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URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer) 24. Februar 1987 *

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URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer) 24. Februar 1987 *

In der Rechtssache 304/85

Acciaierie e Fernere Lombarde Falck, Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Mailand, Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Waelbroeck und A. Vanden- casteele, Brüssel, sowie Rechtsanwalt G. Guarino, Rom, Zustellungsbevollmächtig- ter: Rechtsanwalt E. Arendt, 34 B, rue Philippe-II, Luxemburg,

Klägerin, gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Durand von ihrem Juristischen Dienst als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter:

G. Kremlis, Jean-Monnet-Gebäude, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 1. August 1985, mit der diese die italienische Regierung ermächtigte, der italienischen Stahlindustrie zu- sätzliche Beihilfen zu gewähren,

erläßt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Kakouris, der Richter T. Koop- mans, O. Due, K. Bahlmann und G. C. Rodríguez Iglesias,

Generalanwalt: Sir Gordon Slynn

Kanzler: D. Louterman, Verwaltungsrätin

* Verfahrenssprache: Französisch.

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aufgrund des Sitzungsberichts und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Okto- ber 1986,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. N o - vember 1986,

folgendes

Urteil

1 Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Mailand, hat mit Klageschrift, die am 11. Oktober 1985 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 33 Absatz 2 EGKS-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der an die italie- nische Regierung gerichteten Einzelfallentscheidung der Kommission vom 1. Au- gust 1985 zur Genehmigung zusätzlicher Beihilfen für die Stahlindustrie.

2 Die streitige Entscheidung ist in Form eines Schreibens ergangen, das die Kommis- sion am 1. August 1985 an die italienische Regierung richtete. Mit diesem Schrei- ben reagierte die Kommission auf ein Schreiben, mit dem die italienische Regie- rung sie am 28. Mai 1985 über ihre Absicht unterrichtet hatte, der italienischen Stahlindustrie aufgrund der allgemeinen Entscheidung Nr. 1018/85 der Kommis- sion vom 19. April 1985 zur Änderung der Entscheidung Nr. 2320/81/EGKS zur Einführung gemeinschaftlicher Regeln für Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 110, S. 5) Beihilfen zu gewähren.

A — Vorgeschichte des Rechtsstreits

3 Mit der allgemeinen Entscheidung Nr. 2320/81, dem sogenannten Zweiten Beihil- fenkodex, wurde eine Regelung über die Gewährung von Beihilfen zur Umstruk- turierung der gemeinschaftlichen Stahlindustrie getroffen. In diesem Rahmen wur- den in den Artikeln 2 und 8 dieser Entscheidung Fristen für die Notifizierung, die Genehmigung und die Auszahlung der Beihilfen festgelegt. Diese Vorschriften se- hen vorbehaltlich der Regelung für bestimmte Arten von Beihilfen, wie Notbeihil- fen und Betriebsbeihilfen, vor, daß der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfevorha- ben spätestens am 30. September 1982 der Kommission zu notifizieren hat und daß die Beihilfen als mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Gemeinsamen

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Marktes vereinbar angesehen werden, wenn sie spätestens am 1. Juli 1983 geneh- migt werden und keine Beihilfezahlungen nach dem 31. Dezember 1985 erfolgen.

4 Mit der allgemeinen Entscheidung Nr. 1018/85 wurden die Frist für die Notifizie- rung von Beihilfevorhaben bis zum 31. Mai 1985 und die Frist für die Genehmi- gung von Beihilfen bis zum 1. August 1985 verlängert. Nach den Begründungser- wägungen der Entscheidung war dies unerläßlich, damit zusätzliche Beihilfen ge- nehmigt werden könnten, deren Erforderlichkeit im wesentlichen durch die allge- meine schlechte Wirtschaftslage, in der sich die Gemeinschaft von 1982 bis 1984 befunden habe, sowie durch den Verfall des Stahlmarkts und die sich daraus erge- bende Verschlechterung der finanziellen Ergebnisse der Unternehmen bedingt sei.

5 Mit Schreiben vom 28. Mai 1985 teilte die italienische Regierung der Kommission mit, daß sie in einer bestimmten Höhe zusätzliche Beihilfen im Sinne der allgemei- nen Entscheidung Nr. 1018/85 gewähren wolle, die „zur Unterstützung der Um- strukturierungsbemühungen der italienischen Stahlindustrie" erforderlich seien,

„um deren Rentabilität ohne Beihilfen vom Ende des Jahres 1985 an zu sichern und zur Verbesserung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage in der Gemeinschaft beizutragen". Neben Schließungsbeihilfen in Höhe von 150 Milliar- den LIT für den Privatsektor sowie Beihilfen für die Firma Finsider in Höhe von 2 985 Milliarden LIT sah dieser Antrag eine finanzielle Förderung in Höhe von 550 Milliarden LIT für Pläne über eine Synergie zwischen verschiedenen italieni- schen Herstellern, darunter Finsider und die Klägerin, vor, die zu einem weiteren Abbau von Produktionskapazitäten führen sollten.

6 Aus den Akten geht hervor, daß die Initiative für eine Zusammenarbeit zwischen der Firma Finsider und der Klägerin vom italienischen Industrieministerium aus- ging. Die Klägerin hatte bei diesem Ministerium einen Antrag auf Gewährung von Subventionen in Höhe von 300 Milliarden LIT gestellt und sich bei der Kommis- sion über die Diskriminierung des Privatsektors gegenüber dem öffentlichen Sektor in Italien beschwert. Daraufhin wurde ihr Anfang 1985 ein Plan für eine Synergie mit der Firma Finsider unterbreitet.

7 Dieser Plan sah eine Übertragung von Produktionsquoten im Verhältnis zwischen der Firma Finsider und der Klägerin sowie die Schließung bestimmter Anlagen vor.

Er sollte es der Firma Finsider ermöglichen, in ihrem Warmbreitbandwerk in Ba- gnoli die gesamte bisher von der Klägerin auf ihrer Breitband- und Bandwalz- straße in Sesto San Giovanni durchgeführte Erzeugung vorzunehmen. Diese Walz-

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Straße sollte daher geschlossen werden, während die neue Anlage in Bagnoli voll ausgelastet werden sollte. Im Gegenzug sollte die Klägerin an der Herstellung von Grobblech in Campi, wo die Firma Finsider eine Walzstraße hat, beteiligt werden.

8 Am 30. Mai 1985, also zwei Tage, nachdem die italienische Regierung die Vorha- ben der Gewährung zusätzlicher Beihilfen notifiziert hatte, legte die Klägerin der Kommission ihre Ansicht dar, daß diese für die Beurteilung der Vereinbarkeit der geplanten Beihilfen mit dem EGKS-Vertrag zuständig sei. Daher müsse die Kom- mission nicht nur die Lage der Unternehmen, die Beihilfen erhalten sollten, son- dern auch diejenige der nichtsubventionierten Unternehmen prüfen. Da die Ge- währung von zusätzlichen Beihilfen an die Firma Finsider ohne Beihilfegewährung an die Klägerin wahrscheinlich zur Ausschaltung des einzigen italienischen Kon- kurrenten der Firma Finsider führen würde, würde die Kommission gegen ihre Verpflichtungen aus dem EGKS-Vertrag verstoßen, wenn sie zusätzliche Beihilfen allein für die Firma Finsider genehmigen würde.

9 Nach Ablauf der in der allgemeinen Entscheidung Nr. 1018/85 festgesetzten Frist für die Notifizierung von Vorhaben der Gewährung zusätzlicher Beihilfen er- suchte die Kommission die italienische Regierung mehrmals um ergänzende Anga- ben zu den notifizierten Beihilfen. Mit Fernschreiben vom 22. Juli 1985 teilte ihr die italienische Regierung mit, der Synergieplan sehe eine Konzentration der Pro- duktion der Firma Finsider und der Klägerin vor. Die Kommission wurde ersucht, ihrem spätestens am 1. August 1985 zu erlassenden Genehmigungsbescheid alter- nativ das Zustandekommen und das Scheitern einer Synergie zugrunde zu legen.

Wegen der noch bestehenden Ungewißheit über das tatsächliche Zustandekommen einer Synergie ersuchte sie jedoch die Kommission, einen Teil des notifizierten Betrags bis zur maximalen Höhe des für den Fall einer Synergie vorgesehenen Betrags von 550 Milliarden LIT für Maßnahmen zur finanziellen Umstrukturie- rung im Privatsektor zu reservieren.

10 Bei einer Unterredung zwischen dem italienischen Industrieminister und dem für die Wettbewerbspolitik und für staatliche Beihilfen zuständigen Mitglied der Kom- mission am 24. Juli 1985 erklärte letzteres, daß die Kommission den Antrag auf Genehmigung von Beihilfen zur finanziellen Umstrukturierung nicht prüfen könne, da er erst nach Ablauf der am 31. Mai 1985 endenden Frist gestellt worden sei. In der streitigen Entscheidung, die am letztmöglichen Tag, also am 1. August 1985, erlassen wurde, erhielt die Kommission diesen Standpunkt aufrecht.

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1 1 Hinsichtlich des Plans einer Synergie zwischen der Firma Finsider und der Kläge- rin geht die streitige Entscheidung von der Alternative aus, die die italienische Re- gierung aufgezeigt hatte. Dabei erkennt sie die Notwendigkeit an, den Beteiligten die erforderliche Zeit für die abschließende Ausarbeitung ihres Plans einzuräumen.

In der Entscheidung heißt es, für den Fall des Zustandekommens einer Synergie sei die Kommission aufgrund der Annahme, daß diese eine den Privatsektor wie den öffentlichen Sektor einschließende Umstrukturierungsmaßnahme darstelle, zu einer globalen Beurteilung des Gesamtbetrags der notifizierten Beihilfen für die italienische Stahlindustrie einerseits und des Gesamtbetrags des als Gegenleistung hierfür in Betracht kommenden Kapazitätsabbaus andererseits bereit. Für den Fall, daß keine Synergie zustande kommen sollte, genehmigte die Kommission Beihilfen in Höhe von 3 141,9 Milliarden LIT für die Firma Finsider unter der Vorausset- zung, daß diese durch Schließung ihrer Anlagen für Formstahl und für Band in Bagnoli ihre Produktionskapazität um 800 000 Tonnen verringert. Ferner geneh- migte die Kommission für diesen Fall Beihilfen in Höhe von 50 Milliarden LIT für Schließungen im Privatsektor, fügte aber hinzu, daß dieser Betrag um 275 Milliar- den LIT, d. h. die Hälfte des grundsätzlich für den Kapazitätsabbau im Rahmen einer Synergie zwischen der Klägerin und der Firma Finsider vorgesehenen Beihil- febetrags, erhöht werden könne.

12 Die Klägerin führt in der Klageschrift aus, der Plan für eine Synergie habe keine echte Gegenleistung zu ihren Gunsten für die darin vorgesehene Stillegung ihrer Bandwalzstraße in Sesto San Giovanni vorgesehen. Sie habe alternative Vorschläge gemacht, die aber von der Firma Finsider abgelehnt worden seien. Schon im Som- mer 1985 habe festgestanden, daß es nicht zu einer Synergie kommen würde.

1 3 Die italienische Regierung führte schließlich die Entscheidung vom 1. August 1985 auf der Grundlage des zweiten darin in Betracht gezogenen Falles durch, daß keine Synergie zustande kommt.

Β — Nichteinhaltung der Fristen

1 4 Mit dem ersten Klagegrund rügt die Klägerin, daß mit der streitigen Entscheidung die Genehmigung der Beihilfen zur finanziellen Umstrukturierung von Privatun- ternehmen mit der Begründung versagt worden sei, das entsprechende Beihilfevor- haben sei erst nach Ablauf der in der allgemeinen Entscheidung Nr. 1018/85 vor- gesehenen Frist notifiziert worden. Die Kommission habe sich zwar geweigert, das Bedürfnis für eine finanzielle Umstrukturierung der Privatunternehmen zu berück- sichtigen, gleichzeitig aber anderen von der italienischen Regierung mitgeteilten

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Erwägungen Rechnung getragen, die sich insbesondere auf das Zustandekommen einer Synergie und auf die Gewährung einer Beihilfe für den Privatsektor in dem Fall, daß es nicht zu einer Synergie kommen sollte, bezogen hätten. Damit habe die Kommission bei der Durchführung von Artikel 8 Absatz 1 der allgemeinen Entscheidung Nr. 2320/81 in der durch die allgemeine Entscheidung Nr. 1018/85 geänderten Fassung die betroffenen Unternehmen in diskriminierender Weise un- gleich behandelt.

15 Die Kommission räumt ein, daß die Notifizierung der Beihilfevorhaben durch die italienische Regierung vom 28. Mai 1985 nicht alle Angaben über den Umfang dieser Vorhaben enthalten habe. Aus ihr sei jedoch ersichtlich gewesen, daß die italienische Regierung — seinerzeit auf 550 Milliarden LIT veranschlagte — Bei- hilfen für Vorhaben des Kapazitätsabbaus unter Einbeziehung verschiedener italie- nischer Hersteller habe gewähren wollen. Als keine Synergie zustande gekommen sei, habe sie sich auf die Angaben der italienischen Regierung im Fernschreiben vom 22. Juli 1985 gestützt, wonach in diesem Fall der Betrag von 550 Milliarden LIT jeweils zur Hälfte für Schließungen im Privatsektor und für Maßnahmen zur finanziellen Umstrukturierung gewährt werden könne. Sie habe sich bei der Ge- nehmigung dieser Beihilfen aber an die mit der Notifizierung vom 28. Mai 1985 gezogenen Grenzen halten müssen. Diese Notifizierung habe sich nicht auf bloße Maßnahmen zur finanziellen Umstrukturierung im Privatsektor bezogen.

16 Wie bereits in dem Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 214/83 (Deutschland/Kommission, Slg. 1985, 3053) ist darauf hinzuweisen, daß es sich bei den Beihilfevorhaben, die der Kommission bis zum Ablauf der in der allgemei- nen Entscheidung Nr. 2320/81 festgesetzten Frist zu melden waren, um die Pro- gramme handelt, in denen im Rahmen eines Umstrukturierungsplans die Art, die Zielsetzung und die geplante Verwendung der Beihilfe festgelegt sind, ohne daß dabei der zu genehmigende Betrag schon genau angegeben zu werden braucht.

Die Kommission kann allerdings, wie sich aus dem genannten Urteil ergibt, nach Ablauf der Notifizierungsfrist gemachte Angaben nicht berücksichtigen, die die Natur der geplanten Beihilfe verändern würden, so daß das tatsächlich durchge- führte Vorhaben mit dem notifizierten nicht mehr übereinstimmen würde.

17 Im vorliegenden Fall zeigt eine Prüfung des Schreibens vom 28. Mai 1985 zur Notifizierung der von der italienischen Regierung geplanten Beihilfen, daß diese ausschließlich im Zusammenhang mit einem Kapazitätsabbau und der Stillegung von Anlagen gewährt werden sollten. In der Einleitung dieses Schreibens wird nämlich dargelegt, daß die italienische Regierung der Kommission ein „zusätzli-

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ches Finanzierungspaket, dessen es zur Unterstützung der Umstrukturierungsbe- mühungen der italienischen Stahlindustrie bedarf", vorschlage und daß dieses Paket den Unternehmen des Privatsektors und des öffentlichen Sektors „die Fort- setzung der Sanierung ihrer Produktionsstrukturen" im nächstfolgenden Zeitraum ermöglichen solle.

18 Daher korinte die Kommission, als es nicht zu einer Synergie kam, den zusätzli- chen Angaben der italienischen Regierung in dem Sinne Rechnung tragen, daß sie sich bereit erklärte, Beihilfen für Umstrukturierungspläne des Privatsektors, die mit einem Abbau von Produktionskapazitäten verbunden sind, in Höhe der Hälfte des ursprünglich für Schließungen im Rahmen der Synergie vorgesehenen Betrags von 550 Milliarden LIT zu genehmigen. Dagegen konnte sie eine Förderung von Maß- nahmen zur finanziellen Umstrukturierung in Höhe von 275 Milliarden LIT, der anderen Hälfte des erwähnten Betrags, nicht genehmigen, weil es sich dabei um Beihilfen von anderer Art als die am 28. Mal 1985 notifizierten Maßnahmen han- delte.

19 Somit ermöglichte es die Notifizierung durch die in ihr enthaltene Angabe, daß die Gewährung von Beihilfen in Höhe von 550 Milliarden LIT für den mit der Schlie- ßung von Anlagen im Rahmen der Synergie verbundenen Kapazitätsabbau geplant sei, der Kommission, aufgrund zusätzlicher Angaben für den Fall, daß keine Syn- ergie zustande kommen sollte, die Gewährung von Beihilfen für einen Kapazitäts- abbau auf anderer Grundlage zu genehmigen. Dagegen ermöglichte sie ihr nicht die Genehmigung von Beihilfen zu anderen Zwecken wie z. B. der finanziellen Umstrukturierung.

20 Daher ist der erste Klagegrund, der sich auf eine andere Auslegung des Schreibens vom 28. Mai 1985 stützt, zurückzuweisen.

C — Gleichheitsgrundsatz

21 Unter Hinweis darauf, daß Artikel 4 Buchstabe b EGKS-Vertrag die Gleichbe- handlung aller Unternehmen der Stahlindustrie der Gemeinschaft vorschreibe, trägt die Klägerin vor, sie stehe im Flachzeugbereich als einziges italienisches Un- ternehmen unmittelbar mit der Firma Finsider in Wettbewerb. Angesichts dessen sei die Kommission nicht befugt, die Gewährung beträchtlicher zusätzlicher Beihil- fen an die Firma Finsider zu genehmigen, ohne daß auch die Klägerin bestimmte Beihilfen erhalte.

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22 Zur Untermauerung dieses Klagegrundes führt die Klägerin ferner aus, die von ihr gerügte Ungleichbehandlung wiege um so schwerer, als die Firma Finsider in der Vergangenheit hohe Beihilfen erhalten habe, die ihr die Deckung ihrer Verluste ermöglicht hätten, ohne sie zum Abbau ihrer Produktionskapazitäten zu zwingen, während die Unternehmen des Privatsektors, wie die Klägerin, ihren Fortbestand durch eine einschneidende Umstrukturierung ihres Produktionsapparats hätten si- chern müssen, ohne in den Genuß vergleichbarer Beihilfen zu kommen. Unter die- sen Umständen bewirke die Ungleichbehandlung eine Verfälschung des Wettbe- werbs.

23 Die Kommission entgegnet, sie habe in der Vergangenheit auch beträchtliche Bei- hilfen für die Klägerin genehmigt. Außerdem befänden sich die Firma Finsider und die Klägerin in bezug auf die Durchführung der streitigen Entscheidung in dem Fall, daß keine Synergie zustande kommt, nicht in einer vergleichbaren Lage, da erstere im Gegenzug zur Beihilfegewährung ihre Kapazität um 800 000 Tonnen abbauen müsse, während die Klägerin nicht an weiteren Umstrukturierungsbemü- hungen beteiligt sei.

24 Was die Rüge der Verfälschung des Wettbewerbs angeht, so räumt die Kommis- sion ein, daß jede Beihilfegewährung an ein Unternehmen diesem einen Vorteil gegenüber den anderen Unternehmen bringe und daher naturgemäß den Wettbe- werb beeinträchtige. Sie weist jedoch darauf hin, daß Beihilfen nach Artikel 2 des Zweiten Beihilfenkodex nur genehmigt werden dürften, wenn sie nicht „in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise" zu Wettbewerbsverzerrun- gen führten. Um die Erfüllung dieser Voraussetzung sicherzustellen, habe sie zu- nächst geprüft, ob die Beihilfe für die Firma Finsider für die Wiederherstellung .der Lebensfähigkeit dieses Unternehmens unbedingt erforderlich sei. Sodann habe sie einen wesentlichen Beitrag zum Kapazitätsabbau in diesem Sektor verlangt.

Schließlich habe sie die Verwendung der Beihilfen insbesondere daraufhin gründ- lich geprüft, ob die Beihilfegewährung zu Unterbewertungen auf dem Gebiet der Preise führe.

25 Diese Ausführungen der Parteien geben Anlaß zu folgenden Bemerkungen: Wenn die Synergie zustande gekommen wäre, hätte die Klägerin sich an beträchtlichen Umstrukturierungsbemühungen im Bereich der Flachzeugherstellung in Italien be- teiligt und zugleich zusätzliche Beihilfen erhalten, die ihr die Schließung bestimm- ter Anlagen ermöglicht hätten. Da keine Synergie zustande gekommen ist, erhält die Klägerin keine zusätzlichen Beihilfen, ist aber auch nicht verpflichtet, ihre Pro- duktionskapazitäten weiter zu verringern. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die

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Politik der Umstrukturierung des Stahlsektors im Rahmen des Zweiten Beihilfen- kodex in der Weise ausgestaltet ist, daß es grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten ist, die konkreten Umstrukturierungspläne aufzustellen, während die Kommission zu beurteilen hat, welche Bedeutung der Durchführung dieser Pläne als Gegenlei- stung für die Beihilfen zukommt, deren Gewährung sie zu genehmigen oder für die sie abweichende Auszahlungsbedingungen festzusetzen hat.

26 U n t e r diesem Blickwinkel sind die R ü g e n der Klägerin zu prüfen. Sie laufen auf den V o r w u r f hinaus, die Kommission habe die Klägerin nicht in die Beihilfege- w ä h r u n g und in die B e m ü h u n g e n u m einen Kapazitätsabbau einbezogen, als keine Synergie zustande g e k o m m e n sei. Diese Rügen richten sich indessen nicht in erster Linie an die Kommission, da die fristgerechte Notifizierung eines Beihilfevorha- bens, das sich in dem Fall, d a ß es nicht zu einer Synergie k o m m t , auf die Klägerin erstreckt, ausschließlich der italienischen Regierung oblag.

27 Z w a r darf die Kommission, w e n n auch jede M a ß n a h m e auf dem Gebiet der Bei- hilfegewährung ein Unternehmen gegenüber einem anderen begünstigen kann, Beihilfen nicht genehmigen, deren Gewährung eine offensichtlich diskriminierende Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor bewirken könnte. In einem solchen Fall würde die Beihilfegewährung nämlich in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden "Weise zu Wettbewerbsverzerrungen füh- ren.

28 Jedoch läßt sich nach Prüfung der Akten und insbesondere des Schriftverkehrs zwischen der Klägerin, dem italienischen Industrieministerium und der Kommis- sion seit Ende 1984 nicht feststellen, daß hier ein solcher Fall einer offensichtlich diskriminierenden Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor vorläge.

29 Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

D — Umstrukturierungsprogramm

30 Mit dem dritten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die streitige Entschei- dung sei mangels eines zusammenhängenden, genau festgelegten Umstrukturie- rungsprogramms rechtswidrig. Die Kommission habe dadurch, daß sie sich auf

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zwei alternative, vom Ausgang der Gespräche über die Synergie abhängende Fälle gestützt habe, eingeräumt, daß sie bei Erlaß ihrer Entscheidung keinen Gesamt- plan für die Umstrukturierung der italienischen Stahlindustrie gehabt habe.

31 Der erwähnte Mangel habe zur Folge, daß die streitige Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei, denn bei dem Hinweis auf die für die Kommission erstellten Gutachten könne es sich nur um eine leere Formel handeln, weil für den Fall, daß keine Synergie zustande kommen sollte, Beihilfen für die Firma Finsider in dersel- ben Höhe wie für den Fall einer Synergie genehmigt worden seien, obwohl die Lage dieses Unternehmens doch ganz offensichtlich je nach dem weiteren Schick- sal ihrer Breitbandanlage in Bagnoli unterschiedlich sein würde.

32 Die Kommission wendet sich gegen diese Auffassung. Sie trägt vor, sie habe so- wohl für den Fall des Zustandekommens als auch für den des Scheiterns einer Synergie geprüft, wie sich die geplanten Beihilfen für die Firma Finsider auf deren Lebensfähigkeit auswirken würden. Außerdem habe sie für jeden der beiden Fälle einen unterschiedlichen Kapazitätsabbau verlangt. Für den Fall, daß die Synergie zu einem erheblichen Kapazitätsabbau im Privatsektor geführt hätte, wäre die Firma Finsider nur zu einem geringeren Kapazitätsabbau verpflichtet gewesen.

33 Zunächst ist festzustellen, daß das Vorbringen der Klägerin, da es letztlich nicht zu einer Synergie kam, nur insoweit erheblich ist, als es sich auf das Umstrukturie- rungsprogramm bezieht, das die Firma Finsider im Hinblick auf ihre Modernisie- rung und den Abbau ihrer Produktionskapazitäten im Falle des Scheiterns einer Synergie aufgestellt hat.

34 Zwar hat sich die italienische Regierung in ihrem Notifizierungsschreiben beson- ders mit dem Synergieplan befaßt und keine Angaben darüber gemacht, welche Umstrukturierungsbemühungen unternommen würden, wenn dieser Plan scheitern sollte. Dagegen behandelt die streitige Entscheidung diesen Punkt sehr eingehend.

Sie macht die Gewährung von Beihilfen an die Firma Finsider von der Schließung der Formstahlanlage der Firma Finsider in Bagnoli (Produktionskapazität:

400 000 Tonnen) und der Bandwalzstraße der Firma Finsider in Bagnoli (Produk- tionskapazität: 400 000 Tonnen) abhängig. Mit diesen Bedingungen hat die Kom- mission, wie es in der Entscheidung heißt, den von der italienischen Regierung für den Fall der Synergie angegebenen Umstrukturierungszielen, den zusätzlichen An- gaben der italienischen Regierung, insbesondere in ihrem Fernschreiben vom 22.

Juli 1985, den Stellungnahmen der anderen Mitgliedstaaten nach Artikel 8 Absatz

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2 des Zweiten Beihilfenkodex sowie den Ergebnissen eines von der Kommission und der italienischen Regierung gemeinsam in Auftrag gegebenen Gutachtens Rechnung getragen. In der Entscheidung wird ausgeführt, die Kommission sei auf- grund all dieser Gesichtspunkte unter anderem zu dem Schluß gelangt, die geplan- ten Schließungen könnten durchgeführt werden, ohne daß übermäßige Schwierig- keiten entstünden oder die Voraussetzungen für die wahrscheinliche Wiederher- stellung der Lebensfähigkeit der Firma Finsider, auf die mit der Genehmigung der Beihilfen für dieses Unternehmen habe hingewirkt werden sollen, in Frage gestellt würden.

35 Schließlich ist darauf hinzuweisen, d a ß nach Artikel 2 Absatz 1 des Zweiten Beihil- fenkodex Beihilfen z u g u n s t e n der Eisen- u n d Stahlindustrie d a n n als mit dem o r d - n u n g s g e m ä ß e n Funktionieren des Gemeinsamen M a r k t e s vereinbar angesehen w e r d e n k ö n n e n , w e n n das begünstigte U n t e r n e h m e n ein z u s a m m e n h ä n g e n d e s , g e - nau festgelegtes U m s t r u k t u r i e r u n g s p r o g r a m m durchführt, sowie d a ß nach Artikel 8 Absätze 1 u n d 3 die Mitgliedstaaten ihre „ V o r h a b e n z u r G e w ä h r u n g o d e r Ä n d e - r u n g von Beihilfen" zu notifizieren haben u n d die Kommission ihre Entscheidung

„ n a c h Eingang der z u r Beurteilung der betreffenden Beihilfe erforderlichen A u s - k ü n f t e " zu treffen hat. Angesichts dieser Regelung ist die Kommission nicht gehin- dert, in ihrer Entscheidung a n z u g e b e n , welche U m s t r u k t u r i e r u n g s b e m ü h u n g e n ihr für die G e n e h m i g u n g einer Beihilfe erforderlich erscheinen.

36 Aus alledem ergibt sich, daß die Kommission mit dem Erlaß der streitigen Ent- scheidung weder mit dem Inhalt und den Zielen der allgemeinen Entscheidungen Nrn. 2320/81 und 1018/85 unvereinbare Kriterien angewandt noch eine Begrün- dung für die Genehmigung der Gewährung von Beihilfen an die Firma Finsider unterlassen hat. Der dritte Klagegrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

37 Die Klage ist somit insgesamt abzuweisen.

Kosten

38 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tra- gung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

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Aus diesen Gründen hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Kakouris Koopmans Due Bahlmann Rodríguez Iglesias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Februar 1987.

Der Kanzler P. Heim

Der Präsident der Sechsten Kammer C. Kakouris

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