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Anordung eines ärztlichen Gutachtens wegen Fahreignungszweifeln im Hinblick auf Alkoholabhängigkeit und psychische Erkrankung

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Academic year: 2022

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VGH München, Beschluss v. 19.06.2019 – 11 CS 19.936 Titel:

Anordung eines ärztlichen Gutachtens wegen Fahreignungszweifeln im Hinblick auf Alkoholabhängigkeit und psychische Erkrankung

Normenketten:

VwGO § 80 Abs. 7 StVG § 3 Abs. 1

FeV § 11 Abs. 2, Abs. 6, Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 1 S. 2, Anlage 4 Nr. 7, Nr. 8.3 Leitsätze:

1. Nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV ist (zwingend) ein ärztliches Gutachten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV beizubringen, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde insoweit ein Ermessen zustünde. Liegen die tatbestandlichen

Voraussetzungen vor, ist die Anordnung des Gutachtens folglich auch nicht unverhältnismäßig. (Rn.

24) (redaktioneller Leitsatz)

2. Bei der Anordnung eines ärztliches Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 FeV zur Klärung der Frage, ob eine psychische Erkrankung nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung infrage stellt,

erfordern die maßgebenden Umstände des Einzelfalls nicht in jedem Fall die Angabe der entsprechenden Nummer oder Unternummer der Anlage 4. Dies kann insbesondere dann

entbehrlich sein, wenn sich die vom Gutachter zu klärende Frage mit hinreichender Deutlichkeit den Gründen entnehmen lässt, mit denen die Behörde ihre Eignungsbedenken dargelegt hat. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Abänderung einer Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, Entziehung der Fahrerlaubnis, Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens, Alkoholabhängigkeit, Depressionen, Fragestellung in der Anordnung zur Gutachtensbeibringung, fehlendes Ermessen

Vorinstanz:

VG Würzburg, Beschluss vom 15.04.2019 – W 6 S 19.300 Fundstelle:

BeckRS 2019, 13867  

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird unter Abänderung der Ziffer III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg für beide Rechtszüge auf jeweils 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A und A1, jeweils mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04, AM, B und L.

2

Mit rechtskräftigem Strafurteil vom 28. September 2015 verurteilte das Amtsgericht Sch. den Antragsteller wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen und entzog ihm die Fahrerlaubnis unter Verhängung einer

(2)

Sperrfrist von 16 Monaten. Der Antragsteller hatte zur Tatzeit am 3. April 2015 um 15:10 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,49 Promille.

3

Nachdem der Antragsteller ein positives medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten beigebracht hatte, erteilte ihm das Landratsamt Bamberg am 20. März 2017 erneut eine Fahrerlaubnis.

4

Durch Mitteilung der Polizeiinspektion Sch. vom 21. Oktober 2017 wurde der Fahrerlaubnisbehörde des nunmehr zuständigen Landratsamts Sch. bekannt, dass die Polizei den Antragsteller am 13. Oktober 2017 gegen 15:00 Uhr in seinem Elternhaus stark alkoholisiert angetroffen hatte. Seine Mutter habe den eintreffenden Polizeibeamten mitgeteilt, der Antragsteller sei alkoholkrank und stehe unter erheblichem Alkoholeinfluss. Er habe zuvor in der Wohnung randaliert. Die Beamten hätten ihn offensichtlich alkoholisiert in seinem Bett angetroffen. Er habe massive Kommunikationsschwierigkeiten gehabt, stark nach Alkohol gerochen und einen unsicheren Gang und Stand gehabt. Auf Frage habe er angegeben, alkoholkrank zu sein und sich in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung zu befinden. Aufgrund seines Zustands sei er unkooperativ gewesen und habe sich den polizeilichen Anordnungen widersetzt, weshalb man ihn im weiteren Verlauf habe zu Boden bringen und fixieren müssen. Strafbare Handlungen habe er nicht begangen. In den Monaten März und April 2015 sei der Antragsteller viermal alkoholisiert polizeilich in Erscheinung getreten.

5

Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt forderte die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Sch. den Antragsteller mit Schreiben vom 8. November 2017 auf, ein Attest seines behandelnden Arztes zu den bei ihm vorliegenden Erkrankungen und den von ihm eingenommenen Medikamenten vorzulegen.

6

Aus einer weiteren Mitteilung der Polizeiinspektion Sch. vom 8. November 2017 ergibt sich, dass der Vater des Antragstellers am 4. November 2017 den Rettungsdienst verständigt hatte, nachdem dieser

alkoholbedingt gestürzt war und sich in völlig hilfloser Lage befand. Die Polizeibeamten, die den Transport ins Krankhaus begleiteten, fanden den Antragsteller sehr stark alkoholisiert und augenscheinlich unter Betäubungsmitteleinfluss vor. Ein Gespräch sei mit ihm aufgrund seines Zustands nicht möglich gewesen.

Er sei apathisch gewesen und habe nur unkontrollierte Laute von sich gegeben. Nach Angaben seines Vaters habe er zuvor eine Flasche Gin geleert und immer wieder ein Alkoholproblem. Ein Atemalkoholtest sei nicht möglich gewesen.

7

Aus einem ärztlichen Attest der psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) Sch. vom 29. November 2017 geht hervor, dass der Antragsteller dort seit April 2015 ambulant und mit den Medikamenten Venlafaxin ret. 150 mg morgens und Doxepin 50 mg abends behandelt wird. Er leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert (ICD -10: F 33.4), und unter psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F 10.2).

8

Daraufhin hörte das Landratsamt den Antragsteller zum Entzug der Fahrerlaubnis an. Am 12. Dezember 2017 wurde der Fahrerlaubnisbehörde bekannt, dass der Antragsteller vom 3. bis 10. Dezember 2017 nach Art. 10 Abs. 2 BayUnterbrG im Bezirkskrankenhaus eingewiesen war.

9

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 entzog das Landratsamt dem Antragsteller gestützt auf § 46 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV wegen Alkoholabhängigkeit die Fahrerlaubnis aller Klassen, forderte ihn auf, seinen Führerschein spätestens sieben Tage nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzuliefern, und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Der

Antragsteller habe seine Fahreignung auch nicht wiedererlangt, weil schon der Nachweis einer mindestens einjährigen Abstinenz derzeit nicht erbracht werden könne. Die Entlassung aus der stationären

Entwöhnungsbehandlung stelle den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Beginn dieser Frist dar.

10

Am 29. Dezember 2017 erhob der Antragsteller Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids. Die Vorkommnisse, die zum Entzug der Fahrerlaubnis geführt hätten, seien

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durch einen einmaligen Rückfall in einer außergewöhnlich belastenden Situation bedingt. Er habe sich freiwillig im Bezirkskrankenhaus behandeln lassen. Nachdem die Belastungssituation geklärt und überwunden sei und hiervon keine weitere Gefahr eines erneuten Rückfalls ausgehen könne, sei die Annahme einer fehlenden Fahreignung nicht begründet. Er befinde sich in ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung, um das erneute Auftreten solcher Belastungssituationen zu vermeiden.

Es fänden auch engmaschige Alkoholkontrollen statt. Wie vor dem Rückfall lebe er derzeit völlig abstinent.

Seine diagnostizierte Alkoholabhängigkeit sei eine chronische Erkrankung, die nicht geheilt, sondern nur durch entsprechende Behandlung bewältigt werden könne. Akute Alkoholprobleme seien damit nicht festgestellt und diagnostiziert. Daher lasse die Diagnose als solche nicht die vom Landratsamt gezogenen Rückschlüsse zu. Nachdem sich seine berufliche und private Situation in den vergangenen Wochen deutlich zum Positiven verändert habe, habe sich seine Lebenssituation stabilisiert, was gegen die Prognose einer weiteren Rückfallgefahr und damit eventuell einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs spreche.

Sein Verhalten zeige im Übrigen, dass er über ein entsprechendes Trennungsvermögen zwischen dem rückfallbedingten Alkoholkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr verfüge.

11

Am 4. Januar 2018 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.

12

Mit Beschluss vom 29. Januar 2018 (W 6 S 18.57) lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg, ausgehend von einem offenen Verfahrensausgang, einen am 16. Januar 2018 gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab.

13

Mit Schreiben vom 7. Februar 2018 forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Hinweis auf Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit und eine im Fahreignungsgutachten vom 20. Februar 2017 festgestellte, seit 2012 behandelte Depression auf, ein ärztliches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Es sei zu klären, ob sich aus den aktenkundigen Tatsachen die begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigen lasse; wenn ja, welche drei Kriterien nach ICD-10 im vorliegenden Fall erfüllt seien, die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigten (§ 13 Satz 1 Nr. 1 FeV i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV). Weiter sei zu klären, ob beim Antragsteller eine Erkrankung vorliege, die nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung infrage stelle; wenn ja, ob er dennoch in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht zu werden (§ 11 Abs.

2 FeV i.V.m. Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV), ob eine ausreichende Adhärenz vorliege, ob Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich seien, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeugs weiterhin gerecht zu werden, insbesondere fachlich einzelfallbegründete Auflagen und Nachuntersuchungen bzw.

eine Nachbegutachtung.

14

Die ärztliche Begutachtung fand am 20. Juni 2018 statt. Das Landratsamt verlängerte die Frist zur Vorlage des Gutachtens zuletzt bis 3. Juli 2018. Eine Rücksprache des Landratsamts mit der Begutachtungsstelle ergab, dass das Gutachten frühestens am 23. Juli 2018 erstellt werden könne. Mit Schreiben vom 7. August 2018 gab die Begutachtungsstelle die Akten an das Landratsamt zurück. Nachdem der Antragsteller einer Aufforderung, das Gutachten bis spätestens 31. August 2018 vorzulegen, nicht nachgekommen war, wies die Regierung von Unterfranken den Widerspruch gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV mit Bescheid vom 4.

Dezember 2018 zurück und lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids ab.

15

Am 10. Januar 2019 erhob der Antragsteller Anfechtungsklage (W 6 K 19.18), über die noch nicht entschieden ist. Am 26. März 2019 beantragte er beim Verwaltungsgericht Würzburg gemäß § 80 Abs. 7 VwGO, den gerichtlichen Beschluss vom 29. Januar 2018 (W 6 S 18.57) zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen jeweils die Nummer 1 des Bescheids vom 19. Dezember 2017 und des

Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2018 wiederherzustellen.

16

Mit Beschluss vom 15. April 2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Abänderungsantrag unter

Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids ab. Der Antrag sei zwar zulässig, da sich der Widerspruchsbescheid auf neue Umstände (Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens) stütze und der Antragsteller Klage erhoben habe. Die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren seien jedoch nicht mehr

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als offen anzusehen. Es spreche eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass infolge der Nichtbeibringung des zu Recht geforderten ärztlichen Gutachtens durch den Antragsteller nunmehr unabhängig von der Frage der Alkoholabhängigkeit gemäß § 11 Abs. 8 FeV von fehlender Fahreignung auszugehen sei. Die Vorschriften zur Überprüfung der Fahreignung seien auch im offenen

Widerspruchsverfahren anwendbar. Auch weitere Umstände, die Bedenken gegen die Fahreignung begründeten, könnten Anlass zu einer Begutachtung geben. Es hätten hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Rückfall in eine akute Alkoholabhängigkeit und für eine fahreignungsrelevante psychische Erkrankung im Sinne der Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV bestanden (rezidivierende, gegenwärtig remittierte depressive Störung, Behandlung mit Antidepressiva). Es habe ausgereicht, dass das

Landratsamt insoweit lediglich auf Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV Bezug genommen habe, da die Art der psychischen Störung von der Behörde mangels genauer Kenntnisse medizinischer Diagnosen in der Regel nicht verlangt werden könne. Hinzu komme, dass der Begutachtungsgegenstand durch die Darlegung der fahreignungsrelevanten Vorfälle und die Nennung des ärztlichen Attestes der Psychiatrischen

Institutsambulanz Sch. vom 29. November 2017 weiter konkretisiert worden sei. Zwar sei seit dem letzten nachweislichen Alkoholkonsum des Antragstellers am 4. November 2017 bereits über ein Jahr vergangen, für das der Antragsteller Abstinenz behauptet habe, und damit die sog. verfahrensrechtliche Einjahresfrist.

Inwieweit seiner Unterbringung vom 3. bis 10. Dezember 2017 Alkoholkonsum zugrunde gelegen habe, sei nicht bekannt. Jedoch seien die Besonderheiten des Verfahrens zu berücksichtigen. Mit dem Gutachten habe im Nachgang zu dem gerichtlichen Eilbeschluss vom 29. Januar 2018 im noch offenen

Widerspruchsverfahren aufgeklärt werden sollen, ob erneut Alkoholabhängigkeit vorliege. Die zeitliche Verzögerung sei zu einem wesentlichen Teil auf das Verhalten des Antragstellers zurückzuführen, da er mehrfach eine Fristverlängerung zur Vorlage des Gutachtens beantragt habe. Zuerst habe geklärt werden müssen, ob eine Alkoholabhängigkeit vorliege, bevor in einem zweiten Schritt hätte geprüft werden können, ob diese akute Phase wieder überwunden (worden) sei und inwieweit dann wieder - insbesondere unter dem Aspekt einer hinreichend stabilen Verhaltensänderung - von einer Fahreignung auszugehen sei. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit stelle die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens einen weniger schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar als die eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.

Daher sei die Fragestellung in der Gutachtensanordnung vom 7. Februar 2018 insgesamt - ebenso wie die Ermessensbetätigung der Behörde - nicht zu beanstanden. Auch habe sich der Antragsteller offenbar der geforderten Begutachtung gestellt, das Gutachten jedoch letztlich nicht vorgelegt. Daher hätten sich die Fahreignungszweifel, die zur Begutachtung Anlass gegeben hätten, zu der Überzeugung fehlender Fahreignung verdichtet und die Behörde habe auf die Nichteignung des Antragstellers gemäß § 11 Abs. 8 FeV schließen dürfen. Angesichts der fortbestehenden Fahreignungszweifel gebiete auch eine Abwägung der gegenseitigen Interessen keine Abänderung des Gerichtsbeschlusses vom 29. Januar 2018. Nachweise für eine aktuelle und hinreichend stabile Abstinenz seien nicht vorgelegt worden. Insofern verbiete sich im Interesse der Verkehrssicherheit auch eine entsprechende Heranziehung der Regelung in § 111a StPO.

Allein der Zeitablauf führe nicht zur Wiedererlangung der Fahreignung.

17

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er die Aufhebung des gerichtlichen Beschlusses und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die jeweilige Nummer 1 des Bescheids vom 19. Dezember 2017 und des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2018 beantragt. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens sei rechtswidrig. Es bestünden bereits Zweifel, dass die durch die beiden Mitteilungen der Polizeiinspektion Sch. vom 21. Oktober 2017 und 8. November 2017 mit dem polizeilichen Bericht vom 7.

Juni 2015 bekannt gewordenen Umstände es rechtfertigten, ohne weitere Sachaufklärung ein

Fahreignungsgutachten anzuordnen. Das gelte insbesondere für den Vorfall vom 21. Oktober 2017, der sich beim Antragsteller zu Hause ereignet habe, da familiäre Streitigkeiten häufig sehr emotional geführt würden.

Außerdem sei insbesondere der zweite Teil der Fragestellung nicht ausreichend konkret. Die Bezugnahme auf die beim Antragsteller festgestellte Alkoholabhängigkeit und die Frage nach einer psychischen

Erkrankung gemäß Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV seien zu allgemein und nicht einzelfallbezogen. Die Frage sei nicht auf relevante, nach den bestehenden „Verdachtsmomenten“ in Betracht zu ziehende Erkrankungen beschränkt und „ins Blaue hinein“ gestellt worden. Sie dürfe gerade nicht derartig weit sein, dass damit die mit der Begutachtung betraute Stelle ermächtigt werde, die Gesamtheit der in Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV erwähnten Krankheitsbilder, wie u.a. eine schwere Altersdemenz, zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Selbst eine Einschränkung der Fragestellung auf eine affektive Psychose (depressive Erkrankung)

(5)

gemäß Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV hätte die Gutachtensaufforderung nicht zu tragen vermocht, da diese nur aufgrund konkreter Tatsachen und nicht auf einen bloßen Verdacht bzw. Mutmaßungen und dergleichen hin erfolgen dürfe. Die Fahrerlaubnisbehörde müsse vielmehr einen durch Tatsachen getragenen

„Anfangsverdacht“ belegen können. Sei kein Straf- oder Bußgeldverfahren durchgeführt worden, müsse sie sich selbst durch umfassende Sachverhaltsaufklärung über die Tatsachen Gewissheit verschaffen. Nach den vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Maßstäben müsse sich die Anforderung eines Gutachtens auf solche Mängel beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründeten, dass der Betroffene sich als Fahrzeugführer nicht verkehrsgerecht umsichtig verhalten werde. Ferner müsse die von der Behörde herangezogene Auffälligkeit nach ihrem Gewicht und unterzeitlichen Gesichtspunkte noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Aus der insoweit eindeutigen Diagnose der behandelnden Ärztin ergebe sich jedoch eindeutig, dass eine psychische (depressive) Erkrankung mittlerweile abgeklungen und der Antragsteller seit Monaten symptomfrei sei.

Somit hätte es keiner weitergehenden Aufklärung durch eine fachärztliche Begutachtung mehr bedurft. Die behördliche Annahme, durch eine Diagnose F 33.4 nach ICD-10 werde die Fahreignung grundsätzlich infrage gestellt, sei falsch. Die mit Beispielen operierenden Bescheidsgründe seien nicht nachvollziehbar.

Nach Nr. 3.12.4 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung liege eine die Fahreignung

ausschließende affektive Störung nur bei sehr schweren Depressionen, die z.B. mit depressiv-wahnhaften oder depressiv-stuporösen Symptomen oder mit akuter Suizidalität einhergingen, und bei manischen Phasen vor. Ferner sei die Gutachtensanordnung nicht verhältnismäßig gewesen, da die

Fahrerlaubnisbehörde vom Antragsteller nicht verlangt habe, zunächst Atteste der ihn behandelnden Ärzte vorzulegen. Weiter sei den Gründen des Gerichtsbeschlusses nicht zu entnehmen, weshalb der Ablauf der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist vor Erlass des Widerspruchsbescheids außer Betracht bleiben solle.

Der Antragsteller sei bis dahin im Zusammenhang mit Alkohol nicht mehr „aktenkundig“ geworden, womit gewichtige Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass er tatsächlich über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr abstinent geblieben sei. Daher sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Gericht davon ausgegangen sei, das Landratsamt hätte prüfen müssen, ob und inwieweit der Antragsteller möglicherweise einen Rückfall in die akute Phase der Alkoholabhängigkeit erlitten bzw. diese ggf. wieder überwunden habe. Unter

Berücksichtigung des schlüssigen Vortrags des Antragstellers, er lebe seit mehr als einem Jahr abstinent, sei die Aufforderung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens nicht mehr zwingend erforderlich und damit unverhältnismäßig gewesen. Vielmehr hätte das Landratsamt im Zusammenhang mit der

verfahrensrechtlichen Einjahresfrist berücksichtigen müssen, dass eine frühere Begutachtung trotz seiner Alkoholabhängigkeit zugunsten des Antragstellers ausgegangen sei. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit hätte zunächst der Frage nachgegangen werden müssen, ob die Fahrerlaubnisbehörde überhaupt gehalten gewesen sei, ein förmlich fachärztliches Gutachten anzuordnen, wenn auch weniger einschneidende Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung wie die Anforderung medizinischer Befunde oder Unterlagen der behandelnden Ärzte ausgereicht hätten. Nachdem das Landratsamt dies unterlassen habe, sei die

Maßnahme unverhältnismäßig. Doch selbst wenn es das ärztliche Gutachten hätte anfordern dürfen, sei die Möglichkeit, nach Nichtvorlage auf eine fehlende Fahreignung des Antragstellers zu schließen, mit Ablauf der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist entfallen. Der Frage der Wiedererlangung sei nach obergerichtlicher Rechtsprechung noch im Widerspruchsverfahren nachzugehen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof

„strecke“ hierzu das Verfahren dergestalt, dass der Antragsteller zunächst zur Vorlage entsprechender Abstinenznachweise und anschließend zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) verpflichtet werde. Der gerichtliche Einwand, das angeordnete ärztliche Gutachten stelle insoweit einen geringeren Eingriff als die MPU dar, gehe an der Sache vorbei. Es sei widersprüchlich, davon auszugehen, die MPU dürfe solange nicht angeordnet werden, wie die fehlende Fahreignung nicht feststehe. Denn nach der Argumentation des Verwaltungsgerichts stehe mit der Nichtvorlage des ärztlichen Gutachtens die

Nichteignung fest, womit die Frage der Wiedererlangung der Fahreignung relevant werde. Zwar ließe sich dann nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis zu Fall bringen. Zumindest aber müsste eine MPU angeordnet und die aufschiebende Wirkung der Klage unter der Auflage wiederhergestellt werden, Abstinenzbelege und anschließend ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Hiernach erweise sich auch die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts als unzutreffend. Bei der Interessenabwägung hätte in den Blick genommen werden müssen, dass der Antragsteller nicht nur innerhalb eines Zeitraums von mehr als einem Jahr nicht mehr aktenkundig „auffällig“ geworden sei, sondern dass ein Zusammenhang zwischen seiner Erkrankung und der Teilnahme am Straßenverkehr bereits seit mehreren Jahren nicht mehr gegeben gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtfertige insbesondere die lange Verfahrensdauer unter diesen Umständen, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und dem

(6)

Antragsteller den Führerschein bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren wieder auszuhändigen.

Ferner sei der gerichtlichen Auffassung entgegenzutreten, dass keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Minimierung des vom Antragsteller ausgehenden Risikos bestünden. Zum bloßen Zeitablauf träten hier noch weitere entscheidungserhebliche Kriterien hinzu.

18

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und trägt dazu vor, der Antragsteller rüge eine zu weite Fragestellung, ohne sich insoweit mit den diesbezüglichen Argumenten des Verwaltungsgerichts

auseinanderzusetzen. Damit sei schon dem Darlegungserfordernis nicht genügt. Ferner treffe seine Auffassung nicht zu, dass die sog. verfahrensrechtliche Einjahresfrist bei Erlass des

Widerspruchsbescheids abgelaufen gewesen sei. Insofern sei frühestens auf den Zeitpunkt abzustellen, ab dem er die Verhaltensänderung (Alkoholabstinenz) praktiziert haben wolle, d.h. auf die

Widerspruchsbegründung vom 29. Dezember 2017. Unabhängig davon habe er die behauptete Abstinenz nicht glaubhaft gemacht und auch nicht dargetan, dass er eine Entwöhnungsbehandlung erfolgreich durchlaufen habe.

19

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

20

Die Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

21

Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.

22

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2162, in Kraft getreten am 1.1.2018), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010

(Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980), zum maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach

§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn - was hier allein in Betracht kommt -

Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen. Nicht erforderlich ist also, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v.

5.7.2001 - 3 C 13.01 - NJW 2002, 78 = juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 3.9.2015 - 11 CS 15.1505 - juris Rn. 13;

Siegmund in Freymann/Wellner jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 11 FeV Rn. 36). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.

23

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er - wie hier - das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines

angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 3 C 20.15 - NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.) und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht (vgl. BVerwG, U.v.

12.3.1985 - 7 C 26.83 - BVerwGE 71, 93/96 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 10.9.2008 - 11 CS 08.2010 - juris Rn. 20 m.w.N.). Hieran gemessen war die Gutachtensanordnung vom 7. Februar 2018 rechtmäßig.

24

(7)

Nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV ist (zwingend) ein ärztliches Gutachten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV beizubringen, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen, ohne dass der

Fahrerlaubnisbehörde insoweit ein Ermessen zustünde. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, ist die Anordnung des Gutachtens folglich auch nicht unverhältnismäßig. Tatsachen im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV ergaben sich zum einen aus den von der Polizei mitgeteilten Vorfällen vom 13. Oktober 2017 und 4. November 2017, wobei es nicht auf etwaige emotional geführte familiäre Streitigkeiten ankommt, sondern allein auf die starke Alkoholisierung des Antragstellers, die mit schweren Verhaltens- bzw.

Gesundheitsstörungen verbunden und ein Indiz für einen Rückfall in eine erneute Alkoholabhängigkeit war.

In diesem Zusammenhang ist der Fahrerlaubnisbehörde keine mangelnde Sachaufklärung vorzuwerfen. Sie hat den Antragsteller bereits nach Bekanntwerden des ersten Vorfalls mit Schreiben vom 8. November 2017 aufgefordert, ein Attest seines behandelnden Arztes vorzulegen, und das daraufhin vorgelegte Attest der PIA Sch. vom 29. November 2017 auch berücksichtigt (vgl. Seite 2 der Gutachtensanordnung). Zum andern stützt sich die Anordnung auch auf die Feststellungen des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 20. Februar 2017, wonach beim Antragsteller Anzeichen für eine Alkoholabhängigkeit (Toleranzentwicklung, körperliche Entzugserscheinungen; vgl. Abschnitt 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 [VkBl. S. 110], die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind) vorlagen und er zwei stationäre

Entgiftungsbehandlungen und eine mehrmonatige ambulante Entwöhnungsbehandlung gemacht hat. Dass die Gutachterinnen zu der Einschätzung gelangt sind, dass der Antragsteller dennoch fahrgeeignet sei, steht dem nicht entgegen. Denn hierzu kam es nur aufgrund seiner als glaubhaft gewerteten Aussage, dass er seit rund zwei Jahren keinen Alkohol mehr konsumiere, und unter der Voraussetzung konsequenten Alkoholverzichts, welcher durch die beiden Vorfälle die Grundlage entzogen war.

25

Ferner war die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt, auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 FeV ein ärztliches Gutachten zur Klärung der Frage anzuordnen, ob eine psychische Erkrankung nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung des Antragstellers infrage stellt. Das Verwaltungsgericht hat die Fragestellung zu Recht auch ohne nähere Bezeichnung der in Betracht kommenden psychischen Erkrankung(en) als den Bestimmtheitsanforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV genügend erachtet. Die maßgebenden Umstände des Einzelfalls erfordern nicht in jedem Fall die Angabe der entsprechenden Nummer oder Unternummer der Anlage 4. Dies kann insbesondere dann entbehrlich sein, wenn sich die vom Gutachter zu klärende Frage mit hinreichender Deutlichkeit den Gründen entnehmen lässt, mit denen die Behörde ihre Eignungsbedenken dargelegt hat (BVerwG, B.v. 5.2.2015 - 3 B 16.14 - BayVBl 2015, 421 = juris Rn. 9;

BayVGH, B.v. 19.3.2019 - 11 CS 19.387 - juris Rn. 17; B.v. 15.11.2010 - 11 C 10.2329 - juris Rn. 37 f.).

Vorliegend lässt sich der Gutachtensanordnung entnehmen, dass die im ärztlichen Attest der PIA Sch. vom 29. November 2017 gestellte Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert (ICD -10: F 33.4), Anlass zu den Fahreignungszweifeln gegeben hat und im Hinblick auf Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV abgeklärt werden sollte, wie schwer die Erkrankung ist und ob damit zu rechnen ist, dass sie wieder auftritt. Damit aber war der Untersuchungsauftrag klar umrissen und die derart konkretisierte Frage nicht „ins Blaue hinein“ gestellt. Für die Fragestellung bestand vor dem Hintergrund, dass die Depression des Antragstellers schon seit 2012, in der psychiatrischen Institutsambulanz seit 2015,

behandelt worden war, seine spezifischen depressiven Symptome ungeklärt waren und er ungeachtet einer symptomfreien Episode zweimal täglich Antidepressiva einnahm, ein hinreichender Anlass, weil die

gewählte Codierung nach ICD-10 F33.4 auch eine schwerwiegende depressive Grunderkrankung nach ICD-10 F33.2 und F33.3 einschließt und zu klären war, welchem Zweck die fortlaufende ärztliche Verordnung verschreibungspflichtiger Medikamente diente. Damit ist auch nachvollziehbar, dass und weshalb die Fahrerlaubnisbehörde gerade auf Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV verwiesen hat. Der Antragsgegner führt zu Recht an, dass sich der Antragsteller mit diesen vom Verwaltungsgericht

angeführten Gesichtspunkten nicht auseinandergesetzt hat, weshalb bereits zweifelhaft ist, ob seine Kritik im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausreichend dargelegt ist. Ein Verkehrsbezug der Umstände, die auf eine in Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV genannte Erkrankung hinweisen, ist entgegen der Auffassung des Antragstellers regelmäßig nicht erforderlich, da durch die Anordnung des ärztlichen Gutachtens gerade geklärt werden soll, ob eine psychische Erkrankung besteht, die Auswirkungen auf die Fahreignung hat (vgl.

BayVGH, B.v. 16.10.2018 - 11 ZB 18.1810 - juris Rn. 16). Ebenso wenig setzt die Anordnung des

Gutachtens voraus, dass der Betroffene im Straßenverkehr bereits auffällig geworden ist (vgl. BayVGH, B.v.

4.2.2014 - 11 CS 13.2598 - juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 12.11.2014 - 16 A 2711/13 - juris Rn. 15).

(8)

26

Schließlich ist - nachdem die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller mit Schreiben vom 8. November 2017 aufgefordert hatte, ein Attest seines behandelnden Arztes zu den bei ihm vorliegenden Erkrankungen und den von ihm eingenommenen Medikamenten vorzulegen, und der Antragsteller daraufhin das ärztliche Attest der PIA Sch. vom 29. November 2017 mit den geforderten Angaben vorgelegt hatte - auch nicht nachvollziehbar, welche weniger einschneidenden Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung die

Fahrerlaubnisbehörde vor einer Gutachtensanordnung nach § 11 Abs. 2 FeV noch hätte treffen sollen. Auch wenn sie verpflichtet ist, den Untersuchungsgegenstand so weit wie möglich zu konkretisieren, so ist es nicht ihre Aufgabe und auch nicht die des behandelnden Arztes (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV), sondern die des Fahreignungsgutachters, die Schwere einer Depression und insbesondere deren fahreignungsrelevante Auswirkungen zu beurteilen.

27

Für die vom Antragsteller favorisierte Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Nach der hier allein in Betracht kommenden Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV ist die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in Fällen des § 11 Abs. 2 FeV möglich, wenn dies nach Würdigung des ärztlichen Gutachtens zusätzlich erforderlich ist. Damit aber setzt der Gesetzgeber die vorherige Einholung eines ärztlichen Gutachtens voraus.

28

Der Antragsgegner geht auch zutreffend davon aus, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung seine Fahreignung nicht wiedererlangt hatte. Die sog. verfahrensrechtliche Einjahresfrist beginnt grundsätzlich mit dem Tag, den der Betroffene als den Beginn der Alkohol- oder Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.1019 - 11 ZB 18.2577 - juris Rn. 21; B.v. 5.12.2018 - 11 CS 18.2351 - juris Rn. 12; B.v. 29.11.2018 - 11 CS 18.2228 - juris Rn. 15 jeweils m.w.N.). Nach den bekannt gewordenen Alkoholisierungen im Herbst 2017 hat der Antragsteller erstmals in seiner Widerspruchsbegründung vom 27. Dezember 2017 nicht näher bestimmt behauptet, „derzeit“ völlig abstinent zu leben. Hiermit hat er jedoch gerade nicht geltend gemacht, seit dem letzten Vorfall vom 4.

November 2017 Abstinenz einzuhalten, zumal er sich zum Grund für seinen Aufenthalt im

Bezirkskrankenhaus Anfang Dezember 2017 nicht eingelassen hat. Ein Beginn der Einjahresfrist zeitlich vor dem Widerspruchsvortrag kann daher nicht angenommen werden. Bis zur Entscheidung über den

Widerspruch am 4. Dezember 2018 war damit noch kein Jahr vergangen. Erlangt der Betroffene seine Fahreignung erst nach Erlass des Entziehungsbescheides wieder, sieht das Gesetz eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis vor (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2005 - 11 CS 04.2526 - juris Rn. 18 ff.). Da der Antragsteller die Fahreignung offensichtlich noch nicht wiedererlangt hatte, waren diesbezüglich auch keine

Aufklärungsmaßnahmen veranlasst (vgl. BayVGH, B.v. 13.9.2016 - 11 ZB 16.1565 - juris Rn. 11). Ebenso wenig war die Widerspruchsbehörde verpflichtet, mit der Sachentscheidung zuzuwarten, um dem

Antragsteller noch die Gelegenheit zu geben, den Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung zu führen (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2019 a.a.O. m.w.N.). Im Übrigen hätte es nicht genügt, noch wenige Tage bzw. Wochen zuzuwarten, denn der Antragsteller hatte bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids noch keinerlei Nachweis für seine Abstinenzbehauptung vorgelegt. Sonstige Anhaltspunkte, die seine

Behauptung hätten glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen, gab es auch nicht. Nach Nr. 3.13.1 der Begutachtungsleitlinien ist aber in Fällen des Alkoholmissbrauchs, in denen Abstinenz einzuhalten ist, nachzuweisen, dass die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol stabil und emotional gefestigt ist, was unter anderem voraussetzt, dass in Regel eine Abstinenz von einem Jahr belegt wird und keine

körperlichen Befunde erhoben werden können, die zu einem völligen Alkoholverzicht im Widerspruch stehen (S. 75). Waren die Voraussetzung zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Abhängigkeit nicht gegeben, so kann nach Nr. 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien die Fahreignung nur dann wieder als

gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt wird, dass dauerhafte Abstinenz besteht (S. 76). Dazu gehört in der Regel der durch regelmäßige ärztliche Untersuchungen einschließlich Labordiagnostik geführte Nachweis einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung sowie eine einjährige Abstinenz (vgl. Nr. 8.4 der Anlage 4 und BayVGH, B.v. 5.12.2018 a.a.O.; B.v. 29.11.2018 a.a.O., zum Erfordernis eines Nachweises). Demgemäß hätte die Vorlage entsprechender Abstinenznachweise auch nicht ausgereicht, um die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis zu substantiieren.

29

(9)

Da somit gemäß § 11 Abs. 8 FeV der Schluss auf die fehlende Fahreignung des Antragstellers gerechtfertigt ist, kann angesichts der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen seine vorläufige Teilnahme am

Straßenverkehr auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit oder im Hinblick auf eine lange Verfahrensdauer verantwortet werden. Im Übrigen hätte es der Antragsteller in der Hand gehabt, das Verfahren erheblich zu verkürzen, wenn er der Gutachtensanordnung umgehend Folge geleistet und das Gutachten vorgelegt hätte. Nachdem ein Verkehrsbezug der Umstände, die auf eine in Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV genannte Erkrankung hinweisen, regelmäßig nicht erforderlich ist und bei Alkoholabhängigkeit gemäß Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV unabhängig von einer Teilnahme am Straßenverkehr unter

Alkoholeinfluss keine Fahreignung besteht (vgl. BVerwG, B.v. 21.10.2015 - 3 B 31.15 - DAR 2016, 216 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 11.9.2018 - 11 CS 18.1708 - juris Rn. 11 m.w.N.), kann es auch keine Rolle spielen, dass der Antragsteller diesbezüglich noch nie bzw. schon länger nicht mehr im Straßenverkehr aufgefallen ist.

30

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei der Zusammenrechnung der sich aus den Empfehlungen der Nr. 46 des Streitwertkatalogs 2013 ergebenden Einzelstreitwerte werden solche Fahrerlaubnisklassen, die nach § 6 Abs. 3 FeV von einer anderen Fahrerlaubnisklasse umfasst sind, bei der Streitwertfestsetzung nicht gesondert berücksichtigt. Dem Antragsteller, der seit dem 12. Februar 2003 Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L war, ist nach Entzug am 20. März 2017 ohne den Erwerb zusätzlicher Fahrberechtigungen eine Fahrerlaubnis der Klassen A und A1, jeweils mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04, AM, B und L erteilt worden, weil diese nach Anlage 3 zur FeV Abschnitt A II Nr. 4, 14 und 15 den ursprünglichen Fahrerlaubnisklassen

entsprechen. Für die Streitwertbestimmung ist nur die Klasse B relevant, da sie nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV auch zum Führen von Fahrzeugen der Klassen AM und L berechtigt und die durch die Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 auf bestimmte dreirädrige Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen nebst Anhänger und damit ungefähr auf den Umfang der früheren, für den Streitwert grundsätzlich unbedeutenden Klasse S beschränkten Klassen A und A1 nicht streitwerterhöhend wirken (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2014 - 11 CS 14.2342 - juris Rn. 22).

31

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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