DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Dibenzodioxine und Dibenzofurane FÜR SIE GELESEN
chen sind generell höhere Dosen einzusetzen, wenn bei limitierten Tierzahlen und in experimentell sinnvoller Zeit eine mögliche Er- höhung der lnzidenz festgestellt werden soll.
2,3,7,8-TCDD gilt zwar derzeit als
„Tumorpromoter", dies ist jedoch kein Vorteil: Einem TCDD-geschä- digten BASF-Arbeiter hilft es we- nig, ob TCDD als „Initiator" oder
„Promoter" bei ihm Krebs ausge- löst hat. TCDD als Tumorpromoter kann auch bei einmaliger Exposi- tion, etwa infolge eines industriel- len Unglücksfalles, wirken, da es im Organismus über Jahrzehnte persistiert und wirkt. Diese außer- gewöhnlich lange Persistenz — auch in der Umwelt — macht es zwingend notwendig, den tierex- perimentellen Befunden besonde- re Bedeutung zuzumessen und nicht noch weitere Jahrzehnte auf
„gesicherte Erkenntnis" beim Menschen zu warten. Die bis da- hin toxikologisch möglicherweise weit unterschätzte Dioxin-Bela- stung der Bevölkerung ist dann nicht mehr rückgängig zu ma- chen. Bereits die derzeitige Schadstoffbelastung der Bevölke- rung, die mit jeder Dioxinbestim- mung deutlicher erkennbar wird (Beispiel Muttermilch), sollte Grund zur Sorge und Anlaß zu wir- kungsvollen Gegenmaßnahmen sein.
Der Absatz des Artikels „Bei der ärztlichen Risikobeurteilung ist zu berücksichtigen, daß der bloße Nachweis von 2,3,7,8-TCDD im menschlichen Organismus kein Wirkungskriterium und somit kein Indikator einer Vergiftung, son- dern lediglich einer stattgehabten Exposition darstellt" wirkt wegen der erheblichen Lücken unseres Wissens in der toxikologischen Beurteilung äußerst befremdend und zynisch.
Der Anspruch auf eine „bewerten- de Analyse des derzeitigen inter- nationalen Wissens- und Erkennt- nisstandes" ist vermessen, wenn zum Beispiel der umfassende und kritische Dioxin-Bericht der US-
amerikanischen Umweltbehörde EPA vom September 1985 nicht berücksichtigt wird. Dort wird 2,3,7,8-TCDD unter anderem als
„bisher stärkstes Karzinogen ver- mutlich auch für den Menschen"
klassifiziert, 10 8 mal (!) stärker als Vinylchlorid.
Die großen Gruppen der PCDD, PCDF und anderer hochtoxischer halogenierter Aromaten sind be- sonders gute Beispiele für Chemi- kalien, die wegen ihrer Gefährlich- keit nicht nur „aus der Umwelt ferngehalten werden" müssen, sie dürfen gar nicht erst entstehen!
Und gerade dies ist möglich durch Vermeidung der diese Stoffe er- zeugenden technischen Verfahren und durch Optimierung der Ver- brennungstechnologie.
Es ist schließlich das Gebiet der Medizin, auf welchem präventives Denken und Handeln (Beispiel Seuchenhygiene) große gesund- heits- und wirtschaftspolitische Erfolge erzielt hat. Warum denn nicht auch auf dem Gebiet der Umweltschadstoffe? Die Vorteile solchen Handelns — auch die wirt- schaftlichen — wären ganz erheb- lich. Die durch Weglassen wichti- ger Detailinformationen erreichte Scheinsachlichkeit der „klären- den Stellungnahme des Beirats"
wirkt dagegen abstumpfend und behindert weiterhin längst fällige präventive Maßnahmen. Sie dient somit nur der Industrie, die uns bekanntlich seit dem Beginn der Chlorierung aromatischer Kohlen- wasserstoffe und wissentlich seit 1956 das Dioxinproblem beschert, nicht hingegen der angesproche- nen Ärzteschaft, geschweige denn deren Patienten.
Literatur beim Verfasser Professor Dr. rer. nat.
Otmar Wassermann Abteilung Toxikologie
Klinikum der Universität zu Kiel Hospitalstraße 4-6, 2300 Kiel 1 Professor Schlipköter hat die Ge- legenheit zu einem Schlußwort nicht wahrgenommen. MWR
Hochdrucktherapie im Alter
In einer randomisierten Doppel- blind-Studie (n=562) wurde die herkömmliche Behandlungsdosie- rung bei älteren Hypertonie-Pa- tienten (60 bis 75 Jahre alt) mit ei- ner täglichen Anfangsdosis von 25 mg Hydrochlorothiazid einmal am Tag und Verdoppelung der Dosis bei nicht zufriedenstellender Re- aktion verglichen mit einer Thera- pie mit 100 mg Metoprolol einmal täglich unter zusätzlicher Gabe von 12,5 mg Hydrochlorothiazid bei Patienten mit nicht ausrei- chender Reaktion auf die Einzel- medikation mit dem [3-Blocker.
Der systolische sowie diastolische Blutdruck wurde bei beiden Be- handlungsmethoden signifikant reduziert. Die Responderquote (diastolischer Blutdruck 95 mmHg) in der Metoprolol- sowie in der Hydrochlorothiazid-Gruppe betrug nach vier Wochen 50 Pro- zent und 47 Prozent und nach acht Wochen 65 Prozent und 61 Pro- zent. Es konnten keine signifikan- ten Unterschiede hinsichtlich der Gesamtsymptomatik oder einzel- ner Symptome zwischen den bei- den Therapiearten verifiziert wer- den, jedoch eine signifikant höhe- re Anzahl Patienten entwickelte bei der Hydrochlorothiazid-Be- handlung eine Hypokaliämie oder Hyperurikämie. Die Autoren kom- men zu dem Schluß, daß eine anti- hypertensive Anfangsbehandlung mit 100 mg Metoprolol/Tag und bei unzureichender Reaktion eine zusätzliche geringe Dosis Hydro- chlorothiazid (12,5 mg) als wir- kungsvoll und sicher bei älteren Patienten mit Hypertonie betrach- tet werden kann. Lng
Wikstrand, J.; Westergren, G.; Berglund, G.;
Bracchetti, D.; Van Couter, A.; Feldstein, A.;
Siu Ming, K.; Kuramoto, K.; Landahl, S.; Mean- ey, E.; Pedersen, B.; Rahn, K. H.; Shaw, J.;
Smith, A.; Waal-Manning, H.: Antihypertensive Treatment with Metoprolol or Hydrochloro- thiazide in Patients Aged 60 to 75 Years, JAMA 255 (1986) 1304-1310.
Dr. John Wikstrand, Clinical Physiology, Uni- versity of Göteborg, Sahlgrenska Hospital, S-413 45 Göteborg, Schweden.
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 31/32 vom 1. August 1986 (59) 2175