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Archiv "Ärztliche Sachverständige - „Oberrichter“ oder Partner der Sozialrichter?" (16.04.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Sachverständige —

„Oberrichter" oder Partner der Sozialrichter?

Der Bundesdurchschnitt beläuft sich bei diesen Regelsätzen auf rund 400 DM, so daß beispielsweise eine Ver- hältniszahl von 1:8 denkbar ist, die auch mit der Bruttolohn- und -ge- haltssumme je beschäftigten Arbeit- nehmer in etwa in Einklang stehen würde. Diese Bruttolohn- und -ge- haltssumme belief sich 1985 auf 34 882 DM, pro Monat also auf 2907 DM. Bei dem angegebenen Verhält- nis von 1:8 ergäbe sich lediglich eine Differenz von 300 DM; die vorge- schlagenen 3200 DM liegen jedoch wesentlich unter der jetzt gültigen Versicherungspflichtgrenze in Höhe von 4275 DM.

Der anfangs angegebene Pro- zentsatz über die Versicherten in der GKV (rund 92 Prozent) könnte also erheblich reduziert werden. Gleich- zeitig müßte der Familienlastenaus- gleich erheblich verbessert werden, um Familien mit mehreren Kindern zukünftig nicht schlechterzustellen.

Hier wäre in erster Linie an steuerli- che Maßnahmen zu denken, wie sie bereits jetzt in Gang gesetzt worden sind, aber immer noch Familien mit mehreren Kindern benachteiligen, insbesondere wenn lediglich ein Fa- milienmitglied für das Familienein- kommen zu sorgen hat.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Horst Bourmer Godesberger Allee 54 5300 Bonn 2

Literatur

1. Sozialenquetekommission, Soziale Siche- rung in der Bundesrepublik Deutschland, 1966, Seite 198 ff, Abschnitt II: Hauptan- satzpunkte der heutigen Kritik am System der GKV, insb. S. 239

2. Institut für Gesundheitssystemforschung (Kiel), Gesetzliche Krankenversicherung, Systemerhaltung und Finanzierbarkeit, 1984, Seite 62 ff.

3. Strukturreform aus der Sicht der gesetzli- chen Krankenversicherung, Die Ersatzkasse Nr. 10, 1986, Seite 386

4. Meye/Brenner, Allgemeine Ortskranken- kassen: Werden die freiwillig Versicherten aus den Pflichtbeiträgen subventioniert, Me- dizin — Mensch — Gesellschaft, Heft 1, 1984, Seite 26

5. Familienstruktur und Beitragsbelastungsun- terschiede in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, Sozialer Fortschritt 1986, Seite 180 ff.

6. Für faire Wettbewerbschancen und größere Dispositionsspielräume, DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, 14. 9. 1984, Seite 2622 ff.

Im Verfahren vor den beiden Tatsacheninstanzen der Sozialge- richtsbarkeit spielen sie eine domi- nierende Rolle: die medizinischen Sachverständigen. In einem Drittel aller Fälle vor den Sozialgerichten, bei den Landessozialgerichten in je- dem vierten Fall wird zunächst ein medizinisches Gutachten eingeholt, bevor eine Entscheidung fällt.

Diese wichtige Rolle der Arzte birgt aber zugleich eine Gefahr in sich: Da Richter keine medizini- schen Grundkenntnisse haben und das „Fach-Chinesisch" der Ärzte ebenso wenig verstehen wie diese das der Juristen, könnten die Rich- ter bei einem hohen Schwierigkeits- grad der Gutachten dem Diktat der Sachverständigen ausgeliefert sein, könnte der Arzt als „Richter im wei- ßen Gewand" im Hintergrund ste- hen, wie es der ehemalige Präsident des Bundessozialgerichts, Prof. Dr.

Georg Wannagat, in seiner Eigen- schaft als Vorsitzender des Deut- schen Sozialrechtsverbandes anläß- lich eines Seminars in Kassel jetzt formulierte. Natürlich können (und wollen) die Ärzte keine „Oberrich- ter" sein; sie werden es aber offen- sichtlich deshalb, weil es den Sozial- richtern schwerfällt, „komplizierte, schwierige Sachverständigengutach- ten gedanklich kritisch nachzuvoll- ziehen und sie im Rahmen der ihnen obliegenden Beweiswürdigung ef- fektiv zu kontrollieren". Wannagat ließ zwar offen, ob tatsächlich — wie empirische Untersuchungen ergaben

— die Gerichte insgesamt in 95 Pro- zent aller Fälle den Sachverständi- gengutachten folgen, er wies aber darauf hin, in welchem Dilemma sich die Richter bei der Beweiswür- digung oft befinden.

Aus Wannagats Sicht gehört zur vertrauensvollen Zusammenarbeit die intensive Kommunikation und das offene Fachgespräch. Er ist da- von überzeugt, daß zwischen Rich- tern und Sachverständigen vielfach ein eingehendes Gespräch dringend notwendig ist, für das in der münd- lichen Verhandlung ausreichend

Zeit vorhanden sein sollte. „Da- durch würde das gegenseitige Ver- ständnis und das Vertrauen in die Lauterkeit des anderen gefördert werden. Deshalb sollte in der Praxis mehr davon Gebrauch gemacht wer- den, daß das schriftliche Gutachten zur Ausräumung bestehender Zwei- fel oder Unklarheiten im Termin von den Sachverständigen mündlich erläutert wird."

Hilfreich und in der Sache wei- terführend sind zwei Forderungen, die Professor Wannagat — der von 1969 bis 1984 an der Spitze des Bun- dessozialgerichts stand — während des Seminars erhob: Zum einen die Vorbereitung angehender Ärzte schon während des Studiums auf die spätere Gutachtertätigkeit und zum anderen die Beibehaltung der zwei Tatsacheninstanzen in der Sozialge- richtsbarkeit. Wannagat kennt ja nicht nur die Rechtsprechung der dritten Instanz, sondern auch die der Tatsacheninstanzen, war er doch vor seiner Berufung nach Kassel einige Jahre Präsident des Landessozialge- richts Darmstadt. Nach seiner Er- fahrung werden vielfach erst nach dem Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens zahlreiche medizinische Fragen für den Bürger offengelegt und bedürfen sie einer weiteren Er- örterung. Deshalb ist Wannagat ge- gen eine Beschränkung auf nur noch eine Tatsacheninstanz.

Medizinische Gutachten werden auch künftig unentbehrlich sein, wenn es um Leistungen aus dem gro- ßen Bereich der Sozialen Sicherheit geht. Abgesehen davon, daß die Ausbildung angehender Arzte er- gänzt und vertieft werden muß, for- derte Wannagat in Kassel auch die Berücksichtigung der Interessen der Bürger, von unnötigen wiederholten Untersuchungen, „die für sie eine starke körperliche und seelische, vielfach auch gesundheitliche Bela- stung darstellen" verschont zu blei- ben. Soweit vertretbar, sollte man auf bereits vorliegende gleichwertige Untersuchungsergebnisse zurück- greifen. Dr. Siegfried Löffler A-1040 (24) Dt. Ärztebl. 84, Heft 16, 16. April 1987

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