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BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES 11. April 1989 *

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Für eine Pfändung der Beträge, die die.Ge- meinschaften einem Mitgliedstaat als dem Eigentümer der von ihnen genutzten Ge- bäude als privatrechtlich vereinbarten Miet- zins zu zahlen haben, kann die Ermächti- gung erteilt werden, da sie im Unterschied

zu den Zwangsmaßnahmen, die die Finan- zierung der gemeinsamen Politiken oder die ' Durchführung von Aktionsprogrammen der Gemeinschaften betreffen, nicht geeignet ist, das Funktionieren der Gemeinschaften zu behindern.

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES

11. April 1989 *

In der Rechtssache 1/88 SA

betreffend einen Antrag auf Erteilung der Ermächtigung zur Pfändung bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, der Kammerpräsidenten T. Koopmans und R. Joliét, der Richter Sir Gordon Slynn, G. F. Mancini, C. N. Kakouris, F. A. Schockweiler, G. C. Rodríguez Iglesias und M. Diez de Velasco,

Generalanwalt: C. O. Lenz Kanzler: J.-G. Giraud

* Verfahrenssprache: Französisch.

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folgenden

Beschluß

1 Die SA Générale de Banque, Gesellschaft belgischen Rechts mit Verwaltungssitz in Brüssel, hat mit Antragsschrift, die am 2. Juni 1988 bei der Kanzlei des Gerichts- hofes eingegangen ist, beantragt,

— festzustellen, daß Artikel 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (Protokoll) die Durchführung der von der Antragstellerin im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommenen Pfändung nicht betrifft und daß dieses Pfändungsverfahren somit weiter durchgeführt werden kann;

— hilfsweise, die Ermächtigung zur normalen Durchführung des Pfändungsver- fahrens im Wege der Zwangsvollstreckung und zur Zahlung der von den Ge- meinschaften dem belgischen Staat geschuldeten Beträge zu erteilen.

Prozeßbevollmächtigter der Antragstellerin ist Rechtsanwalt J. M. Raxhon, Ver- viers; Zustellungsbevollmächtigter ist Rechtsanwalt C. Turk, 4, rue Nicolas Wel- ter, Luxemburg.

2 Gemäß Artikel 1 des Protokolls dürfen die „Vermögensgegenstände und Gutha- ben der Gemeinschaften ... ohne Ermächtigung des Gerichtshofes nicht Gegen- stand von Zwangsmaßnahmen der Verwaltungsbehörden oder Gerichte sein".

Zweck dieser Bestimmung ist es, zu verhindern, daß das Funktionieren und die Unabhängigkeit der Gemeinschaften behindert werden.

3 Die Antragstellerin erwirkte beim Tribunal de première instance Brüssel ein Ver- säumnisurteil, in dem der belgische Staat verurteilt wurde, einen Betrag von 123 781 944 BFR zuzüglich Zinsen und Kosten zu zahlen. Dieses Urteil und eine Zahlungsaufforderung wurden dem belgischen Staat zugestellt; danach nahm sie am 13. Januar 1988 bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Pfändung vor. Gemäß dem zugrundeliegenden Pfändungsbeschluß bezieht sich dieser auf alle Beträge, Gelder, Wertpapiere oder Gegenstände, die die Europäi- schen Gemeinschaften dem belgischen Staat, aus welchem Rechtsgrund auch im- mer, schulden oder schulden werden.

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4 Mit Schreiben vom 5. April 1988 teilte die Kommission mit, daß sie die Pfändung ohne Ermächtigung des Gerichtshofes nicht zulassen könne und daß sie demge- mäß die von der Antragstellerin vorgenommene Pfändung nicht berücksichtigen werde; aufgrund dieses Schreibens hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag gestellt.

5 In ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen macht die Kommission insbe- s o n d e r e geltend, daß der Pfändungsbeschluß alle Beträge betreffe, die die Gemein- schaften dem belgischen Staat schuldeten, und somit geeignet sei, deren ordnungs- gemäßes Funktionieren zu behindern. Die Gemeinschaften schuldeten dem belgi- schen Staat nämlich erhebliche Beträge, insbesondere aufgrund der Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Aufgaben des Europäischen Sozialfonds, der Beteiligungen des Europäischen Regionalfonds und des gemeinschaftlichen Rah- menprogramms im Bereich der Forschung und der technischen Entwicklung.

6 Bei der Anhörung der Parteien durch die mit den Ermittlungen beauftragte Kam- mer des Gerichtshofes am 18. Oktober 1988 hat die Antragstellerin erklärt, sie beschränke von jetzt an den Gegenstand der streitigen Pfändung ausdrücklich und unwiderruflich allein auf die Beträge, die die Europäischen Gemeinschaften dem belgischen Staat als Mieten schulde. Sie hat der Kommission diese Beschränkung nach der Anhörung förmlich mitgeteilt und ihren Prozeßantrag dahin gehend ge- ändert, entweder festzustellen, daß keine Ermächtigung erforderlich sei, oder die Ermächtigung allein für die als Mieten geschuldeten Beträge zu erteilen. Die Kom- mission hat dem Gerichtshof jedoch mitgeteilt, sie erhalte ihre Einwände aufrecht.

7 Wegen weiterer Einzelheiten der Vorgeschichte des Rechtsstreits und des Partei- vorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im fol- genden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Zunächst ist auf den Hauptantrag der Antragstellerin einzugehen, wonach die Er- mächtigung des Gerichtshofes in einem Fall wie dem vorliegenden deshalb nicht erforderlich sei, weil die Pfändung ihrer Art nach die Tätigkeit der Gemeinschaf- ten in keiner Weise behindern könne. Da die Pfändung nur Beträge betreffe, die die Gemeinschaften dem belgischen Staat in jedem Falle zahlen müßten und die

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also schon zum Vermögen dieses Staates gehörten, könne sie die Tätigkeit der Gemeinschaften nicht beeinträchtigen.

9 Dem kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn die Pfändung nach dem anwendba- ren nationalen Recht als die Pfändung eines Gegenstands anzusehen wäre, der zum Vermögen des Schuldners gehörte, so ist sie doch geeignet, eine Zwangsmaß- nahme im Sinne des Artikels 1 des Protokolls darzustellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kann nämlich jede Pfändungsmaßnahme bei den Gemeinschaften unter bestimmten Umständen das Funktionieren und die Un- abhängigkeit der Gemeinschaften behindern.

10 Der Hauptantrag der Antragstellerin ist demgemäß abzuweisen.

11 Somit ist auf den Hilfsantrag einzugehen, der in der von der Antragstellerin nach der mündlichen Verhandlung geänderten Form auf die Erteilung der Ermächti- gung des Gerichtshofes zur Durchführung der Pfändung der Beträge gerichtet ist, die die Gemeinschaften dem belgischen Staat als Mietzins schulden.

1 2 Die Kommission vertritt hierzu die Auffassung, diese Ermächtigung dürfe auch nicht auf die als Mietzins geschuldeten Beträge beschränkt erteilt werden, da sie das Funktionieren der Gemeinschaften stören könne.

1 3 Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar kann das Funktionieren der Gemeinschaf- ten durch Zwangsmaßnahmen behindert werden, die die Finanzierung der gemein- samen Politiken oder die Durchführung von Aktionsprogrammen der Gemein- schaften betreffen. Eine solche Behinderung ist jedoch dann nicht zu erwarten, wenn die Pfändung die Beträge betrifft, die die Gemeinschaften dem belgischen Staat als dem Eigentümer der Gebäude als privatrechtlich vereinbarten Mietzins zu zahlen haben.

1 4 Hilfsweise macht die Kommission geltend, die Beschränkung der Pfändung auf die von den Gemeinschaften dem belgischen Staat als Mieten geschuldeten Beträge

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bleibe Dritten unbekannt. Solange der Pfändungsbeschluß bei der Kanzlei des Tri- bunal de première instance Brüssel aufbewahrt werde, bleibe das Risiko bestehen, daß die Kommission gegenüber anderen Schuldnern des belgischen Staates die Verwendung all jener Beträge rechtfertigen müsse, die Gegenstand des der Pfän- dung vom 13. Januar 1988 zugrundeliegenden Beschlusses seien.

15 Diese Einwände sind kein ausreichender Grund, um der Antragstellerin die bean- tragte Ermächtigung zu verweigern. Wie der Gerichtshof in seinem Beschluß vom 17. Juni 1987 in der Rechtssache 1/87 SA (Universe Tankship/Kommission, Slg.

1987, 2807) festgestellt hat, beschränkt sich die Zuständigkeit des Gerichtshofes im Fall von Pfändungen auf die Prüfung der Frage, ob diese Maßnahme im Hinblick auf die Wirkungen, die sie nach dem anwendbaren nationalen Recht entfaltet, ge- eignet ist, das ordnungsgemäße Funktionieren und die Unabhängigkeit der Euro- päischen Gemeinschaften zu behindern. Wenn die Kommission oder Drittgläubiger indessen zu der Annahme kommen sollten, ihre finanziellen Interessen könnten durch eine Pfändung oder durch deren teilweise Aufhebung verletzt werden, so können sie die Rechtsbehelfe einlegen, die ihnen das anwendbare nationale Recht zur Verfügung stellt.

16 Somit ist der Antragstellerin die Ermächtigung zu erteilen, bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften den Betrag pfänden zu lassen, den ihr der belgische Staat gemäß dem der Kommission zugestellten Urteil des Tribunal de première instance Brüssel schuldet, soweit diese Pfändung sich auf die Beträge beschränkt, die die Europäischen Gemeinschaften dem belgischen Staat als Mietzins schulden.

17 Im übrigen ist der Antrag abzuweisen.

Kosten

18 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tra- gung der Kosten zu verurteilen. Im vorliegenden Fall ist jede der Parteien teilweise mit ihrem Vorbringen unterlegen. Unter diesen Umständen ist jede der Parteien zur Tragung der eigenen Kosten zu verurteilen.

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Aus diesen Gründen hat

DER GERICHTSHOF beschlossen:

1) Die Antragstellerin ist ermächtigt, bei der Kommission der Europäischen Ge- meinschaften den Betrag pfänden zu lassen, den ihr der belgische Staat gemäß dem der Kommission zugestellten Urteil des Tribunal de première instance Brüs- sel schuldet, soweit diese Pfändung sich auf die Beträge beschränkt, die die Europäischen Gemeinschaften dem belgischen Staat als Mietzins schulden.

2) Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.

3) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 11. April 1989.

Der Kanzler

J.-G. Giraud

Der Präsident O. Due

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