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Archiv "Durch Zeckenstich übertragene Krankheiten: 21. Interdisziplinäres Forum der Bundesärztekammer „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ vom 27. bis 30. November 1996" (18.04.1997)

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Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Durch Zeckenstich übertragene Krankheiten: 21. Interdisziplinäres Forum der Bundesärztekammer „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ vom 27. bis 30. November 1996" (18.04.1997)"

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iel dieses von der Dermatolo- gischen Klinik der Ludwig- Maximilians-Universität in München organisierten Sym- posiums unter dem Vorsitz von Gerd Plewig war es, neuere Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie von zwei durch Zecken übertragene Er- krankungen zur Sprache zu bringen:

die Frühjahr-Sommer-Meningo-En- zephalitis (FSME) und die Lyme-Bor- reliose. Beiden Erkrankungen kommt in Deutschland, aber auch in den be- nachbarten europäischen Ländern, eine wichtige Bedeutung zu. Sie sind auch Gegenstand häufiger Diskussion innerhalb der Bevölkerung, die sich an Ärzte mit der Bitte um Rat wen- det. Wenn auch durch den gleichen Vektor, die Zecke, übertragen, so handelt es sich doch um zwei völlig verschiedene Erkrankungen. Die durch ein Virus verursachte FSME tritt nur in bestimmten Endemiege- bieten und auch hier nur selten auf.

Eine spezifische antivirale Therapie existiert nicht, allerdings besteht die Möglichkeit der aktiven und passiven Immunisierung. Die durch das Bakte- rium Borrelia burgdorferi übertra- gene Lyme-Borreliose ist sehr viel häufiger und wird in allen Landestei- len beobachtet. Eine spezifische anti- biotische Therapie ist verfügbar, aller- dings besteht hier noch nicht die Mög- lichkeit der Impfung.

Frühjahr-Sommer- Meningo-Enzephalitis

Im einleitenden Vortrag sprach Michael Roggendorf(Essen) über die Epidemiologie der FSME. In Ende- miegebieten ist vermutlich jede 200.

bis 500. Zecke Träger des Virus, das bei einem Stich auf den Menschen übertragen werden kann. Bei etwa 90 Prozent der Infizierten kommt es zu keinen Beschwerden oder lediglich zu

grippalen Symptomen. Nur etwa zehn Prozent der Infizierten entwickeln ei- nen erneuten Fieberanstieg mit einer ZNS-Symptomatik, die bei etwa 95 Prozent der Patienten dieser Gruppe wieder vollständig abheilt, bei den verbleibenden fünf Prozent jedoch schwer verläuft. Zum Zeitpunkt des erneuten Fieberanstiegs und der Ent- wicklung einer ZNS- Symptomatik ist die FSME durch den Nachweis spezi- fischer IgM-Antikörper sicher zu dia- gnostizieren. Serologische Reihenun- tersuchungen zeigten, daß je nach Ge- biet etwa ein bis fünf Prozent der Be- völkerung Träger von Antikörpern gegen das FSME-Virus sind. Seit 1978 wurden etwa 1 360 FSME-Fälle in Deutschland wissenschaftlich erfaßt und in geographische Karten einge- tragen, um damit Endemiegebiete dieser Virusinfektion genauer charak- terisieren zu können. Zur Aufnahme mußten drei Kriterien sicher erfüllt sein: Nachweis von IgM-Antikörpern im Akutphaseserum, detaillierte kli- nische Angaben sowie bekannter In- fektionsort. Die überwiegende An- zahl der Infektionen ist in Bayern und Baden-Württemberg aufgetreten.

Einzelne Infektionen (< 10) sind in Hessen, dem Saarland und den neuen Bundesländern (Mecklenburg-Vor- pommern, Sachsen und Thüringen) nachgewiesen worden. Im Jahre 1994 wurden 297 FSME-Fälle beobachtet, davon 239 in Baden-Württemberg und 50 in Bayern. In den achtziger Jahren bestand dagegen ein umge- kehrtes Verhältnis mit mehr Erkran- kungen in Bayern als in Baden-Würt- temberg. Diese Veränderungen sind vermutlich darauf zurückzuführen, daß in Bayern systematischer geimpft wurde. Die aktive Immunisierung ist jedoch nur bei wiederholten oder dauerhaften Aufenthalten in Ende- miegebieten indiziert. Der generell gut verträgliche Totimpfstoff führt bei voller Immunisierung durch drei

Impfdosen bei über 99 Prozent der Geimpften zu einer Serokonversion.

Die passive Immunisierung kann bei Ungeimpften bis zum vierten Tag nach einem Zeckenstich in einem En- demiegebiet durchgeführt werden.

Allerdings wurden bei Kindern nach passiver Immunisierung auch beson- ders schwere Formen einer Meningo- Enzephalitis beobachtet, so daß die Zulassung des Präparates für diese Altersgruppe derzeit ruht.

Lyme-Borreliose

Sehr viel häufiger als die FSME ist die Lyme-Borreliose, die im Jahre 1977 erstmals als eigenständiges Krankheitsbild bei Kindern mit ent- zündlichen Gelenkerkrankungen aus der Ortschaft Lyme im Bundesstaat Connecticut an der Ostküste der USA beschrieben wurde. Wie Michael Meu- rer(München) ausführte, wurde in der Folgezeit erkannt, daß eine Reihe wei- terer bereits früher beschriebener Er- krankungen der Lyme-Borreliose zu- geordnet werden können. Als eine Multisystemerkrankung kann sie in verschiedenen Stadien verlaufen. Im Stadium I stehen neben grippeähnli- chen Allgemeinsymptomen, wie subfebrile Temperaturen, Müdigkeit und Kopfschmerzen, Hautverände- rungen im Vordergrund. Ausgehend von der Einstichstelle der Zecke kann sich eine homogene und peripher fort- schreitende, typischerweise randbe- tonte Rötung der Haut, das Erythema migrans, entwickeln. Differentialdia- gnostisch kommen unspezifische In- sektenstichreaktionen, ein Erysipel oder auch allergische Hautreaktionen in Betracht. Im Stadium II der Infekti- on kann es zu muskuloskeletalen und auch kardialen Beschwerden kom- men. Besonders häufig sind auch neu- rologische Symptome, die im Referat von Hans-Walter Pfister (München)

A-1063

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997 (47)

Durch Zeckenstich

übertragene Krankheiten

21. Interdisziplinäres Forum der Bundesärztekammer „Fortschritt und

Fortbildung in der Medizin“ vom 27. bis 30. November 1996

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detailliert dargestellt wurden. Die häu- figste neurologische Manifestation in Europa ist die lymphozytäre Meningo- Radikulitis (Bannwarth-Syndrom). Für die Diagnose einer aktiven Neurobor- reliose wird eine lymphozytäre Liquor- pleozytose in Kombination mit dem Nachweis einer intrathekalen Borreli- en-spezifischen Antikörperprodukti- on gefordert. Im Stadium III der Er- krankung kann es neben einer chro- nischen Arthritis zur Entwicklung neurologischer Spätmanifestationen (chronische Lyme-Neuroborreliose) kommen. Hierzu gehören chronische Polyneuropathien, eine zerebrale Vas- kulitis und auch eine chronisch progre- diente Enzephalomyelitis. Die charak- teristische Hautmanifestation des Spätstadiums ist die Acrodermatitis chronica atrophicans (Herxheimer), eine atrophisierende Entzündung der Haut, die meist einseitig an den Akren beginnt und dann aufsteigend die ge- samte Extremität, aber auch andere Hautbezirke betreffen kann. Nach ei- nem entzündlich-ödematösen Stadium folgt ein atrophisches Stadium mit wel- ker und zigarettenpapierartig fältelba- rer, livider Haut, seltener auch eine fi- brotische Verhärtung umschriebener Hautareale.

Diagnose

Die Diagnose der Lyme-Borre- liose kann im typischen Fall durch das klinische Bild der Anamnese (Zeckenstich) sicher gestellt werden.

Allerdings sind nicht selten atypische Manifestationsformen gegeben, bei denen auch labordiagnostische Ver- fahren, die durch Heidelore Hofmann (München) vorgestellt wurden, zum Einsatz kommen. Histopathologische Veränderungen der Haut können zwar auf die Diagnose hinweisen, sie ergeben jedoch nicht ein sicher patho- gnomonisches Bild. Dagegen stellt die kulturelle Anzüchtung des Erregers einen diagnostischen Beweis dar. Die- ses Verfahren steht jedoch nur in we- nigen Laboren zur Verfügung und ist auch aufgrund seiner geringen Sensiti- vität und der langen Generationszeit des Erregers nur eingeschränkt ver- wertbar. Nach wie vor stellt der Nach- weis borrelienspezifischer Antikörper im Serum die wichtigste labordiagno- stische Methode dar. In den letzten

Jahren sind die Nachweismethoden, vor allem der ELISA und Western- blot, wesentlich verbessert worden, al- lerdings sind sie auch komplexer ge- worden und aufgrund der Verwen- dung unterschiedlicher Testantigene schwieriger zu interpretieren. Bisher fehlen verbindliche Richtlinien zur Standardisierung der Testverfahren.

Als Suchtest sollte zunächst ein sensi- tiver ELISA oder Immunfluoreszenz- test durchgeführt werden. Positive oder grenzwertige Ergebnisse sollten anschließend mit einem standardisier- ten Westernblot (Immunoblot) be- stätigt werden, bei dem das IgM- und IgG-Antikörperspektrum gegen ver- schiedene Borrelienproteine aufge- schlüsselt wird. Ein wesentliches Pro- blem der Serodiagnostik ist die verzö- gerte Antikörperbildung in den ersten Wochen nach der Infektion. Auch mit den verbesserten ELISA-Verfahren sind beim Erythema migrans je nach Infektionsdauer nur bei etwa 50 bis 80 Prozent der Patienten Antikörper nachweisbar. Das bedeutet, daß bei klinischem Verdacht der Patient auch unabhängig vom serologischen Be- fund behandelt werden muß. Im Sta- dium der Generalisierung und bei Spätmanifestationen sind erhöhte IgG-Antikörper bis auf wenige Aus- nahmen nachweisbar. Diese Antikör- per sinken auch nach adäquater The- rapie nur langsam ab. Es besteht dann die Schwierigkeit, zwischen persistie- render Immunantwort (Seronarbe) und noch bestehender Infektion durch Erregerpersistenz zu unterscheiden.

Hier sind die klinische Symptomatik und quantitative Verlaufskontrollen der Antikörper mit demselben Test- verfahren (Titerabfall) entscheidend.

Ein relativ neues Verfahren stellt der sensitive Nachweis von Borrelia- burgdorferi-spezifischer DNA mittels der Polymerasekettenreaktion (PCR) dar. Insbesondere könnte die Metho- de bei der Diagnostik der Frühinfekti- on und zur Therapiekontrolle eine wichtige Bedeutung erhalten. Die Methode ist jedoch derzeit noch sehr spezialisierten Laboratorien vorbe- halten, da zahlreiche Kontrollreaktio- nen jeweils durchzuführen sind. Der Nachweis von Borrelia-burgdorferi- spezifischer DNA in Gewebeproben (Haut/Synovialbiopsien) kann in Ein- zelfällen wesentlich zur Diagnose bei-

tragen, während entsprechende Un- tersuchungen von Körperflüssigkei- ten (Urin/Serum) bisher zu sehr kon- troversen Ergebnissen führten, aus denen keine unmittelbaren therapeu- tischen Schlußfolgerungen gezogen werden sollten. Die Untersuchung des Liquors mittels PCR erbringt ge- genüber den bisherigen Verfahren keinen Sensitivitätsvorteil. Matthias Volkenandt (München) wies in der Diskussion darauf hin, daß durch die PCR in klinischen Proben Subtypen von Borrelia burgdorferi rasch und si- cher identifiziert werden können.

Diese Subtypen können auch unter- schiedliche Verlaufs- und Manifestati- onsformen der Lyme-Borreliose er- klären. So ist die Acrodermatitis chronica atrophicans (Herxheimer) mit dem Typ Borrelia afzelii assozi- iert; dieser Subtyp kommt in den USA nicht vor. Dies erklärt, warum die in unseren Breiten häufige Acro- dermatitis chronica atrophicans in den USA nicht beobachtet wird.

Therapie

Die Therapie der Lyme-Borre- liose erfolgt entsprechend dem klini- schen Stadium. In der Behandlung des Erythema migrans wird meist eine Therapie mit Doxyzyklin (zwei mal 100 mg/Tag p.o. über 14 Tage) oder Amoxicillin (drei mal 500 mg/Tag p.o.

über 14 Tage) empfohlen. In den Sta- dien II und III kommt meist Ceftria- xon (2 g/ Tag i.v.) zum Einsatz, wobei in diesen Stadien die optimale Be- handlungsdauer (14 bis 21 Tage) noch nicht sicher bekannt ist.

Abschließend wies der Allge- meinmediziner Gernot Lorenz(Pful- lingen) auf den hohen Stellenwert hin, den die durch Zeckenstich über- tragenen Erkrankungen in der ärztli- chen Praxis einnehmen, sowie auf die Notwendigkeit detaillierter ärztlicher Kenntnisse und Fortbildung.

Priv.-Doz. Dr. med.

Matthias Volkenandt Prof. Dr. med. Gerd Plewig Dermatologische Klinik und Poliklinik

der Ludwig-Maximilians-Universität München

Frauenlobstraße 9 80337 München

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M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

(48) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997

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