrands Jahrb. Bd. 8, S. 1083.

4. B r i s t o w , Avulsion of the braehial plexus with a report of three cases.

Annals of surgery 1902. Ref. Hildebrands Jahrb. Bd. 8, S. 1083.

5. C o r i v i l l a , Sulla rigenerazione del plesso brachiale e sulla neurorafia.

Clinica chirurgica 1900, No. 9 u. 10.

6. D g j d r i n e u. A r m a n d , Ein Fall yon oberer Wurzell~ihmung am Plexus brachialis auf beiden Seiten mit priidominierend sensitiven St5rungen in- fblge yon iiberschiissigen Halsrippen. Soci~t~ de neurologie de Paris.

Ref. Neurol. Zentralbl. ]903, S. 143.

7. G a l l e a z i , Contributo clinico e sperimentale allo studio delle lesioni del plesso brachiale d'origine traumatica. Arch. di Ortop. 1903, No. 1.

8. G r e n e t , Liihmungen des Plexus brachialis. Gaz. d. hSpit. 1903, p. 109 u.

112. l~ef. Deutsche med. Wochenschr. 1904, bTr. 44, S. 1619.

9. ~ [ u m p h r e y , Wounds of the braehial plexus etc. The Lancet 1897, 20. Nov.

10. J a m i n , Einflul~ der Phrenicusreizung beim Menschen nach RSntgenunter- suchungen. Festsehrift f. J. Rosenthal.

11. K e n n e d y , Second case of the braehial plexus paralysis. Glasgow medical journ. 1900, Okt.

12. K e n n e d y , Suture of the brachial plexus in birth paralysis of the upper extremity. British medic, journ. 1903. II. 7.

Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie. SS. Bd. 38

(23)

594 XXIII. KALB, Ein Fall von hoher Plexuszerrei~ung.

13. K e n n e d y , Further notes on the treatment of birth paralysis of the upper extremity by suture of the fifth and sixth cervical nerves. Brit. reed.

journ. 1904. 22. X.

14. K o c h e r , Die Verletzungen der Wirbels~iule, zugleich als Beitrag zur Phy- siologie des menschlichen Rfickenmarks. Mitt. aus den Grenzgeb. d. Med.

u. Chir., Bd. 1, Heft 4.

15. K r a m e r , Zur Neurolyse u. Nervennaht. Beitr. zur klin. Chir. 1900, Bd. 28.

16. M a s o n J a m e s , Partial rupture of the brachial plexus. Brit. med. journ.

1896. Ref. Hildebrands Jahrb. II. lC41.

17. N a u n y n , Ein Fall you Erbscher Plexusliihmung und gleichzeitiger Sym- pathicusl~ihmung. Deutsche med. Wochenschr. 1902, 7.

18. P f e i f e r , Doppelseitige Plexusl~ihmung. Mfinchn. reed. Wochenschr. 1903.

19. S c h f i l l e r , Drei F~ille yon Entbindungsl~ihmungen am Arme. Wiener klin.

Wochenschr. 1902, Bd. 5, S. 37.

20. S p e i s e r , Die Erfolge der blervennaht. Sammelreferat.

21. S s i n j u s c h i n , Ein Fall yon Resektion des Plexus brachialis. Med. obosrenje 1902, No. 18. Ref. Zentralbl. f. Chir. 1903, S. 122.

22. S t e w a r t , A case of the brachial plexus. The Lancet 1900, S. 693.

23. T u f f i e r , Paralysis radiculaire totale du plexus brachial.

24. U n e g u m a O g a , Traumatische L~ihmungen des Plexus brachialis. Inaug.- Diss. Mfinchen 1902.

25. V o l h a r d , ~lber Augensymptome bei Arml~ihmungen. Deutsche med.

Wochenschr. 1904, Nr. 37, S. 1339.

26. W a l l e r s t e i n , Ein Fall yon traumatischer isolierter L~ihmung des Nervus axillaris. Mitteih f. Unfallheilkunde 1902.

27. W i l l i a m s o n , L~ibmung des Plexus brachialis (2Fiille). The Lancet No.4224.

Ref. Deutsche reed. Wochenschr. 1904, S. 1292.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

● Versuche an geschützten und wild leben- den Tiere nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn der Zweck nicht auch mit anderen Tieren oder nur mit einer größeren Anzahl oder

Strategisch kann Planung dann genannt werden, wenn viele Entscheidungen über einen längeren Zeitraum einem Muster folgen und dabei komplexe Ziele realisierbar

August 1506 - Alberto Pio hielt sich bereits in Frankreich auP3 - Bernardino Loschi Geld für Firnis «vernise liquida» «per el Camerino del S.re» erhält, so ist nicht ausgemacht,

Daher sollte in dieser Arbeit die Entwicklung der spezifischen Sensibilisierung von nicht sensibilisierten und vorsensibilisierten Katzen gegen Antigene des Flohspeichels

Aus der Reihe der Publikationen, die in den letzten Jahren fiber Infektionen beim Menschen mit Bakterien aus der Gruppe der hhmor- rhagischen SeptikSmie

Weber: Es wäre schon viel gewonnen, wenn die europäi- sche Außen- und Wirtschafts- politik nicht im Ergebnis dazu führt, dass die Lebensgrundla- gen der Menschen in den

Ich habe zwar Flügel, aber trotzdem bin ich kein Vogel und auch kein Insekt.. Ich kann nicht fliegen, dafür

„Produktvielfalt" resultiert für die einzelnen Unternehmen ein mehr oder weniger nicht marktbeding- ter Freiraum für die Prämienpoli- tik („monopolitischer Spielraum in