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Archiv "Proteomics: Schlüsseltechnologie für die klinische Forschung" (06.08.2001)

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Academic year: 2022

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eit Sommer 2000 ist das Humane Genom – über drei Milliarden Bau- steine von A, G, C und T auf 23 Chromosomenpaare verteilt – vollstän- dig sequenziert. Mit „nur“ 30 000 bis 40 000 Genen (und nicht 100 000 Ge- nen, wie vorher angenommen) ist das Genom etwas mehr als doppelt so groß wie das eines Wurms oder einer Frucht- fliege. Doch letztlich ist weniger das Genom von physiologischer respektive klinischer Bedeutung, sondern das Re- pertoire der Proteine – also des Pro- teoms, ein Begriff, der etwa 1996 einge- führt wurde.

Es zeigt sich überdies, dass das menschliche Genom bezüglich Aufbau und Funktion deutlich komplexer ist als bei Wirbellosen und Pflanzen. Denn nicht nur die reine Zahl von Genen bestimmt Umfang und Funktion der Proteine, sondern zahlreiche posttrans- kriptionelle und posttranslationelle Prozesse wie „splicing“ und „Phos- phorylisierungen“ und andere. Diese Prozesse führen zu einer Korrelation von mRNA- und Proteinexpression von nur 0,48. In Worten bedeutet das, dass eine Proteinexpression kaum mit der entsprechenden mRNA-Expres- sion korreliert.

Das genetische Dogma von Francis Crick, ein Gen, ein Protein oder DNA macht RNA, RNA macht ein Protein mit einer biologischen Funktion, gilt al- so in der apodiktischen Form nicht mehr. Das lässt viele Unternehmen hof- fen, da damit die Zahl der möglichen Angriffsstellen (targets) für eine Me- dikamenten- oder Diagnostikaentwick- lung sehr viel umfangreicher bleibt und weitere Investitionen aussichtsreich er- scheinen lässt.

Heute gibt es etwa 500 Zielmoleküle, die durch die gesamte Palette moderner Pharmaka modifiziert werden. Das ist eine erstaunlich kleine Zahl, wenn man sich vor Augen führt, wie viele verschie- dene Pharmaka für die bekannten tar- gets auf dem Markt sind. Man nimmt an, dass etwa fünf bis zehn Gene an der Ausbildung einer Erkrankung wie Dia- betes oder Hochdruck beteiligt sind. Es

gibt etwa 100 bis 150 nosologische Enti- täten, die ein epidemiologisches oder ökonomisches Problem für eine Gesell- schaft verursachen und damit von Inter- esse für die pharmazeutische Industrie oder das Gesundheitssystem sind.

Somit ergäbe sich eine Summe von 5 000 bis 10 000 potenziell interessanten,

ökonomisch bedeutungsvollen Gen- produkten und damit eine mindestens zehnfach höhere Anzahl von Angriffs- punkten als die, die heute modifiziert werden. Dabei ist noch zu berücksich- tigen, dass dieses relativ konservative Überschlagsrechnungen sind und die Zahl von targets durchaus höher liegen kann.

„Die post-genomische Zeit gehört den Proteomics“, verlauten derzeit wissen- schaftliche Journale – und auch der Kapi- talmarkt. Doch was verbirgt sich dahin- ter? Proteomics ist die durch Technik und Bioinformatik unterstützte Erfor- schung der Gesamtheit der Proteine in verschiedenen Zelltypen unter normalen oder pathologischen Bedingungen, Um- welt oder Medikamenteneinfluss. Ein wichtiges Charakteristikum ist – wie schon in der Genomforschung – das Prin- zip: alles auf einmal oder parallele Ana- lyse, was durch Verkleinerung und Ro- boter ermöglicht wird. Grundsätzlich kann man alle Proteomics-Studien in drei Kategorien einteilen:

1. differential protein display (Unter- schiede in der Expressionsmenge), 2. Proteincharakterisierung (posttrans-

lationelle Modifikationen) und 3. Protein-Protein-Interaktionen.

Doch anders als bei DNA, deren natürliche Struktur schon prinzipiell sehr einfach sein muss und deren linea- re Struktur kaum Funktion hat, ist die dreidimensionale Struktur der Protei- ne komplex und funktionell äußerst kritisch. Anders als bei der DNA-Ana- lyse, die sich aufgrund der niedrigen Komplexität entsprechend einfach au- tomatisieren ließ und zu der enorm schnellen Fertigstellung der Sequen- zierung führte, lassen sich die Analyse- P O L I T I K

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A2010 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 31–32½½6. August 2001

Proteomics

Schlüsseltechnologie für die klinische Forschung

Nach der Entschlüsselung des humanen Genoms investieren Biotechno- logiefirmen in Analyseverfahren, welche die Funktion der codierten Proteine aufklären sollen. Ein neuer pharmazeutischer Markt entsteht.

Medizinreport

Über drei Milliarden Basen des Genoms sind be- kannt. Wie geht es weiter?

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Zeichnung: Boehringer Ingelheim

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A2012 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 31–32½½6. August 2001

verfahren für Proteine nicht so leicht automatisieren.

Traditionell, sofern man dieses Wort in dieser jungen Disziplin verwenden kann, wurde Proteinexpression in er- ster Linie über 2-D-Gelelektrophorese und Massenspektroskopie analysiert.

Mit der 2-D-Technik kann man in ei- nem Schritt Tausende von Proteinen, basierend auf dem isoelektrischen Punkt (pI, 1. Dimension) und dem Mo- lekulargewicht (2. Dimension), auftren- nen. Nach Auftrennung werden die Pro- teine („spots“) aus dem Gel isoliert, en- zymatisch verdaut und in der Massen- spektroskopie (zum Beispiel MALDI) weiter analysiert.

In den letzten Jahren werden mehr und mehr integrierte Systeme inklusive Software angeboten, die für „large- scale“-Analysen ausgelegt sind. Haupt- anbieter dieser Systeme sind Amer- sham Pharmacia, BioRad und Applied Biosystems. Diese Technologien eignen sich gut, wenn man In-vitro-Experi- mente mit Zellkultur durchführt, da man relativ viel Ausgangsmaterial zur Analyse benötigt.

Schwierigkeiten treten auf, wenn man mit Gewebe arbeitet und zunächst re- lativ aufwendige Verfahren wie FACS (fluorescence activated cell sorter) oder Lasermikrodissektion anwenden muss, um Zellen eines Typs zu isolieren. Was aber soll eine kleine Firma tun, die nicht die Zeit und das Finanzvolumen hat wie Oxford Glycoscience (OGS), Large Scale Biology (LSB) oder Proteome Science?

„Proteinfingerabdruck“

An dieser Stelle sind Technologien ge- fragt, die mit wesentlich weniger Aus- gangsmaterial auskommen, schneller, weniger komplex und vor allem preis- werter sind, um verlässliche Analysen durchzuführen. Hier kommen so ge- nannte ProteinChips, eine sehr junge Technologie, ins Spiel. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von verschiedenen Chips, die meisten allerdings immer noch in der Entwicklungsphase.

Anders die Produkte der Firmen Zyomyx, Caliper und Ciphergen: Ca- lipers Chip dient inbesondere der Auftrennung von Proteinen und könn-

te die traditionelle 1-D-Gelelektro- phorese ersetzen. Ciphergens Protein- Chip sind kleine Metallstreifen, auf denen kleine aktivierte Oberflächen liegen. Diese binden Proteine aus Flüssigkeiten, wie Blut und Urin oder Gewebe.

Nachdem die Proteine gebunden ha- ben, werden nicht gebundene Bestand- teile weggewaschen. Gebundene Pro- teine werden dann mit einem Laser- strahl von der bindenden Oberfläche gelöst und einer Massenspektrumana- lyse (surface enhanced laser desorption and ionization, SELDI) zugeführt. Hier- aus erhält man, ähnlich einer 2-D-Gel- analyse, einen „Proteinfingerabdruck“.

Damit ist es beispielsweise möglich, Tu- morzellen von gesunden Zellen zu un- terscheiden, potenziell spezifische Bio- marker für Erkrankungen oder targets für eine medikamentöse Therapie zu identifizieren.

Es ist aber noch lange nicht mit der Identifikation möglicher targets getan;

eine Herkulesaufgabe liegt dann im- mer noch vor den Wissenschaftlern, bevor ein marktfähiges Produkt nach allen Testverfahren erhältlich ist. Bis- her sind die Programme und Projekte noch relativ unkoordiniert. Es wäre daher sinnvoll, das Proteom analog HUGO in einem koordinierten „Hu- man Proteome Project“ zu analysieren.

Genomikfirmen wie Celera haben be- reits Milliarden US-Dollar für die Ent- wicklung großmaßstäblicher Proteom- analyse bereitgestellt. Aber es wurden auch schon einige staatliche Program- me aufgelegt, wie das „Neue effiziente Verfahren für die funktionelle Pro- teomanalyse“ vom Bundesforschungs- ministerium. Dieses Programm zielt auf die funktionelle Analyse von Pro- teinen und Entwicklung neuer Techno- logien zur Proteinanalyse unter der ge- meinsamen Förderung von Wirtschaft und Wissenschaft.

Allein der Markt für die nötige „hard- ware“ und Service ist weltweit riesig und zeigt enormes Wachstumsverhalten.

Mittlerweile gibt es rund 150 Unterneh- men, die Geräte, Software und Service für den Proteommarkt vertreiben. Nach einer Analyse von Frost and Sullivan wird der Markt von 700 Millionen US- Dollar im Jahr 1999 auf 5,8 Milliarden im Jahr 2005 steigen.

Es ist zu erwarten, dass die pharma- zeutische Industrie eine „proteinreiche Diät“ beginnen wird, da man mit diesen Ansätzen sowohl Zeit bis zur Identifikation sparen kann als auch überhaupt die Zahl möglicher targets erheblich vergrößert. Die Katerstim- mung nach Entzifferung des Genoms am Biotech-Aktienmarkt im letzten Jahr könnte daher schon bald zu einer neuen Rallye für Proteomics-Unter- nehmen führen.

Dr. med. Axel Wellmann, Bonn E-Mail: axel_wellmann@yahoo.com

Diabetes mellitus:

Inhalierbares

Insulin rückt näher

Die Applikationsform des inhalierba- ren Insulins könnte dazu beitragen, Typ-2-Diabetiker frühzeitiger an die Hormonbehandlung heranzuführen.

Verschiedene Firmen arbeiten zurzeit daran, die Hürden bei dieser Methode zu überwinden. Aus der Asthma-The- rapie ist bekannt, dass das Arzneimittel infolge fehlerhafter Inhalation nicht am Zielort ankommt. Da bei der Insu- lintherapie die zuverlässige Dosierung notwendig ist, hat Novo Nordisk ge- meinsam mit der US-Firma Aradigm Corporation ein Inhalationssystem konstruiert, das derartige Fehler ver- meidet. Wie beim „Diabetes Dialogue“

in Genf berichtet wurde, enthält das System einen Mikroprozessor, über den Atem- und Inhalationstechnik kontrol- liert werden.

Ein grünes Licht signalisiert dem Anwender, ob er alles richtig macht.

Wie Dr. Steve Farr (Aradigm Corpora- tion) erläuterte, ist in dem AERx ge- nannten System flüssiges Insulin un- tergebracht, das unter großem Druck durch einen mehrschichtigen Streifen mit winzigen Löchern gepresst wird.

So entstehen einheitliche kleine Parti- kel für eine gleichmäßige Absorption in der Lunge. In ersten praktischen Tests war die intra-individuelle Varia- bilität des inhalativ verabreichten Insulins nicht höher als nach einer In-

jektion. Sonja Böhm

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