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Verfassungsschutzbericht 2020 Freistaat Thüringen

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Verfassungsschutzbericht 2020 Freistaat Thüringen

Pressefassung

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Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen

2020

Pressefassung

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Inhaltsverzeichnis

I. Einige Informationen zum Verfassungsschutz ...5

1. Verfassungsschutz – Instrument der wehrhaften Demokratie ...5

2. Das Amt für Verfassungsschutz (AfV) beim Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales ...7

II. Rechtsextremismus ... 16

1. Überblick: Rechtsextremismus in Thüringen ... 16

2. Rechtsextremistische Parteien ... 19

2.1 „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) in Thüringen ... 19

2.2 „Der III. Weg“ in Thüringen ... 20

2.3 Alternative für Deutschland (AfD), Landesverband Thüringen (Verdachtsfall) ... 21

2.3.1 „Der Flügel“... 22

2.3.2 Der AfD Landesverband Thüringen ... 23

2.3.2.1 Inhaltliche Positionen des Landesverbandes ... 25

2.3.2.2 Gesicherte Verbindungen von Mandatsträgern der AfD zu rechtsextremistischen Organisationen ... 29

2.3.2.3 Positionen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ... 32

2.3.2.4 Mäßigungsvorgaben der Bundespartei ... 33

3. Parteiunabhängiges bzw. parteiungebundenes Spektrum ... 34

3.1 Überregionale Personenzusammenschlüsse mit Bezug nach Thüringen ... 34

3.1.1 „Blood & Honour“ (B&H) ... 34

3.1.2 „Combat 18“ (C18) ... 34

3.1.3 „Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V.“ (AG – GGG) ... 35

3.1.4 „Verein Gedächtnisstätte e. V.“ ... 37

3.2 Thüringer Personenzusammenschlüsse ... 38

3.2.1 „Bruderschaft Thüringen“ (Turonen, Garde 20) ... 38

3.2.2 Personenkreis um Tommy Frenck ... 39

3.2.3 „Junge Revolution“ ... 41

3.2.4 Neue Stärke Erfurt e. V. (NSE) ... 42

3.2.5 „Thing-Kreis“ ... 43

4. Weitgehend unstrukturierte Rechtsextremisten ... 43

4.1 Rechtsextremistische Musik ... 43

4.2 Kampfsport als rechtsextremistisches Aktionsfeld... 45

4.3 Veranstaltungen und Akteure ... 47

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5. Politisch motivierte Kriminalität – Rechts im Überblick ... 52

III. „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ ... 53

1. Überblick ... 53

2. Ideologie ... 53

3. Reichsbürger und Selbstverwalter in Thüringen ... 55

4. Gefährdungspotenzial ... 57

Exkurs (Rechts-)extremistische Beeinflussung der Proteste gegen die staatlichen Coronamaßnahmen ... 59

IV. Islamismus ... 61

1. Ideologischer Hintergrund ... 61

1.1 Salafismus ... 61

1.2 Legalistischer Islamismus ... 64

1.3 Schiitischer Islamismus ... 64

1.4 Verbotsmaßnahmen ... 64

2. Gefährdungsbewertung für die Bundesrepublik Deutschland ... 65

3. Islamismus in Thüringen ... 67

3.1 Überblick ... 67

3.2 Islamisten in Thüringer Moscheevereinen ... 67

3.3 Salafismus in Thüringen ... 68

3.4 Die „Tablighi Jama ́at“ (TJ) in Thüringen ... 69

3.5 Mobilisierungskampagnen in Sozialen Medien ... 69

V. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) ... 72

1. Hintergrund ... 72

2. „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) ... 72

2.1 Überblick, allgemeine Lage ... 72

2.2 Strukturen der Organisation ... 73

2.3 Themenschwerpunkte der Organisation ... 74

3. Bewertung ... 75

VI. Linksextremismus ... 77

1. Überblick und Schwerpunktsetzung ... 77

2. Ideologischer Hintergrund ... 78

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3. Das linksextremistische Personenpotenzial ... 78

4. Autonome – gewaltorientierte Linksextremisten ... 80

4.1 Allgemeines ... 80

4.2 Die autonome Szene in Thüringen ... 83

4.3 Thüringer Autonome und ihr „Antifaschismus“-Verständnis ... 85

4.4 Das Aktionsfeld „Antigentrifizierung“ ... 91

5. Sonstige linksextremistische Organisationen ... 92

6. Politisch motivierte Kriminalität – Links im Überblick ... 96

VII. Scientology Organisation (SO) ... 98

1. Verfassungsfeindliche Bestrebungen der SO ... 98

2. Strukturen der SO ... 98

3. SO in Thüringen ... 99

VIII. Spionageabwehr ... 100

1. Aufgabe und Überblick ... 100

2. Methoden fremder Nachrichtendienste ... 103

3. Wirtschaftsschutz / Cyberabwehr ... 104

4. Proliferation ... 106

IX. Geheimschutz ... 108

1. Allgemeines ... 108

2. Personeller Geheimschutz ... 108

3. Materieller Geheimschutz ... 109

4. Sonstige Überprüfungen ... 111

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I. Einige Informationen zum Verfassungsschutz

1. Verfassungsschutz – Instrument der wehrhaften Demo- kratie

Das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaats Thüringen garantieren allen Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Maß an Freiheit. Nicht zu- letzt aufgrund der Erfahrungen mit der Weimarer Republik ist es die Aufgabe der Gesell- schaft, denjenigen Kräften entgegenzuwirken, die die freiheitliche demokratische Grundord- nung beseitigen wollen. Das GG legt folglich nicht nur die Prinzipien des freiheitlichen demo- kratischen Rechtsstaats fest, es trifft auch Vorkehrungen zu seinem Schutz.

Die wehrhafte Demokratie beschreitet – notwendigerweise – einen schwierigen Weg, indem sie auch gegenüber ihren Gegnern grundsätzlich Toleranz übt. Denn auch Personen, Verei- nen und Parteien, die den demokratischen Rechtsstaat beseitigen wollen, stehen die Frei- heitsrechte – wie zum Beispiel das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht – zu.

Jedoch liefert sich die wehrhafte Demokratie den Bestrebungen politischer Extremisten nicht schutzlos aus. So sind beispielsweise nach den Artikeln 9 und 21 GG das Verbot verfas- sungswidriger Vereine und Parteien oder nach Artikel 18 GG die Aberkennung von Grund- rechten möglich. Außerdem verfügt unser Rechtsstaat über effektive Institutionen, deren Aufgabe darin besteht, als „Frühwarnsystem“ politischen Extremisten entgegenzuwirken und die konstitutiven Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzusichern. Ein wesentliches Element der streitbaren Demokratie stellen die 17 Verfassungsschutzbehörden dar, die der Bund und die Länder unterhalten (Artikel 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b und Art.

87 Abs. 1 Satz 2 GG). Im Freistaat Thüringen wurde die Verfassungsschutzbehörde 1991 errichtet.

Die Verfassungsschutzbehörden gehen vor allem der Frage nach, aus welchen Parteien und Gruppierungen sich das extremistische Spektrum zusammensetzt und welche Ziele es ver- folgt. Ebenso klären sie Spionageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste auf. Die Er- kenntnisse der Verfassungsschutzbehörden sollen es den zuständigen Stellen ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche de- mokratische Grundordnung zu treffen.

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6 Einen erheblichen Teil seiner Informationen gewinnt der Verfassungsschutz aus allgemein zugänglichen Quellen. Extremistische Akteure, Terroristen und fremde Nachrichtendienste agieren jedoch im Verborgenen und legen ihre Ziele nicht offen dar. Der Verfassungsschutz ist befugt, im Rahmen gesetzlich festgelegter Grenzen und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsgewinnung ein- zusetzen, um insbesondere terroristische Gefahren für die Bevölkerung frühzeitig erkennen und gemeinsam mit anderen Behörden abwenden zu können.

Die Verfassungsschutzbehörden unterliegen der Kontrolle insbesondere durch die von den Parlamenten eingesetzten Kontrollgremien, durch die Innenministerien, durch die Gerichte sowie durch die Bundes- bzw. Landesbeauftragten für Datenschutz. Sie besitzen keine Zwangsbefugnisse, die ausschließlich in die Zuständigkeit der Polizeibehörden fallen (Artikel 97 Verfassung des Freistaats Thüringen). Sie unterscheiden sich damit grundlegend sowohl von der „Geheimen Staatspolizei“ (Gestapo) der Nationalsozialisten als auch vom „Ministeri- um für Staatssicherheit“ (MfS) der ehemaligen DDR. Jene Institutionen waren darauf ausge- richtet, totalitäre Systeme abzusichern und abzuschirmen, wohingegen der Verfassungs- schutz die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Bundesrepublik schützt. Für Ver- fassungsschutzbehörden besteht eine strikte Bindung an Recht und Gesetz. Sie dienen kei- ner Partei, sondern sind dem Mehrparteiensystem als essentiellem Bestandteil der freiheitli- chen demokratischen Grundordnung verpflichtet.

Vor dem Hintergrund, dass bei dem Thüringer Verfassungsschutz und anderen Sicherheits- behörden des Bundes und der Länder im Zusammenhang mit den Vorkommnissen um die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ein weitreichendes Behördenversa- gen vorlag, wurden Verfassungsschutzgesetze geändert, bzw. in Thüringen neu gefasst.

Damit wurden aus den Ergebnissen der Parlamentarischen Untersuchung präzise neue rechtliche Vorgaben für eine erfolgreiche und transparente Tätigkeit des Thüringer Verfas- sungsschutzes geschaffen.

Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über verfassungsschutzrelevante Bestrebungen ist gebo- ten, wenn auf Tatsachen gestützte Anhaltspunkte vorliegen, die in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung führen, dass eine Bestrebung gegen die Freiheitliche Demokratische Grundord- nung vorliegt, d. h. ein Personenzusammenschluss verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und damit die Feststellung seines extremistischen Charakters verbunden ist. Die Darstellungen im Verfassungsschutzbericht sind nicht abschließend, sondern geben wesentliche Entwick- lungen während eines konkreten Berichtszeitraums wieder. Eine Berichterstattung kann be- reits dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für den Ver-

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dacht extremistischer Bestrebungen vorliegen, die aufgrund eines im konkreten Fall hinzutre- tenden besonderen Aufklärungsinteresses der Öffentlichkeit eine Erwähnung erfordern. Die- se Verdachtsfälle sind als solche im Text kenntlich gemacht.

2. Das Amt für Verfassungsschutz (AfV) beim Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales

Aufgaben und Befugnisse

Mit dem Thüringer Verfassungsschutzgesetz (ThürVerfSchG) bestehen präzise rechtliche Vorgaben für eine erfolgreiche und transparente Tätigkeit des Thüringer Verfassungs- schutzes im demokratischen Rechtsstaat.

Kernaufgaben des AfV sind die Sammlung und Auswertung von Informationen zum politi- schen Extremismus, zu Terrorismus und Spionage im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen. Zu diesem Zweck beobachtet es gemäß § 4 ThürVerfSchG:

1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetz- liche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder ei- nes Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben,

2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht,

3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,

4. Bestrebungen und Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusam- menleben der Völker gerichtet sind.

Einen nicht unerheblichen Teil seiner Informationen – insbesondere solche, ob tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsschutzrelevante Bestrebungen bestehen – schöpft das AfV aus öffentlich zugänglichen Quellen. Darüber hinaus ist das AfV in gesetzlich festgelegten Grenzen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit befugt, im Rahmen seines Beobach- tungsauftrags Informationen auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln (z. B. Observationen, Telefonüberwachungen) zu beschaffen.

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8 Die in Berichten, Lagebildern und Analysen zusammengefassten Erkenntnisse ermöglichen es der Landesregierung, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitli- che demokratische Grundordnung einzuleiten.

Gemäß den gesetzlichen Vorgaben übermittelt das AfV relevante Erkenntnisse unverzüglich nach Bekanntwerden an die Strafverfolgungsbehörden.

Das AfV ist in den gemeinsamen Informations- und Kommunikationsplattformen der deut- schen Sicherheitsbehörden (Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum – GTAZ, Gemein- sames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum zur Bekämpfung des Rechtsextre- mismus/-terrorismus, des Linksextremismus/-terrorismus, des Ausländerextremismus/- terrorismus und der Spionage einschließlich proliferationsrelevanter Aspekte – GETZ) vertre- ten.

Des Weiteren obliegen dem AfV Mitwirkungspflichten im Bereich des Geheim- und Sabota- geschutzes (z. B. Sicherheitsüberprüfungen für in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätige Personen).

Das ThürVerfSchG sieht in § 5 zudem eine geeignete Informations- und Öffentlichkeitsarbeit des Amtes vor.

Zudem bestehen ausführliche Regelungen über Umfang und Grenzen des Einsatzes nach- richtendienstlicher Mittel einschließlich des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensge- staltung1 sowie die beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel einzuhaltenden Verfahren.

Die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei in der Thüringer Informations- und Auswertungszentrale (TIAZ) wurde in einer eigenständigen gesetzlichen Regelung veran- kert.2

1 Der Kernbereich privater Lebensgestaltung stellt einen Raum höchstpersönlicher Privatheit dar, welcher ver- fassungsmäßig geschützt und einem Zugriff durch staatliche Überwachungsmaßnahmen vollumfänglich ent- zogen ist. Hinweise auf begangene oder geplante Straftaten fallen aufgrund ihres Sozialbezugs nicht hierun- ter. Einfachgesetzliche Regelungen zum Schutz des Kernbereiches privater Lebensführung finden sich etwa in § 10 Abs. 6 ThürVerfSchG und § 3a Artikel 10-Gesetz (G10).

2 Siehe dazu § 4 Abs. 4 ThürVerfSchG.

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Aufbau und Organisation

Der Thüringer Verfassungsschutz verfügte im Haushaltsjahr 2020 über 97 Stellen und Plan- stellen.3 Für die Wahrnehmung seiner Aufgaben waren ihm durch das Haushaltsgesetz Mit- tel in Höhe von 7.562.200 Euro zugewiesen.

Struktur des AfV

Stabsstelle Controlling

Die Stabsstelle Controlling unterstützt den Präsidenten des AfV durch unabhängige und ob- jektive Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen in seiner Leitungsfunktion. Sie hat die Auf- gabe, regelmäßig die Recht- und Zweckmäßigkeit der nachrichtendienstlichen und sonstigen ihr zugewiesenen Maßnahmen zu überprüfen und dem Präsidenten des AfV Bericht zu er- statten (§ 2 Absatz 4 ThürVerfSchG).

Die Stabsstelle ist dem Präsidenten des AfV unmittelbar zugeordnet, jedoch in der Beurtei- lung der Recht- und Zweckmäßigkeit der eingesetzten nachrichtendienstlichen Mittel nicht an Weisungen des Präsidenten, seines Vertreters oder des zuständigen Ministeriums gebun- den. Die Stabsstelle Controlling ist darüber hinaus personell und organisatorisch von den übrigen Referaten des AfV getrennt, nicht zuletzt, um auch insoweit eine unabhängige Prü- fung zu gewährleisten.

Die Referate des AfV haben der Stabsstelle Controlling kontinuierlich schriftlich Bericht dar- über zu erstatten, in welchen Phänomenbereichen und beobachteten Personenzusammen-

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10 schlüssen nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden. Diese Berichtspflichten betreffen besondere grundrechts- und sicherheitsrelevante Vorkommnisse, die sich im Rahmen des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel ereignen können.

Bei besonderen oder schwierigen Vorkommnissen kann die Parlamentarische Kon- trollkommission verlangen, dass die Stabsstelle Controlling diese auch unmittelbar unterrich- tet (§ 2 Abs. 4 Satz 6 ThürVerfSchG).

Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Der Stabsstelle obliegen die Beantwortung von Presse- und Bürgeranfragen, die Herausga- be von Publikationen, die Organisation und Durchführung diverser Informationsveranstaltun- gen sowie die Pflege der Internetpräsenz des AfV. Im Berichtszeitraum wurde die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit des Thüringer Verfassungsschutzes sowohl inhaltlich als auch or- ganisatorisch von der Covid-19-Pandemie beeinflusst.

Der Thüringer Verfassungsschutz lässt andere an seinen Erkenntnissen teilhaben und ver- steht sich konsequent als Partner von Institutionen, Organisationen und der Zivilgesellschaft.

Daher haben Mitarbeiter des AfV auch im Jahr 2020 wieder zahlreiche Vorträge über extre- mistische Phänomenbereiche und Wirtschaftsschutz gehalten.

Konnten in den zurückliegenden Zeiträumen durchschnittlich ca. 100 Vortragstermine pro Jahr von den AfV-Mitarbeitern wahrgenommen werden, war es 2020 aufgrund der Pandemie etwa die Hälfte. Zahlreiche Termine wurden pandemiebedingt verschoben. Andere fanden mit Auflagen nach den geltenden Infektionsschutz-Verordnungen oder online statt.

Auf Einladung des jeweiligen Veranstalters informierten die Mitarbeiter des Verfassungs- schutzes über alle gesetzlichen Aufgabenbereiche der Behörde und standen für Fragen der Zuhörer zur Verfügung.

Die Themenfelder Rechtsextremismus und „Reichsbürger“ dominierten – wie in den Vorjah- ren – die Anfragen. Vor dem Hintergrund des hohen Personenpotenzials und der vielfältigen Szene-Aktivitäten in Thüringen zeigten u. a. Behörden, Polizeidienststellen und die Arbeits- verwaltung einen weiterhin hohen Informationsbedarf. In diesem Zusammenhang spielten auch spezielle Einzelthemen und neue Entwicklungen eine Rolle. „Rechtsextremistische Be- strebungen in der Covid-19-Pandemie“, „Rechtsextremistische Immobilien“, „Hate-Speech im Internet“ sind einige Bespiele dafür.

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Dieses Angebot wurde durch mehrere öffentliche Diskussionsveranstaltungen verschiedener Institutionen und Organisationen – z. B. zu den Themen Antisemitismus oder Cyberspionage – ergänzt, an denen AfV-Präsident Stephan J. Kramer als Diskutant oder Referent mitwirkte.

Durch Interviews bei nationalen und internationalen Medien, zahlreichen Gesprächen des Präsidenten mit Multiplikatoren und Journalisten konnte dem regen Informationsbedarf – gerade während der Corona-Krise – Rechnung getragen werden.

Ein Beispiel dafür ist ein Medienprojekt der ARD, das neben dem Bundesamt für Verfas- sungsschutz (BfV) auch von den Verfassungsschutzbehörden in Nordrhein-Westfalen und Thüringer unterstützt wurde. Entstanden ist eine 90-Minuten Fernseh-Dokumentation mit dem Titel: „Früh.Warn.System / Brauchen wir diesen Verfassungsschutz?“. Sie beinhaltet Beispiele zur Arbeitsweise von Verfassungsschutzbehörden und zeigt aktuelle Herausforde- rungen in den Bereichen des Rechtsextremismus und des Islamismus auf. Dabei kommen auch kontroverse Ansichten verschiedener Akteure zur Sprache. Der Verfassungsschutz gewährte den Autoren für diese Dokumentation Einblicke in die Arbeit der Behörden.

Die Mitwirkung an derartigen Medienprojekten veranschaulicht die Devise des Thüringer Verfassungsschutzes: „Verfassungsschutz durch Aufklärung“. Durch so viel Offenheit wie möglich und so wenig Geheimhaltung wie nötig, konnte die Transparenz des Amtes im Be- richtsjahr weiter erhöht werden.

Die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, z. B. aus dem Bereich der Gewerk- schaften, der Kirchen und der Wohlfahrtsverbände, erfuhr im Berichtszeitraum – trotz des Pandemie-Geschehens – eine Fortsetzung.

In Kooperation mit dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) und mehreren Justizbehörden besteht seit 2011 eine Sicherheitspartnerschaft des AfV mit den Thüringer Haftanstalten. Sie beinhaltet

- Informationsvorträge für die Bedienstetenan der Justizfortbildungsstätte in Gotha - anlassbezogene Besprechungen und Informationen der Mitarbeiter der Haftanstalten

vor Ort

- fortlaufende Sensibilisierung zu aktuellen Entwicklungen im Islamismus / Islamisti- schen Terrorismus mit Bezug zu Haftanstalten.

Diese Zusammenarbeit konnte im Berichtszeitraum verstetigt werden. Im Vordergrund des Austausches standen Bestrebungen in den Bereichen des Islamismus und des Rechtsext- remismus.

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12 Der Verfassungsschutz Thüringen ist für die interessierte Öffentlichkeit über folgende Kon- takte erreichbar:

Amt für Verfassungsschutz beim

Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales Postfach 450 121

99051 Erfurt

Telefon: 0361 573313-850 Telefax: 0361 573313-482

Internet: www.thueringen.de/th3/verfassungsschutz E-Mail: afvkontakt@tmik.thueringen.de

Die Behörde hält eine „Aussteigerhotline für Rechtsextremisten“ (0361 573313-817) und ein

„Hinweistelefon Islamismus“ (0361 573313-480) vor. Die Wanderausstellung des AfV „Fein- de der Demokratie“ kann von allen interessierten Institutionen kostenfrei angefordert werden.

Referat 50 „Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten, G10, Gremienarbeit“

Das Referat 50 bearbeitet die Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten des Amtes. Weiterhin werden in diesem Arbeitsbereich Sitzungen verschiedener Gremien, z. B. der Parlamentari- schen Kontrollkommission und der G10-Kommission des Thüringer Landtags sowie ver- schiedener Bund-Länder-Gremien vorbereitet. Die Bearbeitung von parlamentarischen An- fragen, Petitionen und Auskunftsersuchen von Bürgern zählt ebenso zu den Aufgaben des Referates wie die Begleitung der Rechtsetzung auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes, des Geheimschutzes oder relevanter Bundesratsverfahren. Das große Interesse der Mitglie- der des Thüringer Landtags an den Themenfeldern, die vom AfV zu bearbeiten sind, zeigt sich an der Anzahl diesbezüglicher parlamentarischen Anfragen, auch wenn die Anzahl im Berichtszeitraum rückläufig war. So war das AfV mit der Bearbeitung von einer Großen An- frage, 173 Kleinen Anfragen und 13 Mündlichen Anfragen befasst.

Darüber hinaus ist das Referat mit der Durchführung der Verfahren zur Post- und Telekom- munikationsüberwachung (G10) betraut.

Referat 51 „Auswertung Ausländerextremismus/Islamismus“

Das Referat 51 erhält vom Referat „Beschaffung“ Informationen zu den Aufgabenfeldern Islamismus, sonstiger Ausländerextremismus. Es lenkt diesen Informationsfluss, führt die

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Erkenntnisse mit anderen Informationen, etwa aus offen zugänglichen Quellen, zusammen und wertet sie aus.

Referat 52 „Auswertung Rechtsextremismus/Linksextremismus, Thüringer Informa- tions-Auswertungs-Zentrale von Polizei und Verfassungsschutz (TIAZ)“

Das Referat 52 erhält vom Referat „Beschaffung“ Informationen zu den Bereichen Rechts- und Linksextremismus. Es lenkt diesen Informationsfluss, führt die Erkenntnisse mit anderen Informationen, etwa aus offen zugänglichen Quellen, zusammen und wertet sie aus.

Aufgabe der seit 2007 bestehenden TIAZ, einer Projektorganisation des Thüringer Landes- kriminalamts (TLKA) und des Thüringer Verfassungsschutzes, ist es, Informationen zu poli- tisch motivierter Kriminalität in den Phänomenbereichen „Rechts“, „Links“ und „Ausländer“

sowie den Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus zu bündeln und einer ge- meinsamen Analyse zuzuführen. Die TIAZ übernimmt darüber hinaus die Aufgaben des Freistaats Thüringen im Wirkbetrieb der „Antiterrordatei“ (ATD).

Referat 53 „Beschaffung“

Dieses Referat hat die Aufgabe, durch Ermittlungen und den Einsatz von nachrichtendienst- lichen Mitteln die für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags erforderlichen Informationen zu beschaffen.

Referat 54 „Querschnittsaufgaben, Geheimschutz, Spionageabwehr, Scientology Or- ganisation“

Das dem Referat zugehörige Sachgebiet „Querschnittsaufgaben“ ist für den inneren Dienst- betrieb zuständig. Angelegenheiten des personellen und materiellen Geheimschutzes sowie Mitwirkungspflichten des Verfassungsschutzes gemäß dem Thüringer Sicherheitsüberprü- fungsgesetz werden im Sachgebiet „Geheimschutz“ wahrgenommen.

Dem Sachgebiet „Spionageabwehr“ obliegt es, die unerlaubte Tätigkeit fremder Nachrich- tendienste im Freistaat aufzuklären. Zudem wird etwaigen Hinweisen auf frühere, fortwirken- de Strukturen der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen DDR nachgegangen.In einem weiteren Sachgebiet werden Hinweise auf mögliche Betätigungen der in Thüringen bislang nicht organisatorisch vertretenen „Scientology Organisation“ bearbeitet.

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14 Allgemeine parlamentarische Kontrolle

(parlamentarische Anfragen, Petitionen von Bürgern)

Landesrechnungshof

Parlamentarische Kontrollkommission des Thü- ringer Landtags

Landesbeauftragter für den Datenschutz und die

Informationsfreiheit G10-Kommission des Thüringer Landtags Amt für Verfassungsschutz

(Stabsstelle Controlling)

Kontrollinstanzen des Verfassungsschutzes

Parlamentarische Kontrolle

Gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission besteht eine umfassende Unterrich- tungspflicht über die allgemeine Tätigkeit des AfV (§ 27 Abs. 1 ThürVerfSchG). Dabei bilden die mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnenen Erkenntnisse einen Schwerpunkt.

Zudem ist der Landesregierung eine strukturierte Berichterstattung über die maßgeblichen operativen Vorgänge im Verfassungsschutz gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission aufgegeben (§ 27 Abs. 2 ThürVerfSchG). Dies betrifft im Einzelnen eine Übersicht über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in den verschiedenen Phänomenbereichen, die Information über die Festlegung der einzelnen Beobachtungs- objekte, die Information über die Herstellung des Einvernehmens beziehungsweise des Benehmens für das Tätigwerden von Verfassungsschutzbehörden anderer Länder respektive des Bundes in Thüringen, die Vorlage von Regelungen über die Vergütung von V- Leuten zur Kenntnis und die Unterrichtung über die Feststellung eines Informations- übermittlungsverbotes durch den Verfassungsschutz.

Darüber hinaus ist die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission über den Erlass und jede Änderung von Dienstanweisungen (§ 27 Abs. 5 ThürVerfSchG) gesetzlich verankert. Für den Erlass und die Änderung der Dienstanweisung zum Einsatz von V-Leuten ist eine Anhörung der Parlamentarischen Kontrollkommission vorgeschrieben (§ 12 Abs. 6 Sätze 6 und 7 ThürVerfSchG).

Die umfangreichen Unterrichtungspflichten der Landesregierung und Kontrollbefugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission ermöglichen eine umfassende parlamentarische

Verwaltungsgerichte

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Kontrolle der Tätigkeit des AfV und eine zusätzliche Sicherung der Grundrechte betroffener Personen.

Nach § 33 ThürVerfSchG unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission unter Beachtung der Geheimhaltungspflichten den Landtag mindestens alle zwei Jahre über ihre Tätigkeit.

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16

II. Rechtsextremismus

1. Überblick: Rechtsextremismus in Thüringen

Der Rechtsextremismus stellt nach wie vor den Bearbeitungsschwerpunkt des AfV dar. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die signifikante Gewaltneigung bzw. Gewaltorientierung eines erheblichen Personenpotenzials, welches sich im Berichtszeitraum nochmals auf 340 (2019: 280) gesteigert hat, sowie durch eine hohe Anzahl rechtsmotivierter Straf- und Gewalttaten im Freistaat Thüringen. Damit einhergehend ist eine erhebliche Radikalisierung der Szene und eine immer weiter sinkende Hemmschwelle zur Gewaltanwendung der aus Thüringen und Europa kommenden Personen zu konstatieren.

Während in den Vorjahren ein wesentlicher Teil rechtsextremistischer Agitation und Propa- ganda über das Internet Verbreitung fand, nahmen Rechtsextremisten im Berichtszeitraum vor allem die gesellschaftliche Corona-Debatte zum Anlass, um neben Kritik an den staatli- chen Schutzmaßnahmen rechtsextremistische Ideologie zu verbreiten. So wurde unter ande- rem gegen Asylbewerber oder asiatisch aussehende Menschen als „Virusträger“ oder „- verbreiter“ agitiert. Darüber hinaus nutzten Rechtsextremisten auch die Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zur Verbreitung von (anti- semitischen) Verschwörungsmythen oder zur Delegitimierung des Staates.

Wenngleich aufgrund verstärkter behördlicher Auflagen und der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie im Berichtszeitraum größere rechtsextremistische Musikveranstaltungen ausblieben, so ist die rechtsextremistische Musik nach wie vor ein zentrales Element der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes, des Einstieges in die rechtsextremisti- sche Szene, teilweise auch sinnstiftendes Element und auch kleinere Veranstaltungen stel- len eine wesentliche Plattform der Vernetzung dar.

Neben der rechtsextremistischen Musik hat sich in den vergangenen Jahren auch der rechtsextremistische Kampfsport als eine weitere bedeutende Subkultur herausgebildet. Die rechtsextremistische Szene hat sich in vielen Teilbereichen dieser Subkultur deutlich profes- sionalisiert. Dies trifft nicht nur auf entsprechende Kampfsportveranstaltungen und Wettbe- werbe wie z. B. den „Kampf der Nibelungen“ zu, sondern auch auf das Training und die Vermarktung, z.B. durch die Produktion von Werbeartikeln.

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Thüringen Bund

2018 2019 2020 2019 2020

NPD 170 120 120 3.600 3.500

Der III. Weg 30 50 30 580 600

Sonstiges rechtsext- remistisches Perso- nenpotential in Partei- en4

- - 1.200 8.600 8.600

parteiunabhängiges bzw. parteiungebun- denes Spektrum

200 250 280 6.600 7.800

weitgehend unstruktu- rierte Rechtsextremis- ten

550 550 600 13.500 13.700

davon gewaltorientier- te Rechtsextremisten

250 280 340 13.000 13.300

Tabelle 1: Geschätztes Mitglieder- und Personenpotenzial

Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Thüringen belief sich Ende 2020 auf insge- samt 2.1805 Personen. Dies entspricht einem Zuwachs von 1.260 Personen im Vergleich zum Vorjahr (2019: 920) und liegt im Wesentlichen in der Einstufung des Landesverbandes Thüringen der „Alternative für Deutschland“ (AfD) als Verdachtsfall und der Einstufung des Personenzusammenschlusses „Der Flügel“ als erwiesen rechtsextremistisch durch das Bun- desamt für Verfassungsschutz begründet.

Im Jahr 2020 wurden in Thüringen insgesamt 150 Mitglieder und Sympathisanten rechtsext- remistischer Parteien und parteinaher Gruppen erfasst (2019: 170). Während das Personen- potenzial der NPD bei ca. 120 Personen stabil blieb, reduzierte es sich bei der Partei „Der III.

Weg“ auf nunmehr 30 Personen (2019: 50). Ursächlich für die Entwicklung sind der Rückzug der Partei aus Erfurt und die damit verbundene Auflösung des Gebietsverbandes „Mitte“ in Thüringen. Das Personenpotenzial ging in dem rechtsextremistischen Verein „Neue Stärke Erfurt e. V.“ auf.

4 Unter dem sonstigen rechtsextremistischen Personenpotential in Parteien werden im Berichtszeitraum einzel- ne Mitglieder der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) des Landesverbandes Thüringen als Verdachtsfall und des Personenzusammenschlusses „Der Flügel“ gezählt.

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18 Der Anteil von Parteimitgliedern am rechtsextremistischen Personenpotenzial (ohne AfD und

„Der Flügel“) hat sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich reduziert und lag im Be- richtszeitraum bei 15 Prozent. Zwar konnte die NPD ihre Mitgliederzahl auf niedrigem Niveau stabil halten, der „Der III. Weg“ hingegen hatte nach der Auflösung des Gebietsverbandes

„Mitte“ einen deutlichen Mitgliedserverlust (-20) zu verzeichnen. Es gestaltet sich für die NPD und den „III. Weg“ zunehmend schwieriger, Anhänger oder Sympathisanten zu gewinnen und an sich zu binden. Hinzukommt, dass sich ein Großteil der Rechtsextremisten moderne- ren und dezentral organisierten Aktionsformen (z. B. via Sozialer Medien) zuwendet. Diese Entwicklung spiegelt sich durch einen Zuwachs im Bereich der parteiunabhängigen bzw.

parteiungebundenen Strukturen wieder, der maßgeblich aus dem Wechsel von vormals im Gebietsverband „Mitte“ bei „Der III. Weg“ aktiven Rechtsextremisten hin zu einer loseren Organisationsform resultiert. Diese Kategorie umfasst Personen in rechtsextremistischen Zusammenschlüssen und Vereinen, beispielsweise in subkulturell geprägten Gruppen oder in neonazistischen Kameradschaften. Ihr wurden im Berichtszeitraum 280 Personen zuge- ordnet (2019: 250).

Die Rubrik des weitgehend unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzials be- zeichnet Rechtsextremisten, die keiner Partei oder Organisation zugerechnet werden können (z. B. rechtsextremistische Straf- und Gewalttäter, rechtsextremistische Internetaktivisten oder einzelne subkulturelle Rechtsextremisten). Dieses große Teilspektrum zählt in Thürin- gen etwa 600 Personen (2019: 550).

Dabei geht insbesondere das im Internet aktive unstrukturierte Personenpotenzial weit über das bekannte partei- und organisationsgebundene rechtsextremistische Spektrum hinaus und ist zahlenmäßigen Schwankungen unterworfen. Das Internet wird von rechtsextremisti- schen Einzelpersonen dazu genutzt, manipulative und extremistische Inhalte zu verbreiten.

Damit soll ein Klima von Misstrauen und Hass insbesondere gegenüber Flüchtlingen und Andersdenkenden, aber auch gegenüber etablierten Medien, staatlichen Einrichtungen und demokratischen Prozessen geschaffen werden. Soziale Medien bieten diesen Einzelperso- nen niedrigschwellige Möglichkeiten, in virtuellen Räumen verfassungsfeindliche Propagan- da zu betreiben, sich zu vernetzen und Aktionen zu planen, die im äußersten Fall zur Bege- hung von schweren Straftaten in der Realwelt, wie Angriffe gegen Kommunalpolitiker, führen können.

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2. Rechtsextremistische Parteien

2.1 „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) in Thüringen

Der seit 1990 bestehende NPD Landesverband Thüringen zeigte im Berichtszeitraum kaum Aktivitäten. Wie schon in den Vorjahren war die Partei nur in wenigen Regionen aktiv, dazu zählten insbesondere der Wartburgkreis und der Kyffhäuserkreis. Patrick Weber aus Son- dershausen hat den Vorsitz des Landesverbandes seit November 2018 inne. Der Thüringer Landesverband wurde auf Bundesebene weiterhin durch Thorsten Heise vertreten, der dort als stellvertretender Parteivorsitzender fungiert.

Hauptschwerpunkt der NPD Thüringen war Eisenach. In der Stadt ist die Partei mit vier Mandaten im Stadtrat vertreten. Das dortige „Flieder Volkshaus“ in der Innenstadt, in dem sich auch die Landesgeschäftsstelle der Thüringer NPD befindet, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem rechtsextremistischen Zentrum mit einem vielfältigen Veranstaltungsan- gebot. Hier fanden in den vergangenen Jahren rechtsextremistische Musik- und Vor- tragsveranstaltungen, Parteiaktivitäten, subkulturelle Veranstaltungen und Kampfsport statt.

Daneben hatten Veranstaltungen, wie Tage der offenen Tür, Discoabende, Familien- und Straßenfeste, eine „Türöffnerfunktion“ gegenüber dem bürgerlichen Spektrum. Seit 2018 ist das Objekt auch Teil der bundesweiten „Schutzzonenkampagne“ der NPD. Im Rahmen die- ser Kampagne sollen Räume geschaffen werden, die angeblichen „Schutz vor Gewalt, Be- drohung und Verfolgung“ bieten sollen. Die NPD versuchte hiermit, bestehende Ängste in der Bevölkerung vor gestiegener Kriminalität durch Zuwanderer aufzugreifen. Angeblich sei- en „Übergriffe von Menschen aus aller Herren Länder auf deutsche Bürger“ ein Massenphä- nomen geworden. Weitere Schutzzonen propagierte die NPD in Sondershausen und Heilbad Heiligenstadt.

Im Berichtszeitraum nahm die politische Bedeutung der NPD in Thüringen weiter ab. Bedingt wurde dies sicherlich auch durch Einschränkungen aufgrund von Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19, jedoch auch durch interne Probleme der Partei. Gleichwohl ist die NPD in einzelnen Regionen weiter präsent, was auf das lokale Wirken einzelner Funktionäre zurückzuführen ist. Dies trifft insbesondere auf Eisenach zu. Hier ist es der NPD unter der Führung von Patrick Wieschke gelungen, sich in der Gesellschaft zu verankern und sich ein dauerhaftes Wählerpotenzial zu sichern. Seit Mai 2020 nahmen Wieschke und weitere lokale NPD-Angehörige regelmäßig an sog. Coronaspaziergängen in Eisenach teil. In der zweiten Jahreshälfte beteiligten sie sich auch an Demonstrationen gegen pandemiebedingte Ein- schränkungen im Bundesgebiet, u. a. in Berlin, Leipzig und Erfurt.

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20 2.2 „Der III. Weg“ in Thüringen

Die Partei „Der III. Weg“ ist in Thüringen seit 2015 mit Untergliederungen aktiv. 2020 waren dies weiterhin die „Stützpunkte Ostthüringen“ und „Thüringer Wald/Ost“, die zum „Gebiets- verband Mitte“ der Partei gehörten. Der Gebietsverband löste sich am 12. Dezember auf. An seine Stelle trat der „Bereich Mitte“, der die Strukturen von „Der III. Weg“ in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin umfasst. Aktivitäten der Partei gab es im Berichtszeit- raum vor allem in Erfurt, Gera, dem Landkreis Gotha und in Suhl. Meist handelte es sich dabei um Flugblattverteilungen und „Heldengedenken“, von denen die Partei im Internet be- richtete. Vom 5. bis 7. Januar reiste eine Thüringer Delegation von „Der III. Weg“ nach Ita- lien. Ihr gehörten insbesondere Mitglieder aus Erfurt, Gera und dem Landkreis Gotha an. Sie beteiligten sich u. a. an einer Demonstration von CasaPound Italia6 am 7. Januar in Rom.

Ab Mai 2020 beteiligten sich Angehörige der Partei an Protesten gegen Coronaschutzmaß- nahmen, maßgeblichen Einfluss gewannen sie dabei nicht. In Gera startete der „Stützpunkt Ostthüringen“ Ende 2020 eine Flugblattkampagne unter dem Motto „Das System ist gefährli- cher als Corona“.

Größere Veranstaltungen von „Der III. Weg“ fanden 2020 in Thüringen nicht statt. Für den 1.

Mai hatte die Partei eine Demonstration in Erfurt angemeldet. Diese wurde aufgrund der Co- vid-19-Pandemie ebenso abgesagt wie die für den 4. Juli in Kirchheim geplante Veranstal- tung „Jugend im Sturm“.

Seit Mitte 2018 nutzte „Der III. Weg“ eine Immobilie in der Stielerstraße in Erfurt als „national- revolutionäres Zentrum“. Der dort aktive rechtsextremistische Personenkreis war zuvor in der Partei „Die Rechte“ und im Rahmen des Vereins „Volksgemeinschaft Erfurt e. V.“ aktiv ge- wesen. Im Frühjahr 2020 endete die Zusammenarbeit mit „Der III. Weg“ abrupt. Die Immobi- lie wurde seit Mai 2020 nicht mehr durch die Partei genutzt, die dort agierenden Personen traten nicht mehr im Zusammenhang mit „Der III. Weg“ in Erscheinung. Sie engagieren sich nunmehr in dem rechtsextremistischen Verein „Neue Stärke Erfurt e. V.“ (NSE).7 Die Aktivitä- ten der Partei kamen seitdem in Erfurt nahezu zum Erliegen. Im Mai und November führte

„Der III. Weg“ Heldengedenken in Erfurt durch, eine für den 5. November angemeldete Kundgebung zum Thema „Winterhilfe“ fand mangels Teilnehmern nicht statt.

6 Bei CasaPound Italia handelt es sich um eine seit 2003 in Italien agierende nationalistische Bewegung und frühere Partei, deren wesentliche Aktionsfelder im Bereich des antikapitalistischen und nationalrevolutionären Aktivismus gegen Wirtschaft und Staat, der Kritik am internationalen Finanzkapitalismus und dem Eintreten für Ethnopluralismus bzw. Einwanderungsstopp liegen.

7 Siehe dazu Kapitel 3.2.4 „Neue Stärke Erfurt e. V.“ (NSE).

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Im Vergleich zum Vorjahr gingen die Aktivitäten von „Der III. Weg“ in Thüringen deutlich zu- rück. Die Beeinträchtigungen durch die Covid-19-Pandemie, aber auch der Rückzug von aktionistischen Mitgliedern in Erfurt und der damit einhergehende Verlust der Immobilie in der Stielerstraße waren maßgeblich hierfür.

2.3 Alternative für Deutschland (AfD), Landesverband Thüringen (Verdachts- fall)

Die im Jahr 2013 gegründete AfD ist in einem nachweisbaren Prozess der politischen Radi- kalisierung begriffen. Regelmäßig werden dabei im AfD Landesverband Thüringen die Gren- zen zum politischen Extremismus überschritten. Im Zuge dieses Prozesses hat die Partei einerseits sukzessive moderates Personal und Unterstützer verloren, andererseits aber auch den Versuch unternommen, Satzungsgrenzen zur extremen Rechten zu formulieren, um sich formal von politischen Extremen zu distanzieren. Die restriktive Umsetzung zeigt jedoch deutlich, dass es sich dabei vor allem um den Versuch handelte, öffentlichkeitswirksam eine Abgrenzung zu demonstrieren. In der Gesamtschau hatten diese Einzelmaßnahmen keinen Einfluss auf die fortschreitende Radikalisierung des Landesverbandes.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stufte den inzwischen formal aufgelösten Per- sonenzusammenschluss „Flügel“ im März 2020 als gesichert extremistisch ein, nachdem dieser – ebenso wie die AfD Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) – im Januar 2019 als Verdachtsfall klassifiziert worden war.

Das AfV folgte der inhaltlichen Einschätzung des BfV zum Personenzusammenschluss „Flü- gel“. Aufgrund der zentralen Rolle, die der „Flügel“ im Vorstand wie im Organisationsgefüge der AfD Thüringen einnimmt, wurde der AfD Landesverband am 12. März zum Beobach- tungsobjekt (Verdachtsfall) erhoben. Für den Berichtszeitraum liegen konkrete und verdichte- te Anhaltspunkte vor, die in ihrer Gesamtschau auf Bestrebungen hindeuten, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Im Jahr 2020 ließ sich kein inhaltlicher oder personeller Bruch mit den Positionen des Flügels nachweisen. Vielmehr verstetigten sich verfassungsfeindliche Positionen, die sich gegen die Menschenwürde, das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip richten. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass sich in den Hochphasen der Pandemie, die verfestigte Verfassungsfeindlichkeit von AfD-Akteuren in einem gänzlich neuen Themenfeld gezeigt hat.

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22 2.3.1 „Der Flügel“

„Der Flügel“ war seinem Selbstverständnis nach eine Sammelbewegung und Interessenge- meinschaft innerhalb der AfD. Als „zentral organisierter, loser Verbund von Mitgliedern der Alternative für Deutschland im gesamten Bundesgebiet“8 verfügte der „Flügel“ formal nicht über den Status einer „Vereinigung“ innerhalb der Partei nach § 17 der Bundessatzung der AfD. Die zentrale Führungsperson war der Thüringer Landessprecher Björn Höcke. Im März 2015 legte der „Flügel“ mit der „Erfurter Resolution“ sein Gründungsdokument vor, das im Rahmen des Landesparteitages vorgestellt wurde. Darin richtete sich der „Flügel“ dezidiert gegen den Kurs des damaligen Bundessprechers der Partei. Zugleich beschrieb die Resolu- tion die AfD als eine fundamentaloppositionelle Bewegungspartei mit dem erklärten Ziel, eine

„grundsätzliche politische Wende in Deutschland“ herbeizuführen.

Auf die nachrichtendienstliche Beobachtung des „Flügel“ hin forderte der Bundesvorstand der AfD mit Beschluss vom 20. März dessen Auflösung. Dieser Beschluss wurde scheinbar fristgerecht umgesetzt. Die Auflösung betraf insbesondere die öffentlich wahrnehmbare Struktur des „Flügel“ samt der von ihm organisierten Veranstaltungen und Onlineauftritte. So erklärte Höcke den „Flügel“ im April in einer Video-Stellungnahme für „Geschichte“, er prog- nostizierte aber zugleich: „Der Geist des Flügels, der wird lebendig sein in dieser AfD. Halten wir an diesem Geist fest.“ Damit formulierte der prominenteste „Flügel“-Vertreter und zu- gleich Vorsitzender der AfD Thüringen, der „Flügel“ solle organisationsprägend in der Partei aufgehen.

Das letzte offizielle „Flügel“-Treffen am 6. März in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) nahm inhalt- lich das Ziel des „Flügel“ vorweg, die Partei nach seiner Auflösung in diesem Sinne neu aus- zurichten. In seiner Rede ließ Höcke diese gezielte Vereindeutigung von Positionen inner- halb der Partei erkennen: „Die, die nicht in der Lage sind das wichtigste zu leben, was wir zu leisten haben, nämlich die Einheit, dass die allmählich auch mal ausgeschwitzt werden soll- ten.“ Seine Äußerung zeigt – neben der dezidiert provokativen Formulierung – die Zielrich- tung, kritische Stimmen aus der AfD zu drängen. Dieses Einheitspostulat prägt auch den Landesverband. So forderte auch der stellvertretende Landessprecher Torben Braga in ei- nem Interview mit „Ein Prozent“9 (Verdachtsfall BfV) am 7. Dezember, Personen „in Verant- wortung“ zu bringen, die das „einende Element“ betonten.

8 Website des „Flügel“, Eintrag vom 24. Juni 2016.

9 Der im Herbst 2015 gegründete, bundesweit tätige Verein „Ein Prozent e. V.“ (Verdachtsfall) unterstützt in materieller und ideeller Form Organisationen, Gruppierungen und Einzelpersonen, die eine „patriotische Wen- de“ in Deutschland erreichen wollen; vgl. dazu Verfassungsschutzbericht 2020 des BMI.

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Die Auflösung des „Flügel“ ging nicht mit einer inhaltlichen Distanzierung von verfassungs- feindlichen Positionen bzw. der sie tragenden maßgeblichen Personen einher. Vielmehr prägten sie im Berichtszeitraum den Landesverband in einem so erheblichen Umfang, dass er von dem Personenzusammenhang „Flügel“ nicht mehr sinnvoll unterschieden werden konnte.

Personell besteht mit Höcke auf Landesebene eine Kontinuität, die bundesweit auf eine un- gebrochene Relevanz von Akteuren des „Flügel“ im Berichtszeitraum hindeutet. Höckes Bio- graphie weist Bezüge in die klassische rechtsextremistische Szene auf. Das zeigen z.B. sei- ne Teilnahme am Trauermarsch der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ anlässlich des 65. Jahrestags der Bombardierung der Stadt Dresden im Zweiten Weltkrieg, eine geschichts- revisionistische Veranstaltung, die durch gesichert rechtsextremistische Akteure getragen wurde sowie zahlreiche andere langjährige Aktivitäten. Mit seiner Nähe zu Extremisten in Wort und Tat ist Höcke ein besonders herausgehobener Akteur. Die Gefahr für die freiheitli- che demokratische Grundordnung geht nicht von Höcke allein aus. Er steht vielmehr stellver- tretend für eine Vielzahl an Positionierungen innerhalb der AfD Thüringen, die auf eine ext- remistische Bestrebung hindeuten.

2.3.2 Der AfD Landesverband Thüringen

Der AfD Landesverband Thüringen wurde 2013 gegründet; seine Führung obliegt den Lan- dessprechern Björn Höcke und Stefan Möller seit Juni 2014. Er umfasst neun Kreisverbände, die sich wiederum in diverse Gebiets- und Stadtverbände untergliedern. Der AfD Landesver- band zählt ca. 1.200 Mitglieder. Im Ergebnis der Landtagswahl 2019 ist die AfD Thüringen mit 22 Abgeordneten im Landtag vertreten. Fünf Bundestagsabgeordnete, die über die vom LV aufgestellte Landesliste gewählt worden sind, bilden die Landesgruppe im Deutschen Bundestag.

Die Auflösung des „Flügel“ löste in der Thüringer AfD keine wahrnehmbaren Konflikte zwi- schen rivalisierenden Strömungen aus. Auf die Umsetzbarkeit der Auflösung des „Flügel“

angesprochen, formulierte Björn Höcke im Sommerinterview mit dem MDR lediglich: „Naja, die Personen sind noch in der AfD. Ich denke, dass sie ihre politischen Überzeugungen jetzt nicht abgegeben haben. So kann man das vielleicht einordnen.“ In einem Interview mit der Zeitschrift Sezession ergänzt Höcke, dass sich der politische Impuls des „Flügel“ überholt habe: „[S]o notwendig unser Impuls vor fünf Jahren war: Nun brauchen wir einen Impuls, der über den Flügel hinausweist und die Einheit der Partei betont.“. Er konkretisierte: „Unsere Arbeit weist über den Flügel hinaus, […] ich selbst und alle anderen politikfähigen ‚Flügler‘

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24 werden ihren politischen Kurs im Sinne der AfD weiterführen. Diejenigen aber, die den ‚Flü- gel‘ mißverstanden haben und ihn verfilzen wollten, werden nicht mithalten können – genau- so wie diejenigen in der Partei und im Bundesvorstand, die auf Kosten ihrer Parteifreunde allzu gute Kontakte zum Establishment suchen.“

Nach der Auflösung des „Flügels“ hat es keine öffentlich wahrnehmbaren Reaktionen im AfD-Landesverband, z. B. größere Austrittswellen, gegeben. Im Gegenteil sind im Berichts- jahr maßgebliche Protagonisten des „Flügel“ in ihren Parteiämtern bestätigt worden. Höcke erhielt auf dem Landesparteitag in Pfiffelbach am 22. November – trotz eines Gegenkandida- ten (der sich selbst als „Zählkandidat“ bezeichnete) – ca. 84 Prozent, Möller ohne Gegen- kandidat ca. 86 Prozent der Stimmen. Diese Wahl erfolgte in Kenntnis der Positionen beider und der herausragenden Bedeutung gerade Höckes. Auf seinem Twitter-Profil unterstrich Thomas Rudy am 13. August, es gäbe „null Gründe Björn Höcke abzumahnen. Björn hatte absolut Recht mit seiner Kritik und die AfDler hier im Osten stehen zu über 90 % zur patrioti- schen AfD, Björn Höcke“. Auch die Vernetzungstreffen zentraler ehemaliger „Flügel“-Akteure fanden nach April 2020 ihre Fortsetzung: Die Demonstration „Einigkeit macht stark“ am 16.

Juli in Altenburg, die bereits von Thüringer Seite eine deutliche „Flügel“-Dominanz zeigte, zog bekannte Protagonisten des ehemaligen Zusammenschlusses aus dem Bundesgebiet, u. a. aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg, an. Ein weiteres Treffen am 3.

Oktober in Vacha beschrieb ein Beteiligter als „[e]in Familienfest, das mich an Kyffhäuserzei- ten erinnert und gezeigt hat das die Solidarität unter den Patrioten des ehemaligen ‚Flügel‘

auch nach seiner Auflösung bestand hat.“

Demgegenüber hatten zahlreiche moderate Mitglieder die Partei bereits zuvor wegen der Dominanz des „Flügel“ verlassen. Als im Nachgang zur Einstufung des LV zum Verdachtsfall ein Polizist aus der AfD austrat, bestätigte dieser in einem Interview gegenüber dem MDR am 30. Juli, dass es schwer sei „in der Thüringer AfD Karriere zu machen und sich gleichzei- tig gegen den formal aufgelösten ‚Flügel‘ zu stellen.“ Im Rahmen dieses Interviews kam auch ein anonymes Mitglied der AfD Thüringen zu Wort, nach dem es „[i]n keinem Kreisverband […] jemanden geben [wird] oder auf einer Landesliste landet und keinen Treueeid auf die Führungsperson der Thüringer AfD geschworen hat.“ Oppositionelle Strömungen sind inner- halb der AfD Thüringen inzwischen nicht mehr wahrzunehmen. Kritische Stimmen wurden aus der Funktionärsebene verdrängt.

Die Auseinandersetzungen der AfD Thüringen mit den moderaten Kräften im Bundesvor- stand stellten das einende Band des Landesverbands dar. Am 11. November teilte Thomas Rudy auf Facebook einen Zeitungsartikel und kritisierte, der Bundessprecher wolle entgegen

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der Basis „eine (an die CDU) anschlussfähige und leise auftretende AfD“, während „viele, vor allem junge Mitglieder […] auch die Aktionen der IB [Identitären Bewegung] gelungen“ fän- den. Weiteren Zündstoff lieferten die Aufforderung zur Auflösung des „Flügel“ und die Annul- lierung der Parteimitgliedschaft eines „Flügel“-Funktionärs aus Brandenburg. Der Streit eska- lierte nach einer Rede eines Bundesprechers auf dem Sozialparteitag in Kalkar, als sich die- ser öffentlich von radikalen Positionen innerhalb der Partei distanzierte. Höcke bezeichnete das Statement als gegen „nichtgenehme Teile der eigenen Partei“ gerichtet und „wohl ein- zigartig in der Parteiengeschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Er nahm zugleich für sich in Anspruch, für diesen nichtgenehmen Teil der Partei zu sprechen. Torben Braga for- mulierte eine ähnlich orientierte Kritik in einem Interview mit dem neurechten Verein „Ein Prozent“ am 7. Dezember deutlich moderater. Demnach habe jener Bundessprecher der Partei geschadet, indem er von der Sozialpolitik ablenkte.

2.3.2.1 Inhaltliche Positionen des Landesverbandes

Die inhaltliche Ausrichtung der AfD Thüringen ist von der maßgebenden Rolle des „Flügel“, den Aussagen bzw. Positionen von führenden Funktionären mit organisationsprägendem Charakter und den gesicherten Verbindungen dieser Akteure zu anderen rechtsextremisti- schen Personenzusammenschlüssen bestimmt.

Antisemitismus und Revisionismus:

Höcke griff in seinen Reden und Beiträgen auf antisemitische Motive zurück. So entwarf er in seiner Rede am 5. Dezember in Höxter, der er selbst grundsätzlichen Charakter zuschreibt, ein Weltbild, das die AfD und ihre Gleichgesinnten einer Elite von Globalisten gegenüber- stellt, die die souveränen Nationalstaaten und Völker auflösen wollten. Bezeichnend ist aber, dass diese international orientierten Eliten selbst nicht als Souverän entworfen wurden, son- dern als willfährige „Dienstklassen“ einer „globalen Herrschaftskrake“; eine Bildmetaphorik, die bereits seit der Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts Verwendung fand, um den Kapi- talismus zu kritisieren und ihn auf eine angeblich jüdische Weltverschwörung zurückzufüh- ren:

„Liebe Freunde, gegen die notwendige Rückkehr zu unseren Wurzeln, zu unseren bewähr- ten Methoden, Ideen, Prinzipien, ja zu uns selbst, stellt sich die Entnationalisierungsstrategie der Globalisten. Sie, die ich jetzt mal etwas pauschal mit dem Begriff der Globalisten tituliere, sie wollen keine souveränen Völker und Nationen als eigenständige Subjekte […] Man im- plementiert international orientierte Eliten, sozusagen als Dienstklassen in allen Bereichen

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26 des Gemeinwesens. […] Man fördert die Einbindung. Also die Globalisten fördert, fördern die Einbindung. Man könnte auch Fesselung sagen, in und durch supernationale Organisatio- nen, wie WHO, IWF, Weltbank und so weiter […] eine globale Herrschaftskrake, die sich als riesiges Netz über die ehemals souveränen Nationalstaaten legt. Auch die Globalisierungs- agentur EU gehört zu dieser Globalisierungskrake.“ Solche Verweise auf eine global im Hin- tergrund agierende Finanzmachtelite rekurrieren auf antisemitische Stereotype.

Geschichtsrevisionistisch äußerte sich Höcke auf einer Gedenkveranstaltung zum Volkstrau- ertag am 15. November in Heilbad Heiligenstadt. Er richtete den Schwerpunkt seiner Darstel- lungen auf Grausamkeiten und Verbrechen, die von den Siegermächten begangen worden seien, während die Verantwortung Deutschlands nicht thematisiert wurde. „Wir gedenken den Toten eines grausamen Bombenkrieges. Wir gedenken den Opfern von Flucht und Ver- treibung aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, dem Sudetenland und den anderen deut- schen Siedlungsgebieten Ost- und Mitteleuropas. Wir gedenken den vergewaltigten und er- schlagenen Mädchen und Frauen. Wir gedenken denen, die noch nach dem 8. Mai 1945 in Gefangenenlagern elendig ums Leben kamen, es waren Millionen.“ Die von ihm verwandte Eingangsformulierung, wonach „[d]as erste Opfer eines Krieges […] die Wahrheit“ sei, steht für eine Täter-Opfer-Umkehr bzw. die Relativierung deutscher Kriegsschuld.

Ethnisch-kultureller Volksbegriff

Die AfD Thüringen vertritt völkisch-nationalistische Positionierungen. So wurde ein exklusi- ver, ethnisch-kulturell grundierter Volksbegriff in öffentlichen Äußerungen formuliert. Höcke beispielsweise stellt die „Volkszugehörigkeit“ als „das Verbindende […] die Schicksalsge- meinschaft, in die man hineingeboren wurde oder an die man sich durch Bekenntnis und Assimilation freiwillig“ binde, dar. Diese Bindung werde aber von Staatsbürgern nicht mehr eingefordert. Die „multikulturelle Demokratie“, gekennzeichnet von Verfallserscheinungen wie „Parallelgesellschaften, Clanstrukturen, Selbstjustiz“ und „Bürgerkriege[n]“, gelte es poli- tisch zu verhindern. Die eigene Familie stehe den „meisten Menschen näher als der Staat“, weshalb diese „Demokratie ohne Bindungskraft“ zur „Plünderung“ freigegeben sei. Die multi- kulturelle Gesellschaft, so suggeriert es Höckes Beitrag, treibe bereits ihre negativen Blüten zum Schaden einer Schicksalsgemeinschaft Volk.

Höckes Position, die die Grenze zum einem ethnischen Begriff des Staatsvolks bewusst überschreitet, stellt innerhalb der AfD Thüringen keinen Einzelfall dar. Die vermeintliche Zer- störung eines als homogen imaginierten vormaligen Staatsvolks durch einen „Großen Aus- tausch“ prägt die Argumentation insbesondere im Bereich der Zuwanderungspolitik, aber

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auch in der Abwertung des friedlichen Zusammenlebens in einer kulturell pluralistischen Ge- sellschaft. So postete ein AfD-Funktionär am 16. März auf Facebook mehrere Einträge, die der Politik im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie unterstellten, dem deutschen Volk absichtlich Schaden durch „Volksaustausch“ zuzufügen. In einem Kommentar vom 14. April griff dieser auf einen ursprünglich weitgehend unbeachteten Text des US-amerikanischen Geschäftsmanns Theodore N. Kaufman aus dem Jahr 1942 zurück, der die Sterilisation aller Deutschen zur Eindämmung ihrer Kriegsneigung propagierte. Erst die nationalsozialistische Propaganda bediente sich des sog. Kaufman-Plans als Teil einer vermeintlich jüdisch- amerikanischen Weltverschwörung. Heute kursiert er in der rechtsextremen Szene.

Abwertung von Muslimen und anderen Bevölkerungsgruppen

Die systematische Abwertung von Bevölkerungsgruppen zeigt Höcke in seinen islam- und muslimfeindlichen Ansichten. In dem von ihm am 30. November in Cottbus vorgestellten Dreistufenprogramm skizziert er die programmatische Umsetzung hierzu. Das Programm offenbart eine die Menschenwürde und die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit ver- letzende Position: Dem Islam und den Muslimen wird insgesamt abgesprochen, einen rechtmäßigen Platz in Deutschland einnehmen zu können. Vielmehr diene die Religionsfrei- heit Muslimen einzig zur Durchsetzung eigener Ansprüche. „Wenn es Macron, wenn es die Vertreter des Establishments in Frankreich und auch in Deutschland wirklich ernst meinten und jetzt wirklich glauben, erkannt zu haben, dass eine Veränderung notwendig wäre, dann müsste jetzt ein Dreistufenprogramm ablaufen. Die erste Stufe wäre das ernsthafte Einge- ständnis von Macron und den anderen Globalisten, das besagt, dass die jahrzehntelange Einwanderung islamischer Bevölkerungsgruppen nach Europa ein schwerer, schwerer Feh- ler war und die Art, wie wir leben, gefährdet, liebe Freunde. […] Der zweite Schritt wäre, dass die islamische Zuwanderung sofort, sofort gestoppt wird. Und der dritte und letzte Schritt wäre, liebe Freunde, langfristig ein Programm aufzustellen, auch mit finanziellen An- reizen, mit denen die Anzahl der Muslime in Europa friedlich verringert werden kann. […] Wir sagen Ja zur friedlichen De-Islamisierung in Europa. […] Der Islam hat eine Heimat und die- se Heimat heiß nicht Frankreich, die heißt nicht Deutschland. Der Islam und Europa passen nicht zusammen. Sie müssen und sie werden getrennte Wege gehen.“

Die Forderung nach einer „De-Islamisierung“ Deutschlands verstößt gegen den Kerngehalt des Rechts auf freie Religionsausübung. Darüber hinaus manifestiert sich in dieser funda- mentalen Ablehnung des Islam eine pauschalisierte Herabwürdigung von Muslimen. Dies steht dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG und der Menschenwür- degarantie nach Art. 1 Abs. 1 GG entgegen.

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28 Ausgehend von der negativen Darstellung des Islam werden auch durch andere Vertreter des AfD Thüringen zum Teil erhebliche Einschränkungen der Religionsfreiheit für Muslime angestrebt. Deren Unterbleiben wird als Symptom defizitärer rechtsstaatlicher Institutionen dargestellt. So äußerte sich ein Funktionär verächtlich über das muslimische Opferfest, bei dem der „Geruch des frischen Blutes“ oder „panisch[e] Schmerzensschreie“, die „Schlächter geradezu in Ekstase […] versetzen“. Damit würde „Kindern […] bei diesem Ritual des QUÄ- LEN und Töten von Tieren beigebracht.“ Das muslimische Opferfest müsse daher verboten werden.

Am 18. Januar teilte und kommentierte Stefan Möller einen Pressebericht der Thüringer All- gemeine „Neue Details zur Vergewaltigung in Silvesternacht am Roten Berg in Erfurt“ vom Vortag: „Wegen vier weiterer Sexualstraftaten wird gegen den eritreischen Tatverdächtigen bereits ermittelt. Und trotzdem wurde er weder abgeschoben, noch inhaftiert. […]“ Möller greift die „derzeitigen Eliten“ dafür an, dass sie unter bewusster „Gefährdung der Bürger“ und

„vorsätzlich“ „Schwerstkriminelle“ ins Land ließen.

Ablehnung des Demokratieprinzips

Der AfD Landesverband Thüringen zeichnet sich durch eine offensiv zum Ausdruck gebrach- te Gleichsetzung von Vertretern des Staates bzw. dessen Institutionen mit autoritären Regi- men aus. Ein alternatives Konzept, das die Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gewährleistet, wird nicht vermittelt. Durch Verächtlichmachung des Parlamen- tarismus propagiert man eine ausschließlich am konstruierten einheitlichen Volkswillen orien- tierte politische Ordnung. So formulierte Höcke in seinem Buch mit dem Titel „Nie zweimal in denselben Fluss“ den Wunsch nach einer grundlegenden politischen Wende, die eine Ab- kehr von elementaren Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates, wie Gewaltenteilung, Recht auf die Ausübung einer parlamentarischen Opposition sowie Schutz von Minderheiten, umfasst.

In einem Facebook-Beitrag vom 16. Februar vergleicht Stefan Möller das Agieren „staatstra- gender Parteien in Thüringen“ mit den politischen Verhältnissen im Iran. In seinem Kommen- tar zu einem Video des AfD Kreisverbands Kyffhäuser-Sömmerda-Weimarer Land, das die Anreise von Demonstranten am 15. Februar in Erfurt zeigt, heißt es: „Die Teheraner Mullahs finanzieren eine große Gegendemo gegen die demokratische Wahl eines neuen Ministerpräsidenten. Ach, das ist gar nicht Teheran, sondern Erfurt? Was es zur Demo der linken Demokratiefeinde in Erfurt am 15.02.2020 zu sagen gibt […].“

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Thomas Rudy bezeichnete die Bundesrepublik Deutschland in zwei Facebook-Einträgen vom 8. Februar als „DDR.2.0“ und „Merkels Diktatur“: „Was für eine angebliche ‚Demokratie‘

ist es in Deutschland? Am schlimmsten ist dass Weichei Kemmerich und auch die Thüringer FDP und CDU eingeknickt sind vor Merkels Diktatur!“

Vertreter der AfD Thüringen setzten die Bundesrepublik regelmäßig mit einem autoritär- diktatorischen System gleich, sprechen ihr den demokratischen und rechtsstaatlichen Cha- rakter ab und diskreditieren damit Verfassungsprinzipien und staatliche Institutionen.

2.3.2.2 Gesicherte Verbindungen von Mandatsträgern der AfD zu rechtsextre- mistischen Organisationen

Der Landesverband weist Verbindungen zu rechtsextremistischen Gruppierungen und Per- sonen – in das rechtsextreme Parteienspektrum, die Kameradschaftsszene, in rechtsextre- me Burschenschaften und die sog. Neue Rechte – auf. So werden Personen trotz erwiesen rechtsextremistischer Bezüge in der Vergangenheit – und trotz entsprechender Abgren- zungsbeschlüsse der Bundespartei etwa gegenüber der NPD und der „Identitären Bewegung Deutschland“ (IBD) – weiterhin von der AfD-Fraktion bzw. ihren Landtagsabgeordneten be- schäftigt.

Verbindungen zur klassischen Rechten

Auf kommunaler Ebene zeichnet sich die AfD durch einen hohen Grad an Akzeptanz für Ak- teure der klassischen Rechten auf. In Teilen kooperiert sie mit diesen Akteuren. Kommunale Mandats- und Funktionsträgerinnen und –träger der AfD in Eisenach und der AfD Westthü- ringen beispielsweise nahmen an einer von der NPD angemeldeten Demonstration in Eisen- ach unter dem Motto „Kriminelle Ausländer raus - Wir sind das Volk“ teil. Nachdem in einem Artikel auf Spiegel Online vom 16. Oktober bekannt wurde, dass ein AfD-Funktionär einen ehemaligen NPD-Stadtrat als Wahlkreismitarbeiter beschäftige, nahm dieser auf Facebook Stellung, die NPD sei nicht verboten und würde sein Mitarbeiter nun für „die Linken arbeiten“, so würde man von einem „Aussteigerprogramm“ reden.

Eine Verbindung in die rechtsextremistische Jugendkultur besteht in Form einer Kooperation mit der rechtsextremistischen, vormaligen Jugendorganisation der „Landsmannschaft Schle- sien“, der „Schlesischen Jugend“. Der Kreisverband der AfD Ilmkreis-Gotha unterhält verfes- tigte Kontakte zu einem maßgeblichen Funktionsträger der „Schlesischen Jugend“. Auf Me- dienanfrage bestätigte die AfD, dass ein Funktionär der „Schlesischen Jugend“ zeitweise

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30 Parteimitglied war, dass dessen Mitgliedschaft jedoch im August 2018 für nichtig erklärt wur- de. Dennoch entsandte die Stadtratsfraktion der AfD in Arnstadt den Betreffenden als einen sachverständigen Bürger in den Finanzausschuss der Stadt. Der Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion im Stadtrat begründete die Entsendung damit, dass er dessen „private und eh- renamtliche Arbeit schätze“. Zudem halte er „die von politischen Gegnern erhobenen Vor- würfe als nicht haltbar und rechtswidrig.“ Zwar wurde der Funktionär der Schlesischen Ju- gend im April 2020 abberufen, weitere Maßnahmen der Partei unterblieben jedoch.

Verbindungen in die Neue Rechte

Die AfD pflegt Verbindungen zu verschiedenen Gruppierungen der Neuen Rechten10. Dies trifft beispielsweise auf die rechtsextreme „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) zu, de- ren Aktionen Thomas Rudy und andere in den sozialen Medien begrüßten. Die wechselseiti- gen Bezüge zwischen diesen Akteuren sind eng. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit Protestbewegungen, die gegen Asylpolitik (wie z.B. „PEGIDA“) und staatliche Maßnahmen zur Pandemieeindämmung (wie z.B. Aktivitäten der heterogenen „Querdenker-Szene“) mobi- lisieren. Auf dem Landesparteitag der AfD Thüringen am 21. November warb Höcke in seiner Bewerbungsrede um den Landesvorsitz für eine Zusammenarbeit mit „Zukunft Heimat“, einer erwiesen extremistischen Protestbewegung.

Es bestehen enge Verbindungen zwischen der AfD Thüringen und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ Im Juni gab der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei einer öffentli- chen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bekannt, dass dieser Verein als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt wird. Am 17. Juni gab Höcke in einem Internet- Blog eine Stellungnahme zum Gedenken an den Volksaufstand in der DDR. Darin zählte er verschiedene Anzeichen vermeintlicher staatlicher Repression auf. In diesem Zusammen- hang ging er auch auf das aus seiner Sicht „skandalöse“ Urteil des Oberlandesgerichts Dresden ein, das dem „US-Mediengiganten Facebook“ in einer Auseinandersetzung mit „Ein Prozent“, die Höcke als „patriotische Bürgerbewegung“ bezeichnet, Recht gegeben hatte.

Björn Höcke unterstützte Werbeaktivitäten für das von „Ein Prozent“ entwickelte Computer- spiel „Heimat Defender: Rebellion“. Die Schreckensvision des Spiels inszeniert den Kampf gegen einen weltweit herrschenden Konzern „Globohomo Corporation“, der daran arbeite, weltweit kulturelle Eigenheiten zu homogenisieren. Als Vertreter dieses Konzerns treten nicht näher bestimmte Figuren mit „Refugees-welcome“-Schildern, Außenminister Heiko Maas,

10 Unter der Bezeichnung wird ein informelles Netzwerk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen gefasst, in dem rechtsextremistische bis rechtskonservative Kräfte zusammenwirken, um mit unterschiedli- chen Strategien teilweise antiliberale und antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzu- setzen.

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Journalisten, der Milliardär George Soros und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf. Letztere müssen die Spielcharaktere als Endgegnerin besiegen.

„Ein Prozent“ veröffentlichte das Spiel am 15. September mit der Möglichkeit zum kosten- freien Download im Internet. Anliegen ist, Positionen der Neuen Rechten in der subtilen Form eines im Retro-Design gehaltenen Adventure-Spiels in breitere Teile der Gesellschaft zu transportieren. Dazu zählt z. B. die Vermittlung homophober und antisemitischer Einstel- lungen. Figuren des Spiels sind an real existierende Personen aus dem rechtsextremisti- schen Spektrum angelehnt, u. a. an Akteure aus dem Umfeld der IBD. Eine als „Hinweisge- ber“ bezeichnete Figur namens „Bernd“ Höcke trägt das Konterfei von Björn Höcke.

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