Asthma bronchiale
AIT und Biologika – mehr als nur eine Koexistenz?
Die Allergieimmuntherapie (AIT) wird nur bei kont- rolliertem Asthma empfohlen, die Therapie mit Antikörpern dagegen erst bei nicht ausreichend kontrolliertem Asthma trotz Ausschöpfen anderer Therapien. Doch Synergien sind möglich.
Unkontrolliertes Asthma – Indikationsgebiet für die Biologika – ist eine Kontraindikation für die AIT, gefordert wird für ihren Einsatz ein stabiles allergisches Asthma mit einem FEV1 > 70 % [1]. Die AIT hat aber über den kurzzeitigen Effekt einer schnel- len Symptomverbesserung auch langfristige Wirkungen auf Symptome, den Bedarf an Notfallmedikation und die Lebens- qualität. Das könnte man sich beim allergischen Asthma auch höherer Schweregrade zunutze machen, erläuterte PD Dr. Hen- drik Suhling, Medizinische Hochschule Hannover. Denn die Biologika – egal ob gegen Immunglobulin E (IgE), Interleukin (IL)-5, IL-5-Rezeptor oder IL-4/IL-13 gerichtet – wirken nur, so- lange sie gegeben werden. Sie können aber maßgeblich die Lun- genfunktion verbessern, was mit der AIT nicht gelingt, diese aber möglich machen könnte.
Das Beste aus beiden Welten
Die Rationale für eine Kombination von AIT und Biologika wäre also zumindest theoretisch, die Kontrolle durch die Biologika zu verbessern und dann durch die AIT eine lang anhaltende Wir- kung zu erreichen. Zu fragen ist allerdings, ob die Therapie mit Biologika die Asthma-Kontrollstufe nach der Stufentherapie so- weit herabreguliert, dass eine AIT möglich ist. Suhling betonte, dass es bei Superrespondern sogar zum kompletten Pausieren der Kontrollmedikation kommt und die Asthmakontrolle zeitweise normalisierte Werte zeigt. Dabei ist ein Unterschied der Effekte einer Kombination der AIT mit verschiedenen Biologika anzu- nehmen. Der IgE-Antikörper Omalizumab beeinflusst den glei- chen Weg der Inflammation wie die AIT, während die übrigen Antikörper nicht alle Anteile der allergischen Reaktion hemmen.
Erste, schwache Evidenz
Die Evidenz für Kombinations- oder Sequenztherapien ist bis- lang gering. Eine Studie in den USA mit 89 Kindern und Jugend- lichen mit moderatem oder schwerem Asthma verglich eine sub- kutane Immuntherapie (SCIT) ohne Biologika-Vortherapie mit einer SCIT mit Omalizumab im Vorfeld und Omalizumab al- leine zusätzlich zur Standardtherapie [2]. Systemische Reaktio- nen auf eine der Injektionen waren bei der alleinigen SCIT am häufigsten und in wenigen Fällen auch von einem Grad 3 (Gie- men), während in der Kombinationsgruppe mit SCIT und Oma- lizumab die Häufigkeit vergleichbar gering war wie in der Oma- lizumab-Gruppe. Die Autoren postulieren, dass die SCIT mög- licherweise helfen kann, Omalizumab einzusparen und Oma- lizumab – wo indiziert – helfen kann, die SCIT sicher zu verabreichen.
Eine kleinere Fallserie mit sechs Kindern mit schwerem Asth- ma unter Kontrolle mit Omalizumab, aber mit häufigen Exazer- bationen untersuchte die Sequenz einer achtmonatigen Thera- pie mit Omalizumab zur Stabilisierung und anschließend eine SCIT bei Fortführung der Omalizumab-Therapie [3]. Ein Pati- ent musste die SCIT wegen einer schlechten Asthmakontrolle abbrechen. Die übrigen fünf Kinder konnten sie wie geplant er- halten und im Verlauf Omalizumab absetzen. Auch die Kont- rollmedikation konnte stark reduziert werden.
Es gibt also eine Schnittmenge für AIT und Biologikathera- pie bei den Patienten mit einem gut kontrollierten Asthma un- ter Antikörpertherapie, ist Suhling überzeugt und hofft bald auf entsprechende Studienergebnisse. Friederike Klein Literatur
1. Buhl R et al. Pneumologie. 2017;71(12):849-919 2. Har D, Lee MJ. Allergy Asthma Proc. 2019;40(1):35-40 3. Lambert N et al. Pediatr Allergy Immunol. 2014;25(8):829-32
Quelle: 61. Kongress der DGP vom 2.–5. Juni 2021 (DGP 2021 digital), Symposium: „Asthma 2020: aktuelle Kontroversen“ am 4.6.2021
Nicht verwirren lassen
Asthma in der COVID-19-Pandemie
Intuitiv würde man davon ausgehen, dass eine Virus- infektion bei Asthma-Patienten häufiger zu Exazerbati- onen führt und die Infektion eher schwer verläuft. Das ist bei SARS-CoV-2-Infektion aber definitiv nicht so.
Ein entsprechendes Statement hatte die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie Ende 2020 verfasst, das 2021 publiziert wurde [1].
Kontraintuitiv ist ein Asthma kein Risikofaktor für einen schwe- ren Verlauf von COVID-19, auch kein schweres Asthma, und es gibt keinen Anstieg von Exazerbationen durch eine SARS-CoV2-
Infektion, betonte Prof. Marek Lommatzsch, Universität Rostock.
Dass die Politik fälschlicherweise nach wie vor verbreite, Asthma gehöre mit zu den Risikofaktoren für schwere Verläufe bei CO- VID-19, verwirre zusätzlich, klagte er und forderte: Nach einer aktuellen Metaanalyse auf Basis von 150 Studien weltweit müsse das Thema endlich vom Tisch. Danach ist Asthma nicht nur kein Risikofaktor für eine schweren COVID-19-Verlauf, sondern mög- licherweise mit einem leicht erniedrigten Risiko assoziiert [2].
Ein Aspekt, der erklären könnte, warum Asthma-Patienten kein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben, ist die verminderte Expression des ACE-2-Rezeptors, der die Ein-
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trittspforte für den SARS-CoV-2-Virus darstellt. Besoders bei Patienten mit allergischem Asthma und solchen, die eine The- rapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) erhalten, sind die- se Rezeptoren herunterreguliert. Ob ICS aber für alle Patienten das Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 reduzie- ren, ist aber noch völlig offen, betonte Lommatzsch.
Weniger Asthma-Exazerbationen in der Pandemie
Patienten mit Asthma profitieren von den allgemeinen Präven- tionsmaßnahmen in der Pandemie. So schützten die Mund-Na- sen-Bedeckungen nicht nur moderat vor der Übertragung von Coronaviren, sondern sehr effektiv vor der Übertragung ande- rer Atemwegsinfektionen, allem voran vor der Influenza, die in diesem Winter praktisch ausgefallen ist, sagte Lommatzsch. Die Distanzmaßnahmen insgesamt resultierten bei Patienten mitmittelschwerem bis schwerem Asthma in einer Abnahme von Exazerbationen in der Pandemie, belegte eine Untersuchung in den Niederlanden [3].
COVID-19-Erkrankung bei Asthma-Patienten
Erkranken Patienten mit Asthma an COVID-19, stehen sie die Infektion erstaunlich gut durch, betonte Lommatzsch. Wichtig sei, die Asthma-Therapie fortzuführen – auch und gerade eine Biologikatherapie [4]. Das Absetzen könnte zu einer Verschlech- terung der Grunderkrankung und damit zu einer Gefährdung des Patienten führen. Die immunologischen Prozesse, über die Biologika bei Asthma wirken, spielen wahrscheinlich keine zen- trale Rolle in der Virus-Abwehr, erläuterte er.
Allergieimmuntherapie in der Pandemie
Eine bereits begonnene Allergieimmuntherapie (AIT) sollte auch in der Pandemie fortgesetzt werden [5, 1]. Sollten die Pa- tienten akut an der SARS-CoV-2-Infektion erkranken, wird empfohlen, die AIT zu pausieren.
Eine COVID-19-Impfung ist bei Patienten mit Asthma nicht grundsätzlich kontraindiziert, egal ob unter inhalativer oder oraler Therapie, Biologika-Therapie oder AIT. Allerdings emp- fahl Lommatzsch, möglichst einen Abstand von mehreren Ta- gen oder einer Woche zwischen SARS-CoV-2-Impfung und Bio- logika- oder AIT-Gabe einzuplanen. Friederike Klein Literatur
1. Lommatzsch M et al. Pneumologie. 2021;75(1):19-30 2. Terry PD et al. Am J Respir Crit Care Med. 2021;203(7):893-905 3. de Boer G et al. BMJ Open Respir Res. 2021;8(1):e000758 4. Klimek L et al. Allergol Select. 2020;4:53-68
5. Klimek L et al. Allergol Select. 2020;4:44-52
Quelle: 61. Kongress der DGP vom 2.–5. Juni 2021 (DGP 2021 digital), Symposium: „Asthma in besonderen Lebenssituationen“ am 3.6.2021 Da täuscht die Intuition: Asthma ist kein Risikofaktor für einen
schweren COVID-Verlauf.
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„Nebenwirkungen“ der Hygieneregeln
Warnung vor heftiger Influenza-Saison
Infektiologen warnen vor einer schweren Influenza- Saison im Winter. Ein Grund dafür sind die Hygiene- maßnahmen im Zuge der SARS-CoV-2-Pandemie.
Die in den vergangenen anderthalb Jahren eingeübten Hygie- neregeln zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Übertragung ha- ben günstige und weniger günstige Nebenwirkungen. So gab es seit Ausbruch der Pandemie kaum RSV(Respiratory Syncytial Virus)- und Influenza-Erkrankungen. „Rhinoviren und ende- mische Coronaviren konnten sich halten, aber RS- und Influen- za-Viren sind verschwunden“, berichtete Prof. Mathias Pletz, Universitätsklinikum Jena beim digitalen Kongress der DGP.
Die Bevölkerung habe durch die nicht pharmakologischen Hy- gienemaßnahmen keinen „Boost“ im Umgang mit diesen Erre- gern erfahren. „Das bedeutet auch, dass alle Kinder, die wäh- rend der Pandemie geboren wurden, bislang über keine RSV- Immunität verfügen.“
Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe hat kürzlich histori- sche Daten modelliert und festgestellt, dass Saisons mit sehr niedrigen Influenzainfektionszahlen die Vulnerabilität der Be- völkerung in nachfolgenden Saisons deutlich erhöhen können [1]. Es sei mit schweren postpandemischen RSV- und Influenza- Epidemien zu rechnen, erklärte Pletz mit Verweis auf diese Da- ten, „auch wenn Modellierungen nicht immer zutreffen“.
Er wies auf die Bedeutung der Grippeschutzimpfung und auf die neuen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STI- KO) hin. Die Seroprotektionsrate, die nicht der klinischen Ef- fektivität entspricht, liegt bei unter 65-Jährigen bei 70 %, bei äl- teren Menschen bei über 60 %. Die niedrige Seroprotektionsra- te bei älteren Menschen ist mit der Immunoseneszenz und da- raus resultierenden schlechteren Impfantwort zu erklären. Um dieses Problem in dieser Hochrisikogruppe zu lösen, empfiehlt die STIKO für die kommende Influenzasaison eine Influenza- Hochdosisvakzine für Menschen ab 60 Jahren. Sie erhalten da- mit die vierfache Menge an Antigen. Dies könnte die Rate von